In der Folge der industriellen Zivilisation

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Zur Einstimmung auf John Michael Greers brutal nüchterne und ernüchternde Analyse der Gegenwart und Zukunft unserer industriellen Zivilisation ist es vielleicht hilfreich, sich erst einmal das weltweit oft als Abschiedslied gesungene  Auld Lang Syne und dessen deutsche VersionNehmt Abschied Brüder ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer … Die Sonne sinkt es steigt die Nacht, vergangen ist der Tag und leis erwacht ….“ anzuhören. Im englischsprachigem Raum singt man es auch zum Jahreswechsel um der Toten des vergangenen Jahres zu gedenken.

Wie John Michael Greer in seinem im Sommer 2016 erschienen Buch Dark Age America – Climate Change, Cultural Collapse and the Hard Future ahead (dt. Dunkles Zeitalter Amerika – Klimawandel, kultureller Kollaps und die Harte Zukunft voraus) schreibt, und wie ich meine überzeugend erklärt, sind wir bereits voll dabei,  Abschied von der industriellen Zivilisation, mit all ihren Träumen, Ansprüchen und lieb gewonnenen Gewohnheiten und Gewissheiten zu nehmen oder besser gesagt nehmen zu müssen. Die Öffnung der Grenzen durch die deutsche Bundeskanzlerin im Herbst 2015 und die Übergriffe auf der Domplatte zu Silvester 2015 waren, wenn ich es mir nun vor dem Hintergrund von Greers Ausführungen sehe, klare Zeichen des beginnenden Zerfalls und Abstiegs unserer Zivilisation. Das heißt, eigentlich beginnt der Zerfallsprozess schon in den 70er Jahren als Jean Raspail sein „Heerlager der Heiligen“ veröffentlichte.

Die Rede der deutschen Bundeskanzlerin am 17. Februar 2017 anlässlich der Münchener Sicherheitskonferenz, mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung von Grenzen des Wachstums von Meadows et. al und mehr als 35 Jahre nach der Veröffentlichung von Cattons Overshoot: The Ecological Basis of Revolutionary Change, und fast 60 Jahre nach Admiral Hyman Rickovers brühmter Energie-Rede (Der Link zeigt auf eine deutsche Übersetzung!) war Merkels Rede insbesondere auch ab Position [19:30] von geradezu unerträglicher Ahnungslosigkeit geprägt.  Es ist nicht nur in Wirklichkeit so, dass multilaterale Institutionen und Verträge wegen ihrer hohen Komplexitätskosten zunehmend an Bedeutung verlieren. Es ist vielmehr auch so, dass es völlig blauäugig und ausgeschlossen ist, dass Afrika, wie Frau Merkel sich das wünscht, eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung wie Südostasien nimmt. Am Anfang ihrer Rede, ca. ab Postion [2:15] erwähnt sie die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes der letzten 25 Jahre. Nach Frau Merkel hat es sich seitdem weltweit und in den USA verdreifacht, in der EU hat es sich „nur“ verdoppelt und in China, dessen Wirtschaftswachstum Frau, wie sie am Ende der Rede erklärt, wohl auch gerne in Afrika sehen würde, hat es sich sage und schreibe verachtundzwanzigfacht. China hat damit übrigens seinen Anteil am globalen BIP auf 15 % gesteigert. Wenn die ganze Welt ihr BIP in den nächsten 25 Jahren nur verdoppelt und China das seine „nur“ noch einmal um das 13-fache steigert, dann hätte China in 25 Jahren einen Anteil am BIP der Welt von 97,5 %. Für den Rest der Welt blieben dann also nur noch klitzekleine 2,5 % Anteil am weltweiten BIP. Wenn die Welt ihr BIP auf dem heutigen Stand hält und China das seine in den nächsten 25 Jahren „nur“ versechsfacht, dann hätte China einen Anteil am globalen BIP von 90 %. Lächerliche 10 % blieben dann noch für die westlichen Industriegesellschaften, den Orient, Indien und Merkels Traum vom neuen China in Afrika. Von so schwierigen Sachen wie Umweltschutz, Klimawandel, Erschöpfung der Rohstofflager und sinkendem Nettoenergieertrag Förderung fossiler Energieträger und dem auch bei sinkender und schwieriger werdender Förderung und steigenden Eigenverbrauch  Energieexportländer, reden wir hier noch gar nicht.

Die Rede der deutschen Bundeskanzlerin in München unterstreicht jedenfalls die Richtigkeit John Michael Greers Analyse.

Im Wesentlichen möchte ich mich hier nun darauf beschränken, von Greers Buch den Umschlagtext, das Inhaltsverzeichnis, das ganze erste Kapitel und den Schluss des zweiten Kapitels zu übersetzen. In den restlichen Kapiteln diskutiert Greer unter anderem auch die Sinnhaftigkeit von Vermögensanlagen in Gold und Silber in Krisenzeiten und das schon heute in großem Umfang zu beobachtende, für Gesellschaften im Niedergang typische Sinken des Ansehens der Eliten und der mit diesen verbundenen Bereiche und Institutionen, heute der Wissenschaft, der Medizin, der Presse und anderer Institutionen. Am Schluss regt er dann zum Nachdenken darüber an, was eine in ein dunkles Zeitalter versinkende Zivilisation vielleicht noch tun kann, um einen möglichst großen Teil ihres Schatzes an teuer erworbenem Wissen, Können und Erfahrung an die irgendwann in ein paar Jahrhunderten vielleicht aus ihren Ruinen entstehende nächste Zivilisation weiterzugeben.

Ich hoffe, dass diese Kostprobe vielleicht dazu führt, dass sich ein deutscher Verleger findet, der dieses meines Erachtens auch für Deutschland und Europa wichtige Buch möglichst bald in deutscher Sprache erscheinen lässt. Wie würde die Bundestagswahl im September ausgehen, wenn ein paar Millionen Deutsche und auch einige Politiker dieses Buch rechtzeitig genug vor der Wahl lesen könnten und würden?

Konfrontation mit dem unvermeidbaren Kollaps

…. mutig, überlegt, zeitgerecht und gut recherchiert … dieses intelligent argumentierte, zum Nachdenken anregende und wichtige Werk wird ihre Art und Weise zu denken in Frage stellen und sie dazu anstoßen sinnvolle, vorbereitende Aktionen zu unternehmen.

Dave Pollard, Autor, How to Save the World

Greer demonstriert das ökologischer, politischer und wirtschaftlicher und technologischer Niedergang nicht nur unvermeidbar ist, sondern bereits gut unterwegs ist. Wie der Untergang sich entfaltet und ob irgendwelche Angehörige unserer Spezies überleben, könnte gut davon bestimmt werden, welche Entscheidungen wir jetzt treffen.

