Der Große Aufguss, Teil eins: Die Besten und die Klügsten

Lesedauer 12 Minuten
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Nachdem John Michael Greer nun die ersten drei Teile seiner Serie  The Great Rehash (= Aufguss, hier im übertragenen Sinne: minderwertige Wiederholung oder Imitation von etwas bekanntem ) in Anspielung auf den “Great Reset” veröffentlicht hat, habe ich hier den ersten Teil übersetzt, in dem Greer auf Klaus Schwab und dessen Buch “Covid-19:  The Great Reset” eingeht.

Titel des Originals: The Great Rehash, Part One: The Best and the Brightest

Link auf das Original: https://www.ecosophia.net/the-great-rehash-part-one-the-best-and-the-brightest/

Beginn der Übersetzung

Der Große Aufguss, Teil eins: Die Besten und die Klügsten

20. Juli 2022 von John Michael Greer

Der Juli scheint eine gute Zeit für Explosionen zu sein, und das nicht nur beim Feuerwerk zum vierten Juli in den USA. In diesem Monat sprengte bereits eine Bombe ein umstrittenes Denkmal im ländlichen Georgia in die Luft, während auf der anderen Seite der Welt in Sri Lanka ein wütender Mob den Präsidentenpalast stürmte und den Präsidenten ins Exil trieb. Diese beiden Ereignisse haben mehr gemeinsam, als der erste Blick vermuten lässt. Ein langweiliges Buch in einem tristen blauen Einband, das auf dem Beistelltisch neben meinem Sofa liegt, wird helfen, die Verbindung zwischen ihnen zu erklären.

Das Buch heißt Covid-19: The Great Reset (Die deutschen Ausgabe hat eine schwarzen Einband und hat den Titel: Covid-19: Der Große Umbruch) von Klaus Schwab und Thierry Malleret. Es wurde 2020 von der Hauspresse von Schwabs Lieblingsorganisation, dem Weltwirtschaftsforum (WEF), veröffentlicht und erhielt das übliche Lob von den üblichen Experten im angeblich seriösen Teil der Konzernmedien. Etwas weniger häufig erregte es auch die Aufmerksamkeit von Verschwörungstheoretikern auf der ganzen Welt, die daraus das gleiche Heu machten, das sie vor zwei Jahrzehnten aus George Bushs unbedachter Bemerkung über eine “neue Weltordnung” machten. Wenn man heutzutage in vielen Kreisen vom “Great Reset” spricht, kann man mit der gleichen Reaktion rechnen, die man erwarten würde, wenn man in der afroamerikanischen Nachbarschaft über den Ku-Klux-Klan spricht.

Es gibt triftige Gründe für diese Reaktion, auch wenn diese nicht zu den Punkten gehören, die ein durchschnittlicher oder gewöhnlicher Verschwörungstheoretiker wahrscheinlich als erstes im Gespräch erwähnen wird. Auch diese Gründe bedürfen einer kleinen Erklärung. Um zu verstehen, warum ein so fades und inkonsequentes Buch wie Covid-19: The Great Reset den Ruf eines modernen Mein Kampf hat, ist es hilfreich, von einem anderen Punkt auszugehen: der einfachen Tatsache, dass das Buch verblüffend unoriginell ist.

Wahrscheinlich muss man in den 1970er Jahren gelebt haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie unbeirrbar Schwab und Malleret in einem ausgetretenen Pfad stapfen. Die Bücher seriöser Denker, die eine Vorlage für den Aufbau einer neuen und besseren Gesellschaft bieten wollten, standen damals in den Regalen, und an den Universitäten waren Kurse zu diesem Thema der letzte Schrei. Ein Beispiel aus meiner Sammlung soll Ihnen einen Eindruck vermitteln: Der Titel lautet Reordering the Planet: Constructing Alternative World Futures  (dt.: Neuordnung des Planeten: Konstruktion einer alternativen Zukunft der Welt) – keine falsche Bescheidenheit! – und die Autoren sind Louis René Beres und Harry R. Targ. Es wurde 1974 von Allyn and Bacon, einem der großen Lehrbuchverlage der damaligen Zeit, veröffentlicht. Eine Universitätsbuchhandlung verkaufte es für 4,95 Dollar, als es neu war (und das war damals eine ordentliche Summe für ein Buch); ich habe es vier Jahrzehnte später in einem Antiquariat für fünfzig Cent bekommen, was darauf schließen lässt, wie gut sich seine Schlussfolgerungen erhalten haben.

