Informationen zu Möglichkeiten der Ertragssteigerung in der Landwirtschaft

Hier möchte ich zunächst auf  einige Informationsquellen zum Thema Weidewirtschaft hinweisen, bzw. Links angeben, die ich  in den letzten Tagen neu dazu  gefunden habe:

Webinar mir Dr. Allan Williams über die Kombination von Rinderherden, Zwischenfrüchten und Marktfrüchten

Das Webinar mit Dr. Allen Williams Cattle, Cover Crops, Hope – a Pasture Project and Practical Farmers of Iowa Webinar. Es ist der  Dr. Allan Williams aus meinem Artikel Abschlussvortrag der Grassfed Exchange 2016. In dem Webinar zeigt Williams unter anderem die Zahlen eines realen Betriebes, der mit Hilfe einer geschickten Kombination der Nutzung von Zwischenfrüchten (Cover Crops) und Rindern einen zusätzlichen Nettoertrag in Form von Einsparung für Düngemittel und in Form von Fleischproduktion, von insgesamt über 350 Dollar pro Hektar erzielt hat.

In dem Webinar werden weitere Informationsquellen angegeben:

Die sehr sehenswerte Carbon Cowboy Serie auf Vimeo:

Die Internetseite  http://pastureproject.org. Dort gibt es jede Menge Information zum Thema Weidewirtschaft.  Einige Beispiele:

Über Pastureproject.org fand ich auch http://www.wallacecenter.org/pastureproject , wo sich unter anderem der Artikel Adaptiv High Stock Density Grazing von Dr. Allan Williams findet.

Die latente Samenbank in den Wiesen und Weiden

Aufmerksame Leser von meinem Blogbeitrag Abschlußvortrag der Grassfed Exchange 2016 werden sich gefragt haben, wie es möglich war, dass die Zahl der Futterpflanzen “einfach so”, also ohne das Kaufen und ausbringen von Saatgut, in nur vier Weidesaisonen von 3 – 4 Futterplanzenarten auf 43 Arten steigen konnte. Allan Williams erwähnt in dem oben verlinkten Webinar die “latente Samenbank”, die durch die Wirkung einer hohen Tierdichte in Kombination mit anschließenden langen Ruhephasen genutzt werden kann. Dazu habe ich in dem in dem 3. Teil des Grazing Curriculums , Folie 4, folgendes gefunden:

Die latente Samenbank ist buchstäblich eine historische Bank mit Samen, die bereits natürlich in unserem Boden existieren. Samen im Boden können für hunderte von Jahren ruhen und sie können unter bestimmten, ihre Ruhe störenden Umständen zurück zum Leben erweckt werden.  Der Gebrauch von Feuer oder die Einwirkung von Vieherden, die mit ihren Hufen oder Klauen die  Bodenoberfläche stören, kombiniert mit anschließender Ruhe, sind übliche Methoden um auf  die Samenbank zu zu greifen.

Links:

Mir hat gerade vor einigen Tagen noch ein Bauer und Jäger erzählt, dass er sich Samen für seinen Wildacker kaufen will. Wenn er seine Rinder mit hoher Tierdichte, als mit vielleicht nur 10 oder weniger Quadratmeter pro Rind im nächsten Sommer jeweils nur kurze  Zeit auf seinem Wildacker weiden und dabei die Tiere hastig  30 % vielleicht 30 % der Pflanzen fressen und den Rest zertrampeln läßt und wenn er dann einige Monate wartet bevor die Tiere wieder auf das jeweilige Stück kommen, dann würde er damit diese latente Samendatenbank öfnen und würde staunen, was darin alles enthalten ist.  Dass selben könnte er auch mit seinen anderen Weiden machen und damit sein gesamtes Weideland kostengünstig in einen attraktiven Wildacker verwandeln und gleichzeitig die Qualität seiner Weiden und seines Jagdreviers steigern.

Agroforstwirtschaft in Europa

 

Weitere Informationen zur Landwirtschaft: Durch die Suche nach Vorträgen von Paul Kaiser von der Singing Frogs Farm, bin ich über dessen Vortrag bei der Quivira Conference 2014 ( 2014 Quivira Conference, Paul Kaiser) auf eben diese Konferenzen aufmerksam geworden. Damit fand ich auf Youtube unter anderem 2014 Quivira Conference (Back to the future), Dr. Christian Dupraz, einen sehr interessanten Vortrag über Agroforstwirtschaft und aktuelle Forschungen in Frankreich. Von Dr. Christian Dupraz findet sich dann auch der folgende, gut 12 Minütige Präsentation auf Youtube: Combining agricultural, forestry, and climate change agendas in Europe – Christian Dupraz. Einige Fakten die mir in Erinnerung blieben: Bis 2001 hat die EU den Bauern die Subventionen gestrichen, wenn sie es gewagt haben, auch nur einen Baum auf ihre Wiesen oder Felder zu pflanzen. Inzwischen haben die Bürokraten offenbar etwas dazu gelernt. Die Kombination aus Bäumen und Feldern oder Wiesen steigert nicht nicht nur die Widerstandsfähigkeit gegen Dürren und Hitzesch äden, sondern sie steigert auch die gesamte Photosyntheseleistung pro Hektar um ca. 40 Prozent gegenüber nur landwirtschaftlicher oder nur forstwirtschaftlicher Nutzung. Durch den Vortrag von Christian Dupraz fand ich www.agroforst.org , die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Agroforst Deutschland. Dort findet sich z.B. auch die Internetadresse www.agroforst-info.de, wo man weitere Informationen in deutscher Sprache findet.

Wie man Insekten und Singvogelpupulationen steigert und dabei als Landwirt gut verdient

Der oben schon erwähnte Vortrag 2014 Quivira Conference, Paul Kaiser  von Paul Kaiser zeigt übrigens unter anderem, dass und wie man z.B. die Insekten- und Singvogelpopulationen  als Nebenprodukt einer intelligenten, extrem produktiven Landwirtschaft drastisch steigern kann. Die Kaisers machen pro Hektar ca. 50 mal soviel Umsatz wie eine durchschnittliche kalifornische Gemüsefarm und immer noch 4 bis 5 mal soviel Umsatz wie die besten kalifornischen Weinbauern, und dass obwohl bei ihnen der letzte Frost oft im Juni und der erste Frost oft schon früh im September ist. Sie ernten trotzdem 3 bis 7 mal im Jahr, und können als einziger Betriebe ihres Landkreises das ganze Jahr durch frische Waren aus eigener Produktion  liefern, während die anderen in der Gegend nur ein bis maximal zwei Ernten im Jahr einfahren können. Dabei kommen die Kaisers fast ohne Maschinen aus. Paul Kaiser weist auch darauf hin, dass die Verstärkung der Population der Wildbienen, die durch seine Wirtschaftsweise ermöglicht wurde, zu einer erheblichen Leistungssteigerung der von den Imkern gehaltenen zahmen Bienen führt. Die Wildbienen sind also aus Sicht des Imkers keine Konkurrenz der Bienen sondern eher ein Turbo.

Energie und den Stress für Heu und Silo sparen

Hier möchte ich auf etwas hinweisen, das es, soweit ich es beobachtet habe, hier in Deutschland so gut wie nicht gibt:

Man muss kein oder so gut wie kein Heu oder Silo machen, wenn man die Weiden intelligent managt.

Vorträge sehr erfahrener Landwirte und Agrarwissenschaftler,  und Literatur dazu:

Ein Buch dazu: Kick the Hay Habbit: A Practical Guide to Year round Grazing. Das Buch gibt es auch als Hörbuch.

Mit Blick auf die Entwicklung am Energiemarkt (Grafiken zum Thema Öl , Blut für Öl und Erschöpfung – Das Schicksal des Ölzeitalters , Der Aufziehenden Sturm am Ölhimmel) und mit Blick auf die Zukunft sollte/würde man vernünftiger Weise alles tun, um schnellstmöglich zu lernen diese Methoden an zu wenden. Wenn man das nicht tut, wird die Heuernte in Zukunft zum Alptraum, wenn all die schweren Traktoren und Maschinen mangels Diesel und Ersatzteilen  als Folge eines Krieges oder einer schweren Wirtschaftskrise nicht mehr funktionieren.  Davon abgesehen, sollte man annehmen, dass es auch angesichts der Klimaschutzziele eigentlich selbstverständlich sein sollte, solche Möglichkeiten, wie die vollständige oder weitgehende Einsparung der Heu- und Siloernte zu erkunden und anwenden zu lernen. Aber das würde ja das Wirtschaftswachstum senken und das geht gar nicht.

Fachinformationen und Saatgut

Auf der Internetseite der Firma Deutsche Saatveredelung habe ich eine ganz Menge zum Thema Zwischenfrüchte und Saatgut gefunden. Hier der Link: www.dsv-saaten.de.

Bountifull Gardens, der Saatgutladen von John Jeavons, der ein sehr umfassendes Angebot hatte, hat seinen Betrieb 2017 offenbar eingestellt. Auf der Webseite www.bountifulgardens.org finden sich nun aber viele Adressen der ehemaligen Lieferanten, wo man noch Saatgut beziehen kann.

Wildschadensverhütung und Wildbestandsverbesserung

Ein Argument für gut gemanagte, nahrhafte und vielfältige Winterweiden und auch generell für die Verbesserung der biologischen Vielfalt durch Zwischenfrüchte und durch das Beweiden mit hoher Tierdichte ist, dass damit z.B. Rehwild und Rotwild das ganze Jahr über attraktivere Nahrungsquellen außerhalb des Waldes bekäme.  Das würde den Wildbestand steigern, auch indem aus Nachbarrevieren kapitales Wild angelockt wird. Man könnte so dem Wild auch attraktive Alternativen zum Verbiss von Bäumen und zum Schälen von Bäumen geben, was dann trotz höherer Wilddichte die Wildschäden reduzieren würde. Auch wäre die Jagd vielleicht einfacher.

Möglichkeiten zur Optimierung des Kartoffelanbaus?

Eine Frage, die sich mir aufdrängt ist, ob bzw. wie man

  • verschiedene Effekte und Phänomene etwa des Erfolges von Paul Kaisers Singing Frogs Farm,
  • der von Allan Williams und anderen propagierten, kombinierten Nutzung von Rindern und Zwischenfrüchten für den Anbau von Marktfrüchten wie Getreide (Row Crops) und
  • der von Christian Dupraz in den oben verlinkten Vorträgen geschilderten Möglichkeiten und Vorteile der Agroforstwirtschaft

für eine Optimierung (Leistungssteierung, Einsparung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sowie zur Reduzierung der Schäden durch Schädlinge und Pflanzenkrankheiten) des Kartoffelanbaus nutzen kann.

Sicherheitspolitische Wirkung der  Weidewirtschaft

Ich möchte hier aus der Zusammenfassung des 22. Kapitels, Animal Impact – A tool for for Regenerating Soils and Shaping Landscapes (dt.: Einwirkung von Tieren – Ein Werkzeug zur Regenerierung von Böden und zur Gestalltung von Landschaften)  von Allan Savory’ Buch Holistic Management: A Commonsense Revolution to Restore Our Environment, 3. Auflage,  zitieren, das ich seit einiger Zeit nebenher lese. Mit “animal Impact” meint Allan Savory die Wirkung einer dichtgedrängten Herde. Bei einer hohen Tierdichte müssen die Tiere relativ schnell weiter ziehen, zertrampeln viel und brechen durch den hohen Bodendruck ihrer Hufe bzw. Klauen die harte Bodenkruste. Was an Pflanzen von den durchziehenden Tieren nicht hastig gefressen wird, wird zertrampelt und auf oder in den Boden gedrückt, so dass es Schatten und Nahrung für Mikroorganismen, Kleinlebewesen und Pilze im Boden liefert und den Wasserhaushalt verbessert. Wenn das Land sich danach viele Wochen und Monate erholen kann, ist die Wirkung verblüffend. In Gebieten mit gut über das Jahr gleichmäßig verteilten Niederschlägen, kann man damit zumindest die Artenvielfalt extrem steigern, den Wasserhaushalt verbessern und die Ausbreitung von Sträuchern und Wäldern verhindern. In Gegenden mit langen Trockenperioden ist dies kurzzeitige Beweiden mit sehr hoher Tierdichte letztlich die einzige wirklich effiziente und wirtschaftliche Möglichkeit, große Flächen Land vor der Verwüstung zu bewahren oder sogar wieder fruchtbar zu machen. Das zu wissen und zu nutzen,  oder eben auch nicht zu wissen, zu ignorieren und nicht zu nutzen hat extreme  politische, wirtschaftliche und letztlich auch militärische Wirkungen. Siehe dazu auch meine Artikel Operation TrojaWasserwirtschaft als Ursache des Syrienkrieges und Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität.

Hier dazu nun das Zitat von S. 234 aus Allan Savory’ Buch Holistic Management: A Commonsense Revolution to Restore Our Environment, 3. Auflage :

Diejenigen, die weiter gegen Vieherden sind – und das sind viele, einschließlich Wissenschaftler, Umweltschutzgruppen, Vegetarier, Regierungen und internationale Entwicklungshilfeagenturen – ignorieren weiterhin die Tatsache, dass es keine technische Möglichkeit gibt und dass weder die Nutzung von Feuer, noch das Ruhen lassen des Landes, gleichzeitig die Leute ernähren und das Problem der Wüstenausbreitung effektiv angehen kann, das in den Weidegebieten der Welt vorkommt.  Die unruhigste und gewalttätigste Region der Erde, die sich von Nordafrika über den Mittleren Osten bis hoch nach China erstreckt, besteht aus zu Wüste werdenden Weidegebieten. Fünfundneunzig Prozent dieser Weidegebiete ist nicht für den Anbau von Ackerfrüchten geeignet. Diese Flächen können die Menschen nur durch Tierherden ernähren, die für die Regeneration der Weidegebiete essentiell sind.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal an den mit deutschen Untertiteln versehenen TED-Talk Die Wüste begrünen und den Klimawandel umkehren  von Allan Savory hinweisen.  Eine Suche mit  “Allan Savory” und auch mit “Tony Lovell”  führt zu weiteren, allerdings nur englischsprachigen, Vorträgen, die durchweg sehr eindrucksvolle Leistungen und Möglichkeiten in Trockengebieten zeigen. Wenn man diese Möglichkeiten des Landmanagements mit Hilfe von Rindern und Schafen in Afrika, im Nahen Osten und in Asien mehr bekannt machen und fördern würde, dann könnte man vielleicht die von diesen Gebieten auch für Deutschland und Europa ausgehende Kriegs- und Terrorismusgefahr und die Fluchtursachen dort reduzieren.