Carolyn Baker, PhD, Autor, Love in the Age of Ecological Apocalypse und Collapsing Consciously.

John Michael Greer argumentiert, dass sich die Tür zu einer nachhaltigen Zukunft nach Jahrzehnten verpasster Möglichkeiten geschlossen hat und dass die Zukunft, der wir nun entgegensehen eine Zukunft ist, in der die Zivilisation der Industriegesellschaften zerfallen und mit unkontrolliertem Klimawandel und Ressourcenerschöpfung konfrontiert werden wird.

Wie wird die Welt aussehen, wenn all diese Veränderungen ihren Lauf genommen haben? Greer versucht diese Frage mit einiger Genauigkeit zu beantworten, denn Zivilisationen pflegen in bemerkenswert ähnlicher Weise zu kollabieren.

Dark Age Amerika versucht dann die Geschichte des Kollapses im Voraus aufzuzeichnen, um uns eine Vorstellung davon zu geben, wie die nächsten 500 Jahre aussehen werden, wenn die Globalisierung endet und die nordamerikanische Zivilisation das Ende ihres Lebenszyklus erreicht und die Stufen des Abstiegs und Untergangs betritt.

Auf viele Arten ist dies John Michael Greers kompromisslosestes Werk, obwohl es sehr wohl Anlass zur Hoffnung bietet. Zu wissen, wohin wir kollektiv unterwegs sind ist ein entscheidender Schritt, um konstruktiv auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren und zu tun was wir können, um für unsere Nachkommen das Beste aus der Welt zu machen, die wir ihnen hinterlassen.

„….. selbst wenn man im Bezug auf die Zukunft anderer Meinung ist als Greer, wird man sehr viel aus seiner Untersuchung der relevanten Vergangenheit der Menschheit lernen.“

Richard Heinberg, Autor von Das Ende des Wachstums

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John Michael Greer, Historiker von Ideen und einer der einflussreichsten Autoren, die die Zukunft der Industriegesellschaft untersuchen, schreibt den viel zitierten Blog „The Archdruid Report“ und hat mehr als dreißig Bücher veröffentlicht. …… Er lebt in Cumberland, einer alten Fabrikstadt in den Appalachen, im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, mit seiner Frau Sarah

Inhaltsverzeichnis:

Titel Seite
1.  Die Folge der industriellen Zivilisation1 1
2. Das ökologische Nachspiel2 15
3. Demographische Konsequenzen 39
4. Der politische Zusammenbruch 59
5. Der wirtschaftliche Kollaps 91
6. Der Selbstmord der Wissenschaften 123
7. Die Abenddämmerung der Technologie 149
8. Die Auflösung der Kultur 177
9. Die Straße zu einer Renaissance 199
Schlußnote 227
Bibliographie 231
Index 239
Über den Autor 247
Eine Bemerkung über den Verlag 248

Anmerkung zur nun folgenden, weiteren Übersetzung: Um die Orientierung im Text beim Lesen zu erleichtern, habe ich im Folgenden ungefähr analog zu den Buchseiten Trennzeilen mit der Seitenzahl eingefügt. Wenn in einem Absatz hätte getrennt werden müssen, dann habe ich die Trennlinie mit der Seitenzahl möglichst erst nach dem Absatz platziert. Fußnote und zugehörige Einträge im Literaturverzeichnis habe ich jeweils zusammengefasst und die Bücher wo möglich auf Amazon.de verlinkt.

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1. Kapitel

Die Folge der industriellen Zivilisation

Seit mehr als vier Jahrzehnten warnen Wissenschaftler vor den unvermeidbaren Konsequenzen, die es hat, wenn man versucht endloses Wachstum auf einem endlichen Planeten zu realisieren.3 Seit dieser Zeit – während die Grenzen des Wachstums mehr und mehr klar  am Horizont unserer Zukunft sichtbar wurden, hat sich ein bemerkenswertes Paradox entfaltet. Je näher wir diesen Grenzen kommen, je mehr sie unser tägliches Leben beeinflussen, und je klarer unsere gegenwärtige Flugbahn auf die Ziegelmauer einer schwierigen Zukunft zielt, desto weniger können sich scheinbar die meisten Leute in der Industriegesellschaft irgend eine Alternative dazu vorstellen, die existierende Ordnung der Dinge weiterzuführen bis die Räder abfallen.

Das ist in vielen Ecken der aktivistischen Community genauso wie in den unrenoviertesten Vorstandsetagen. Für zu viele der heutigen Umweltaktivisten ist erneuerbare Energie nicht etwas, das sie selbst produzieren sollten, es sei denn sie sind reich genug, sich die Fotovoltaiksysteme auf dem Dach zu leisten, die das neueste Statussymbol in den vor städtischen Wohngebieten an beiden Küsten geworden sind4. Sie, also die Energie, ist sicher nicht etwas das sie konservieren, also bewahren und sparen sollten. Vielmehr ist sie etwas, wovon man erwartet dass Versorgungsunternehmen und Regierung es so schnell wie möglich produzieren, sodass die Amerikaner weiterhin dreimal so viel Energie pro Kopf verbrauchen können wie ein durchschnittlicher Europäer und 20 mal so viel wie ein durchschnittlicher Chinese.

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Diese Art Enthusiasmus für den Wandel, der in der Aktivisten Community zum Vorschein kommt, konzentriert sich im Großen und Ganzen auf Welt verändernde Ereignisse der einen oder anderen Art. Wie es nun mal so ist, haben wir gerade jetzt einen ernsthaften Mangel an Welt verändernden Ereignissen. Dafür gibt es gute Gründe, genauso wie es genauso starke, wenn auch nicht genauso gute, Gründe dafür gibt, dass so viele Leute all ihre Hoffnungen auf ein Welt verändernde Ereignis der einen oder anderen Art heften. Therapeuten pflegen darauf hinzuweisen, dass man, wenn man immer das tut, was man immer getan hat, man immer das Ergebnis bekommt, das man immer bekommen hat und schließlich ist es ein Truismus (=Binsenwahrheit) geworden (obwohl es ebenso eine Wahrheit ist), dass immer dasselbe zu tun und andere Resultate zu erwarten eine brauchbare Definition für Verrücktheit ist.

Der Versuch einen Weg zu finden, um dieser harten aber unentrinnbaren Logik auszuweichen ist die Kraft, die die prophetische Hysterie über 2012 angetrieben hat und die mehr im allgemeinen zu Weltende-Wahnvorstellungen führt: wenn einen die Aussicht, die eigene Art zu leben zu ändern, in Angst und Schrecken versetzt, aber der Gedanke an die Konsequenzen der aktuellen Art zu leben, einen genauso in Angst und Schrecken versetzt, dann sind Tagträume,  in denen eine von außen kommende Kraft kommt und alles für einen verändert eine bequeme Möglichkeit, um eigenes Nachdenken über die Zukunft, die man für sich selbst macht zu vermeiden.5 unglücklicherweise ist diese Art des Tagträumens sehr viel üblicher geworden als jene Art konstruktiver Taten, die tatsächlich einen Unterschied machen könnten.

