Auf Focus-Money findet sich heute, den 23.6.2019, ein Gastbeitrag von Marc Friedrich und Matthias Weik mit dem Titel Wettrüsten für den Währungskrieg: Die Notenbanken greifen jetzt zu äußersten Mitteln.
Einer der Untertitel lautet „[EZB-Chef] Draghi: „Bereit, alle Instrumente zu nutzen, die notwendig sind“.
Ich mag das nicht kommentieren, aber ich möchte hier dazu einige Grafiken aus dem neuesten Vortrag von Nate Hagens zeigen, den er am 22. April in Stockholm Wisconsin, anlässlich des Earth Day gehalten hat ( youtu.be/oVdGqKMBcHw ). Nate Hagens hat übrigens einen Master in Finanzwissenschaften von der Business School der Universität Chicago und einen PhD über natürliche Ressourcen von der Universität Vermont.
Inhaltsverzeichnis
Die Ursprünge der Wirtschaftswissenschaften
Die Ursprünge der Wirtschaftswissenschaften sind in einer Zeit entstanden, in der Geld, die Produktion nicht erneuerbare fossile Energieträger und die Produktion der „erneuerbaren“ Energie, damals in Form von Land, noch in einem engen Zusammenhang gesehen werden konnten. Die Landwirtschaft war damals noch ein Wirtschaftsbereich der selber Energie produzierte – während die heutige Landwirtschaft für jede von ihr produzierte Kalorie 10 Kalorien an fossilen Energieträgern verbraucht.
Die damalige Zeit ist in der untenstehenden Grafik durch die hellblaue Ellipse markiert. Die schwarze Linie (Money) markiert das Wachstum der Geldmenge über die Zeitachse. Die rote Linie ist die produzierte Menge nicht erneuerbarer Energien und die grüne Linie ist der Fluss der erneuerbaren Energien.
Die Zeit von Karl Marx bis ca. 1970
Die Zeit von Karl Karl Marx, als dieser seine Theorie über das Kapital und die Arbeit formuliert hat, war eine Zeit, in der die Nutzung fossiler Energieträger rasant stieg und in ihrer Wirkung die Rolle erneuerbaren Energien und damit auch des Landbesitzes zunehmend unwichtig erscheinen ließ. Das Problem mit Karl Marx war, dass er nicht gesehen hat, dass die menschliche Arbeit nur eine Funktion der Verfügbarkeit billiger, hauptsächlich fossiler, Energie war (und auch heute noch ist). Wie die Grafik zeigt, hielt die Energieproduktion damals noch mit der Entwicklung der Geldmenge schritt.
Auch die Entwicklung der meisten heutigen Wirtschaftstheorien fällt in diesen, bis etwa 1970 reichende Zeitabschnitt.
Dieser Zeitabschnitt wird in der Grafik als hellblaue Ellipse markiert
Die Zeit nach der Ölkrise
Ungefähr seit der Ölkrise von 1973 kann die Energieproduktion nicht mehr mit der Entwicklung der Geldmenge Schritt halten. Um weiter genügend Energie und andere Ressourcen gewinnen zu können wird zunehmend auf Kredite zurückgegriffen.
Dabei ist Geld, wie ich schon in Energie und Geld zu zeigen versucht habe, ein symbolisches Versprechen auf zukünftige Energielieferungen. Seit den 70er Jahren steigen die Versprechen auf künftige Energielieferungen zunehmend schneller als die tatsächlichen Energielieferungen. Dabei ist auch zu bedenken, dass Energie die Grundlage der Produktivität menschlicher Arbeit ist. Wenn die tatsächlich verfügbare Energie schwindet, sinkt auch die Produktivität menschlicher Arbeit. Die Fähigkeit, Versprechen auf künftige Lieferungen von Produkten menschlicher Arbeit tatsächlich einzulösen, und damit Kredite tatsächlich tilgen zu können wird immer geringer.
Unsere heutige Gesellschaft
Das Wachstum der Geldmenge und damit auch der Schulden ist von der Produktion der realen Energie und Ressourcen vollständig abgekoppelt. Das ist die Situation, in der der EZB-Chef Mario Draghi „alle Instrumente“ nutzen will, „die notwendig sind“, um die Lage in den Griff zu bekommen. Das einzige Instrument, das er hat und nutzen will ist aber nur die Steigerung der Geldmenge per Kreditvergabe.
Die schwarzen Pfeile in der folgenden Grafik stellen das Instrument der Geldmengensteigerung dar, das Draghi zu nutzen gedenkt. Der rote Pfeil und die gestrichelte rote Linen zeigen was man damit letztlich versucht, nämlich die Menge der verfügbare Energie und Ressourcen zu steigern.
Der Effekt des Helikoptergeldes
Der Nate Hagens zeigt dann ein Bild von einem Hubschrauber, aus dem Geld abgeworfen wird.
