Hier möchte ich den Zusammenhang von Geld, Energie, Schulden, Geldschöpfung und Energiegewinnungskosten betrachten.
Geld ist ein Anspruch auf die Lieferung von Energie (Nate Hagens) oder ein Anspruch auf menschliche Arbeit (Chris Martenson). Siehe dazu auch das Kapitel 6, Was ist Geld aus der deutschen Version von Chris Martensons Crash Course .
Schulden sind demnach aus Sicht des Schuldners ein Versprechen in Zukunft Arbeit oder Energie (was physikalisch dasselbe ist), zu liefern. Aus Sicht von Gläubigern und Sparern sind Schulden dann der Glaube oder die Hoffnung, in Zukunft für das verliehene oder gesparte Geld Energie oder Arbeit geliefert zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund haben wir ein paar Probleme:
Geld ist zwar ein Anspruch auf die Lieferung von menschlicher Arbeit oder Energie, aber Geld wird faktisch, wie die Amerikaner sagen, aus “dünner Luft”, geschaffen. Genau genommen gibt es zwei Möglichkeiten der Geldschöpfung, wie Chris Martenson in Kapitel 7, Geldschöpfung und in Kapitel 8 , Die US-Notenbank erläutert. Nate Hagens geht in seinem Vortrag beim Peacestock 2015, am 11. Juli 2015, etwas weiter. Erst zeigt er die folgende Grafik über das fraktional Reserve Banking (dt. Giralgeldschöpfung), die Chris Martenson in seinem Kapitel 7 über die Geldschöpfung schrittweise und gut verständlich erklärt. Immerhin ist das ein System, mit dem Banken aus 1000 € Einlage eines Sparers satte 10.000 Euro zaubern und in Umlauf bringen, was bereits die Erwartung und Vorstellungskraft vieler normaler Anleger übersteigen dürfte und einigermaßen beunruhigend ist, vor allem wenn man die Konsequenzen und Gefahren bedenkt, die Chris Martenson erwähnt. Also hier nun diese erste Grafik:
Nate Hagens, immerhin jemand mit Master in Finanzwissenschaften von der Universität Chicago, geht dann gleich einen Schritt weiter und erklärt, dass das nicht relevant sei, wie er mit der folgenden Grafik verdeutlicht:
Geld, so Nate Hagens, werde heute im Wesentlichen einfach dadurch geschaffen, dass eine Bank einen Kredit vergibt. Wenn eine Bank einen Kredit von 100.000 € vergibt, dann trägt sie demnach in ihre Bilanz auf der Habenseite der Bank eben diese 100.000 € ein und auf dem Konto des Schuldners wird der selbe Betrag als verfügbares Geld verbucht, mit dem der Schuldner dann ganz reale Sachen, wie Häuser, Autos usw. kaufen kann. Chris Martenson beschreibt dies im Grunde auch in seinem Crash-Course, allerdings nur für den Bereich der Staatsschulden und die amerikanische Bundesbank.
Was bedeutet diese Art der Geldschöpfung?
Sie bedeutet, dass hier einfach so aus dem Nichts Versprechen für spätere Lieferungen von Arbeit oder Energie gezaubert werden ohne dass diesen zwangsläufig irgend eine entsprechende Wertschöpfung gegenübersteht.
Solch ein System der Geldschöpfung kann durchaus vernünftig sein, wenn und solange diejenigen, die Schulden machen, genügend Ideen haben und genügend billige Energie und Ressourcen vorfinden, um mit dem geliehenen Geld mehr Werte zu schaffen und so genau soviel oder mehr Arbeit und Energie zu liefern, wie die Summe aus Schulden plus Zinsen plus Verbrauch plus Verschleiß plus sonstige Betriebskosten . Wenn alle Schuldner in einem Wirtschaftsgebiet im Mittel solche produktiven Schuldner sind, dann wird das Bruttosozialprodukt in diesem Wirtschaftsgebiet schneller oder schlechtestenfalls genauso viel steigen wie die Schulden. Für eine Milliarde neue Schulden würde das Bruttosozialprodukt also mindestens um eine Milliarde steigen.
Die Realität sieht aber seit einiger Zeit anders aus, wie Nate Hagens mit eindrucksvollen Grafiken zeigt:
Die folgenden Grafik zeigt die Schuldenproduktivität der USA. Die rote Linie in der linken Grafik ist die Verschuldung. Die schwarze Linie ist das Bruttosozialprodukt.
Wie man sieht, wächst die Verschuldung seit einigen Jahren deutlich schneller als das Bruttosozialprodukt. Die USA haben inzwischen eine Schuldenproduktivität von nur noch 20 %. Das bedeutet, dass sie für ein Wachstum des Bruttosozialproduktes von 1 Milliarde 5 Milliarden Schulden machen müssen. Um für eine Milliarde Dollar Werte zu schaffen oder um für einen Milliarde Energie zu liefern, versprechen sie also in Zukunft für fünf Milliarden Energie oder Arbeit zu liefern. Und dieses Missverhältnis wird nicht besser, sondern seit Jahren zunehmend schlechter.