Diese harte Tatsache garantiert ziemlich sicher eine Zukunft, die nach fast allen vorstellbaren Definitionen wesentlich schlimmer ist als die Gegenwart. Die Schwierigkeit hier ist, dass der Glaube an die Aussicht auf eine bessere Zukunft so tief in allen von uns verankert ist, dass der Versuch dagegen zu argumentieren ein wenig so ist als ob  man einem mittelalterlichen Bauern erzählen würde, dass der Himmel mit all seinen Heiligen und Engeln nicht mehr da ist. Die Hoffnung, dass morgen besser als heute sein wird oder sein kann oder zumindest sein sollte ist in der kollektiven Vorstellung von der modernen Welt fest verdrahtet. Hinter diesem Glauben liegt das immense Beharrungsvermögen von 300 Jahren industrieller Expansion, die den billig erreichbaren Anteil der fossilen Brennstoffreserven der Erde für einen kurzen Zeitabschnitt des Überflusses verwertet haben, der so extrem ist, dass Müllsammler im heutigen Amerika Zugriff auf Dinge haben, die vor dem Beginn der  industriellen Revolution nicht einmal Kaiser bekommen konnten.

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Dieses Zeitalter der Extravaganzen hat die Art, wie Leute heute über nahezu alle Dinge denken, gründlich gewandelt – in den Begriffen der Realität des menschlichen Lebens vor und nach unserem Zeitalter dürfte „verzerrt“ ein besseres Wort als „gewandelt“ sein. Insbesondere hat es uns blind gemacht für die ökologischen Realitäten, die den fundamentalen Kontext für unser Leben liefern. Es hat zum Beispiel fast alle von uns dazu gebracht, zu denken, dass unbegrenztes exponentielles Wachstum möglich, normal und gut ist. So kommt es, dass selbst trotz der desaströsen Konsequenzen unbegrenzten exponentiellen Wachstums,  deren Meldung in unsere Gesellschaft eine nach der anderen einschlägt, wie die Wellen, die eine Sandburg treffen, die große Mehrheit der Menschen heute noch immer ihre Vision von der Zukunft auf der Fantasie aufbaut, dass Probleme, die vom Wachstum verursacht wurden durch noch mehr Wachstum gelöst werden können6.

Das verzerrte Denken, das wir von drei Jahrhunderten nicht nachhaltigem Wachstum geerbt haben, kommt selbst bei jenen mit voller Kraft zum Tragen, die denken dass sie dagegen an arbeiten. Aktivisten des gesamten politischen Spektrums haben rhetorisch seit Generationen über die Schrecken gepredigt, die die Zukunft auf Lager hat, sicher, aber sie bieten immer einen Ausweg – die Adoption der Agenda für die sie werben – und die führt geradewegs zu einem strahlenden neuen Morgen, in dem die harten Grenzen der Gegenwart irgendwie nicht länger zu existieren scheinen. (Entferne die abgegriffene Wendung „der einzige Weg zur Rettung einer besseren Zukunft aus den Klauen des drohenden Desasters“ aus der Rhetorik der heutigen Aktivisten zu diesem Zweck, und man stellt in den meisten Fällen fest, dass nur sehr wenig übrig bleibt.)

Jedoch, die strahlende neue Zukunft, die uns allen versprochen wurde, wird nicht kommen. Das ist die schlechte Nachricht, die uns von der sich entfaltenden Kollision zwischen der Industriegesellschaft und den nicht nachgebenden Grenzen der Biosphäre des Planeten übermittelt wird. Peak Oil, globale Erwärmung, und all die anderen Krisen, die überall auf der Welt zusammenkommen, sind alle Manifestation einer einzigen grundlegenden Ursache: der Unmöglichkeit unbegrenzten Wachstums auf einem begrenzten Planeten. Sie sind Warnsignale, die uns sagen, dass wir in den Bereich vollen Überschwingens (engl.Overshoot) gekommen sind – der Zustand mit dem Ökologen vertraut sind, in dem eine

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Spezies, die sie stützende Ressourcenbasis überlastet7 – und sie sagen uns ebenfalls, dass das Wachstum nicht einfach aufhört; es wird sich umkehren, und diese Umkehr wird sich fortsetzen bis unsere Population, Ressourcenverbrauch, und Abfallproduktion auf ein Niveau gefallen, sind das nachhaltig über eine lange Zeit von dem beschädigten Ökosystem des Planeten getragen werden kann.

Das bittere Ergebnis könnte vielleicht verhindert worden sein, wenn wir kollektiv entscheidende Maßnahmen getroffen hätten, bevor wir in den Bereich des Überschießens gekommen sind. Wir haben es nicht getan und zum jetzigen Zeitpunkt ist das Fenster der Möglichkeit fest verschlossen. Nahezu alle Vorschläge, die momentan zur Debatte gestellt werden, um mit den Symptomen des globalen Überschießens fertig zu werden, gehen stillschweigend oder ausdrücklich davon aus, dass dies nicht der Fall ist und dass wir noch so viel Zeit haben, wie wir benötigen. Solche Vorschläge sind verschwendeter Atem und wenn irgendwelche von ihnen umgesetzt werden – und einige von ihnen werden sehr wahrscheinlich umgesetzt, wenn die heutige Selbstgefälligkeit der morgigen heftigen Panik weicht – so werden die Ressourcen, die dafür aufgewendet werden, ebenso verschwendet werden.

Daher denke ich, dass es Zeit ist, ein anderes und mehr herausforderndes Projekt zu verfolgen. Wir könnten eine bessere Zukunft gehabt haben, wenn wir die rechten Dinge getan hätten, als noch genug Zeit war, aber wir haben es nicht getan. Welche Art Zukunft können wir vor diesem Hintergrund erwarten?

In den Geschichtswissenschaften gibt es für diese Art Zukunft einen Standardausdruck. Der Ausdruck heißt „dunkles Zeitalter“.