Ganze Wälder wurden abgeholzt, um die Regale der Buchhandlungen mit Bänden wie diesem zu füllen. Einer der Hauptverantwortlichen für die Überschwemmung war der berühmte Club of Rome, eine vom italienischen Automobilmagnaten Aurelio Peccei gegründete Organisation von Führungskräften, die alle Probleme der Welt lösen sollte. Die meisten Menschen kennen den Club of Rome heute nur noch wegen seiner ersten bedeutenden Veröffentlichung, Die Grenzen des Wachstums. Dabei handelte es sich um eine fähige Studie, die zeigte, dass industrielles Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden kann, weil die Kosten des Wachstums schließlich schneller steigen als der Nutzen, so dass das Wachstum schließlich dem Niedergang weichen muss. (Ja, das hat sie gezeigt. Es amüsiert mich immer wieder, dass so wenige der Leute, die über Die Grenzen des Wachstums gekreischt haben oder immer noch kreischen, auch nur die geringste Ahnung davon haben, was darin tatsächlich steht.)

Die mittlere Simulation der “Grenzen des Wachstums”. Sehen Sie irgendwelche plötzlichen apokalyptischen Zusammenbrüche? Nein, ich auch nicht. (Anm. d. Übers.: Eine  etwas unfangreichere, farbige Version dieser Grafik, in die Gail Tverberg ungefähr das Jahr 2019 markiert hat, hatte ich in https://www.freizahn.de/2019/03/ueber-rueckzuege/ verwendet.)

Was die meisten Menschen heutzutage offenbar nicht mehr wissen, ist, dass Die Grenzen des Wachstums das erste einer ganzen Reihe von Büchern war, die vom Club of Rome herausgegeben wurden:  Mankind at the Turning Point (1975), Reshaping the International Order (1976), Goals for Mankind (1977) und so weiter. Es handelte sich dabei nicht um seriöse Studien im Sinne von Die Grenzen des Wachstums – sie hatten nichts Originelles zu sagen und boten dabei weder Modelle noch Beweise an – und die meisten von ihnen ignorierten stillschweigend die harte Logik, die im Mittelpunkt dieser früheren Studie stand. Dennoch wurden sie alle von den üblichen Experten der angeblich seriösen Medien gelobt, und alle verschwanden spurlos. Der Club of Rome ist auch heute noch dabei; auf seiner Website wird derzeit ein neuer Band mit dem Titel Earth for All: A Survival Guide for Humanity (dt.: Erde für alle: Ein Überlebensleitfaden für die Menschheit) angekündigt.

Wenn Sie sich die Zeit nehmen, einen dieser Bände zu lesen, und dann Covid-19: The Great Reset in die Hand nehmen, werden Sie sofort die Identität von Stil und Inhalt erkennen. Die gesamte Literatur über planetarische Predigten, die wir hier erörtern, verwendet dieselben, sehr begrenzten Argumente und liefert dieselben, völlig vorhersehbaren Erklärungen. Sie alle gehen davon aus, dass die Welt aus dem einen oder anderen Grund in großen Schwierigkeiten steckt und die Menschheit an einem Wendepunkt steht. (Diese letzte Metapher ist in der Literatur so allgegenwärtig wie Ameisen bei einem Sommerpicknick; Jahr für Jahr steht der Wendepunkt übrigens mit epischer Unvermeidlichkeit kurz bevor). Wenn nicht bald die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, wird die Welt von einem schrecklichen Schicksal heimgesucht, und die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, besteht darin, einen großen Teil der unverdienten Macht an Ausschüsse von gut ausgebildeten und zertifizierten akademischen Experten zu übertragen, die mit Sicherheit alle unsere Probleme lösen und uns in eine aufregende neue Zukunft führen werden.