Würde das aber überhaupt jemand wollen? Man könnte mit diesen und anderen landwirtschaftlichen Methoden schließlich auch die Nettoeinkommen der deutschen Bauern steigern, die biologische Diversität und die Trinkwasserqualität verbessern, die Wildschäden in den Wäldern senken, die Umwelt schonen und wirklich effizient etwas zum Klimaschutz beitragen – aber man tut es nicht.

Bücher

Wenn es um Informationsquellen geht, sind Bücher und Vorträge auf DVDs zu erwähnen. Mein Buchführungprogramm zeigt mir, dass ich in den letzten Jahren über 4000 € im Bereich Landwirtschaft und Gartenbau für Bücher ausgegeben habe – im Grunde einfach so, weil mich die Suche nach einer Antwort auf die Frage gereizt hat, wie man die Bevölkerung in Deutschland und in anderen Ländern in Zukunft eigentlich ernähren will, wenn das Öl und andere Rohstoffe knapper werden oder/und wenn die vielleicht durch den Verbrauch der fossilen Energieträger verursachten Umweltprobleme und deren politische, soziale und militärische Folgen den weiteren Verbrauch drosseln. Viele Hinweise finden sich in den vielen auch unten verlinkten Artikeln. Die von Greg Judy, Joel Salatin und Jim Gerrish waren natürlich dabei. Besonders an dieser Stelle erwähnen möchte ich hier, zum Thema Weidewirtschaft Grass Productivity: An Introduction to Rational Grazing von Andre Voisin.  Das ist wohl wirklich der Klassiker zur Optimierung der Weidewirtschaft und Allan Savory, Joel Salatin und andere erwähnen es als wichtige Grundlage und Ausgangspunkt. Die 1958 erschienen deutsche Ausgabe ist leider nicht mehr zu bekommen. Die französische Ausgabe gibt es noch.

Ein anderer Klassiker, mit dem ich immer noch beschäftigt bin und für dessen Lektüre ich mir extra einen Tablet gekauft und zusätzlich zur Printausgabe noch die Kindle-Ausgabe gekauft habe, ist The Nature and Properties of Soils, Global Edition, von Raymond R. Weil und Nyle C. Brady. Dieses, 2016 in der 15. Auflage erschienene Buch ist wohl die beste Grundlage, wenn es um das Verständnis des Bodenlebens und der Mutterböden geht. Wenn dieses über 1100 Seiten dicke Werk zu komplex ist, und vor allem auch als Einführung oder Lehrbuch für Landwirte, ist das von mir schon in Nachhaltige Bodenverbesserung vorgestellte, und in der pdf-Version kostenlos herunterladbare Buch Building Soils for Better Crops – Sustainable Soil Management [dt.: Böden aufbauen für bessere Ernten – Nachhaltiges  Bodenmangement] von Fred Magdoff und Harald van Es vielleicht nützlich.

Andere Artikel meiner Webseite zu diesen Themen:

Nicht direkt, aber vielleicht hier und da doch indirekt zum Thema gehörend:

und vielleicht auch, weil es zum Hintergrund für die weitere Entwicklung in der Landwirtschaft gehört:

und einige andere

Tschüss Landwirtschaft?

Gute Antworten zu den Fragen, die ich im Bereich Landwirtschaft und Gartenbau hatte, habe ich inzwischen gefunden bzw. ich weiß jetzt wo ich weiterführend nachlesen und suchen könnte. Aber ich kann damit nichts verdienen, weil ich kein Land habe. Diejenigen,  die es interessieren sollte, weil sie das Land haben und/oder bewirtschaften, interessiert es wohl eher nicht.

In den letzten drei Jahren habe ich aber auch revolutionäre, geniale, bisher in Deutschland nur wenig bekannte Möglichkeiten und Methoden in der zahnärztlichen Chirurgie und Implantologie kennen und allmählich beherrschen gelernt. Diese und vor allem auch die Weiterentwicklung und Optimierung der zugehörigen Zahntechnik und Prothetik, ist der Bereich, um den ich mich jetzt als Zahnarzt und Ingenieur vorrangig kümmern möchte.

Die Beschäftigung mit der Landwirtschaft hat mir aber zumindest ein Sparziel gezeigt, das als Motivation für meine Arbeit als Zahnarzt sehr hilfreich sein kann.

Nachtrag einiger deutscher Links:

Kelberg, den 17. Januar 2018

Christoph Becker

 




Der Weiße Tiger

Der 2012 vorgestellte Film White Tiger bzw.  Der Weiße Tiger,  des  russischen Regisseurs Karen Shakhnazarov ist meines Erachtens  ein bemerkenswertes, sehr intelligentes Denkmal zum 2. Weltkrieg.  Der Film ist meines Erachtens ganz bewusst nicht nur für die Russen, sondern vor allem auch  für das deutsche Publikum gedacht,  das diesen bisher leider nicht hinreichend erkannt und zu schätzen gewusst hat.

Filmquellen:

  • Auf Youtube kann man sich kostenlos die russische Version mit englischen Untertiteln ansehen: Der weiße Tiger (mit Untertiteln). Soweit in dem Film Deutsche zu Wort kommen oder mit Deutschen gesprochen wird, geschieht dies auch in dieser russisch/englischen Version in akzentfreiem, bzw. in gut verständlichem Deutsch. Diese Version des  Films hat auf Youtube bisher 4.212.837 Aufrufe und 18.961 Likes.
  • Per Amazon gibt es eine deutsch synchronisierte Version mit dem Titel: White Tiger – Die große Panzerschlacht.

Der Film ist eine denkwürdige Mischung aus Kriegsfilm, Dokumentation, Märchen, Sage und einer Art fliegendem Holländer des Krieges. Die Zahl der Kriegsfilme, die ich mir bis heute angesehen habe ist begrenzt, obwohl es im Laufe der Jahrzehnte schon einige waren.  White Tiger, von dem ich nun die russische Version mit den englischen Untertiteln und die deutsch synchronisierte Version angesehen habe, ist für mich aus verschiedenen Gründen ein ganz besonderer Film, weil ich ihn auch vor dem Hintergrund von Noahs Fluch, dem Umgang der Deutschen und der Russen mit der Geschichte und auch vor dem Hintergrund der aktuellen deutschen Politik angesehen habe.

Die Handlung des  Films

Ein unbekannter russischer Panzerfahrer,  bei dem 90 % der Körperoberfläche verbrannt sind, überlebt und wird in relativ kurzer Zeit wieder gesund und wieder voll einsatzfähig. Normal sind derart umfangreiche Verbrennungen absolut tödlich. Dieser Panzerfahrer, im Rest des Films Ivan Naydenov genannt, hat teilweise sein Gedächtnis verloren. Er kann sich weder an seinen Namen noch an seine Familie erinnern. Er ist, wie sich im Film langsam herausstellt, nach seiner schweren Verwundung und schnellen Genesung ein übernatürliches Wesen geworden. Er ist Mensch und doch kein Mensch. Er isst nicht wirklich, sondern kaut nur manchmal etwas Brot. Eine Schusswunde heilt leicht und schnell. Die Panzer sprechen zu ihm und warnen ihn. Er betet zum Gott der Panzer, der im Himmel wohnt und einen goldenen Panzer fährt. Bei diesem Gott befinden sich die Geister der abgeschossenen Panzer und dieser Gott kann es donnern und blitzen lassen.

Der deutsche Panzer, der den Panzer dieses russischen Panzerfahrers zerstört hatte, ist der “Weiße Tiger”. Ein mysteriöser, weiß gestrichener deutscher Panzer vom Typ Tiger. Er taucht manchmal unvermittelt auf, greift ins Gefecht ein und fügt der Roten Armee schwere Verluste zu, um dann wieder auf mysteriöse Weise zu verschwinden. Die Soldaten auf beiden Seiten der Front erzählen sich von diesem unheimlichen Panzer und sogar die Deutschen fürchten sich angeblich vor ihm. Ein gefangener Deutscher, der für das Materialwesen zuständig war, sagt, dass von diesem Panzer in der Verwaltung nichts bekannt sei und dass es unmöglich sei, dass es sich um eine an der Heeresverwaltung vorbei eingesetzte Sonderwaffe Hitlers handele. Der mysteriöse russische Panzerfahrer meint, in dem weißen Tiger seien keine Menschen. Er sei tot und gerade deswegen funktioniere er absolut perfekt und mache im Gefecht alles richtig. Spuren des Weißen Tigers verschwinden einfach, gerade so als könne er fliegen oder sich in Luft auflösen.

Das Ziel dieses mysteriösen russischen Panzerfahrers ist es,  den Weißen Tiger unbedingt zu vernichten.

Die Sowjets lassen einen normalen T34 zu einem Spezialpanzer umbauen und stellen dafür die bestmögliche Panzerbesatzung zusammen. Die Leitung für dieses Unternehmen wird einem Major Fedotov von der  Gegenspionage übertragen.

Zum ersten Auftreten des weißen Tigers im Film kommt es, nachdem dieser 15 russische Panzer und Geschütze vernichtet hat und dann in einem Wald verschwunden ist, hinter dem nur Sumpf ist. In diesem Wald kann er aber trotz intensiver Suche nicht gefunden werden. Naydenov, unser russischer Panzerfahrer, ist sich aber sicher, dass der weiße Tiger ihnen auflauert und bittet einen zweiten T34 zu schicken, um den weißen Tiger herauszulocken, während er ihn mit dem Super-T34 auflauert. Tatsächlich kommt der weiße Tiger dann nachts bei Nebel und zerstört den als Lockvogel dienenden T34. Den dann eingreifenden Super-T34 manövriert er aus und gerät hinter diesen, um ihn aus nächster Nähe schwer zu beschädigen, aber erstaunlicher Weise nicht zu zerstören. Major Fedotov beobachtet das Ganze persönlich.

Der weiße Tiger verschwindet dann und seine Spuren enden am Sumpf, so dass einige Russen meinen, er sei im Sumpf versunken. Naydenov aber sagt, das sei nicht wahr. Der weiße Tiger bereite sich nur für eine Schlacht vor.

Die Rote Armee startet dann mit einer größeren Zahl Panzer eine Offensive über ein Gebiet, dass angeblich über 10 km frei von schweren deutschen Waffen ist. Wie man später im Film erfährt, war es an der Weichsel. Der Weiße Tiger taucht auf und zerstört die meisten der angreifenden sowjetische Panzer. Bei dieser Panzerschlacht wird das Grauen des Krieges sehr eindrucksvoll dargestellt, da viele Panzer in Brand geschossen werden und man immer wieder brennende Soldaten und auch verkohlte Leichen sieht.

Der Super-T34 wird bei diesem Gefecht nicht getroffen, sondern verfolgt den Weißen Tiger in ein zerfallenes Dorf. Die Szene ist  ähnlich wie bei einem Duell in einem Western. Der Super-T34 rollt langsam alles musternd und beobachtend durch das Dorf, zerstört  einen in einer Scheune versteckten Kampfpanzer IV, und sucht weiter. Schließlich stehen sich der Weiße Tiger und der Super-T34 gegenüber. Der Weiße Tiger erhält einen Treffer, durch den sich sein Turm verklemmt, auch ist Feuer auf ihm, aber er bleibt weiter manövrierfähig und zieht sich zurück.  Der Super-T34 versucht, ihn endgültig zu zerstören, aber bei diesem Versuch hat er einen Rohkrepierer, weil er vorher bei einem Fahrmanöver Dreck in das Kanonenrohr bekommen hat.

In der nächsten Szene besucht der Major Fedotov, der Führungsoffizier des Panzerfahrers, den kommandierenden General. Wie man erfährt, ist der weiße Tiger wieder spurlos verschwunden. Der General ist zwar Parteigenosse, glaubt aber an Gott und sagt er habe durch den Krieg gelernt an Gott und den Teufel zu glauben.  Die Erklärungen von Major Fedoto  über den mysteriösen Panzerfahrer hält er aber für eine Spinnerei und er schickt Fedotov  für 10 Tage in den Urlaub – danach meint er sei der Krieg angesichts der Vormarschgeschwindigkeit seiner Truppen aus.

Man erwartet nun vielleicht eine neue Panzerschlacht, aber stattdessen wird sehr detailliert die Szene der deutschen Kapitulation in Berlin Karlshorst gezeigt, wo am 9. Mai um 0:16 für die deutsche Seite für das Heer Generalfeldmarschall Keitel, für die Marine  Generaladmiral von Friedburg und für die Luftwaffe Generaloberst Stumpff die Kapitulation unterzeichnet haben.

Anschließend wird ein gemeinsames Essen dieser drei deutschen Offiziere gezeigt.  Stumpff meint, dass Essen sei aber wirklich gut, wo die Alliierten das wohl her hätten. Wahrscheinlich aus einem Restaurant, vermutlich aus “dem Schlemmer”, meint von Friedeburg. Wie sich dann zeigt war Keitel nie im Restaurant Schlemmer und kannte es auch nicht. Dann bringen russische Soldaten den Nachtisch. Keitel fragt was das ist. Von Friedeburg sagt, dass es frisch gefrostete Erdbeeren mit Sahne seien. Keitel, der immerhin Chef des Oberkommandos des Heeres war,  probiert eine Erdbeere, genießt sie offensichtlich  und sagt dann, “wissen Sie, ich habe gerade das erste Mal in meinem Leben frisch gefrostete Erdbeeren mit Sahne gegessen”.  Den beiden anderen, vor allem Stumpff, merkt man deutlich an, dass sie die Bitterkeit dieses Details erkennen: Dieser Generalfeldmarschall und Chef des Oberkommandos des Heeres hat gerade das erste Mal in seinem Leben frisch gefrorene Erdbeeren mit Sahne gegessen, nachdem er die Kapitulation des Heeres unterzeichnet hat. Und diese Erdbeeren mit Sahne wurden von sowjetischen Soldaten serviert.