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Diese Bezeichnung stammt tatsächlich aus einer Zeit, die vor jener Zeitperiode lag, für die dieser Begriff heute meistens verwendet wird. Marcus Terentius Varro (*116 v.Chr +27 v. Chr), der für den gebildetsten römischen Gelehrten seiner Zeit gehalten wurde, teilte die Geschichte, die ihm bekannt war in drei Zeitalter: ein Zeitalter der Geschichte, für das es schriftliche Berichte gibt; vor diesem, ein Zeitalter der Fabeln, aus dem mündliche Überlieferungen überlebt haben; und vor diesem, ein dunkles Zeitalter, über das niemand irgendetwas weiß.8 Das ist eine einfache, aber überraschend nützliche Unterteilung. Selbst in jenen dunklen Zeitaltern, in denen Lesen und Schreiben als lebendige Tradition überlebten, sind die Berichte extrem spärlich und wenig hilfreich, und wenn die Aufzeichnungen wieder beginnen, sind sie für eine ziemlich lange Zeit danach mit Fabeln und Legenden überzogen. In einem dunklen Zeitalter zerreißt der Faden der kollektiven Erinnerung und der kulturellen Kontinuität, die Enden sind verloren und ein neuer Faden muss gesponnen werden, aus was auch immer an Rohmaterial gerade zur Hand ist.

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Dunkle Zeitalter dieser Art sind ein wiederkehrendes Phänomen in der Geschichte der Menschheit. Der Prozess, durch den sie entstehen hat einen bemerkenswerten Grad der Ähnlichkeit, selbst wenn die Zivilisationen, die ihnen vorausgehen sich in jeder denkbaren Weise unterscheiden. Der Historiker Arnold Toynbee, dessen mächtiges zwölfbändiges Werk Der Gang der Weltgeschichte: Aufstieg und Verfall der Kulturen die umfassendste Studie historischer Zyklen bleibt, die jemals geschrieben wurde, hat diese merkwürdige Parallelität im Detail untersucht.9 bei ihrem Aufstieg, stellte er fest, neigt jede Zivilisation dazu, sich nicht nur von ihren Nachbarn, sondern von allen anderen Zivilisationen der gesamten Geschichte zu unterscheiden. Ihre politischen und religiösen Institutionen, ihre Künste und Architektur und all die anderen Details ihres täglichen Lebens nehmen eine bestimmte Formen an, sodass wenn sie sich ihrer Blütezeit nähert, selbst der kürzeste Blick auf eine ihrer Kreationen oft ausreicht, um ihre Quelle zu identifizieren.

Wenn die Blütezeit vorbei ist und der lange Weg des Abstiegs beginnt, dann wechselt das Muster der Unterschiedlichkeit zurück, zuerst langsam und dann mit zunehmender Geschwindigkeit. Eine merkwürdige Art der Vermischung findet statt: sich eindeutig von allen anderen Kulturen unterscheidende Eigenschaften gehen verloren und allgemein übliche Muster entstehen an ihrer Stelle. Das passiert nicht alles auf einmal, und verschiedene kulturelle Formen verlieren ihre besonderen, sie von anderen unterscheidenden Formen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber je tiefer auf der Flugbahn des Abstiegs und Falls eine Zivilisation sinkt, desto mehr entspricht sie anderen im Abstieg begriffenen Zivilisationen. Zu der Zeit, in der diese Flugbahn den Boden erreicht, ist die Übereinstimmung total; man vergleiche eine Postkollapsgesellschaft mit einer anderen – die Gesellschaften des poströmischen Europas, zum Beispiel mit der des postmykenischen Griechenlands – und es kann schwer sein zu glauben, dass derart ähnliche Gesellschaften eines dunklen Zeitalters aus den Trümmern so unterschiedlicher Zivilisationen hervorgegangen sind.

Es ist interessant zu spekulieren, warum diese Rückentwicklung zum Mittelwert eine so regelmäßige Erscheinung in der Abenddämmerung und dem Nachspiel so vieler Zivilisationen ist. Darüber hinaus hat das wiederkehrende Muster des Niedergangs und Falls eine andere Implikation – oder wenn man so will, eine andere Anwendung.

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Die moderne Industriegesellschaft, speziell aber nicht nur hier in Nordamerika, zeigt alle der üblichen Symptome einer Zivilisation auf ihrem Weg zum Komposthaufen der Geschichte. Wenn wir, wie die Evidenz nahelegt, auf dem bekannten Weg des Abstiegs und Falls gestartet sind, dann sollte es möglich sein, die Standardeigenschaften des Abstiegs detailliert aufzuzeichnen und ein ziemlich genaues Gefühl für die Zukunft zu bekommen, die vor uns liegt.

Zur Erinnerung, der Teil der Geschichte, der im Voraus erraten werden kann, bezieht sich auf breite Trends und allgemeine Muster, nicht aber auf die spezifischen Vorfälle, die einen so großen Teil der Geschichte, wie sie geschieht, ausmachen. Wie genau sich die auf das späte industrielle Amerika einwirkenden Druckkräfte, in der täglichen Realität der Politik der Wirtschaft und der Gesellschaft auswirken, wird durch das übliche Zusammenspiel von individuellen Entscheidungen und purem, dummen Glück bestimmt. Nachdem das gesagt ist, sind die breiten Trends und die allgemeinen Muster für sich betrachtet es schon wert, genauer betrachtet zu werden. Einige Dinge, die so erscheinen als würden sie in das Reich des nicht Vorhersagbaren gehören – zum Beispiel die politische und militärische Dynamik von Grenzregionen, die Beziehungen innerhalb der politischen Klasse des Imperiums, die zunehmend entrechteten unteren Klassen, und die Menschen außerhalb der Grenzen – folgen in einem historischen Fall nach dem anderen vorhersagbaren Mustern, und es deutet alles darauf hin, dass dies auch dieses Mal so ist.

Was ich faktisch behaupte ist, dass es auf eine sehr reale Weise möglich ist, die großen Linien der Geschichte Nordamerikas für die nächsten 500 Jahre oder so im Voraus zu zeichnen. Das ist eine sehr weitgehende Behauptung und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die unmittelbare Antwort zumindest eines Teils meiner Leser darin bestehen wird, diese Möglichkeit rundweg zurückzuweisen. Ich möchte diejenigen, die so reagieren ermutigen, zu versuchen eine aufgeschlossene Haltung zu bewahren.

Diese Behauptung unterstellt, dass die Lektionen der Vergangenheit tatsächlich einige Bedeutung für unsere Zukunft haben. Das ist heutzutage ein kontroverser Vorschlag, aber meiner Ansicht nach sagt diese Strittigkeit mehr über die populären Idiotien unserer Zeit aus als über die realen Fakten. Die Menschen im heutigen Amerika sind dazu übergegangen, Gedankenstopper zu verwenden wie „Aber dieses Mal ist es anders!“ Um sich davor zu schützen, irgendetwas aus der Geschichte zu lernen – eine Gewohnheit, die zweifellos Wunder für ihren heutigen Seelenfrieden bewirkt, obwohl sie ihnen ziemlich gut einen Zusammenstoß, mit dem Gesicht zuerst, mit der Ziegelwand der Miseren und des Versagens garantiert, nicht viel weiter auf ihrem Weg auf der Straße der Zeit.