Diese Bücher sind so vorhersehbar wie Telefonbücher und wesentlich weniger unterhaltsam zu lesen. Sie sind allesamt im faden, unverdaulichen Prosastil der intellektuellen Berufsklasse verfasst und schlingern in der für diese Klasse üblichen anmutlosen Art durch ihre vorbereiteten Abläufe, als würde ein Nashorn versuchen, Ballett zu tanzen. Obwohl sie vorgeben, eine Vielzahl unterschiedlicher Probleme anzugehen, sind ihre Lösungsvorschläge alle ziemlich gleich: mehr Technologie, mehr Bürokratie, mehr zentralisierte Kontrolle und vor allem mehr Gehälter für mehr Experten. Das wiederum ist der Grund, warum ihre Vorschläge in den Vereinigten Staaten einerseits und im Rest der außereuropäischen Welt andererseits so zuverlässig ignoriert wurden.

Die Menschen in den Vereinigten Staaten ignorieren solche Vorschläge, weil wir dieses Experiment ausprobiert und festgestellt haben, wie schlecht es funktioniert hat. 1961 machte sich die neue Regierung von John F. Kennedy daran, die Außenpolitik der USA zu verbessern, indem sie das Außenministerium mit den “Besten und Klügsten” besetzte, was im damaligen Kontext eine Schar von Intellektuellen bedeutete, die frisch von den Universitäten der Ivy League kamen und die neuesten modischen Ideen auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen vertraten. Diese Experten führten die USA geradewegs in den Sumpf des Vietnamkriegs und belasteten das Militär mit einer Flut widersprüchlicher Forderungen, die einen Sieg unmöglich und einen Rückzug inakzeptabel machten.

Ein Jahrzehnt später wies der Journalist David Halberstam in seinem brillanten Buch The Best and the Brightest  (dt.: Die Besten und die Klügsten) mit feinem Sinn für Ironie darauf hin, dass das amerikanische Debakel in Vietnam nicht trotz, sondern wegen der intellektuellen Exzellenz und der akademischen Referenzen von JFKs “Senkrechtstartern” passierte. So wie ein theoretischer Physiker nicht die richtige Person ist, um Ihre Abflüsse zu reparieren – dafür brauchen Sie einen Klempner -, so ist ein Universitätsabsolvent mit einem Kopf voller Abstraktionen nicht die richtige Person, um sich mit den harten Realitäten der Außenpolitik zu befassen. Wie das Sprichwort sagt, gibt es in der Theorie keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, aber in der Praxis gibt es sehr wohl einen.

Diese Erkenntnis – dass Fachwissen zu seiner eigenen Nemesis wird – war die Einsicht, zu der die meisten gegenkulturellen Denker der 1960er und 1970er Jahre nie ganz gelangten, und ihr Fehlen trug wesentlich dazu bei, dass ihre Bewegung zur Bedeutungslosigkeit verdammt war. Ich denke dabei vor allem an zwei Autoren, die mich in meinen Teenager- und Zwanzigerjahren am stärksten beeinflusst haben: Theodore Roszak und William Irwin Thompson. Beide traten mit zwei Büchern auf den Plan, die die intellektuellen Grundlagen des Zeitalters in Frage stellten – Thompson mit At the Edge of History and Passages About Earth (dt.: Am Rande der Geschichte und Passagen über die Erde), Roszak mit The Making of a Counter Culture  (dt.: Die Entstehung der Gegenkultur)und dem magistralen Where The Wasteland End  (dt.: Wo das Ödland endet)-, und beide scheiterten danach, unfähig, über ihren selbstgewählten Status als die Schlaumeier im Raum hinauszukommen. Beide scheiterten daran, die zentrale Einsicht der griechischen Tragödie in der Praxis anzuwenden, obwohl sie sie in der Theorie begriffen hatten: die Identität von arete und hamartia, der höchsten Vortrefflichkeit und des fatalen Fehlers. Keiner von ihnen konnte sich eine Zukunft vorstellen, in der die industrielle Zivilisation und ihre gegenkulturellen Gegner gemeinsam untergehen würden, nicht trotz, sondern wegen ihrer Stärken.

