Das Buch Hybrider Krieg als neue Bedrohung von Freiheit und Frieden: Zur Relevanz der Inneren Führung in Politik, Gesellschaft und Streitkräften von Dr. Uwe Hartmann liefert eine Sicht auf den modernen Krieg aus der Perspektive eines offenbar sehr umfassend gebildeten und kritisch nachdenkenden Offiziers der Bundeswehr.
Es ist zu erwarten, dass seine Funktion als aktiver Offizier in gewisser Hinsicht seine Sichtweisen und vor allem aber auch das, was er sagt und schreibt, im Sinne der politischen Korrektheit und des Zeitgeistes beeinflusst und auch begrenzt. Ich habe dies bei der Lektüre des Buches bedacht. Dennoch hat mich sein Buch sehr angenehm überrascht. Die Lektüre des Buches kann ich sehr empfehlen.
Der Autor erklärt zunächst das Phänomen des hybriden Krieges, die Herkunft des Begriffes und führt einige historische und aktuelle Beispiele an. Der Klassiker der hybriden Kriegsführung ist Sun Tzu, dessen Ausführungen zur Kriegsvorbereitung und Angriffsstrategie ich schon in meinen Beiträgen Sun Tzu, schwarze Schwäne und die Weltkriege in Angriffsstrategie nach Sun Tzu erwähnt und teilweise übersetzt habe. Hartmann führt als neuere Anwendungen der hybriden Kriegsführung die Besetzung der Krim durch Russland und den Ukrainekonflikt sowie den Krieg in Afghanistan und das Vorgehen der Organisation Islamischer Staat an. Etwas wie mein Planspiel für einen hybriden Krieg, das ich unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise in China, Troja und Laokoon und in Operation Troja entwickelt habe, kann er natürlich schon aus Gründen der politischen Korrektheit als aktiver Soldat nicht vorbringen.
Dann erklärt er die Geschichten, Entwicklung und den Hintergrund der Inneren Führung in der Bundeswehr wie u.a. Graf Wolf von Baudissin diese gedacht und aufgebaut hat. Hartmann zeigt, dass auch der kalte Krieg in hohem Maße ein hybrider Krieg war.
An dieser Stelle kam mir bei der Lektüre von Hartmanns Buch das Interview des australischen Politologen Frank Salter mit dem Internetaktivisten Henrik Palmgren in den Sinn, das ich in Krieg gegen die menschliche Natur – Teil 1 und Teil2 und Teil3 vollständig ins Deutsche übersetzt habe. Wie Salter in diesem Interview erklärt, hat der Westen, bzw. hat die NATO, zwar den kalten Krieg wirtschaftlich gewonnen, aber intellektuell , also geistig , hat der Westen den Kalten Krieg verloren. Insofern hat die von Hartmann hoch geschätzte Innere Führung gründlich versagt. Wie man den Eräuterungen Salters entnehmen kann, kann man diese Niederlage des Westens aber nicht der Bundeswehr anlasten, sondern muss sie an den Universitäten suchen. Das erklärt auch der deutsche Politologe Manfred Kleine-Hartlage in seinen auf Youtube verfübaren Reden Warum ich kein Linker mehr bin und Links ist da, wo der Regen von unten nach oben fällt, auf die ich in Selbstzerstörung des Rechtsstaates schon hingewiesen hatte. Eine andere Stelle auf meiner Webseite, die mir dabei in den Sinn kommt, ist das Interview von Chris Martenson mit John Michael Greer, Der Gott des technischen Fortschritts könnte sehr wohl tot sein – Aber die Gesellschaft will dies nicht in Erwägung ziehen, wo Greer sagt:
John: Es ist tatsächlich verstärkt so – dies traf mich zuerst mit den Veränderungen in den Medien seit dem die Berliner Mauer fiel. In diesem Moment oder einige Momente danach kam ich zu der Feststellung, dass alle diese Typen, die bisher für die Prawda und verschiedene andere kommunistische Organe Propaganda produziert haben, alle angefangen haben, bei den US-amerikanischen Medien zu arbeiten. Wenn du Faux-News oder einen der Pseudonachrichten Sender auf der anderen Seite des Spektrums siehst, es ist so propagandistisch. Da sind so viele Möglichkeiten, auf die unsere amerikanische Gesellschaft zunehmend eine nicht demokratische und eine autokratische Gesellschaft wird, in der du vorsichtig im Bezug auf das sein musst, was du sagst. Wir sprechen nicht darüber. Das ist eines dieser Dinge.[1:01:53.2]
In diesem Interview von Martenson mit Greer kommt übrigens auch zum Ausdruck, dass die amerikanischen Streitkräfte und damit auch die NATO in einem realen, großen Krieg, voraussichtlich bei weitem nicht die Kampfkraft haben, die unsere Politiker und auch Herr Hartmann noch unterstellen. Greer stellt in diesem Interview u.a. auch seinen neuen Roman Twilight’s Last Gleaming vor, den ich in Kollaps als Chance kurz vorgestellt und wiedergegeben habe. Wesentlicher Inhalt des Romans ist, dass und warum die USA in einem Krieg mit China ihre Vormachtstellung als Seemacht verlieren (würden), und dann nach einem von den Chinesen kaltblütig ausgesessenen atomaren Ultimatum kapitulieren und sich in den Jahren danach auflösen und balkanisieren (was für Europa und seine Verteidigung sehr krasse Folgen hätte).
Bei Hartmanns Buch über den hybriden Krieg habe ich übrigens Hinweise auf die extreme Störempflindlichkeit der kurz-, mittel- und langfristigen Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in allen westlichen Industriestaaten vermisst. Die Landwirtschaftspolitik unserer eigenen Regierung und unserer Verbündeten, sowie unsere so gut wie nicht vorhanden Lebensmittelbevorratung und die Abhängigkeit unserer Nahrungsmittelversorgung von einer funktionierenden, hochkomplexen, globalen Infrastruktur ist aus der Sicht jedes Gegners die bestmögliche militärische Schwächung der westlichen Industriestaaten und der NATO. Ein paar Atomsprengköpfe, die von anonymen Frachtern , wie im in Eine Sekunde danach vorgestellten Roman, abgefeuert werden, um eine EMP-Ereignis auszulösen, würden vor diesem Hintergrund reichen, um binnen weniger Monate bis zu 90% der Bevölkerung in den USA oder/und auch in Europa durch Hunger und die damit verbundenen medizinischen und sozialen Nebenwirkungen umkommen zu lassen. Eine nachhaltige Störung des globalen Handels würde ebenfalls die Nahrungsmittelversorgung mehr verschlechtern als die Seeblockade im 1. Weltkrieg es damals getan hat, obwohl auch diese schon Hungersnöte in Europa ausgelöst hat. Siehe z.B. Rationierung und Lebensmittelknappheit im 1. Weltkrieg.
Hartmanns Antwort auf die Bedrohung durch die hybriden Kriege der Gegenwart und Zukunft ist eine Reform und Optimierung der Inneren Führung. Ich zitiere hier den letzten Satz seines Buches:
Wenn Politik, Gesellschaft und Streitkräfte in einer konzertierten Aktion die Ziele der Inneren Führung verfolgen und umsetzen, werden hybrid agierende Gegner kaum Ansatzpunkte finden für ihre zerstörerischen Ansichten
Das sehe ich auch so.