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Unter den Ressourcen, die ich zu nutzen gedenke, um die Geschichte der nächsten fünf Jahrhunderte herauszufinden, ist der aktuelle Stand der Kunst in den Umweltwissenschaften, und das beinhaltet den sehr substantiellen Umfang der Evidenz und Forschung zu von Menschen verursachten klimatischen Veränderungen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass einige Leute dies als strittig ansehen und dass selbstverständlich einige sehr reiche Unternehmensinteressen eine Menge Geld investiert haben, um die Leute davon zu überzeugen, dass es kontrovers ist. Aber ich habe sehr umfassend zu allen Seiten dieses Themas gelesen und die Argumente, die dafür sprechen, anthropogene Klimaveränderungen ernst zunehmen, beeindrucken mich besonders. Ich habe dennoch nicht vor, die Sache hier zu debattieren – es gibt viele Foren dafür. Während ich beabsichtige die derzeitigen modellbasierten Schätzungen des Klimawandels und des Anstiegs des Meeresspiegels mit der Evidenz der Paleoklimatologie aufzulockern, werden diejenigen, die darauf bestehen, dass es nichts ausmacht die Atmosphäre als großen Abwasserkanal für klimaschädliche Gase zu benutzen, nicht mit allem glücklich sein, was ich zu sagen habe.

Ich beabsichtige ebenfalls den Abstieg und Fall der industriellen Zivilisation zu diskutieren, ohne zu versuchen, die härteren Dimensionen dieses Prozesses zu beschönigen. Das wird noch eine andere Garnitur Federn durcheinanderbringen. Diejenigen, die die Nachrichten verfolgen, werden zweifellos bemerkt haben, wie verzweifelt versucht wird darauf zu bestehen, dass es nicht so schlimm sein wird, wirklich nicht sein wird. Ich meine diese Versuche, die sich zu zeigen beginnen, wenn immer ein offenes Gespräch über die Zukunft durch den Nebel der kollektiven Mythologie dringt, den unsere Gesellschaft nutzt, um die Konsequenzen ihrer eigenen Aktionen nicht zu sehen. Diejenigen, die es wagen solche Wörter wie „Niedergang“ oder „dunkles Zeitalter“ zu benutzen, können darauf rechnen von Kritiken beansprucht zu werden, die ernsthaft darauf bestehen, dass eine solche Sprache zu negativ ist, dass wir selbstverständlich eine Veränderung hin zu einer anderen Art Gesellschaft entgegensehen, aber dass man dies nicht in so entmutigenden Begriffen beschreiben sollte, usw.. Und dann folgt das ganze Vokabular des obligatorischen Optimismus der unter den Privilegierten dieser Tage so in Mode ist.

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Diese Art zu reden mag bequem sein, aber sie ist nicht nützlich. Der Fall einer Zivilisation ist keine erfreuliche Aussicht – und das ist es worüber wir selbstverständlich sprechen: der Abstieg und Fall der industriellen Zivilisation, der lange Weg durch ein dunkles Zeitalter, und die ersten Regungen der nachfolgenden Gesellschaften die auf unseren Ruinen aufbauen werden. So endet der Lebenszyklus einer Zivilisation, und das ist auch die Art wie unsere gerade jetzt endet.

Was das in der Praxis bedeutet ist, dass die gewohnten Annahmen der Leute in den Industriegesellschaften über die Zukunft in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten auf dem Kopf stehen werden. Die meiste Rhetorik, die heutzutage zur Unterstützung von diesem oder jenem, oder eine andere Große Wende, die uns von den Konsequenzen unserer eigenen Taten retten wird, nimmt als Tatsache an, dass die Mehrheit der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten – oder, der Himmel hilf, in der ganzen industrialisierten Welt – sich gemeinsam um einige allgemein akzeptierte Garnituren von Werten und einige akzeptierte Aktionspläne versammeln kann und wird, um die industrielle Zivilisation vor der zunehmenden Spirale der sie umgebenden Krisen zu retten. Meine Leser dürften zur Kenntnis genommen haben, dass die Dinge sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen scheinen, und die Geschichte legt nahe, dass sie damit ziemlich richtig liegen.

Zu den Standardphänomenen des Abstiegs und Falls gehört in der Tat das Zerbrechen des kollektiven Konsenses, der einer aufstrebenden Gesellschaft die Fähigkeit gibt, gemeinsam zu handeln und vieles von allem zu erreichen. Die Spaltung zwischen der politischen Klasse und dem Rest der Bevölkerung – man kann sicherlich die einen „das eine Prozent“ und anderen „die neunundneunzig Prozent“ nennen – ist einfach die am meisten sichtbare der Bruchlinien, die durch jede absteigende Zivilisation gehen, und die sie in einen Flickenteppich abweichender Fragmente verwandeln, die konkurrierende Ideale und Agenden verfolgen. Dieser Prozess hat auch einen vorhersagbaren Endpunkt: während das zunehmend groteske Fehlverhalten der politischen Klasse dazu führt, dass diese jeden Respekt und jede Loyalität verlieren, die sie einstmals beim Rest der Gesellschaft genoss, und während die Massen sich ihres Vertrauen in die politischen Institutionen ihrer Gesellschaft entledigen, füllen charismatische Führer von außerhalb der politischen Klasse das Vakuum. Gewalt wird der normale Vermittler der Macht, und die Herrschaft des Rechts wird eine höfliche Fiktion, wenn sie nicht einfach vollständig abgeschafft wird.

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Die ökonomische Sphäre einer Gesellschaft im Niedergang ist aus verschiedenen Gründen einer parallel verlaufenden Zersplitterung unterworfen. In Zeiten wirtschaftlicher Expansion wirft die Arbeit der arbeitenden Klasse genug Profit ab um die Kosten eines mehr oder weniger komplexen Überbaus zu decken, egal ob dieser Überbau aus den Pharaonen und Priestern des alten Ägyptens oder den Bürokraten und Investmentbankern des späten industriellen Amerikas besteht. Wenn das Wachstum durch Kontraktion abgelöst wird, dann erzielt die Produktion von Gütern und Dienstleistungen nicht mehr den Profit den sie einst erzielte, aber die Mitglieder der politischen Klasse, deren Macht und Wohlstand von dem Überbau abhängt, sind vorhersagbar nicht gewillt ihren privilegierten Status zu verlieren und sie haben die Macht sich selbst auf Kosten aller anderen zu versorgen. Das zuverlässige Resultat ist ein Schrumpfen der produktiven wirtschaftlichen Aktivität, was eine im Abstieg begriffene Zivilisation von einer sie durchschüttelnd Finanzkrise zur nächsten bringt und schließlich ihre Fähigkeit zerstört, selbst die notwendigsten Güter und Dienstleistungen zu produzieren.