Der größte Teil der Welt hat diese Einsicht im Laufe der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts auf unterschiedliche Weise gewonnen. In diesen Jahrzehnten strömte ein ständiger Strom von an Universitäten ausgebildeten Experten aus Europa und Amerika in die meisten nicht-industrialisierten Länder der Welt, ausgestattet mit kunstvollen Plänen, die den Lebensstandard anheben und westliche Werte verbreiten sollten. Diejenigen Pläne, die nicht gänzlich scheiterten – und viele von ihnen taten genau das -, entpuppten sich als Profitbringer für multinationale Unternehmen mit Sitz in Europa oder den Vereinigten Staaten, die ihre Gastländer mit himmelhohen Schulden und sehr oft auch mit anderen Kosten belasteten.

Die meisten Regierungen auf der ganzen Welt haben daher früher oder später gelernt, dass es die beste Strategie ist, zu lächeln und zu nicken, wenn ernsthafte junge Wissenschaftler mit Doktortitel aus Harvard oder Oxford kommen, und dann dafür zu sorgen, dass die eigene Regierung alles tut, um Sand ins Getriebe zu streuen, wohl wissend, dass die ernsthaften jungen Wissenschaftler irgendwann aufgeben und nach Hause gehen werden. Da die Wissenschaftler in der Regel von einem Industriestaat unterstützt wurden, zu dem man gute Beziehungen unterhalten musste, war es selten eine praktikable Strategie, sie aus dem Land zu werfen oder ihnen in den Rücken zu schießen und die Schuld für die Tötung auf Wilderer zu schieben, aber die Kosten, wenn man sie gewähren ließ, reichten im Allgemeinen von einer wirtschaftlichen und politischen Krise bis hin zum völligen Zusammenbruch des Landes.

Europa ist die einzige Ecke der Welt, die nicht mit den schlimmsten Aspekten der Nachteile von Expertise konfrontiert wurde. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, dass Europa nach wie vor das bevorzugte Jagdrevier der aktuellen Generation der “Besten und Klügsten” ist. Der Club of Rome wäre wahrscheinlich schon vor langer Zeit verspottet worden, wenn es sich um den Club of Memphis, Mumbai oder Montevideo gehandelt hätte, und auch das Weltwirtschaftsforum von Klaus Schwab ist sehr darauf bedacht, seinen Sitz sicher in Europa zu halten. Seine jährlichen Partys in Davos ziehen zwar eine beträchtliche amerikanische Klientel an, aber die amerikanischen Reichen haben seit der Kolonialzeit einen peinlichen Minderwertigkeitskomplex gegenüber ihren europäischen Pendants, und sie freuen sich wahrscheinlich einfach darüber, mit den coolen Kids ins Clubhaus gelassen zu werden.