Die nächste Szene zeigt eine große Gruppe deutscher Gefangener, die von sowjetischen Soldaten begleitet durch die Ruinen Berlins marschieren. Auch hier zeigt der Film wieder viele Details. Dieser Führungsoffizier Fedotov, der inzwischen Oberst ist, beobachtet nachdenklich den Zug der Gefangenen, während er in seinem Jeep am Rande der Strasse sitzt. Er fährt dann mit seinem Jeep aus der Stadt heraus und trifft dort den den mysteriösen Panzerfahrer Ivan Naydenov, der an der Technik seines Super-Panzers arbeitet und dort noch etwas verbessert hat, so als ging der Krieg weiter. Der Lade- und der Richtschütze sind weg, sie feiern den Sieg und besaufen sich. Aber für den mysteriösen Panzerfahrer ist der Krieg nicht aus. Er und Oberst Fedotov rauchen gemeinsam eine Zigarette. Er, der Panzerfahrer, habe den Weißen Tiger nicht vernichten können. Der Weiße Tiger werde warten, vielleicht 20, vielleicht 50, vielleicht 100 Jahre, aber er werde wiederkommen und dann werde er ihn vernichten. Der Panzerfahrer verschwindet wieder in seinem Panzer und sein Führungsoffizier, Oberst Fedotov, geht nachdenklich zu seinem Jeep zurück. Als er sich noch einmal umdreht  ist dort, wo gerade noch der Panzer mit dem mysteriösen Panzerfahrer war nur noch ein sich langsam auflösender Nebel zu sehen.  Der Oberst Fedotov sieht lange und sichtbar traurig und nachdenklich zu dem Nebel hinüber und dann hört man, während die Kamera noch auf den Nebel gerichtet ist eine Stimme, wobei ich, als ich den Film das erste Mal sah, zunächst dachte, es sei der Geist des Panzerfahrers, der da scheinbar aus dem Nichts zu dem Offizier spricht.

Wir kennen uns zu lange, zu gut, uns verbindet zu viel, deshalb möchte ich ihnen meine Gedanken nicht verheimlichen, der Krieg ist verloren, das weiß ich, er ist nicht einfach verloren, Europa ist zerstört

Die Kamera schwenkt dabei dann langsam über eine Reihe goldener weiblicher Aktreliefs und zeigt dann in einiger Entfernung in einem prunkvollen Saal  zwei Personen in Sesseln an einem Kaminfeuer sitzen, über dem und um das herum ein riesiges düsteres Wandgemälde zu sehen ist. Die Stimme fährt fort, während die Kamera erst noch einmal über eine weiteres weibliches Aktrelief schwenkt und dann näher heranzoomt

Aber können sie sich vorstellen, was morgen sein wird? Unglückliches Deutschland, das deutsche Volk wird als Sündenbock für alles herhalten müssen. Tausende Bücher werden geschrieben werden. Tausende, irrsinnige Dokumente werden gefunden werden. Man wird sich hunderte Erinnerungen ausdenken. Und wir, ich, und Deutschland, wir werden werden vor der Welt dastehen als beispiellose Ungeheurer des Menschengeschlechts, als Ausgeburten der Hölle.

Erst jetzt ist die Kamera so weit herangezoomt, dass man erkennen kann, dass da wohl Hitler spricht – obwohl das nicht sein, kann weil der zu diesem Zeitpunkt bekanntlich bereits schon seit einigen Tagen tot war.  Weil dieser Hitler nicht ganz so aussieht, wie ich es erwartet hätte und weil Hitler zum Zeitpunkt der Kapitulation schon tot war und ich ihn ganz sicher nicht in einem Schloßsaal gemütlich am Kaminfeuer vermutet habe, habe ich ihn erst nicht erkannt und die Szene hat mich etwas irritiert.

Etwas Nachdenken ergibt: Es ist  wohl der Geist Hitlers, den der  sowjetische Oberst Fedotov auf einmal sprechen hört und am Kaminfeuer in diesem pomösen Saal sitzen sieht – während er nachdenklich-traurig auf die Stelle blickt, wo gerade noch der Super-T34 und der von ihm betreute Panzerfahrer Ivan Naydenow war und sich in einen durchsichtigen Nebel aufgelöst hat . Der Hitler gegenübersitzende  nachdenklich, schweigend  zuhörende Mann ((erst als die den Film ein zweites Mal gesehen und das Profil aus der Ferne gesehen habe, war ich einigermaßen sicher, dass diese zweite Person sehr wahrscheinlich ein Mann ist. ))  trägt einen hellgrauen Nadelstreifenanzug und ein weißes Hemd. Die Kamera und die Beleuchtung sind so eingestellt, dass sein Gesicht im Dunkeln bleibt. Die mit neuen Kerzen versehen, sehr vielarmigen Leuchter zu beiden Seiten des Kaminfeuers  sind aus.  Die Szene ist düster. Wenn man darüber nachdenkt, könnte die Hitler gegenüber sitzende Person  das Gegenstück zu dem Panzergott sein, den der mysteriöse russische Panzerfahrer angebetet hat. Es könnte ein Kriegsgott oder ein nachdenklich-vornehmer Geist aus einem Reich zwischen Himmel und Hölle sein.  Es könnte der Geist des Weißen Tigers oder dessen Chef sein. Die Gedanken, die Hitlers weiter äußert, haben es in sich. Sie sind die Gedanken und die Rechtfertigung eines deutschen Gutmenschen, der gerade zugegeben hat, dass er klar sieht, dass er und sein Volk krachend gescheitert sind:

“Dabei haben wir nur den Mut aufgebracht, das zu verwirklichen, wovon Europa geträumt hat. Wir haben gesagt, wenn Ihr daran denkt, lasst uns das endlich machen. Das ist wie ein chirurgischer Eingriff. Erst tut es weh, aber dann gesundet der Organismus. Haben wir nicht etwa den Traum eines jeden europäischen Normalbürgers verwirklicht? War das nicht die Ursache unserer Siege? Wir wussten doch, dass sie das, wovon sie sogar Angst hatten, es ihren Frauen zu erzählen klar und offen verkündet haben, wie es sich für ein tapferes, monolithisches Volk gehört. Sie haben die Juden nie gemocht. Ihr Leben lang haben sie Russland, dieses dunkle, finstere Land im Osten gefürchtet, diesen wilden, Europa fremden Centauer. Ich habe einfach gesagt, lasst uns diese beiden Fragen lösen. Ein für allemal lösen. Haben wir irgend etwas Neues erfunden? Nein! Wir haben einfach Klarheit in jenen Fragen geschaffen, in denen ganz Europa Klarheit wollte. Das ist alles.

Dieser Hitlers erklärt also, dass er und Deutschland doch eigentlich nur mutig versucht haben, das zu realisieren, was alle normalen Europäer heimlich gewünscht haben. Wenn man die europäische Geschichte betrachtet, liegt in  diesen Ausführungen des Hitlers mehr als nur nein Körnchen Wahrheit. Was würden eigentlich die Geister von Frau Merkel,  Helmut Kohl, Jean-Claude Junker und anderen “guten” Europäern, angesichts des inzwischen absehbaren Untergangs Deutschlands und Europas in den 2020er Jahren sagen?  Doch die Gedanken, von denen Hitlers Geist seinem mysteriösen Gegenüber erzählt, gehen noch weiter:

So lange sich die Erde um die Sonne dreht, solange es Kälte und Hitze, Sturm und Sonnenlicht gibt, wird es auch Kampf geben. Auch Kampf zwischen den Menschen und den Völkern. Wenn die Menschen im Paradies leben würden, würden sie verfaulen. Das was die Menschheit geworden ist, ist sie durch Kampf geworden. Krieg ist eine natürliche, normale Angelegenheit. Krieg gibt es immer und überall. Er hat weder Anfang noch Ende. Krieg ist das Leben selbst. Krieg ist der Urzustand.”

Dazu fiel mir zunächst ein Abschnitt aus Jordan Petersons Vortrag  Biblical Series VIII: The Phenomenology of the Divine ein. Ab Position [30:15] kommt er dort auf Dostojewskis “Notes from the Unterground” (Aufzeichnungen aus dem Kellerloch) zu sprechen. Wie Dostojewski dort schreibt, seien Utopias für Menschen völlig unerträglich. Wenn Menschen nichts anderes zu tun hätten, als essen, trinken und sich um ihre Fortpflanzung zu kümmern, würden sie das System zerstören, so dass etwas unerwartetes, verrücktes passieren könne. Menschen,  so Peterson, wollten keinen utopischen Komfort und Sicherheit, sondern Abenteuer, Chaos und Unsicherheit. Wir seien NICHT für ein statische Utopia gemacht.

So gesehen, hat der Mensch eine Sehnsucht nach Krieg. Der Hitler in dem Film über den Weißen Tiger hat insofern also recht.

Ich möchte hier aber ein großes ABER hinzufügen, weil Hitler nur dann recht hat, wenn man die Definition dessen, was  Krieg ist weit über das hinaus ausdehnt, was die meisten unter Krieg verstehen.

Es ist zwar schon rund 40 Jahre her, aber ich erinnere mich noch gut an eine Stelle in Bertrand Russells Buch Eroberung des Glücks: Neue Wege zu einer besseren Lebensgestaltung , an der Russell schreibt, er habe nur zwei wirklich glückliche Menschen kennen gelernt: Seinen Gärtner, der immer auf der Jagd nach den Kaninchen gewesen sei und einen Wissenschaftler, der immer auf der Jagd nach neuen Erkenntnissen gewesen sei.

Ich selbst wollte eigentlich Berufsoffizier werden. Offizier in einem richtigen Krieg war  – zum Entsetzen meiner pazifistischen Eltern – das Beste und Höchste, was ich mir vorstellen konnte. Aber zum einen war ich für eine Offizierslaufbahn zu unsportlich und in der Schule bei langweiligen Routineaufgaben wie Vokabeln lernen zu schlecht, und zum anderen waren die Beförderungsaussichten in Friedenszeiten zu schlecht und der Frieden erschien mir viel zu sicher. Dann war da die Einsicht, dass ich in einem richtigen Krieg schon am Abend des ersten Tages tot oder schwer verwundet sein könnte und somit nichts mehr von dem Krieg hätte.  Krieg als Hobby und Freizeitbeschäftigung, ohne  die die Freude am Krieg beeinträchtigenden oder beendenden Gefahren richtiger Kriege, das war das Ziel.  Heute spielen die Jungs am Computer Krieg, aber das wäre auch nichts für mich, weil man davon nicht leben kann. Wie ich mir dann überlegt habe, spielen gescheite, vernünftige Männer auf sehr geschickte und gewinnbringende Weise Krieg als Ingenieure, Wissenschaftler, Unternehmer, Ärzte usw., indem sie Probleme lösen.  Ich bin dann erst Ingenieur geworden und nachdem mir schon in der praktischen Ausbildung klar wurde, dass mir das sehr schnell zu langweilig werden würde, bin ich Zahnarzt geworden: Söldner und Militärberater der Patienten im Krieg gegen Bakterien und Pioniersoldat. Das mit dem Militärberater war zwar immer wieder sehr reizvoll, war aber im Großen und Ganzen ein Fehlschlag: Auch wenn ich in vielen Fällen verblüffende Erfolge hatte und mein Know How sehr oft gratis angeboten habe, ist die Zahnarztdichte  in meiner Verbandsgemeinde in den letzten 28 Jahre nachdem ich hier angefangen habe, nicht etwa gesunken, sondern extrem gestiegen und es wird in diesem Sektor weiter kräftig investiert. Der Grund ist, dass der größte Teil der Bevölkerung  Niederlagen im Krieg gegen die Bakterien auf ihren Zähnen nach wie vor als Schicksal ansieht und Zahnärzte lieber eher als Löcher stopfende und Brücken bauende und  Pioniere sehen und teuer bezahlen möchte, als das Wissen moderner Zahnheilkunde zu nutzen und mit minimalem Aufwand die Gesundheit der eigenen Zähne zu erhalten. Eine kleine Pointe des Schicksals ist dabei, dass das, was ich als Wissen aus dem Ausland in diese Gegend mitgebracht habe, tatsächliche eine kulturelle und auch eine materielle Bereicherung hätte sein können. Man könnte sich hier heute, nach über 28 Jahren, schätzungsweise 9 von 10 für Zahnärzte und Zahntechniker auf gewendete Euro sparen und hätte trotzdem mehr Gesundheit und weniger Zahnschmerzen. Stattdessen gibt es hier in der Verbandsgemeinde schätzungsweise heute 9 bis 10 mal so viele zahnärztliche Behandlungsstühle wie vor 30 Jahren. Die Zahl der Zahnärzte hat sich auch vervielfacht. Man denkt besser nicht weiter über darüber nach. Aber hier gibt es auch Dörfer, wo 70 oder sogar über 90 % der Bevölkerung CDU und damit Merkel, Abtreibung, Homoehe, kulturelle Bereicherung durch Analphabeten, nicht nachhaltige, industrielle Landwirtschaft, die modernen Versionen von Noahs Fluch und dem Turmbau zu Babel  und offene Grenzen wählen. Aber in einem demokratischen Land gehört es dazu, den Willen der Mehrheit zu akzeptierren.

Das ist übrigens ein finsteres Vorzeichen. freizahn.de war wieder so ein Versuch von mir, bestmögliches Wissen und wirkliche kulturelle Bereicherungen aus aller Welt zusammenzutragen und den Leuten hier anzubieten. Nur ging es jetzt nicht mehr nur um die Gesundheit von Zähnen, sondern um das Leben der Menschen und ihrer Kinder und Kindeskinder und darum, dass die Leute hier auch in Zukunft etwas  Nahrhaftes essen haben.  Auch dieser Versuch ist gescheitert, das ist mir klar geworden. Aber Spaß gemacht hat es  trotzdem.

Als Brücken bauender Pionier in weißer Arztuniform habe ich aber dank neuer Implatattechniken auch meinen Spaß.  Selbst die Angst der Patienten ist ein Gegner, den zu besiegen interessant ist und  das Kriegerherz erfreut. Die Suche nach Problemlösungen, diese Jagd nach Antworten, die hinter immer neuen Horizonten versteckt waren,  ist sehr befriedigend, auch  wenn ausgerechnet die besten und menschlichsten Lösungen oft fast keiner nutze möchte.

Aber die Karawane zieht weiter. Meine neueste Vision ist ein neuer Russlandfeldzug, bei dem gescheite deutsche und russische Krieger sich nicht gegenseitig ruinieren und umbringen, sondern gemeinsam einen großen Krieg im Sinne von großer Problemlösung führen, um zumindest Russland die großen Probleme dieses Jahrhunderts gut überstehen zu lassen und ihm eine gute Zukunft auch in der Zeit nach dem Ende des billigen Öls zu ermöglichen. Es geht um einen großen Krieg, der in der Summe sehr viel mehr Leben schafft als er zerstört. Es geht darum, den Geist des Weißen Tigers und des mysteriösen russischen Panzerfahrers dazu zu bringen, sich nicht gegenseitig  zu zerstören, sondern dazu zu bringen, gemeinsam das Bodenleben, die Bodenqualität und die Erträge der Böden Russlands zu verbessern und von der Verfügbarkeit billiger fossiler Energieträger und anderer Industrieprodukte weitgehend unabhängig zu machen, so dass die russische Landwirtschaft auch dann noch üppige Erträge liefern und natürlich auch russische Soldaten gut ernähren kann, wenn in Deutschland und anderen Teilen Westeuropas die meisten Menschen an Hunger und seinen sozialen Nebenwirkungen sterben oder gestorben sind.