Als Reaktion darauf beginnen die Menschen sich aus dem wirtschaftlichen Hauptkreislauf insgesamt aus zu klinken, weil weil es weniger fruchtlos ist an den wirtschaftlichen Rändern mühsam sein Dasein zu Fristen als in einem System zu überleben, das zunehmend gegen sie manipuliert wird. Steigende Steuern, abnehmende öffentliche Dienstleistungen und systematische Privatisierung öffentlicher Güter durch die Reichen, wetteifern darum mehr und mehr Menschen gegenüber der etablierten Ordnung zu entfremden. Die Entwertung des Geldsystems, in einem Versuch die abnehmenden Steuereinnahmen auszugleichen, führt dazu, dass mehr und mehr wirtschaftliche Aktivitäten durch ohne Geld auskommende Formen des Austauschs ersetzt werden. Während das Geldsystem versagt werden im Gegenzug große Wirtschaftsaktivitäten unmöglich; die Wirtschaft zersplittert und vereinfacht sich bis zur einfachen wirtschaftlichen Subsystemen mit lokalen Ressourcen, die gelegentlich durch Plünderungen angereichert werden. Das wird die einzige überlebende Form der wirtschaftlichen Aktivität.

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Zusammengenommen schicken diese Muster der politischen Fragmentierung und des wirtschaftlichen Zerfalls die politische Klasse einer versagenden Zivilisation mit den Füßen zuerst auf eine Reise durch die Ausgangstüren der Geschichte. Die einzigen Fähigkeiten die ihre Mitglieder im Großen und Ganzen haben, sind jene die nötig sind um komplexe politische und wirtschaftliche Hebel ihrer Gesellschaft zu manipulieren, und ihre Macht hängt vollständig von der aktiven Loyalität ihrer Untergebenen ab, die ganze Kommandokette hinunter, und vom passiven Gehorsam des Rests der Gesellschaft. Der Kollaps der politischen Institutionen nimmt der politischen Klasse jeden Legitimitätsanspruch; der Zusammenbruch des Wirtschaftssystems begrenzt ihre Fähigkeit die Loyalität jener zu kaufen, die sie nicht länger inspirieren können; der Zusammenbruch der Hebel der Kontrolle nimmt ihren Mitgliedern die einzige tatsächliche Macht die sie hatten; und das ist der Punkt, wenn sie sich in die Lage versetzt sehen, um Anhänger zu konkurrieren, mit den charismatischen Führern die gerade von den niedrigeren Rängen der Gesellschaft aufsteigen. Sehr viel öfter als nicht kommt das Endspiel dann, wenn die politische Klasse versucht die aufsteigenden Führer der Entrechteten an zu heuern um mit diesen eine Quelle der Kraft zu haben um den Rest der Bevölkerung kontrollieren zu können. Die politische Klasse findet dann auf die harte Tour heraus, dass die wirklich Machthabenden diejenigen sind, die Waffen tragen und nicht diejenigen die denken dass sie die Befehle geben.

Die Implosion der politischen Klasse hat Auswirkungen die deutlich über einen einfachen Personalwechsel in den oberen Schichten der Gesellschaft hinausgehen. Die zuvor erwähnte politische und soziale Zersplitterung wirkt sich genauso kraftvoll auf die weniger greifbaren Dimensionen des menschlichen Lebens aus – seine Ideen und Ideale, seine Glaubensinhalte, Werte und kulturellen Praktiken. Wenn eine Gesellschaft in die Phase des Abstiegs kippt, dann werden ihre Bildungsinstitutionen und ihre kulturellen Institutionen, ihre Künste, Literatur Wissenschaften, Philosophien und Religionen alle mit der politischen Klasse identifiziert; das ist kein Zufall da die politische Klasse generell alles versucht um diese Dinge zu nutzen um ihrem eigenen Verlust an Autorität und Einfluss aufzuhalten. Für jene außerhalb der politischen Klasse wiederum wird die Hochkultur der Zivilisation befremdlich und gehasst, und wenn die politische Klasse zugrunde geht, dann gehen die kulturellen Ressourcen, die diese sich zu Diensten gemacht hat, mit ihr zugrunde.

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Einige dieser Ressourcen werden von Subkulturen für ihre eigenen Zwecke ausgeschlachtet, sowie christliche Mönche und Nonnen Teile der klassischen griechischen und römischen Philosophie und Wissenschaft für die größere Verherrlichung Gottes genutzt haben. Das ist nicht garantiert, obwohl, wenn es geschieht, dann nimmt und wählt die ausschlachtende Mannschaft entsprechend ihren eigenen Überlegungen – das Überleben der klassischen griechischen Astronomie im frühen mittelalterlichen Westen geschah zum Beispiel einfach deshalb, weil die Kirche wissen musste wie man das Datum von Ostern berechnet. Wo solche Motive nicht existieren können die Verluste total sein: von dem immensen Korpus der römischen Musik ist das einzige was überlebt hat ein Fragment einer Melodie die zu spielen 25 Sekunden dauert. Auch gibt es historische Beispiele in denen selbst der einfache Trick des Lesens und Schreibens während der Implosion einer Zivilisation verloren ging und Jahrhunderte später von irgendwo anders importiert werden musste.

All diese Transformationen beeinflussen die menschliche Ökologie einer fallenden Zivilisation – das heißt, die grundlegenden Beziehungen mit der natürlichen Welt von der jede menschliche Gesellschaft in ihrem täglichen Leben abhängt. Die meisten Zivilisationen wissen sehr genau was man tun muss um die oberste Mutterbodenschicht zu erhalten, um Bewässerungssysteme funktionsfähig zu erhalten, um Ernten einzubringen, und all die anderen Details der menschlichen Interaktion mit der Umwelt auf einer stabilen Basis. Das Problem ist immer die erforderlichen Kosten aufzubringen wenn das Wirtschaftswachstum beendet ist und eine Schrumpfung der Wirtschaft einsetzt, und die Fähigkeit der Zentralregierung ihre Verordnungen durchzusetzen, sich auflöst. Die Gewohnheit, den Überbau auf Kosten von allem anderen zu versorgen, beeinträchtigt die Umwelt genauso kraftvoll wie die arbeitende Klasse: genauso wie die Löhne auf Hungerniveau fallen und weiter fallen, werden Kosten gekürzt, für notwendige Investitionen in Infrastruktur, für Brachperioden die man zur Regeneration des Bodens beim Fruchtwechsel benötigt, und für die anderen Aufwendungen die ein landwirtschaftliches System nachhaltig machen.