Auch ist das kein rein amerikanisches Problem, sondern ein globales Problem, wie die nächste Grafik aus Nate Hagens Vortrag zeigt:
Diese Grafik vergleicht das globale Bruttosozialprodukt (GDP) und die globalen Schulden (Debt) in den Jahren 2000 und 2014. Das Bruttosozialprodukt ist von 41 auf 57 Billionen Dollar (T = Trillion, in den US = Billion) gestiegen, das sind gut 23,4 %, bzw. 16 Billionen Dollar. Für diesen Anstieg von 16 Billionen Dollar hat man aber 112 Billionen Dollar zusätzliche Schulden gemacht, was einem Verhältnis von 1 zu 7 entspricht. Für jeden Dollar mehr Wachstum , also für jeden Dollar, den man mehr an Energie oder Arbeit geliefert hat, hat man sage und schreibe 7 Dollar zusätzliche Schulden gemacht. Für jeden Dollar, den man zusätzlich nur an Arbeit bzw. Energie liefern konnte, hat man also versprochen, irgendwann in der Zukunft 7 Dollar an Arbeit bzw. Energie zu liefern. Der Anstieg der globalen Schulden in Prozent betrug übrigens 128,7 %, was trotz des schon am Anfang höheren Basisbetrages das 5,5-fache des Anstiegs des Bruttosozialproduktes war.
Wie Nate Hagens in seinem Vortrag erwähnt, dass 90 % aller weltweit geleisteten Arbeit durch fossile Energieträger geleistet wird. Wie ich in meinem Beitrag Energielage 2015/16 erwähnt habe, betrug der Anteil der fossilen Energieträger an der in Deutschland verbrauchten Primärenergie 79,4 % im Jahr 2015 gegenüber 79,5 % im Jahr 2014. Menschliche Muskelarbeit wird dabei nicht berücksichtigt, weil sie vernachlässigbar sein dürfte. Trotz des Ausbaus der Windenergie gab es in Deutschland fast keine Verminderung der Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern, die zudem zum allergrößten Teil importiert werden müssen.
Menschliche Arbeit ist im Übrigen nur relativ viel “wert”, weil und so lange sie mit billiger, meist aus fossilen Energieträgern stammender Energie verstärkt wird. Die Verwendung fossiler Energieträger ist ein Import von Photosyntheseleistungen aus viele Millionen Jahre zurückliegenden Zeiten. Außerdem ist es so, dass die damals erfolgte Photosynthese letztlich eine Entfernung von Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre war, die das für das menschliche Leben und unsere Gesellschaft nötige, kühlere Klima überhaupt erst ermöglicht hat.
Doch zurück zu den Schulden, dem Geld und dem Versprechen in Zukunft immer mehr Arbeit und Energie zu liefern.
Hier sind zwei andere Grafiken aus Nate Hagens Vortrag:
Die blaue Linie zeigt die Entwicklung der Kosten für Industrieprodukte wie z.B. Toaster, mit zunehmender Stückzahl. Die Produktionskosten pro Stück fallen also mit steigender Produktionsmenge.
Die rote Linie zeigt die typische Entwicklung der Produktionskosten für fossile Energieträger und andere nicht erneuerbare Ressourcen. Erst werden die Kosten pro Einheit mit zunehmender Menge immer geringer. Beim Erdöl sind die Kosten lange Zeit dank immer besserer Technologien und durch die Entdeckung neuer Ölfelder gesunken. Seit einiger Zeit steigen sie aber. Wie Nate Hagens 2015 erwähnt, sind die Kosten für die Entdeckung, Erschließung und Förderung von Öl- und Gas in den USA in den letzten 11 Jahren um 17 % pro Jahr gestiegen. Manche mögen einwenden oder denken, dass der Ölpreis doch inzwischen wieder gefallen sei. Das stimmt, aber viele Erdöllieferanten verkaufen jetzt zu Preisen bei denen sie Verlust machen, weil sie verkaufen müssen, um ihre Schulden zu bedienen, oder soweit es sich um Staaten handelt, um soziale Unruhen zu verhindern. Das reduziert natürlich die wirtschaftlichen Möglichkeiten und die Anreize, neue Vorkommen zu suchen und zu erschließen, was über kurz oder lang zu einer Verknappung und damit auch zu starken Preisanstiegen führen wird. Die Produktionskosten fallen jedenfalls nicht, sondern steigen eher weiter, wie auch die folgende Grafik nahelegt, die das Verhältnis von aufgewendeter Energie zu geförderter Energie (EORI = Energy Return on Investment) für die Öl- und Gasindustrie der USA zeigt:
Um 1910 betrug dieses Verhältnis mehr als 1200 zu 1 . Man brauchte also nur die Energie von einem Fass Öl, um 1200 Fass Öl zu fördern. Um 1970 ist dieses Verhältnis auf unter 10 zu 1 gefallen und heute liegt es um 5 zu 1. Bei einem Verhältnis von weniger als 1 zu 1 wäre es völlig egal wie viel Öl noch im Boden liegt, weil man für die Förderung von einem Fass Öl mehr als die Energie von einem Fass Öl benötigen würde.