Ich weiß nicht ob sich die Gelegenheit ergibt, aber ich möchte hier auch nur zeigen, wie ein deutscher Junge, der einmal davon träumte wie der Weiße Tiger mit einem Panzern im Krieg durch Russland zu kämpfen, Wege gefunden hat, ganz anders und besser Krieg zu führen. Ich schreibe das, weil das Leben zwar schon, wie Hitler am Ende von White Tiger sagt, von Anfang bis Ende Krieg ist, aber der Krieg muss insgesamt nicht so ein furchtbares Gemetzel und Zerstörungswerk sein, wie der Film zeigt und wie die Leute denken. Der Krieg ist eben immer auch ein Werk des menschlichen Geistes, der versucht  Zerstörung und Gemetzel zu verhindern. Das höchste Ziel des Kriege ist, wie Sun Tzu in Angriffsstrategie nach Sun Tzu sagt, alles unter dem Himmel intakt zu erobern.

Gesund zu erhalten ist auch ein Kriegsziel – wobei es faktisch auf der Ebene von Zellen und Bakterien allerdings auch Vernichtung von Leben bedeutet. Gesund zu machen noch mehr.   Die weltweite Bodenerosion zu stoppen. Die Böden besser werden zu lassen und optimales Bodenleben in die oft toten landwirtschaftlichen Nutzflächen dieser Welt zu bringen, was auch den Wasserhaushalt und Kreislauf verbessern würde, wäre das derzeit höchste aller Kriegsziele. Da könnte ich mir sogar noch andere, die Wüsten begrünende Feldzüge in Afrika und im Orient vorstellen, wie es Allan Savorys TED-Talk zeigt, den ich schon in Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität eingebunden hatte.

Der Film mit dem Weißen Tiger und seinem russischen Gegenstück, dem Panzerfahrer Ivan Naydenow   mit seinem Super-T34, erinnern mich auch an Kaiser Barbarrossa im Kyffhäuser. Man könnte auch sagen, der Weiße Tiger war Barbarossa mit seinen Rittern, aber dann hat er nach der Schlacht an der Weichsel einige Untaten der Deutschen  gesehen, wegen denen er mit einer Mischung aus Trauer, Zorn und Fassungslosigkeit wieder in seinen Berg zurück gekehrt ist. Aber vielleicht kommt er wieder hervor. Ich kann mir vorstellen, dass der Mysteriöse Panzerfahrer Ivan Naydenow und der Geist des Weißen Tigers, oder eben auch der Geist des alten Friedenskaisers im Kyffhäuser, ganz friedlich und enthusiastisch gemeinsam Probleme lösen.

Jedenfalls muss Krieg nicht das sein, was sie meisten denken. Krieg ist letztlich der Kampf gegen Chaos, Zerfall und Tod. Krieg ist Kampf mit dem Ziel,  Leben zu erhalten und zu ermöglichen. Wenn es anders wäre, würde kein vernünftig regiertes Land dieser Erde Streitkräfte aufstellen und unterhalten.

Der bestmögliche Krieg ist ein Krieg, der mehr aufbaut als er zerstört. Auf großen Flächen das Bodenleben, die Böden und die Erträge zu verbessern und dabei möglichst wenig oder keine fossilen Energieträger und nicht erneuerbare Rohstoffe kann auch das höchste Ziel großer Krieger sein, auch wenn, wie Sun Tzu gesagt hat, der Edelmann das Schwert auch in Friedenszeiten an seiner Seite behält.

Falls jetzt jemand das Motto der Friedensbewegung  “Schwerter zu Pflugscharen” einfällt, habe ich da was zum Lesen und Nachdenken: Die Torheit der Pflügenden und die Geschichte.  Pflugscharen können nämlich auf Dauer tödlicher sein als Schwerter.  Wie ich in Symbiose von Bauern und Kriegern zu zeigen versucht habe, sind Schwerter, bzw. Waffen und Soldaten, die glaubhaft mit deren Einsatz drohen, eine zwingende Voraussetzung für eine auf Dauer  funktionierende, rentable Landwirtschaft.

Kelberg, den 3. Oktober 2017

Christoph Becker

 




Das kaputte Bildungswesen

In dem folgenden Beitrag möchte ich zwei Arten von Qualitätsmängeln des Bildungswesens zusammen führen. Zunächst ist da der feurige Redebeitrag des britischen Politiker Nigel Farage, den dieser am  21. Februar 2017 bei einer Veranstaltung des Hillsdale College in den USA geliefert hat und in dem er den Linksliberalen, die das Bildungswesen dominieren bescheinigt, dass sie im Sinne der klassischen Definition die illiberalsten Menschen seien, die er je gesehen oder getroffen habe,  während er den jungen antifaschistischen und “liberalen” Demonstranten bescheinigt, dass sie selbst die Faschisten unserer Zeit geworden seien.Hier die Übersetzung des Redebeitrages von Nigel Farge:

Was ich sehe ist ein wenig sehr beängstigend, was mit vielen von unseren jungen Leuten passiert.
Unser Bildungsestablishment – und ich sage unseres, weil ich denke, dass es uns beide betrifft (seine amerikanischen Zuhörer und Großbritannien).
Unser Bildungsestablishment von den Schulen über die Oberschulen bis zu den Universitäten ist vollständig von den Links-Liberalen gekapert, die tatsächlich nach der klassischen Definition des Oxford-Wörterbuch der Englischen Sprache  die iliberalsten Menschen sind, die ich in meinem Leben gesehen oder getroffen habe.
Und sie haben unsere jungen Leuten dahingehend gezüchtet, dass diese nicht nur zur Übernahme einer bestimmten Meinung indoktriniert wurden, sondern auch dazu, zu denken, dass eine andere Meinung nicht akzeptabel ist, dass gegen sie protestiert werden sollte und sogar dass sie verboten sollte.
Es ist grauenhaft, grauenhaft. Da sind tausende Menschen heute Nacht auf den Straßen Londons, die sogar dagegen demonstrieren, dass Präsident Donald J. Trump das Vereinigte Königreich besucht.
Die Mitglieder der jungen  Generation, die Wörter wie ‘Faschist’ schreit,  sind tatsächlich  selbst die Faschisten geworden.

Hier das Original auf Youtube:

Es ist aber nicht nur Nigel Farage, der einen antiliberalen, faschistischen maoistisch-bornierten Geist in den Bildungseinrichtungen am Werk sieht.

Hier z.B. ein Link auf ein Interview von J.H. Kunstler mit Prof. David Collum von der Cornell University. An der Cornell-Universität scheint es um die freie Rede noch nicht ganz so schlimm bestellt zu sein. Aber insgesamt hat Farage im Bezug auf viele Universitäten wohl leider recht: J.H. Kunstler im Gespräch mit Prof. David Collum

Erstaunt hat mich auch, dass in Deutschland wieder Bücher wegen ihres politisch nicht korrekten Inhaltes vernichtet werden:  Wording – Die Bücherschnüffler. Wo ist da der Unterschied zu den Nazis? Außer, dass die Nazis die Bücher auf öffentlichen Plätzen theatralisch in Erinnerung an die mittelalterlichen Scheiterhaufen im Feuer verbrannt haben, während man das jetzt eher heimlich, still und leise per Reißwolf erledigt und die Reste als Altpapier recycelt?

Zitat von J. H. Kunstler aus einem Interview von Chris Martenson und Kunstler vom 15. August 2016 ( https://www.peakprosperity.com/podcast/100707/james-howard-kunstler-racketeering-ruining-us ):

Kunstler: Ich bin sehr besorgt über dieses neue Aufkommen von Maoismus an den Universitäten. Die ganze Idee, dass es in Ordnung ist, die Freiheit der Rede abzuschaffen und die despotische Natur der Art von Fake-Intellektualismus, die gerade jetzt aus den Universitäten in unsere Kultur kommt, ist meines Erachtens sehr gefährlich und man sollte das meiner Meinung nach ablehnen.

Chris Martenson: Nun es ist nicht leicht, dagegen anzugehen, weil dabei Begeisterung (ein leichter Rausch) im Spiel ist.

James Howard Kunstler:  Reputationen werden zerstört. Karrieren werden zerstört. Ich denke, Du und ich haben Glück, weil wir nicht an einer Oberschule oder Hochschule lehren. Wir sind nicht von Arbeitsplätzen an Oberschulen oder Hochschulen abhängig. Wir haben keine Sorgen, unsere Festanstellung zu verlieren. Aber es gibt eine große Zahl Menschen, die betroffen sind, und das hat in den letzten Jahren einen  schrecklichen Effekt auf das intellektuelle Leben des Landes gehabt. Zu einem gewissen Grade zerstört es dies. Daher sollten wir gegen diese Bewegung Widerstand leisten. Wir sollten uns hinter das Recht der Freien Rede stellen und verstehen, dass es in Ordnung ist, über Dinge zu sprechen,  bei denen es uns ungemütlich wird. Ich denke, eine der Parolen der Zeitperiode in die wir kommen ist, “werde gelassen wenn es ungemütlich wird” (get comfortable with being uncomfortable).

Wir haben es also an den Schulen und Hochschulen im “freien Westen” inzwischen mit Tendenzen und Praktiken zu tun, die denen der Nazis und der DDR verdächtig ähnlich geworden sind.

Vielleicht sollte man daran erinnern, dass Meinungsfreiheit und freier intellektueller Diskurs kein Luxus sind, sondern dass es dabei darum geht, die menschlichen Schwächen, Wahrnehmungsfehler und Denkfehler auszugleichen. Auch da ist die Rede der deutschen Bundeskanzlerin vom 17. Februar 2017 beim Sicherheitspoltischen Forum in München wieder sehr hilfreich. Ungefähr ab Position [6:45] erklärt sie faktisch, dass es um die weise Voraussicht der deutschen und europäischen Eliten  sehr schlecht bestellt ist.

Meinungs- und Redefreiheit ist jedenfalls eine Sicherung gegen Wahrnehmungs- und Denkfehler. Mich erinnert das an einen Störfall im Kernkraftwerk Brunsbüttel, von dem ich als Student gelernt hatte: Weil es immer wieder zu einem die Ruhe der Verantwortlichen  störenden Fehlalarm gekommen war, hatte jemand einen Alarm für das Kühlwassersystem einfach abgeklemmt. Dann ist wohl tatsächlich ein Teil des Kühlwassersystems ausgefallen und es kam zu dem Störfalls von 1978, bei dem dann zum Glück noch wenigstens die Vollabschaltung funktionierte und eine Kernschmelze verhindert hat.

Als ich als junger Schiffsoffizier meine erste Stelle angetreten habe, war ich gleich mit mehreren Fällen konfrontiert, wo vorsätzlich “um Ruhe zu haben”, oder als Folge von Unaufmerksamkeit, für die Sicherheit wichtige Einrichtungen nicht mehr funktionierten.

Zensur, ein Kult der Politischen Korrektheit,  Denkverbote, Manipulation und Unterdrückung von Nachrichten, genauso wie Parteiverbote und auch Behinderungen von unbequemen Parteien wie der AfD und der NPD, sind auf gesellschaftlicher Ebene ähnlich wie das Abschalten von Alarmen und Sicherheitseinrichtungen bei Schiffsmaschinenanlagen und Kernkraftwerken. Der vorläufige Gewinn an Ruhe und Bequemlichkeit wird mit dem absehbaren Eintreten von kostspieligen Schäden und manchmal auch mit Totalverlusten erkauft.

Zur Überschrift “Das kaputte Bildungswesen” gehören aber auch die folgenden Berichte über die “Qualität” unseres Links-Liberalen Bildungswesens, auf die ich durch einen Kommentar aufmerksam wurde:

https://lilohenner.wordpress.com/2017/01/12/sw-15-sprachbarrieren/

Sehr interessant sind dort auch die Kommentare. In diese fanden  sich  die beiden folgenden Links:

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/bildung-jeder-vierte-berliner-grundschueler-versteht-einfache-saetze-nicht-25698960

und

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/lehrerin-spricht-ueber-missstaende-in-deutscher-bildung-14871446.html

Was soll man dazu sagen? Vielleicht dass man an dieser Entwicklung sehen kann, dass Links-Liberal im modernen Sinne eine gefährliche Geisteskrankheit ist, die zu all den Problemen, die unsere Gesellschaft sowieso schon hat und bekommt noch hinzukommt.

Es gibt dazu  ein Buch und ein Interview eines erfahrenen Psychiaters:

Hier der Linke auf die Webseite  www.libertymind.com des Autors von The Liberal Mind: The Psychological Causes of Political Madness (dt.: Der Links-Liberale Geist: Die Psychologischen Ursachen Politischer Verrücktheit). Die Amerikaner verstehen unter “Liberal” im heutigen Sinne faktisch alle Parteien und Strömungen die Hillary Clinton gut finden. In Deutschland sind das z.B. alle heute im Bundestag vertretenen Parteien.  Das Interview mit Dr. Lyle Rossiter, dem Autor des Buches auf Youtube: The Liberal Mind – Why Liberals Act & Think The Way They Do – Lyle Rossiter – theDove.us

Im Grunde geht es darum, dass die Linken ernste Problem in der Kindheit hatten. Die Familien haben nicht funktioniert. Deshalb haben sie kein Vertrauen in die Familien. Sie sehen den Staat als Familienersatz und wollen, dass dieser alles reglementiert. Sie wollen die Menschen bevormunden. Das funktioniert aber in der Realität nicht wirklich. Ein anderes linkes Phänomen ist, dass sie, wenn etwas nicht funktioniert regelmäßig glauben, dann müsste einfach nur der Einsatz erhöht werden.

Eine andere Sichtweise ist die in dem  Buch The Righteous Mind: Why Good People are Divided by Politics and Religion (dt. Der Selbstgerechte Geist: Warum gute Menschen über Politik und Religion zerstritten sind) von Jonathan Haidt. Haidt schreibt das nicht so, aber er zeigt, dass er mit seinen Forschungsarbeiten als Moralpsychologe herausgefunden hat, dass Menschen  5 bis 6 moralische “Geschmacksrichtungen” haben, die im Laufe der Evolution alle nützlich und berechtigt waren. Bei Rechten bzw. Konservativen sind diese ziemlich gleichmäßig ausgeprägt. Bei Linken sind zwei dieser Geschmacksrichtungen vorherrschend und die anderen sind mehr oder weniger verkümmert. Haidt sieht das nicht als krankhaft, sondern stellt es einfach nur fest und erklärt damit Meinungs- und Kulturunterschiede.