Daher wiederholen europäische Intellektuelle wie Klaus Schwab immer wieder dieselbe düstere Rhetorik und bringen dieselben abgedroschenen Pläne zur Neuordnung des Planeten hervor. Währenddessen tolerieren europäische Politiker das metastatische Wachstum der Europäischen Union, die genau die Art von sich ständig ausbreitendem bürokratischem Wust ist, der niemandem Rechenschaft schuldig ist und der die feuchten Träume von Möchtegern-Weltreformern bevölkert. Es ist nicht verwunderlich, dass die überprivilegierten Klassen hier in den Vereinigten Staaten sehnsüchtig über den Atlantik blicken, in der Hoffnung, dass auch sie eines Tages eine bürokratische Oligarchie errichten können, die demokratische Institutionen ignoriert und per Edikt regiert, so wie es die EU tut – und es ist auch nicht verwunderlich, dass Menschen, die diese Aussicht nicht so attraktiv finden, Klaus Schwab und seinen Great Reset zu einem bequemen Brennpunkt für ihren Zorn gemacht haben.

Zugegeben, Schwab ist ein leichtes Ziel. Er ist Professor mit Abschlüssen in Wirtschaftswissenschaften, technischem Management und öffentlicher Verwaltung und damit ein klassisches Beispiel für einen Intellektuellen, der sich hoffnungslos in einem Labyrinth abstrakter Tagträume verliert. Er ist auch der Gründer und geschäftsführende Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums und der Erfinder und Förderer des “Stakeholder-Kapitalismus”. Was, werden Sie sich fragen, ist “Stakeholder-Kapitalismus”? Es handelt sich um ein System, in dem die Unternehmen gezwungen sind, ihre Aktivitäten an eine Reihe von ideologischen Grundsätzen anzupassen, die von außen auferlegt werden, die nicht in Frage gestellt werden dürfen und die Vorrang vor so geringfügigen Fragen wie der Erzielung eines ausreichenden Gewinns haben, um im Geschäft zu bleiben. (Im Deutschland der 1930er Jahre wurde derselbe Gedanke als Gleichschaltung bezeichnet, wenngleich die betreffende Ideologie etwas anders gelagert war). An diesem Punkt hat Schwabs Spielerei große Überschneidungen mit der ESG-Mode (Environmental, Social and Governance, dt. Umwelt, Soziales und Unternehmensführung), die Unternehmen nach ihrer Konformität mit derselben Ideologie einstuft und versucht, Investitionsgelder in Unternehmen mit einem hohen ESG-Rating zu locken, unabhängig davon, ob sie Gewinne erzielen können.

Die Folgen einer solchen Denkweise sind nicht gut, und hier kommen wir nach Sri Lanka, wo die Regierung gerade Soldaten auf die Straße schickt, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Das sollte eigentlich nicht passieren. Im Jahr 2018 veröffentlichte der sri-lankische Premierminister Ranil Wickremesinghe einen Aufsatz auf der Website des Weltwirtschaftsforums, in dem er ankündigte, dass sein Land bis 2025 reich werden würde. Seine Strategie, um dieses Ziel zu erreichen, bestand darin, eine ganze Reihe von WEF-Diktaten zu befolgen, und er tat dies mit einem solchen Enthusiasmus, dass Sri Lanka ein nahezu perfektes ESG-Rating von 98 erhielt, das sogar das von Schweden übertraf.

Wie sich jedoch herausstellte, gilt der Spruch “get woke, go broke” (“werde ‘woke’, gehe pleite”) nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Länder. Die hochgelobten WEF-Programme haben die Wirtschaft Sri Lankas in den Ruin getrieben, den Agrarsektor des Landes zerstört, eine halbe Million Menschen in extreme Armut gestürzt und einen wütenden Mob durch die Türen des Präsidentenpalastes getrieben. Premierminister Wickremesinghe und Präsident Gotabaya Rajapaksa sind beide zurückgetreten, Rajapaksa ist aus dem Land geflohen. Der überschwängliche Aufsatz des ehemaligen Premierministers Wickremesinghe ist übrigens in den letzten Tagen plötzlich von der WEF-Website verschwunden.