Allerdings sehe ich noch eine Reihe anderer Probleme, die aber alle mit der hybriden Kriegsführung zusammenhängen. Neben der oben schon erwähnten Störanfälligkeit der Nahrungsmittelversorgung und der technischen Infrastruktur, sowie neben den Risiken der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik , sind das meines Erachtens auch die Probleme, auf die ich auf meiner Webseite unter anderem in Beiträgen wie
- Landhunger
- Energie und Geld
- Unsichtbare Nutzflächen
- Der Film What a Way to Go mit den dort verlinkten Interviews
aufmerksam zu machen versucht habe. Das von William Graham Sumner in seinem Essay Earth-Hunger or the Philosophy of Land Grabbing erläuterte Prinzip und dessen Implikationen für Deutschland und andere Staaten, mit ihren durch die Nutzung endlicher fossiler Energieträger auf verschieden Weise temporär extrem vergrößerten, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwangsläufig stark schrumpfenden Nutzflächen, bei dafür viel zu großen Bevölkerungen, wird jedenfalls auch in Hartmanns Buch nicht behandelt und auch nicht als die treibende Kraft und Ursache für hybrid geführte Kriege gesehen, die sie ist und in steigendem Maße sein wird. Es ist diese Schrumpfung der Nutzflächen und die damit einhergehende Überschreitung der ökologischen Tragfähigkeit, auch in Deutschland und im Rest Westeuropas ebenso wie im Orient und in Afrika, die den Frieden und die westlichen Werte gefährden werden. Man bedenke, dass die westlichen Werte und auch der Rechtsstaat, die Demokratie und die Menschenrechte so ziemlich alles, was wir als soziale Errungenschaften der letzten 250 Jahre betrachten, letztlich nur Nebenprodukte einer Ausweitung der verfügbaren Landflächen, zunächst durch Entdeckungen von vorher unbekannten Kontinenten und dann durch die auf der Nutzung fossiler Energieträger beruhenden technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen waren, wie die Soziologen William Graham Sumner und später William Catton erklärt haben. Jetzt sind alle Kontinente bekannt und alle sind überbevölkert. Die nutzbaren Flächen schrumpfen durch Misswirtschaft und Erosion und die für technologiebedingte Ausweitung der Nutzflächen ursächlichen und erforderlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen werden zunehmend knapper und teurer, was letztlich ebenfalls zur Schrumpfung der Tragfähigkeit der verbleibenden Nutzflächen führen wird. Das alles droht die seit dem dem Mittelalter und ganz besonders seit Beginn der industriellen Revolution erfolgten gesellschaftlichen “Fortschritte” zu revidieren.
Über allem schwebt dann noch der von Joseph Tainter beschriebene Kollaps durch zwangsläufig immer weiter steigende Komplexitätskosten und der ebenfalls von Tainter beschriebene, zwangsläufige Rückgang der Produktivität von Forschung und Entwicklung.
Und dann ist da noch das Phänomen, dass man in der Medizin als Autoimmunerkrankung bezeichnet, und das z.B. Frank Lisson auf gesellschaftlicher Ebene in Die Verachtung des Eigenen. Über den kulturellen Selbsthass in Europa: Ursachen und Verlauf des kulturellen Selbsthasses in Europa untersucht, oder das Jean Raspail in seinem Roman Das Heerlager der Heiligen am Beispiel Frankreichs und des Westens beschreibt, oder was Irenäus Eibl-Eibesfeldt in dem Kapitel Zuviel des Guten in seinem Buch Der Mensch, das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft erklärt. Wenn die Linken und Gutmenschen in unserem Land, unser Land freiwillig oder mutwillig zerstören oder anderen geben wollen, dann sind diese Linken und Gutmenschen ein Teil des Feindes in einem hybriden Krieg. Wenn man einen Bürgerkrieg oder einen Genozid des eigenen Volkes vermeiden will, dann ist hier Uwe Hartmanns Vorschlag es mit einer Reform und Verbesserung der Inneren Führung zu versuchen sicher einige Anstrengungen wert.
Insgesamt habe ich, trotz aller Bedenken, durch Hartmanns Buch Hybrider Krieg als neue Bedrohung von Freiheit und Frieden: Zur Relevanz der Inneren Führung in Politik, Gesellschaft und Streitkräften den Eindruck gewonnen, dass Deutschland noch nicht verloren ist, solange es noch Offiziere wie ihn hat. Es ist nur zu hoffen, dass in den nächsten Monaten und Jahren, ganz im Sinne von Dimitri Orlovs, Neujahrswunsch für das Jahr 2016 ( Mein Rezept für 2016: Frühzeitig und häufig kollabieren! ) zu vielen kleinen Kollapsen kommt, die Bevölkerung und Politik vielleicht doch noch rechtzeitig dazu motivieren die Diskussionen und Reformen durchzuführen, die nötig sind, um die hybriden Kriege der Gegenwart und Zukunft möglichst gut zu überstehen.
Kelberg, den 30. April 2016
Christoph Becker