Auf der Internetseite www.theemotionmachine.com/6-moral-taste-buds-that-shape-our-morality findet sich eine Erklärung, so dass man nicht gleich das Buch kaufen und ganz lesen muss.

Hier die Liste der Geschmacksrichtungen übersetzt:

Positiv negativer Gegensatz
Sorgen, Pflegen (care) verletzen
Fairness, Gerechtigkeit Täuschen, Betrügen
Loyalität Verrat
Autorität Unterwerfung
Heiligkeit, Reinheit (Sanctity) Zerfall, Abbau
Freiheit Unterdrückung

Nebenstehend die Grafik aus dem Artikel  Jonathan Haidt and the Moral Matrix: Breaking Out of Our Righteous Minds von Samuel McNerney. Die Grafik findet sich auch in dem Buch. Wie man sieht sind Care und Fairness bei sehr Linken Personen sehr eindeutig übergewichtet, während andere moralische Geschmacksrichtungen von diesen Personen zurückgewiesen werden. Gerade diese anderen Funktionen dürften aber für das Überleben und den Erfolg größerer Gruppen vorteilhaft und wichtig gewesen sein. Dabei kann man sich vorstellen, dass Klima und Umwelt unterschiedliche Mischungen gefördert haben, was dann entsprechend in den resultierenden Kulturen und Ethnien verinnerlicht wurde.

Der Überfluss an billiger Energie im Westen und die daraus resultierende Industriegesellschaft mit ihrem scheinbar unbegrenztem materiellen Überfluss, die moderne Medizin und Hygiene und die zeitweise extreme militärtechnische Überlegenheit der westlichen Industriestaaten, haben sich dann wohl auch auf die Gewichtung der verschiedenen moralischen Aspekte ausgewirkt und der für die Linken typischen Zusammensetzung die Zustimmung der Mehrheit gegeben. Die daraus resultierende Beschädigung des Bildungswesen, sowie die Denkverbote und die Tabus der Politischen Korrektheit werden aber die Wirkung alle der anderen globalen und lokalen Probleme (Energie, Umwelt, Klima, Demographie usw.) verschärfen und das Finden von Lösungen verhindern.

Zur Frage ob Links eine Krankheit ist, bzw. zur Frage, wie es um den Realitätssinn der heute vorherrschenden Linken bestellt is,t gehören auch die Ausführungen von Manfred Kleine-Hartlage . Hier die Links bei Youtube auf zwei seiner Vorträge:

Kelberg, den 24. Februar 2017

Christoph Becker

 

 

 

 

 




In der Folge der industriellen Zivilisation

Zur Einstimmung auf John Michael Greers brutal nüchterne und ernüchternde Analyse der Gegenwart und Zukunft unserer industriellen Zivilisation ist es vielleicht hilfreich, sich erst einmal das weltweit oft als Abschiedslied gesungene  Auld Lang Syne und dessen deutsche VersionNehmt Abschied Brüder ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer … Die Sonne sinkt es steigt die Nacht, vergangen ist der Tag und leis erwacht ….” anzuhören. Im englischsprachigem Raum singt man es auch zum Jahreswechsel um der Toten des vergangenen Jahres zu gedenken.

Wie John Michael Greer in seinem im Sommer 2016 erschienen Buch Dark Age America – Climate Change, Cultural Collapse and the Hard Future ahead (dt. Dunkles Zeitalter Amerika – Klimawandel, kultureller Kollaps und die Harte Zukunft voraus) schreibt, und wie ich meine überzeugend erklärt, sind wir bereits voll dabei,  Abschied von der industriellen Zivilisation, mit all ihren Träumen, Ansprüchen und lieb gewonnenen Gewohnheiten und Gewissheiten zu nehmen oder besser gesagt nehmen zu müssen. Die Öffnung der Grenzen durch die deutsche Bundeskanzlerin im Herbst 2015 und die Übergriffe auf der Domplatte zu Silvester 2015 waren, wenn ich es mir nun vor dem Hintergrund von Greers Ausführungen sehe, klare Zeichen des beginnenden Zerfalls und Abstiegs unserer Zivilisation. Das heißt, eigentlich beginnt der Zerfallsprozess schon in den 70er Jahren als Jean Raspail sein “Heerlager der Heiligen” veröffentlichte.

Die Rede der deutschen Bundeskanzlerin am 17. Februar 2017 anlässlich der Münchener Sicherheitskonferenz, mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung von Grenzen des Wachstums von Meadows et. al und mehr als 35 Jahre nach der Veröffentlichung von Cattons Overshoot: The Ecological Basis of Revolutionary Change, und fast 60 Jahre nach Admiral Hyman Rickovers brühmter Energie-Rede (Der Link zeigt auf eine deutsche Übersetzung!) war Merkels Rede insbesondere auch ab Position [19:30] von geradezu unerträglicher Ahnungslosigkeit geprägt.  Es ist nicht nur in Wirklichkeit so, dass multilaterale Institutionen und Verträge wegen ihrer hohen Komplexitätskosten zunehmend an Bedeutung verlieren. Es ist vielmehr auch so, dass es völlig blauäugig und ausgeschlossen ist, dass Afrika, wie Frau Merkel sich das wünscht, eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung wie Südostasien nimmt. Am Anfang ihrer Rede, ca. ab Postion [2:15] erwähnt sie die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes der letzten 25 Jahre. Nach Frau Merkel hat es sich seitdem weltweit und in den USA verdreifacht, in der EU hat es sich “nur” verdoppelt und in China, dessen Wirtschaftswachstum Frau, wie sie am Ende der Rede erklärt, wohl auch gerne in Afrika sehen würde, hat es sich sage und schreibe verachtundzwanzigfacht. China hat damit übrigens seinen Anteil am globalen BIP auf 15 % gesteigert. Wenn die ganze Welt ihr BIP in den nächsten 25 Jahren nur verdoppelt und China das seine “nur” noch einmal um das 13-fache steigert, dann hätte China in 25 Jahren einen Anteil am BIP der Welt von 97,5 %. Für den Rest der Welt blieben dann also nur noch klitzekleine 2,5 % Anteil am weltweiten BIP. Wenn die Welt ihr BIP auf dem heutigen Stand hält und China das seine in den nächsten 25 Jahren “nur” versechsfacht, dann hätte China einen Anteil am globalen BIP von 90 %. Lächerliche 10 % blieben dann noch für die westlichen Industriegesellschaften, den Orient, Indien und Merkels Traum vom neuen China in Afrika. Von so schwierigen Sachen wie Umweltschutz, Klimawandel, Erschöpfung der Rohstofflager und sinkendem Nettoenergieertrag Förderung fossiler Energieträger und dem auch bei sinkender und schwieriger werdender Förderung und steigenden Eigenverbrauch  Energieexportländer, reden wir hier noch gar nicht.

Die Rede der deutschen Bundeskanzlerin in München unterstreicht jedenfalls die Richtigkeit John Michael Greers Analyse.

Im Wesentlichen möchte ich mich hier nun darauf beschränken, von Greers Buch den Umschlagtext, das Inhaltsverzeichnis, das ganze erste Kapitel und den Schluss des zweiten Kapitels zu übersetzen. In den restlichen Kapiteln diskutiert Greer unter anderem auch die Sinnhaftigkeit von Vermögensanlagen in Gold und Silber in Krisenzeiten und das schon heute in großem Umfang zu beobachtende, für Gesellschaften im Niedergang typische Sinken des Ansehens der Eliten und der mit diesen verbundenen Bereiche und Institutionen, heute der Wissenschaft, der Medizin, der Presse und anderer Institutionen. Am Schluss regt er dann zum Nachdenken darüber an, was eine in ein dunkles Zeitalter versinkende Zivilisation vielleicht noch tun kann, um einen möglichst großen Teil ihres Schatzes an teuer erworbenem Wissen, Können und Erfahrung an die irgendwann in ein paar Jahrhunderten vielleicht aus ihren Ruinen entstehende nächste Zivilisation weiterzugeben.

Ich hoffe, dass diese Kostprobe vielleicht dazu führt, dass sich ein deutscher Verleger findet, der dieses meines Erachtens auch für Deutschland und Europa wichtige Buch möglichst bald in deutscher Sprache erscheinen lässt. Wie würde die Bundestagswahl im September ausgehen, wenn ein paar Millionen Deutsche und auch einige Politiker dieses Buch rechtzeitig genug vor der Wahl lesen könnten und würden?

Konfrontation mit dem unvermeidbaren Kollaps

…. mutig, überlegt, zeitgerecht und gut recherchiert … dieses intelligent argumentierte, zum Nachdenken anregende und wichtige Werk wird ihre Art und Weise zu denken in Frage stellen und sie dazu anstoßen sinnvolle, vorbereitende Aktionen zu unternehmen.

Dave Pollard, Autor, How to Save the World

Greer demonstriert das ökologischer, politischer und wirtschaftlicher und technologischer Niedergang nicht nur unvermeidbar ist, sondern bereits gut unterwegs ist. Wie der Untergang sich entfaltet und ob irgendwelche Angehörige unserer Spezies überleben, könnte gut davon bestimmt werden, welche Entscheidungen wir jetzt treffen.

Carolyn Baker, PhD, Autor, Love in the Age of Ecological Apocalypse und Collapsing Consciously.

John Michael Greer argumentiert, dass sich die Tür zu einer nachhaltigen Zukunft nach Jahrzehnten verpasster Möglichkeiten geschlossen hat und dass die Zukunft, der wir nun entgegensehen eine Zukunft ist, in der die Zivilisation der Industriegesellschaften zerfallen und mit unkontrolliertem Klimawandel und Ressourcenerschöpfung konfrontiert werden wird.

Wie wird die Welt aussehen, wenn all diese Veränderungen ihren Lauf genommen haben? Greer versucht diese Frage mit einiger Genauigkeit zu beantworten, denn Zivilisationen pflegen in bemerkenswert ähnlicher Weise zu kollabieren.

Dark Age Amerika versucht dann die Geschichte des Kollapses im Voraus aufzuzeichnen, um uns eine Vorstellung davon zu geben, wie die nächsten 500 Jahre aussehen werden, wenn die Globalisierung endet und die nordamerikanische Zivilisation das Ende ihres Lebenszyklus erreicht und die Stufen des Abstiegs und Untergangs betritt.

Auf viele Arten ist dies John Michael Greers kompromisslosestes Werk, obwohl es sehr wohl Anlass zur Hoffnung bietet. Zu wissen, wohin wir kollektiv unterwegs sind ist ein entscheidender Schritt, um konstruktiv auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren und zu tun was wir können, um für unsere Nachkommen das Beste aus der Welt zu machen, die wir ihnen hinterlassen.

„….. selbst wenn man im Bezug auf die Zukunft anderer Meinung ist als Greer, wird man sehr viel aus seiner Untersuchung der relevanten Vergangenheit der Menschheit lernen.“

Richard Heinberg, Autor von Das Ende des Wachstums

*****

John Michael Greer, Historiker von Ideen und einer der einflussreichsten Autoren, die die Zukunft der Industriegesellschaft untersuchen, schreibt den viel zitierten Blog „The Archdruid Report“ und hat mehr als dreißig Bücher veröffentlicht. …… Er lebt in Cumberland, einer alten Fabrikstadt in den Appalachen, im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, mit seiner Frau Sarah

Inhaltsverzeichnis:

Titel Seite
1.  Die Folge der industriellen Zivilisation ((Anm d. Übersetz.: eine vollständige deutsche Übersetzung dieses Kapitels findet sich unterhalb dieser Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses)) 1
2. Das ökologische Nachspiel ((Anm d. Übersetz.: eine deutsche Übersetzung des Schlusses dieses Kapitels findet sich als Zitat sich „linksliberale Kampfkraftphantasien“ und noch einmal weiter unten, nach der Übersetzung des 1. Kapitels)) 15
3. Demographische Konsequenzen 39
4. Der politische Zusammenbruch 59
5. Der wirtschaftliche Kollaps 91
6. Der Selbstmord der Wissenschaften 123
7. Die Abenddämmerung der Technologie 149
8. Die Auflösung der Kultur 177
9. Die Straße zu einer Renaissance 199
Schlußnote 227
Bibliographie 231
Index 239
Über den Autor 247
Eine Bemerkung über den Verlag 248

Anmerkung zur nun folgenden, weiteren Übersetzung: Um die Orientierung im Text beim Lesen zu erleichtern, habe ich im Folgenden ungefähr analog zu den Buchseiten Trennzeilen mit der Seitenzahl eingefügt. Wenn in einem Absatz hätte getrennt werden müssen, dann habe ich die Trennlinie mit der Seitenzahl möglichst erst nach dem Absatz platziert. Fußnote und zugehörige Einträge im Literaturverzeichnis habe ich jeweils zusammengefasst und die Bücher wo möglich auf Amazon.de verlinkt.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Seite 1

1. Kapitel

Die Folge der industriellen Zivilisation

Seit mehr als vier Jahrzehnten warnen Wissenschaftler vor den unvermeidbaren Konsequenzen, die es hat, wenn man versucht endloses Wachstum auf einem endlichen Planeten zu realisieren. ((Die Literatur über dieses Thema ist immens. Siehe Meadows et al 1973 (Die Grenzen des Wachstums) und Catton 1980 (Overshoot: The Ecological Basis for Revolutionary Change) wegen guter Übersichten)) Seit dieser Zeit – während die Grenzen des Wachstums mehr und mehr klar  am Horizont unserer Zukunft sichtbar wurden, hat sich ein bemerkenswertes Paradox entfaltet. Je näher wir diesen Grenzen kommen, je mehr sie unser tägliches Leben beeinflussen, und je klarer unsere gegenwärtige Flugbahn auf die Ziegelmauer einer schwierigen Zukunft zielt, desto weniger können sich scheinbar die meisten Leute in der Industriegesellschaft irgend eine Alternative dazu vorstellen, die existierende Ordnung der Dinge weiterzuführen bis die Räder abfallen.