(Dieselben WEF-Programme werden übrigens derzeit in den Niederlanden auf die Landwirtschaft angewandt, und die kanadische Regierung ist dabei, sie ebenfalls einzuführen. Vielleicht können der niederländische Premierminister Mark Rutte und der kanadische Premierminister Justin Trudeau anrufen und Rajapaksa bitten, für sie zu reservieren, wenn das Unvermeidliche geschieht).

Das heißt, es ist keine gute Idee, die Zukunft des eigenen Landes einer Gruppe selbsternannter Experten zu überlassen, die davon überzeugt sind, dass ihre Beherrschung von Abstraktionen sie unfehlbar macht. Ihre eigene Zukunft oder die Ihrer Familie denselben Experten zu überlassen, ist nicht besser. Was auch immer es wert ist, Covid-19: The Great Reset warnt eindringlich vor dieser Tatsache, da es mehrere weitreichende und zuversichtliche Vorhersagen macht, die bereits durch die Ereignisse widerlegt wurden. Schwab und Malleret betonten im Jahr 2020, dass die Inflation im Zuge von Covid-19 kein Problem darstellen würde. (Zugegeben, das taten auch alle anderen Verantwortlichen, was beweist, dass völlige wirtschaftliche Ahnungslosigkeit kein Hindernis für einen hohen Status ist.) Sie bestanden auch darauf, dass die Immobilienpreise fallen würden, sobald Covid aus dem Weg geräumt sei, und dass die Menschen durch die Pandemie so traumatisiert sein würden, dass sie bis in die ferne Zukunft auf Masken, soziale Distanzierung und den Rest des offiziell genehmigten Läusetheaters bestehen würden. Zwei Jahre später ist die Inflation außer Kontrolle, die Wohnkosten steigen in die Höhe, und abgesehen von einer Minderheit von Drama-Süchtigen wollen die meisten Menschen in der industriellen Welt nichts weiter, als Covid hinter sich zu lassen und wieder ein normales Leben zu führen. Das schafft nicht gerade Vertrauen in die anderen Behauptungen, die Schwab und Malleret zu bieten haben.

Die Dinge, die in Covid-19: The Great Reset weggelassen wurden sind in vielerlei Hinsicht noch aufschlussreicher als das, was hineingekommen ist. Schwab und Malleret beklagen beispielsweise, dass die von den Regierungen auferlegten Covid-19-Beschränkungen kleinen Unternehmen schaden, und geben freimütig zu, dass dies ein Problem ist, weil kleine Unternehmen weit mehr Arbeitsplätze schaffen als große Konzerne. Obwohl sie mit ihren Vorschlägen zu anderen Themen verschwenderisch sind, kamen sie irgendwie nicht dazu, Vorschläge zu machen, wie man kleinen Unternehmen helfen kann, mit den Auswirkungen umzugehen. Zwar loben Schwab und Malleret lautstark die Dienstleistungsarbeiter, deren Arbeit die privilegierten Klassen in ihren gemütlichen Heimarbeitsplätzen hält, aber das ist fast die einzige Aufmerksamkeit, die die arbeitenden Klassen in diesem Buch erhalten. Dass die arbeitenden Klassen eigene Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen haben könnten, die sich von denen unterscheiden, die von ihren soi-disant (= angeblich) Bessergestellten für sie gewählt werden – das dringt nie, aber auch gar nicht, durch den Erbsensuppennebel der Abstraktion.

Der Höhepunkt dieser Art von gewollter Blindheit gegenüber dem Offensichtlichen findet sich in dem Buch in der Erörterung der Depression als einer modernen Epidemie. Schwab und Malleret sind schnell bei der Hand, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass den Hunderten von Millionen depressiver Menschen in der Welt nach Covid psychosoziale Dienste zur Verfügung stehen – eine Einstellung, die sie zweifellos bei ihren Freunden und Mitaktionären in der Pharmaindustrie beliebt machen wird. In der Diskussion des Buches fehlt natürlich jegliches Gefühl dafür, dass die Epidemie der Depression eine tiefere Ursache haben könnte als vorübergehende, durch die Pandemie verursachte Unwägbarkeiten, geschweige denn, dass die Ursache vernünftig angegangen werden könnte.