Ursprung der Idee ist das Helikoptergeld (de.wikipedia.org/wiki/Helikoptergeld). Das Problem damit ist, dass die, die es bekommen, damit zwar scheinbar reich sind, aber es kommen damit keine zusätzlichen Produkte und Ressourcen in die Welt. Wirklich? Was ist der Effekt?
Hagens erklärt dann anhand der folgenden Grafik die Wirkung des Helikopergeldes – bzw. der „Instrumente“, die Mario Draghi nutzen will und die man in zunehmendem Maße schon seit den 70er Jahren genutzt hat. Debt steht für Kreditschulden. Die senkrechte blaue Linie symbolisiert unseren aktuelle Zeitpunkt. Die verschiedenen Grautöne symbolisieren die Zugänglichkeit der Ressourcen. Je heller das Grau, je leichter und kostengünstiger ist die Gewinnung der Ressourcen. Je schwärzer, je schwerer und teurer ist die Ressourcengewinnung. Links ist der Verlauf der Ressourcenausbeutung ohne die Verfügbarkeit von Krediten gezeigt. Rechts wird gezeigt, wie die Ressourcen genutzt werden wenn Kredite zur Verfügung stehen: Es können schneller, mehr Ressourcen produziert und verbraucht werden. Man beachte auch den tief schwarzen Bereich am Boden, der die Ressourcen symbolisiert, die überhaupt nur mit Hilfe von Krediten (die natürlich nie getilgt werden können) erschlossen werden können. Der Preis für dank der Kredite zunächst schnelleren Steigerung der Ressourcennutzung ist das wesentlich schnellere Versiegen der Ressourcen nach der Überschreitung des Gipfels des Ressourcenverbrauchs.
Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Kredite (debt) für die Energieproduktion erschließen Energiequellen, die sonst nicht erschlossen würden (der schwarze Bereich rechts) und sie steigern auch die Förderung insgesamt. Aber das ist ein Vorziehen der Förderung.
Aktuelle Symptome der Ressourcenerschöpfung
Sinkende Produktivität
Hagens zeigt dann die folgende Grafik, wonach die Produktivität der Arbeit in den USA nun schon seit längerem so niedrig wie vor ungefähr 40 Jahren ist. Der technische und wissenschaftliche Fortschritt von 40 Jahren bringt also nichts mehr.
Für Deutschland hatte ich in Über Rückzüge, im Abschnitt Die deutsche Abstiegsgesellschaft Grafiken von Prof. Oliver Nachtwey gezeigt, die eine ähnliche Entwicklung in Deutschland zeigen.
Als weitere Ursache für das Sinken der Produktivität kann man aber auch die zunehmenden Komplexitätskosten der Gesellschaft und die wegen der zunehmenden Komplexität ebenfalls sinkende Produktivität von Forschung und Entwicklung sehen. Siehe dazu meine Übersetzung Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter.
Zunehmende Einkommensungleichheit
in von Nate Hagens in seinem Vortrag, aber auch von Gail Tverberg in verschiedenen Artikeln auf ihrem Blog Ourfiniteworld.com erwähntes Symptom der zunehmenden Probleme der Energieproduktion ist die Zunahme der Einkommensungleichheit. Wie die Folgende Grafik aus dem Vortrag von Nate Hagen zeigt, ist das Bruttosozialprodukt in den USA seit der Jahrtausendwende zwar weiter gewachsen, profitiert haben davon aber fast nur die reichsten 5 % der Haushalte.
Wenn man eine Extremwertbetrachtung durchführt und sich überlegt was passiert, wenn Energie wirklich extrem knapp und teuer wird, dann ist das Ergebnis das Bild einer vorindustriellen europäischen Gesellschaft, das man gewinnt, wenn man Schloss Versailles oder Schloss Rundale besichtigt und sich dann in Freiluftmuseen ansieht, wie die einfachen Leute damals gelebt und gearbeitet haben.
Ich meine schon, dass man mit einer klugen, die grundlegenden Probleme unserer Zeit erkennenden und offen diskutierenden Politik den absehbaren Absturz unserer Gesellschaft dämpfen und auch gekonnt abfedern könnte. Ich glaube und sehe aber hier in Deutschland nicht mehr, dass man dazu bereit und wirklich in der Lage ist.
Es ging hier aber mehr um den Hintergrund der von EZB-Präsident Mario Draghi angekündigten Notenbankpolitik. Das zentrale Problem ist die Abkopplung der Geldpolitik von der Entwicklung im Bereich der realen Ressourcen. Die Abkopplung von der Entwicklung im Bereich der realen Ressourcen ist aber auch das Problem der politischen Führungen und Parteien.
Man ist in der Geldpolitik, aber auch Sachen Klimaschutz und Umweltschutz, im Bildungswesen und in vielen anderen Bereichen bildlich gesprochen mit falschen Straßenkarten unterwegs. Dadurch werden knappe Zeit und knappe Ressourcen, die dann für wirkliche Problemlösungen fehlen, sinnlos verbraucht.
Kelberg, den 24. Juni 2019
Christoph Becker