Das ist in vielen Ecken der aktivistischen Community genauso wie in den unrenoviertesten Vorstandsetagen. Für zu viele der heutigen Umweltaktivisten ist erneuerbare Energie nicht etwas, das sie selbst produzieren sollten, es sei denn sie sind reich genug, sich die Fotovoltaiksysteme auf dem Dach zu leisten, die das neueste Statussymbol in den vor städtischen Wohngebieten an beiden Küsten geworden sind ((gemeint ist die Ost- und Westküste der USA, wo sich die Zentren der Links-liberalen Gesellschaft befinden, die bei der Letzten Präsidentschaftswahl mehrheitlich Hillary Clinton gewählt haben.)). Sie, also die Energie, ist sicher nicht etwas das sie konservieren, also bewahren und sparen sollten. Vielmehr ist sie etwas, wovon man erwartet dass Versorgungsunternehmen und Regierung es so schnell wie möglich produzieren, sodass die Amerikaner weiterhin dreimal so viel Energie pro Kopf verbrauchen können wie ein durchschnittlicher Europäer und 20 mal so viel wie ein durchschnittlicher Chinese.

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Diese Art Enthusiasmus für den Wandel, der in der Aktivisten Community zum Vorschein kommt, konzentriert sich im Großen und Ganzen auf Welt verändernde Ereignisse der einen oder anderen Art. Wie es nun mal so ist, haben wir gerade jetzt einen ernsthaften Mangel an Welt verändernden Ereignissen. Dafür gibt es gute Gründe, genauso wie es genauso starke, wenn auch nicht genauso gute, Gründe dafür gibt, dass so viele Leute all ihre Hoffnungen auf ein Welt verändernde Ereignis der einen oder anderen Art heften. Therapeuten pflegen darauf hinzuweisen, dass man, wenn man immer das tut, was man immer getan hat, man immer das Ergebnis bekommt, das man immer bekommen hat und schließlich ist es ein Truismus (=Binsenwahrheit) geworden (obwohl es ebenso eine Wahrheit ist), dass immer dasselbe zu tun und andere Resultate zu erwarten eine brauchbare Definition für Verrücktheit ist.

Der Versuch einen Weg zu finden, um dieser harten aber unentrinnbaren Logik auszuweichen ist die Kraft, die die prophetische Hysterie über 2012 angetrieben hat und die mehr im allgemeinen zu Weltende-Wahnvorstellungen führt: wenn einen die Aussicht, die eigene Art zu leben zu ändern, in Angst und Schrecken versetzt, aber der Gedanke an die Konsequenzen der aktuellen Art zu leben, einen genauso in Angst und Schrecken versetzt, dann sind Tagträume,  in denen eine von außen kommende Kraft kommt und alles für einen verändert eine bequeme Möglichkeit, um eigenes Nachdenken über die Zukunft, die man für sich selbst macht zu vermeiden. ((Endnote: John Michael Geer: Apocalypse Not, 2011)) unglücklicherweise ist diese Art des Tagträumens sehr viel üblicher geworden als jene Art konstruktiver Taten, die tatsächlich einen Unterschied machen könnten.

Diese harte Tatsache garantiert ziemlich sicher eine Zukunft, die nach fast allen vorstellbaren Definitionen wesentlich schlimmer ist als die Gegenwart. Die Schwierigkeit hier ist, dass der Glaube an die Aussicht auf eine bessere Zukunft so tief in allen von uns verankert ist, dass der Versuch dagegen zu argumentieren ein wenig so ist als ob  man einem mittelalterlichen Bauern erzählen würde, dass der Himmel mit all seinen Heiligen und Engeln nicht mehr da ist. Die Hoffnung, dass morgen besser als heute sein wird oder sein kann oder zumindest sein sollte ist in der kollektiven Vorstellung von der modernen Welt fest verdrahtet. Hinter diesem Glauben liegt das immense Beharrungsvermögen von 300 Jahren industrieller Expansion, die den billig erreichbaren Anteil der fossilen Brennstoffreserven der Erde für einen kurzen Zeitabschnitt des Überflusses verwertet haben, der so extrem ist, dass Müllsammler im heutigen Amerika Zugriff auf Dinge haben, die vor dem Beginn der  industriellen Revolution nicht einmal Kaiser bekommen konnten.

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Dieses Zeitalter der Extravaganzen hat die Art, wie Leute heute über nahezu alle Dinge denken, gründlich gewandelt – in den Begriffen der Realität des menschlichen Lebens vor und nach unserem Zeitalter dürfte „verzerrt“ ein besseres Wort als „gewandelt“ sein. Insbesondere hat es uns blind gemacht für die ökologischen Realitäten, die den fundamentalen Kontext für unser Leben liefern. Es hat zum Beispiel fast alle von uns dazu gebracht, zu denken, dass unbegrenztes exponentielles Wachstum möglich, normal und gut ist. So kommt es, dass selbst trotz der desaströsen Konsequenzen unbegrenzten exponentiellen Wachstums,  deren Meldung in unsere Gesellschaft eine nach der anderen einschlägt, wie die Wellen, die eine Sandburg treffen, die große Mehrheit der Menschen heute noch immer ihre Vision von der Zukunft auf der Fantasie aufbaut, dass Probleme, die vom Wachstum verursacht wurden durch noch mehr Wachstum gelöst werden können ((Annm. d. Übers.: Siehe dazu die Rede der deutschen Bundeskanzlerin am 17. Febr. 2017 auf der Sicherheitspolitischen Konferenz in München. Insbesondere ab [19:30], wo sie sich für Afrika ein ähnliches Wachstum wie das der Schwellen- und Industrieländer in Asien wünscht, bzw. verdeutlicht, dass sie das allen Ernstes für wünschenswert und möglich hält. Tatsächlich kann man und wird man wohl am Ende das Flüchtlingsproblem leicht lösen, indem man Europas “Werte” und/oder Europas Wohlstand mehr oder weniger weit in Richtung dunkles Zeitalter verändert. Ansonsten, ist das ein Beispiel dafür, wie man den Zivilisationsverlust reduzieren kann. Anschließend kann man höchstens noch den Afrikanern Wissen liefern, wie es z.B. John Jeavons und Allan Savory bzw. wie die auf diese zurückgehenden Organisationen www.g-biack.org in Kenia und Savory Institute es getan haben und tun)).

Das verzerrte Denken, das wir von drei Jahrhunderten nicht nachhaltigem Wachstum geerbt haben, kommt selbst bei jenen mit voller Kraft zum Tragen, die denken dass sie dagegen an arbeiten. Aktivisten des gesamten politischen Spektrums haben rhetorisch seit Generationen über die Schrecken gepredigt, die die Zukunft auf Lager hat, sicher, aber sie bieten immer einen Ausweg – die Adoption der Agenda für die sie werben – und die führt geradewegs zu einem strahlenden neuen Morgen, in dem die harten Grenzen der Gegenwart irgendwie nicht länger zu existieren scheinen. (Entferne die abgegriffene Wendung „der einzige Weg zur Rettung einer besseren Zukunft aus den Klauen des drohenden Desasters“ aus der Rhetorik der heutigen Aktivisten zu diesem Zweck, und man stellt in den meisten Fällen fest, dass nur sehr wenig übrig bleibt.)

Jedoch, die strahlende neue Zukunft, die uns allen versprochen wurde, wird nicht kommen. Das ist die schlechte Nachricht, die uns von der sich entfaltenden Kollision zwischen der Industriegesellschaft und den nicht nachgebenden Grenzen der Biosphäre des Planeten übermittelt wird. Peak Oil, globale Erwärmung, und all die anderen Krisen, die überall auf der Welt zusammenkommen, sind alle Manifestation einer einzigen grundlegenden Ursache: der Unmöglichkeit unbegrenzten Wachstums auf einem begrenzten Planeten. Sie sind Warnsignale, die uns sagen, dass wir in den Bereich vollen Überschwingens (engl.Overshoot) gekommen sind – der Zustand mit dem Ökologen vertraut sind, in dem eine

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Spezies, die sie stützende Ressourcenbasis überlastet ((Endnote: William Catton, The Ecological Basis of Revolutionary Change,  1980, Seite 126 – 142)) – und sie sagen uns ebenfalls, dass das Wachstum nicht einfach aufhört; es wird sich umkehren, und diese Umkehr wird sich fortsetzen bis unsere Population, Ressourcenverbrauch, und Abfallproduktion auf ein Niveau gefallen, sind das nachhaltig über eine lange Zeit von dem beschädigten Ökosystem des Planeten getragen werden kann.

Das bittere Ergebnis könnte vielleicht verhindert worden sein, wenn wir kollektiv entscheidende Maßnahmen getroffen hätten, bevor wir in den Bereich des Überschießens gekommen sind. Wir haben es nicht getan und zum jetzigen Zeitpunkt ist das Fenster der Möglichkeit fest verschlossen. Nahezu alle Vorschläge, die momentan zur Debatte gestellt werden, um mit den Symptomen des globalen Überschießens fertig zu werden, gehen stillschweigend oder ausdrücklich davon aus, dass dies nicht der Fall ist und dass wir noch so viel Zeit haben, wie wir benötigen. Solche Vorschläge sind verschwendeter Atem und wenn irgendwelche von ihnen umgesetzt werden – und einige von ihnen werden sehr wahrscheinlich umgesetzt, wenn die heutige Selbstgefälligkeit der morgigen heftigen Panik weicht – so werden die Ressourcen, die dafür aufgewendet werden, ebenso verschwendet werden.

Daher denke ich, dass es Zeit ist, ein anderes und mehr herausforderndes Projekt zu verfolgen. Wir könnten eine bessere Zukunft gehabt haben, wenn wir die rechten Dinge getan hätten, als noch genug Zeit war, aber wir haben es nicht getan. Welche Art Zukunft können wir vor diesem Hintergrund erwarten?

In den Geschichtswissenschaften gibt es für diese Art Zukunft einen Standardausdruck. Der Ausdruck heißt „dunkles Zeitalter“.

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Diese Bezeichnung stammt tatsächlich aus einer Zeit, die vor jener Zeitperiode lag, für die dieser Begriff heute meistens verwendet wird. Marcus Terentius Varro (*116 v.Chr +27 v. Chr), der für den gebildetsten römischen Gelehrten seiner Zeit gehalten wurde, teilte die Geschichte, die ihm bekannt war in drei Zeitalter: ein Zeitalter der Geschichte, für das es schriftliche Berichte gibt; vor diesem, ein Zeitalter der Fabeln, aus dem mündliche Überlieferungen überlebt haben; und vor diesem, ein dunkles Zeitalter, über das niemand irgendetwas weiß. ((Endnote: Censorinus, The Natal Day, trans. William Maude (New York: Cambridge Encyclopedia Company, 1900, Seite 30, der Link zielt auf eine kostenlose pdf-Datei von google books)) Das ist eine einfache, aber überraschend nützliche Unterteilung. Selbst in jenen dunklen Zeitaltern, in denen Lesen und Schreiben als lebendige Tradition überlebten, sind die Berichte extrem spärlich und wenig hilfreich, und wenn die Aufzeichnungen wieder beginnen, sind sie für eine ziemlich lange Zeit danach mit Fabeln und Legenden überzogen. In einem dunklen Zeitalter zerreißt der Faden der kollektiven Erinnerung und der kulturellen Kontinuität, die Enden sind verloren und ein neuer Faden muss gesponnen werden, aus was auch immer an Rohmaterial gerade zur Hand ist.

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Dunkle Zeitalter dieser Art sind ein wiederkehrendes Phänomen in der Geschichte der Menschheit. Der Prozess, durch den sie entstehen hat einen bemerkenswerten Grad der Ähnlichkeit, selbst wenn die Zivilisationen, die ihnen vorausgehen sich in jeder denkbaren Weise unterscheiden. Der Historiker Arnold Toynbee, dessen mächtiges zwölfbändiges Werk Der Gang der Weltgeschichte: Aufstieg und Verfall der Kulturen die umfassendste Studie historischer Zyklen bleibt, die jemals geschrieben wurde, hat diese merkwürdige Parallelität im Detail untersucht. ((Toynbee, A Study of History,Vol. 6: The Disintregrations of Civilisations, Continued (London: Oxford University Press 1939, S. 321 – 326 )) bei ihrem Aufstieg, stellte er fest, neigt jede Zivilisation dazu, sich nicht nur von ihren Nachbarn, sondern von allen anderen Zivilisationen der gesamten Geschichte zu unterscheiden. Ihre politischen und religiösen Institutionen, ihre Künste und Architektur und all die anderen Details ihres täglichen Lebens nehmen eine bestimmte Formen an, sodass wenn sie sich ihrer Blütezeit nähert, selbst der kürzeste Blick auf eine ihrer Kreationen oft ausreicht, um ihre Quelle zu identifizieren.

Wenn die Blütezeit vorbei ist und der lange Weg des Abstiegs beginnt, dann wechselt das Muster der Unterschiedlichkeit zurück, zuerst langsam und dann mit zunehmender Geschwindigkeit. Eine merkwürdige Art der Vermischung findet statt: sich eindeutig von allen anderen Kulturen unterscheidende Eigenschaften gehen verloren und allgemein übliche Muster entstehen an ihrer Stelle. Das passiert nicht alles auf einmal, und verschiedene kulturelle Formen verlieren ihre besonderen, sie von anderen unterscheidenden Formen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber je tiefer auf der Flugbahn des Abstiegs und Falls eine Zivilisation sinkt, desto mehr entspricht sie anderen im Abstieg begriffenen Zivilisationen. Zu der Zeit, in der diese Flugbahn den Boden erreicht, ist die Übereinstimmung total; man vergleiche eine Postkollapsgesellschaft mit einer anderen – die Gesellschaften des poströmischen Europas, zum Beispiel mit der des postmykenischen Griechenlands – und es kann schwer sein zu glauben, dass derart ähnliche Gesellschaften eines dunklen Zeitalters aus den Trümmern so unterschiedlicher Zivilisationen hervorgegangen sind.

Es ist interessant zu spekulieren, warum diese Rückentwicklung zum Mittelwert eine so regelmäßige Erscheinung in der Abenddämmerung und dem Nachspiel so vieler Zivilisationen ist. Darüber hinaus hat das wiederkehrende Muster des Niedergangs und Falls eine andere Implikation – oder wenn man so will, eine andere Anwendung.

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Die moderne Industriegesellschaft, speziell aber nicht nur hier in Nordamerika, zeigt alle der üblichen Symptome einer Zivilisation auf ihrem Weg zum Komposthaufen der Geschichte. Wenn wir, wie die Evidenz nahelegt, auf dem bekannten Weg des Abstiegs und Falls gestartet sind, dann sollte es möglich sein, die Standardeigenschaften des Abstiegs detailliert aufzuzeichnen und ein ziemlich genaues Gefühl für die Zukunft zu bekommen, die vor uns liegt.