Jeder, der einmal aus den sauerstoffarmen sozialen Blasen, in denen die Privilegierten ihre Zeit verbringen, herausgetreten ist, weiß, dass es in der Tat einen Grund gibt, warum so viele Menschen heutzutage so deprimiert sind. Wenn die Regierungspolitik, die von Intellektuellen wie Schwab und Malleret enthusiastisch unterstützt wird, ganze Bevölkerungsgruppen in Armut und Elend treibt, indem sie Arbeitsplätze abschafft und ins Ausland verlagert, Löhne und Sozialleistungen senkt und kleine Unternehmen durch bürokratische Überregulierung verdrängt, dann wird es sehr viele deprimierte Menschen geben – und das aus gutem Grund. Darauf zu bestehen, dass sie alle auf Antidepressiva gesetzt werden sollten, damit sie keine ehrliche Reaktion auf das empfinden, was ihnen angetan wurde, steht auf einer Stufe mit dem Verteilen von Pflastern an Menschen, die eine Amputation erlitten haben.

Wie die amerikanischen Soldaten in Vietnam wird also von den meisten Menschen in der heutigen Welt erwartet, dass sie sich durch einen Alptraum aus Elend und erzwungenem Scheitern quälen. Diese Erwartungen wurden ihnen auferlegt, weil so genannte Experten mit zu vielen Universitätsabschlüssen und zu wenig Kontakt zur realen Welt darauf bestanden, wie Robby Mook in Hillary Clintons zum Scheitern verurteilter Präsidentschaftskampagne, dass die offiziell anerkannten Modelle die gelebten Erfahrungen derjenigen widerlegten, die die Folgen tatsächlich aus nächster Nähe zu sehen bekommen. Das ging für Mook und seinen Arbeitgeber nicht gut aus; es geht für Wickremesinghe und Rajapaksa nicht gut aus; und alles in allem könnte es auch für Klaus Schwab nicht gut ausgehen, dessen Großer Aufguss einfach die gleichen, wiederholt gescheiterten Programme unter einem neuen Etikett auftischt. (Anm. d. Übersetzers: Deshalb wollte ich “rehash” zeitweise statt mit “Aufguss” auch mit “Abklatsch” oder mit “Neuauflage” übersetzen.)    

Das wiederum bringt uns zu den Georgia Guidestones – aber diese Diskussion wird auf einen späteren Beitrag warten müssen.

Ende der Übersetzung.

Links auf meine Übersetzungen  der  Teile dieser Serie von John Michael Greer:
  1.  www.freizahn.de/2022/08/der-grosse-aufguss-teil-eins-die-besten-und-die-kluegsten/ Hauptthema hier ist Klaus Schwabs Buch “Covid-19: The Great Reset” (Titel der dt. Ausgabe: Covid-19: Der Große Umbruch)
  2. www.freizahn.de/2022/08/der-grosse-aufguss-teil-zwei-die-kalten-augen-der-zukunft/ Hauptthema sind die Georgia Guide Stones und wie man voraussichtlich in späteren Zeiten auf unsere Zivilisation zurück blickt.
  3. www.freizahn.de/2022/08/der-grosse-aufguss-teil-drei-unsicher-und-ineffektiv/ Hauptthema sind das Ende von “Eliten” und die Covid-Impfungen.
Anmerkungen

Ich habe nun eine eigene Kategorie zu John Michael Greer angelegt:  www.freizahn.de/category/john-michael-geer/ .

Das Buch Covid-19: Der große Umbruch habe ich mir seiner Zeit gekauft und ich habe es etwas quer gelesen. Meines Erachtens werden von Klaus Schwab und damit wohl auch vom WEF ganz wesentliche Grundlagen und Probleme nicht beachtet.

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