Als ein Resultat wird Mutterboden weggewaschen, landwirtschaftliches Hinterland verkommt zu Wüsten und Sümpfen, vitale Infrastruktur kollabiert durch schädliche Vernachlässigung, und die Fähigkeit des Landes menschliches Leben zu unterstützen beginnt den stufenweisen Abstieg der das Endstadium des Niedergangs charakterisiert – und so, im Gegenzug, geht es mit der Bevölkerung, weil die Zahl der Menschen in der letzten Analyse eine abhängige Variable sind, und keine unabhängige. Bevölkerungen wachsen oder schrumpfen nicht einfach weil die Leute an einem Tag beschließen mehr oder weniger Babys zu haben; sie sind durch ökologische Grenzen begrenzt. In einer expandierenden Zivilisation nimmt die Bevölkerung zu weil ihr Wohlstand und ihre Ressourcenbasis zunehmen, weil die Leute es sich leisten können mehr Kinder zu haben und weil Jahr für Jahr mehr der geborenen Kinder in Ernährung und grundlegende Gesundheit Pflege erhalten die es ihnen ermöglicht bis zu dem Alter zu überleben indem sie selbst Kinder bekommen können. Wenn das Wachstum dem Niedergang weicht, dann wächst die Bevölkerung typischerweise noch eine weitere Generation oder so wegen des schieren demographischen Momentes, und dann beginnt sie zu fallen.

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Die Konsequenzen können in der Geschichte jeder kollabierenden Zivilisation verfolgt werden. Während die ländliche Wirtschaft als Folge des landwirtschaftlichen Versagens aufbauend auf den allgemeineren wirtschaftlichen Abstieg implodiert, konzentriert sich eine zunehmender Anteil der Bevölkerung in den städtischen Elendsbezirken. Während die Maßnahmen zur öffentlichen Gesundheit zusammenbrechen werden diese Slums zu Brutstätten für Infektionskrankheiten. Epidemien sind daher eine übliches Merkmal in der Geschichte absteigender Zivilisationen. Natürlich sind Krieg und Hungersnöte ebenfalls signifikante Faktoren; aber einen noch größeren Tribut beansprucht der ständige Anstieg der Todesrate, der durch Armut, Mangelernährung, Zusammendrängung und Stress verursacht wird. Wenn die Sterberate die Geburtenzahl übersteigt, dann kommt die Gesellschaft in eine Phase des Bevölkerungsrückgangs, der leicht einige Jahrhunderte andauern kann. Es ist alles andere als ungewöhnlich, dass die Bevölkerung in einem Gebiet, in der auf eine Zivilisation folgenden Zeit auf weniger als zehnt Prozent der Größe zur Zeit der Blütezeit vor dem Kollaps zurückgeht.

Man rechne diese Muster zusammen, folge ihnen über die üblichen ein bis drei Jahrhunderte der Abwärtsspirale und man hat das Standardbild einer Gesellschaft in einem dunklen Zeitalter: eine größtenteils verwüstete ländliche Gegend mit kleinen verstreuten Dörfern wo selbst versorgende Bauern die verarmt sind und nicht lesen und schreiben können, kämpfen um die Fruchtbarkeit zurück in den ausgelaugten Mutterboden zu bringen. Ihre Regierung besteht aus der persönlichen Machtausübung lokaler Kriegsherren, die im Tausch für den Schutz vor Plünderern ihren Teil der jährlichen Ernte fordern,  und die eine raue Rechtsprechung im Schatten jedes passenden Baumes anwenden. Ihre Literatur besteht aus Gedichten, liebevoll erinnert und gesungen zu den Klängen eines einfachen Saiteninstruments, die die großen Taten der charismatischen Führer eines verschwundenen Zeitalters erinnern, und diese selben Gedichte beinhalten alles was sie über ihre Geschichte wissen. Ihr Gesundheitswesen besteht aus Kräutern, ein wenig rauer Chirurgie und Zaubersprüchen die sie schlau zwecks Ausbeutung des Placeboeffektes nutzen. Ihre Wissenschaft – nun ich überlasse das der Fantasie der Leser.

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Und das Erbe der Vergangenheit? Hier ist etwas von dem was ein anonymer Dichter in einem dunklen Zeitalter über die vorherige Zivilisation zu sagen hatte:

Strahlend waren damals die Hallen, der Badehäuser viele,

Hoch die Giebel, laut das freudige Geschrei,

Viele die Methallen voll Köstlichkeiten

Bis ein mächtiges Schicksal alles umwarf.

Groß war das Schlachten, die Seuchenzeit kam,

Der Tod nahm fort all diese Helden.

Zerbrochen sind ihre Befestigungsmauern, gefallen ihre Hallen,

Die Stadt ist zerfallen; die die sie erbauten fielen auf die Erde.

Daher zerfallen diese Plätze,

Und Dachziegel fallen von diesem steinernen Torbogen.

Fans der angelsächsischen Dichtung werden dies als eine Passage aus „The Ruin“ erkennen. Wenn die Prozesse der Geschichte ihren normalem Muster folgen, dann werden sie in vier- bis fünfhundert Jahren von jetzt an gerechnet Gedichte wie dieses über die Ruinen unserer Städte singen. Wie wir dorthin gelangen und was wahrscheinlich auf diesem Weg passieren wird ist das Thema dieses Buches.

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Es liegt eine bittere Ironie in der der Tatsache, dass Krebs, eine vor eineinhalb Jahrhunderten relativ ungewöhnliche Krankheit …. eine typische Krankheit in der Industriegesellschaft geworden ist, deren Häufigkeit im Gleichschritt zunimmt mit unserem gedankenlosen entsorgen chemischer Gifte und radioaktiver Abfälle in unserer Umwelt. Was ist schließlich Krebs? Eine Krankheit deren Hauptmerkmal unkontrolliertes Wachstum ist.

Manchmal frage ich mich ob unsere Nachkommen in der deindustrialisierten Welt diese Ironie ver­s‍tehen werden. Auf die eine oder andere Weise, da habe ich keine Zweifel, werden sie ihre eigenen Meinung über das bittere Erbe haben, das wir ihnen hinterlassen. Wenn sie zurück denken an die Menschen des zwanzig­s‍ten und des frühen einundzwanzig­s‍ten Jahrhunderts die ihnen die unfruchtbaren Böden und geplünderte Fischgründe gaben, das chaotische Wetter und die steigenden Ozeane, das vergiftete Land und Wasser, die Geburtsdefekte und Krebserkrankungen die ihr Leben verbittern, wie werden sie an uns denken? Ich denke ich weiß es. Ich denke wir werden die Orks und Nazgûls ihrer Legenden sein, der kollektive Satan ihrer Mythologie, die frühere Rasse die die Erde ruiniert hat und alles auf ihr, so dass sie ein unseeliges Leben auf Ko­s‍ten der Zukunft genießen konnte.  Sie werden uns als böse Inkarnation erinnern – und aus ihrer Perspektive ist es ein in kein­s‍ter Weise leicht zu bestreitendes Urteil.