Zur Erinnerung, der Teil der Geschichte, der im Voraus erraten werden kann, bezieht sich auf breite Trends und allgemeine Muster, nicht aber auf die spezifischen Vorfälle, die einen so großen Teil der Geschichte, wie sie geschieht, ausmachen. Wie genau sich die auf das späte industrielle Amerika einwirkenden Druckkräfte, in der täglichen Realität der Politik der Wirtschaft und der Gesellschaft auswirken, wird durch das übliche Zusammenspiel von individuellen Entscheidungen und purem, dummen Glück bestimmt. Nachdem das gesagt ist, sind die breiten Trends und die allgemeinen Muster für sich betrachtet es schon wert, genauer betrachtet zu werden. Einige Dinge, die so erscheinen als würden sie in das Reich des nicht Vorhersagbaren gehören – zum Beispiel die politische und militärische Dynamik von Grenzregionen, die Beziehungen innerhalb der politischen Klasse des Imperiums, die zunehmend entrechteten unteren Klassen, und die Menschen außerhalb der Grenzen – folgen in einem historischen Fall nach dem anderen vorhersagbaren Mustern, und es deutet alles darauf hin, dass dies auch dieses Mal so ist.

Was ich faktisch behaupte ist, dass es auf eine sehr reale Weise möglich ist, die großen Linien der Geschichte Nordamerikas für die nächsten 500 Jahre oder so im Voraus zu zeichnen. Das ist eine sehr weitgehende Behauptung und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die unmittelbare Antwort zumindest eines Teils meiner Leser darin bestehen wird, diese Möglichkeit rundweg zurückzuweisen. Ich möchte diejenigen, die so reagieren ermutigen, zu versuchen eine aufgeschlossene Haltung zu bewahren.

Diese Behauptung unterstellt, dass die Lektionen der Vergangenheit tatsächlich einige Bedeutung für unsere Zukunft haben. Das ist heutzutage ein kontroverser Vorschlag, aber meiner Ansicht nach sagt diese Strittigkeit mehr über die populären Idiotien unserer Zeit aus als über die realen Fakten. Die Menschen im heutigen Amerika sind dazu übergegangen, Gedankenstopper zu verwenden wie „Aber dieses Mal ist es anders!“ Um sich davor zu schützen, irgendetwas aus der Geschichte zu lernen – eine Gewohnheit, die zweifellos Wunder für ihren heutigen Seelenfrieden bewirkt, obwohl sie ihnen ziemlich gut einen Zusammenstoß, mit dem Gesicht zuerst, mit der Ziegelwand der Miseren und des Versagens garantiert, nicht viel weiter auf ihrem Weg auf der Straße der Zeit.

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Unter den Ressourcen, die ich zu nutzen gedenke, um die Geschichte der nächsten fünf Jahrhunderte herauszufinden, ist der aktuelle Stand der Kunst in den Umweltwissenschaften, und das beinhaltet den sehr substantiellen Umfang der Evidenz und Forschung zu von Menschen verursachten klimatischen Veränderungen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass einige Leute dies als strittig ansehen und dass selbstverständlich einige sehr reiche Unternehmensinteressen eine Menge Geld investiert haben, um die Leute davon zu überzeugen, dass es kontrovers ist. Aber ich habe sehr umfassend zu allen Seiten dieses Themas gelesen und die Argumente, die dafür sprechen, anthropogene Klimaveränderungen ernst zunehmen, beeindrucken mich besonders. Ich habe dennoch nicht vor, die Sache hier zu debattieren – es gibt viele Foren dafür. Während ich beabsichtige die derzeitigen modellbasierten Schätzungen des Klimawandels und des Anstiegs des Meeresspiegels mit der Evidenz der Paleoklimatologie aufzulockern, werden diejenigen, die darauf bestehen, dass es nichts ausmacht die Atmosphäre als großen Abwasserkanal für klimaschädliche Gase zu benutzen, nicht mit allem glücklich sein, was ich zu sagen habe.

Ich beabsichtige ebenfalls den Abstieg und Fall der industriellen Zivilisation zu diskutieren, ohne zu versuchen, die härteren Dimensionen dieses Prozesses zu beschönigen. Das wird noch eine andere Garnitur Federn durcheinanderbringen. Diejenigen, die die Nachrichten verfolgen, werden zweifellos bemerkt haben, wie verzweifelt versucht wird darauf zu bestehen, dass es nicht so schlimm sein wird, wirklich nicht sein wird. Ich meine diese Versuche, die sich zu zeigen beginnen, wenn immer ein offenes Gespräch über die Zukunft durch den Nebel der kollektiven Mythologie dringt, den unsere Gesellschaft nutzt, um die Konsequenzen ihrer eigenen Aktionen nicht zu sehen. Diejenigen, die es wagen solche Wörter wie „Niedergang“ oder „dunkles Zeitalter“ zu benutzen, können darauf rechnen von Kritiken beansprucht zu werden, die ernsthaft darauf bestehen, dass eine solche Sprache zu negativ ist, dass wir selbstverständlich eine Veränderung hin zu einer anderen Art Gesellschaft entgegensehen, aber dass man dies nicht in so entmutigenden Begriffen beschreiben sollte, usw.. Und dann folgt das ganze Vokabular des obligatorischen Optimismus der unter den Privilegierten dieser Tage so in Mode ist.

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Diese Art zu reden mag bequem sein, aber sie ist nicht nützlich. Der Fall einer Zivilisation ist keine erfreuliche Aussicht – und das ist es worüber wir selbstverständlich sprechen: der Abstieg und Fall der industriellen Zivilisation, der lange Weg durch ein dunkles Zeitalter, und die ersten Regungen der nachfolgenden Gesellschaften die auf unseren Ruinen aufbauen werden. So endet der Lebenszyklus einer Zivilisation, und das ist auch die Art wie unsere gerade jetzt endet.

Was das in der Praxis bedeutet ist, dass die gewohnten Annahmen der Leute in den Industriegesellschaften über die Zukunft in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten auf dem Kopf stehen werden. Die meiste Rhetorik, die heutzutage zur Unterstützung von diesem oder jenem, oder eine andere Große Wende, die uns von den Konsequenzen unserer eigenen Taten retten wird, nimmt als Tatsache an, dass die Mehrheit der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten – oder, der Himmel hilf, in der ganzen industrialisierten Welt – sich gemeinsam um einige allgemein akzeptierte Garnituren von Werten und einige akzeptierte Aktionspläne versammeln kann und wird, um die industrielle Zivilisation vor der zunehmenden Spirale der sie umgebenden Krisen zu retten. Meine Leser dürften zur Kenntnis genommen haben, dass die Dinge sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen scheinen, und die Geschichte legt nahe, dass sie damit ziemlich richtig liegen.

Zu den Standardphänomenen des Abstiegs und Falls gehört in der Tat das Zerbrechen des kollektiven Konsenses, der einer aufstrebenden Gesellschaft die Fähigkeit gibt, gemeinsam zu handeln und vieles von allem zu erreichen. Die Spaltung zwischen der politischen Klasse und dem Rest der Bevölkerung – man kann sicherlich die einen „das eine Prozent“ und anderen „die neunundneunzig Prozent“ nennen – ist einfach die am meisten sichtbare der Bruchlinien, die durch jede absteigende Zivilisation gehen, und die sie in einen Flickenteppich abweichender Fragmente verwandeln, die konkurrierende Ideale und Agenden verfolgen. Dieser Prozess hat auch einen vorhersagbaren Endpunkt: während das zunehmend groteske Fehlverhalten der politischen Klasse dazu führt, dass diese jeden Respekt und jede Loyalität verlieren, die sie einstmals beim Rest der Gesellschaft genoss, und während die Massen sich ihres Vertrauen in die politischen Institutionen ihrer Gesellschaft entledigen, füllen charismatische Führer von außerhalb der politischen Klasse das Vakuum. Gewalt wird der normale Vermittler der Macht, und die Herrschaft des Rechts wird eine höfliche Fiktion, wenn sie nicht einfach vollständig abgeschafft wird.

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Die ökonomische Sphäre einer Gesellschaft im Niedergang ist aus verschiedenen Gründen einer parallel verlaufenden Zersplitterung unterworfen. In Zeiten wirtschaftlicher Expansion wirft die Arbeit der arbeitenden Klasse genug Profit ab um die Kosten eines mehr oder weniger komplexen Überbaus zu decken, egal ob dieser Überbau aus den Pharaonen und Priestern des alten Ägyptens oder den Bürokraten und Investmentbankern des späten industriellen Amerikas besteht. Wenn das Wachstum durch Kontraktion abgelöst wird, dann erzielt die Produktion von Gütern und Dienstleistungen nicht mehr den Profit den sie einst erzielte, aber die Mitglieder der politischen Klasse, deren Macht und Wohlstand von dem Überbau abhängt, sind vorhersagbar nicht gewillt ihren privilegierten Status zu verlieren und sie haben die Macht sich selbst auf Kosten aller anderen zu versorgen. Das zuverlässige Resultat ist ein Schrumpfen der produktiven wirtschaftlichen Aktivität, was eine im Abstieg begriffene Zivilisation von einer sie durchschüttelnd Finanzkrise zur nächsten bringt und schließlich ihre Fähigkeit zerstört, selbst die notwendigsten Güter und Dienstleistungen zu produzieren.

Als Reaktion darauf beginnen die Menschen sich aus dem wirtschaftlichen Hauptkreislauf insgesamt aus zu klinken, weil weil es weniger fruchtlos ist an den wirtschaftlichen Rändern mühsam sein Dasein zu Fristen als in einem System zu überleben, das zunehmend gegen sie manipuliert wird. Steigende Steuern, abnehmende öffentliche Dienstleistungen und systematische Privatisierung öffentlicher Güter durch die Reichen, wetteifern darum mehr und mehr Menschen gegenüber der etablierten Ordnung zu entfremden. Die Entwertung des Geldsystems, in einem Versuch die abnehmenden Steuereinnahmen auszugleichen, führt dazu, dass mehr und mehr wirtschaftliche Aktivitäten durch ohne Geld auskommende Formen des Austauschs ersetzt werden. Während das Geldsystem versagt werden im Gegenzug große Wirtschaftsaktivitäten unmöglich; die Wirtschaft zersplittert und vereinfacht sich bis zur einfachen wirtschaftlichen Subsystemen mit lokalen Ressourcen, die gelegentlich durch Plünderungen angereichert werden. Das wird die einzige überlebende Form der wirtschaftlichen Aktivität.

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Zusammengenommen schicken diese Muster der politischen Fragmentierung und des wirtschaftlichen Zerfalls die politische Klasse einer versagenden Zivilisation mit den Füßen zuerst auf eine Reise durch die Ausgangstüren der Geschichte. Die einzigen Fähigkeiten die ihre Mitglieder im Großen und Ganzen haben, sind jene die nötig sind um komplexe politische und wirtschaftliche Hebel ihrer Gesellschaft zu manipulieren, und ihre Macht hängt vollständig von der aktiven Loyalität ihrer Untergebenen ab, die ganze Kommandokette hinunter, und vom passiven Gehorsam des Rests der Gesellschaft. Der Kollaps der politischen Institutionen nimmt der politischen Klasse jeden Legitimitätsanspruch; der Zusammenbruch des Wirtschaftssystems begrenzt ihre Fähigkeit die Loyalität jener zu kaufen, die sie nicht länger inspirieren können; der Zusammenbruch der Hebel der Kontrolle nimmt ihren Mitgliedern die einzige tatsächliche Macht die sie hatten; und das ist der Punkt, wenn sie sich in die Lage versetzt sehen, um Anhänger zu konkurrieren, mit den charismatischen Führern die gerade von den niedrigeren Rängen der Gesellschaft aufsteigen. Sehr viel öfter als nicht kommt das Endspiel dann, wenn die politische Klasse versucht die aufsteigenden Führer der Entrechteten an zu heuern um mit diesen eine Quelle der Kraft zu haben um den Rest der Bevölkerung kontrollieren zu können. Die politische Klasse findet dann auf die harte Tour heraus, dass die wirklich Machthabenden diejenigen sind, die Waffen tragen und nicht diejenigen die denken dass sie die Befehle geben.

Die Implosion der politischen Klasse hat Auswirkungen die deutlich über einen einfachen Personalwechsel in den oberen Schichten der Gesellschaft hinausgehen. Die zuvor erwähnte politische und soziale Zersplitterung wirkt sich genauso kraftvoll auf die weniger greifbaren Dimensionen des menschlichen Lebens aus – seine Ideen und Ideale, seine Glaubensinhalte, Werte und kulturellen Praktiken. Wenn eine Gesellschaft in die Phase des Abstiegs kippt, dann werden ihre Bildungsinstitutionen und ihre kulturellen Institutionen, ihre Künste, Literatur Wissenschaften, Philosophien und Religionen alle mit der politischen Klasse identifiziert; das ist kein Zufall da die politische Klasse generell alles versucht um diese Dinge zu nutzen um ihrem eigenen Verlust an Autorität und Einfluss aufzuhalten. Für jene außerhalb der politischen Klasse wiederum wird die Hochkultur der Zivilisation befremdlich und gehasst, und wenn die politische Klasse zugrunde geht, dann gehen die kulturellen Ressourcen, die diese sich zu Diensten gemacht hat, mit ihr zugrunde.

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Einige dieser Ressourcen werden von Subkulturen für ihre eigenen Zwecke ausgeschlachtet, sowie christliche Mönche und Nonnen Teile der klassischen griechischen und römischen Philosophie und Wissenschaft für die größere Verherrlichung Gottes genutzt haben. Das ist nicht garantiert, obwohl, wenn es geschieht, dann nimmt und wählt die ausschlachtende Mannschaft entsprechend ihren eigenen Überlegungen – das Überleben der klassischen griechischen Astronomie im frühen mittelalterlichen Westen geschah zum Beispiel einfach deshalb, weil die Kirche wissen musste wie man das Datum von Ostern berechnet. Wo solche Motive nicht existieren können die Verluste total sein: von dem immensen Korpus der römischen Musik ist das einzige was überlebt hat ein Fragment einer Melodie die zu spielen 25 Sekunden dauert. Auch gibt es historische Beispiele in denen selbst der einfache Trick des Lesens und Schreibens während der Implosion einer Zivilisation verloren ging und Jahrhunderte später von irgendwo anders importiert werden musste.