Und dann hat Nate Hagens noch die folgende Grafik. Die rote Linie zeigt das Geld als Einheit für Kapital und Anspruch auf die Lieferung einer bestimmten Energiemenge pro Geldeinheit. Die weiße Linie zeigt das reale Kapital, also die tatsächlich lieferbare Energie. Das Ganze wird über die Zeit dargestellt. In welchem Jahr sich beide Linien schneiden ist unbekannt. Nate Hagens meint aber, dass er gute Argumente dafür vorbringen könne, dass der Schnittpunkt irgendwo in den 70er Jahren gelegen habe. Wie man sieht, nimmt das reale Kapital ab, während die Zahl der Geldeinheiten zunimmt. Die Weltbevölkerung nimmt dennoch weiter zu, und zwar derzeit jährlich um 78 Millionen, also fast um die Bevölkerung der BRD.
Deutschland, seine Industrie, seine Landwirtschaft, seine Nahrungsmittelversorgung, seine Verteidigung und sein momentaner Wohlstand sind extrem von der Verfügbarkeit billiger fossiler Energie abhängig – also von Kapital das, wie obige Grafiken zeigen abnimmt, bzw. dessen Gewinnung immer kostspieliger wird. Beim Öl muss Deutschland 98 % seines Energiebedarfs durch Importe decken. Beim Gas sind es 88 %. Auch die Produktion und der Betrieb der großen Windkraftanlagen und der Photovoltaikanlagen erfordert eine funktionierende, extrem von der Verfügbarkeit ausreichend billiger fossiler Energieträger, und damit auch von Importen abhängigen Wirtschaft und Industrie.
Ein anderes Problem ist, dass die ökologische Tragfähigkeit, also die bei einer bestimmten Lebensqualität mögliche Bevölkerungsdichte in Deutschland mit Hilfe der Nutzung fossiler Energieträger und anderer nicht erneuerbarer Rohstoffe vorübergehend extrem gesteigert wurde. Mit dem Sinken des realen, energiebasierten Kapitals wird die Tragfähigkeit in Deutschland und auch in anderen Ländern Europas wieder massiv sinken. Das dürfte zu sozialen Unruhen und Kriegen führen, die zwar die Bevölkerungsdichte reduzieren, aber die möglicherweise zugleich auch die Tragfähigkeit noch weiter senken werden.
Wie man meinem Beitrag über die Grundlagen der westlichen Werte entnehmen kann, hängt das Funktionieren der Demokratie und der Institutionen auch davon ab, dass die ökologische Tragfähigkeit eines Landes nicht überschritten wird. Wenn diese temporär mit Hilfe von Importen nicht erneuerbarer Rohstoffe extrem gesteigert und wie in Deutschland, auch voll ausgenutzt wurde, dann hat man ein Problem wenn die Tragfähigkeit sinkt, weil das für ihre Erhaltung notwendige Kapital in Form von billiger Energie sinkt. Es sind dann Unruhen und auch Kriege zu erwarten, die zwar auch die Bevölkerungsdichte senken, aber die auch Kapitalkosten und die die Tragfähigkeit weiter senken.
Eine Überschreitung der ökologischen Tragfähigkeit des Landes, zu der es durch einen Rückgang des realen Kapitals und damit der verfügbaren Energie zwangsläufig kommen wird, wird, wie ebenfalls in die Grundlagen der westlichen Werte erwähnt, die staatlichen Institutionen und die Demokratie möglicherweise zerstören, sie zumindest aber verschlechtern. Wie dort ebenfalls erwähnt, werden unerfüllbare Erwartungen, wie sie heute bei vielen Deutschen und ganz besonders aber auch bei “Flüchtlingen” und Zuwanderern geweckt wurden, zu Gesetzlosigkeit führen. Dass alles wird die Tragfähigkeit weiter reduzieren und außerdem zunehmend knapper werdendes Kapital kosten.
Ein anderes Problem ist das Phänomen der steigenden Komplexitätskosten und auch das Phänomen, das der technisch-wissenschaftliche Fortschritt ähnlich wie die Gewinnung nichterneuerbarer Rohstoffe mit der Zeit immer teurer werden. Das dürfte ein zusätzlicher Grund für die zunehmende Ineffizienz neuer Schulden sein.
Siehe dazu auch Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen und das Interview mit Joseph Tainter über den Kollaps komplexer Gesellschaften.
29. März 2016
Christoph Becker