Deutsche Übersetzung von

Christoph Becker (www.freizahn.de) im Februar 2017


  1. Anm d. Übersetz.: eine vollständige deutsche Übersetzung dieses Kapitels findet sich unterhalb dieser Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses 

  2. Anm d. Übersetz.: eine deutsche Übersetzung des Schlusses dieses Kapitels findet sich als Zitat sich „linksliberale Kampfkraftphantasien“ und noch einmal weiter unten, nach der Übersetzung des 1. Kapitels 

  3. Die Literatur über dieses Thema ist immens. Siehe Meadows et al 1973 (Die Grenzen des Wachstums) und Catton 1980 (Overshoot: The Ecological Basis for Revolutionary Change) wegen guter Übersichten 

  4. gemeint ist die Ost- und Westküste der USA, wo sich die Zentren der Links-liberalen Gesellschaft befinden, die bei der Letzten Präsidentschaftswahl mehrheitlich Hillary Clinton gewählt haben. 

  5. Endnote: John Michael Geer: Apocalypse Not, 2011 

  6. Annm. d. Übers.: Siehe dazu die Rede der deutschen Bundeskanzlerin am 17. Febr. 2017 auf der Sicherheitspolitischen Konferenz in München. Insbesondere ab [19:30], wo sie sich für Afrika ein ähnliches Wachstum wie das der Schwellen- und Industrieländer in Asien wünscht, bzw. verdeutlicht, dass sie das allen Ernstes für wünschenswert und möglich hält. Tatsächlich kann man und wird man wohl am Ende das Flüchtlingsproblem leicht lösen, indem man Europas „Werte“ und/oder Europas Wohlstand mehr oder weniger weit in Richtung dunkles Zeitalter verändert. Ansonsten, ist das ein Beispiel dafür, wie man den Zivilisationsverlust reduzieren kann. Anschließend kann man höchstens noch den Afrikanern Wissen liefern, wie es z.B. John Jeavons und Allan Savory bzw. wie die auf diese zurückgehenden Organisationen www.g-biack.org in Kenia und Savory Institute es getan haben und tun 

  7. Endnote: William Catton, The Ecological Basis of Revolutionary Change,  1980, Seite 126 – 142 

  8. Endnote: Censorinus, The Natal Day, trans. William Maude (New York: Cambridge Encyclopedia Company, 1900, Seite 30, der Link zielt auf eine kostenlose pdf-Datei von google books 

  9. Toynbee, A Study of History,Vol. 6: The Disintregrations of Civilisations, Continued (London: Oxford University Press 1939, S. 321 – 326  

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Klingberg
Klingberg
23. Februar 2017 23:01

Moin Herr Becker,

vielen Dank für Ihren Enthusiasmus und die Mühe der Übersetzung….

Gruß

Klingberg

Dr.Franz Josef Albers
18. März 2017 22:22

Es wird Kernfusion geben. D wird wieder Nuklear-Technik einsetzen. Islam-Faschismus wird wieder in die Herkunftsländer zurückgeführt. D wird sich auf die alten
Tugenden wie Disziplin,Leistungsbereitschaft, Wissenschaft,
Wehrhaftigkeit besinnen.Demographische Kurve und die Auschwitz Kultur in eine Deutsche Leitkultur umprägen.Dann
können wir die Zukunft als Deutsches Volk meistern .

3Westbach51
3Westbach51
18. März 2017 23:15

Es wird Kernfusion geben. D wird wieder Nuklear-Technik einsetzen.

Die Fragen die ich mir dazu stelle sind:

  • Wird der Netto-Energiegewinn (EROI= Energy Return on Energy invested) groß genug sein? Man benötigt für den Betrieb einer Zivilisation eine Energiequellen mit einem EROI von etwa 20 zu 1 oder besser.
  • Kann die Technik auf Dauer zuverlässig und nachhaltig betrieben werden? Technik funktioniert in der Praxis oft nicht so wie geplant. Sicherheitsausrüstungen werden in der Praxis auch schon mal falsch oder gar nicht gewartet, oder sie werden um Fehlalarme zu unterdrücken einfach abgeschaltet, auch dann wenn der Leben des Betriebspersonal von der Funktion dieser Systeme im Ernstfall abhängt.
  • Wird man rechtzeitig und in der nötigen Stückzahl und Größe solche Fusionsreaktoren – oder wie Bill Gates hofft Thoriumreaktoren – in Betrieb nehmen können (http://www.freizahn.de/2015/11/bill-gates-vaclav-smil-und-mehr/)? Die Prinzipien sind teilweise immerhin schon seit über 60 Jahren bekannt und man hat schon viel in die Forschung investiert, ohne dass man bis heute wenigstens funktionierende Prototypen vorweisen kann die eine positive Energiebilanz haben. Die Argumentation von Bill Gates, der meint, dass man mit Hilfe entsprechender Simulationstechnik die Entwicklung drastisch schneller als bisher vorantreiben könne ist grundsätzlich schon überzeugend. Aber ich denke da halt auch an die deutschen Wunderwaffen im 2. Weltkrieg, die zu spät kamen und für deren Massenproduktion und Einsatz vor allem auch die Ressourcen fehlten. Das muss nicht wieder so sein, aber sicher ist hier nichts.
  • Wenn unsere technische Infrastruktur und da insbesondere auch das Stromnetz in einem Krieg in, sagen wir 2 bis 10 Jahren, zerstört wird, können wir dann die Forschung, Entwicklung und den Bau solcher Reaktoren überhaupt noch weiter verfolgen? (EMP-Bedrohung – Anhörung im US-Kongress)
  • Von Vaclav Smil hatte ich in dem oben verlinkten Artikel den Vortrag „Energy Revolution? More like a Crawl“ (dt. Energie-Revolution? Eher ein Kriechen), vom 15. September 2015 auf youtube verlinkt. Soweit ich den Vortrag in Erinnerung habe macht Smil sich wegen der Energieversorgung nur mäßige Sorgen. D.h., er meint man könne das Problem durch vernünftige Besteuerung in den Griff bekommen. Die Energiereserven schätzte er jedenfalls als noch relativ gut ein. Besorgniserregender fand der das globale Wasserproblem, auf das ich aber auch schon hingewiesen hatte: http://www.freizahn.de/2015/11/weltbevoelkerung-wasser-wintergemuese/ und das Buch „When the Rivers Run Dry: Water–The Defining Crisis of the Twenty-first Century“ bzw. Wenn die Flüsse versiegen! von Fred Pearce. Es gibt da einen sehr gefährlichen Mix aus Demographie, Religion/Ideologie, Atomwaffen, Bodenerosion und Wasserproblemen. In China, Indien, Arabien und Nordafrika wurden und werden, wie teilweise auch in den USA, fossile Grundwasserspeicher sehr viel schneller abgepumpt, als sie sich auffüllen (sofern sie sich vorerst überhaupt wieder auffüllen).