All diese Transformationen beeinflussen die menschliche Ökologie einer fallenden Zivilisation – das heißt, die grundlegenden Beziehungen mit der natürlichen Welt von der jede menschliche Gesellschaft in ihrem täglichen Leben abhängt. Die meisten Zivilisationen wissen sehr genau was man tun muss um die oberste Mutterbodenschicht zu erhalten, um Bewässerungssysteme funktionsfähig zu erhalten, um Ernten einzubringen, und all die anderen Details der menschlichen Interaktion mit der Umwelt auf einer stabilen Basis. Das Problem ist immer die erforderlichen Kosten aufzubringen wenn das Wirtschaftswachstum beendet ist und eine Schrumpfung der Wirtschaft einsetzt, und die Fähigkeit der Zentralregierung ihre Verordnungen durchzusetzen, sich auflöst. Die Gewohnheit, den Überbau auf Kosten von allem anderen zu versorgen, beeinträchtigt die Umwelt genauso kraftvoll wie die arbeitende Klasse: genauso wie die Löhne auf Hungerniveau fallen und weiter fallen, werden Kosten gekürzt, für notwendige Investitionen in Infrastruktur, für Brachperioden die man zur Regeneration des Bodens beim Fruchtwechsel benötigt, und für die anderen Aufwendungen die ein landwirtschaftliches System nachhaltig machen.

Als ein Resultat wird Mutterboden weggewaschen, landwirtschaftliches Hinterland verkommt zu Wüsten und Sümpfen, vitale Infrastruktur kollabiert durch schädliche Vernachlässigung, und die Fähigkeit des Landes menschliches Leben zu unterstützen beginnt den stufenweisen Abstieg der das Endstadium des Niedergangs charakterisiert – und so, im Gegenzug, geht es mit der Bevölkerung, weil die Zahl der Menschen in der letzten Analyse eine abhängige Variable sind, und keine unabhängige. Bevölkerungen wachsen oder schrumpfen nicht einfach weil die Leute an einem Tag beschließen mehr oder weniger Babys zu haben; sie sind durch ökologische Grenzen begrenzt. In einer expandierenden Zivilisation nimmt die Bevölkerung zu weil ihr Wohlstand und ihre Ressourcenbasis zunehmen, weil die Leute es sich leisten können mehr Kinder zu haben und weil Jahr für Jahr mehr der geborenen Kinder in Ernährung und grundlegende Gesundheit Pflege erhalten die es ihnen ermöglicht bis zu dem Alter zu überleben indem sie selbst Kinder bekommen können. Wenn das Wachstum dem Niedergang weicht, dann wächst die Bevölkerung typischerweise noch eine weitere Generation oder so wegen des schieren demographischen Momentes, und dann beginnt sie zu fallen.

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Die Konsequenzen können in der Geschichte jeder kollabierenden Zivilisation verfolgt werden. Während die ländliche Wirtschaft als Folge des landwirtschaftlichen Versagens aufbauend auf den allgemeineren wirtschaftlichen Abstieg implodiert, konzentriert sich eine zunehmender Anteil der Bevölkerung in den städtischen Elendsbezirken. Während die Maßnahmen zur öffentlichen Gesundheit zusammenbrechen werden diese Slums zu Brutstätten für Infektionskrankheiten. Epidemien sind daher eine übliches Merkmal in der Geschichte absteigender Zivilisationen. Natürlich sind Krieg und Hungersnöte ebenfalls signifikante Faktoren; aber einen noch größeren Tribut beansprucht der ständige Anstieg der Todesrate, der durch Armut, Mangelernährung, Zusammendrängung und Stress verursacht wird. Wenn die Sterberate die Geburtenzahl übersteigt, dann kommt die Gesellschaft in eine Phase des Bevölkerungsrückgangs, der leicht einige Jahrhunderte andauern kann. Es ist alles andere als ungewöhnlich, dass die Bevölkerung in einem Gebiet, in der auf eine Zivilisation folgenden Zeit auf weniger als zehnt Prozent der Größe zur Zeit der Blütezeit vor dem Kollaps zurückgeht.

Man rechne diese Muster zusammen, folge ihnen über die üblichen ein bis drei Jahrhunderte der Abwärtsspirale und man hat das Standardbild einer Gesellschaft in einem dunklen Zeitalter: eine größtenteils verwüstete ländliche Gegend mit kleinen verstreuten Dörfern wo selbst versorgende Bauern die verarmt sind und nicht lesen und schreiben können, kämpfen um die Fruchtbarkeit zurück in den ausgelaugten Mutterboden zu bringen. Ihre Regierung besteht aus der persönlichen Machtausübung lokaler Kriegsherren, die im Tausch für den Schutz vor Plünderern ihren Teil der jährlichen Ernte fordern,  und die eine raue Rechtsprechung im Schatten jedes passenden Baumes anwenden. Ihre Literatur besteht aus Gedichten, liebevoll erinnert und gesungen zu den Klängen eines einfachen Saiteninstruments, die die großen Taten der charismatischen Führer eines verschwundenen Zeitalters erinnern, und diese selben Gedichte beinhalten alles was sie über ihre Geschichte wissen. Ihr Gesundheitswesen besteht aus Kräutern, ein wenig rauer Chirurgie und Zaubersprüchen die sie schlau zwecks Ausbeutung des Placeboeffektes nutzen. Ihre Wissenschaft – nun ich überlasse das der Fantasie der Leser.

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Und das Erbe der Vergangenheit? Hier ist etwas von dem was ein anonymer Dichter in einem dunklen Zeitalter über die vorherige Zivilisation zu sagen hatte:

Strahlend waren damals die Hallen, der Badehäuser viele,

Hoch die Giebel, laut das freudige Geschrei,

Viele die Methallen voll Köstlichkeiten

Bis ein mächtiges Schicksal alles umwarf.

Groß war das Schlachten, die Seuchenzeit kam,

Der Tod nahm fort all diese Helden.

Zerbrochen sind ihre Befestigungsmauern, gefallen ihre Hallen,

Die Stadt ist zerfallen; die die sie erbauten fielen auf die Erde.

Daher zerfallen diese Plätze,

Und Dachziegel fallen von diesem steinernen Torbogen.

Fans der angelsächsischen Dichtung werden dies als eine Passage aus “The Ruin” erkennen. Wenn die Prozesse der Geschichte ihren normalem Muster folgen, dann werden sie in vier- bis fünfhundert Jahren von jetzt an gerechnet Gedichte wie dieses über die Ruinen unserer Städte singen. Wie wir dorthin gelangen und was wahrscheinlich auf diesem Weg passieren wird ist das Thema dieses Buches.

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Es liegt eine bittere Ironie in der der Tatsache, dass Krebs, eine vor eineinhalb Jahrhunderten relativ ungewöhnliche Krankheit …. eine typische Krankheit in der Industriegesellschaft geworden ist, deren Häufigkeit im Gleichschritt zunimmt mit unserem gedankenlosen entsorgen chemischer Gifte und radioaktiver Abfälle in unserer Umwelt. Was ist schließlich Krebs? Eine Krankheit deren Hauptmerkmal unkontrolliertes Wachstum ist.

Manchmal frage ich mich ob unsere Nachkommen in der deindustrialisierten Welt diese Ironie ver­s‍tehen werden. Auf die eine oder andere Weise, da habe ich keine Zweifel, werden sie ihre eigenen Meinung über das bittere Erbe haben, das wir ihnen hinterlassen. Wenn sie zurück denken an die Menschen des zwanzig­s‍ten und des frühen einundzwanzig­s‍ten Jahrhunderts die ihnen die unfruchtbaren Böden und geplünderte Fischgründe gaben, das chaotische Wetter und die steigenden Ozeane, das vergiftete Land und Wasser, die Geburtsdefekte und Krebserkrankungen die ihr Leben verbittern, wie werden sie an uns denken? Ich denke ich weiß es. Ich denke wir werden die Orks und Nazgûls ihrer Legenden sein, der kollektive Satan ihrer Mythologie, die frühere Rasse die die Erde ruiniert hat und alles auf ihr, so dass sie ein unseeliges Leben auf Ko­s‍ten der Zukunft genießen konnte.  Sie werden uns als böse Inkarnation erinnern – und aus ihrer Perspektive ist es ein in kein­s‍ter Weise leicht zu bestreitendes Urteil.

Deutsche Übersetzung von

Christoph Becker (www.freizahn.de) im Februar 2017




Hybrider Krieg als neue Bedrohung

Das Buch Hybrider Krieg als neue Bedrohung von Freiheit und Frieden: Zur Relevanz der Inneren Führung in Politik, Gesellschaft und Streitkräften von Dr. Uwe Hartmann  liefert eine  Sicht auf den modernen Krieg aus der Perspektive eines offenbar sehr umfassend gebildeten und kritisch nachdenkenden Offiziers der Bundeswehr.

Es ist zu erwarten, dass  seine Funktion als  aktiver  Offizier in gewisser Hinsicht seine Sichtweisen und vor allem aber auch das, was er sagt und schreibt, im Sinne der politischen Korrektheit und des Zeitgeistes beeinflusst und auch begrenzt.  Ich habe dies  bei der Lektüre des Buches  bedacht.  Dennoch  hat mich  sein  Buch  sehr angenehm überrascht. Die Lektüre des Buches kann ich   sehr  empfehlen.

Der Autor erklärt zunächst das Phänomen des hybriden Krieges, die Herkunft des Begriffes und führt einige historische und aktuelle Beispiele an.   Der Klassiker der hybriden Kriegsführung ist Sun Tzu, dessen Ausführungen zur Kriegsvorbereitung und Angriffsstrategie ich schon in meinen Beiträgen  Sun Tzu, schwarze Schwäne und die Weltkriege   in  Angriffsstrategie nach Sun Tzu    erwähnt und teilweise übersetzt habe.  Hartmann führt als neuere Anwendungen der hybriden Kriegsführung die Besetzung der Krim durch Russland und den Ukrainekonflikt sowie den Krieg in Afghanistan und das Vorgehen der Organisation Islamischer Staat  an.  Etwas wie mein Planspiel für einen hybriden Krieg, das ich unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise in China, Troja und Laokoon  und in Operation Troja  entwickelt habe, kann er natürlich schon aus Gründen der politischen Korrektheit  als aktiver Soldat nicht   vorbringen.

Dann erklärt er die Geschichten, Entwicklung und den Hintergrund  der Inneren Führung in der  Bundeswehr   wie u.a.    Graf Wolf  von Baudissin  diese  gedacht und aufgebaut hat.   Hartmann zeigt, dass auch der kalte Krieg in hohem Maße ein hybrider Krieg war.

An dieser Stelle kam mir bei der Lektüre von Hartmanns Buch das Interview  des  australischen Politologen  Frank Salter mit dem Internetaktivisten Henrik Palmgren in den Sinn, das ich in  Krieg gegen die menschliche Natur – Teil 1  und Teil2 und Teil3 vollständig ins Deutsche  übersetzt habe. Wie Salter in diesem Interview  erklärt, hat der Westen, bzw. hat die NATO, zwar den kalten Krieg  wirtschaftlich gewonnen, aber intellektuell , also geistig , hat der Westen den Kalten Krieg verloren.  Insofern hat die von Hartmann hoch geschätzte Innere Führung gründlich versagt. Wie man den Eräuterungen Salters entnehmen kann, kann man diese Niederlage des Westens aber nicht der Bundeswehr anlasten, sondern muss sie an den Universitäten suchen. Das erklärt auch der deutsche Politologe Manfred Kleine-Hartlage in seinen auf Youtube verfübaren Reden Warum ich kein Linker mehr bin und  Links ist da, wo der Regen von unten nach oben fällt, auf die ich in Selbstzerstörung des Rechtsstaates  schon hingewiesen hatte. Eine andere Stelle auf meiner Webseite, die mir dabei in den Sinn kommt, ist das Interview von Chris Martenson mit John Michael Greer,  Der Gott des technischen Fortschritts könnte sehr wohl tot sein – Aber die Gesellschaft will dies nicht in Erwägung ziehen, wo Greer sagt:

John: Es ist tatsächlich verstärkt so – dies traf mich zuerst mit den Veränderungen in den Medien seit dem die Berliner Mauer fiel. In diesem Moment oder einige Momente danach kam ich zu der Feststellung, dass alle diese Typen, die bisher für die Prawda und verschiedene andere kommunistische Organe Propaganda produziert haben, alle angefangen haben, bei den US-amerikanischen Medien zu arbeiten. Wenn du Faux-News oder einen der Pseudonachrichten Sender auf der anderen Seite des Spektrums siehst, es ist so propagandistisch. Da sind so viele Möglichkeiten, auf die unsere amerikanische Gesellschaft zunehmend eine nicht demokratische und eine autokratische Gesellschaft wird, in der du vorsichtig im Bezug auf das sein musst, was du sagst. Wir sprechen nicht darüber. Das ist eines dieser Dinge.[1:01:53.2]

In diesem Interview von Martenson mit Greer kommt übrigens auch zum Ausdruck, dass die amerikanischen Streitkräfte und damit auch die NATO in einem realen, großen Krieg, voraussichtlich bei weitem nicht die Kampfkraft haben, die unsere Politiker und auch Herr Hartmann noch unterstellen. Greer stellt in diesem Interview u.a. auch seinen neuen Roman Twilight’s Last Gleaming vor, den ich in Kollaps als Chance kurz vorgestellt und wiedergegeben habe. Wesentlicher Inhalt des Romans ist, dass und warum die USA in einem Krieg mit China ihre Vormachtstellung als Seemacht verlieren (würden),  und dann nach einem  von den Chinesen kaltblütig ausgesessenen atomaren Ultimatum  kapitulieren  und  sich in den Jahren danach auflösen und balkanisieren  (was für Europa und seine Verteidigung sehr krasse Folgen hätte).

Bei  Hartmanns Buch über den hybriden Krieg habe ich übrigens Hinweise auf die extreme Störempflindlichkeit der kurz-, mittel- und langfristigen Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in allen westlichen Industriestaaten vermisst.  Die  Landwirtschaftspolitik unserer eigenen Regierung und unserer Verbündeten,  sowie unsere so gut wie nicht vorhanden  Lebensmittelbevorratung und die Abhängigkeit unserer Nahrungsmittelversorgung von einer funktionierenden, hochkomplexen, globalen Infrastruktur ist aus der Sicht jedes Gegners die bestmögliche militärische Schwächung der westlichen Industriestaaten und der NATO.    Ein paar Atomsprengköpfe, die von anonymen Frachtern ,  wie im  in   Eine Sekunde danach vorgestellten Roman, abgefeuert werden, um eine EMP-Ereignis auszulösen, würden vor diesem Hintergrund reichen, um binnen weniger Monate bis zu 90% der Bevölkerung in den USA oder/und auch in Europa durch Hunger und die damit verbundenen medizinischen und sozialen Nebenwirkungen umkommen zu lassen. Eine nachhaltige Störung des globalen Handels würde ebenfalls die Nahrungsmittelversorgung mehr verschlechtern als die Seeblockade im 1. Weltkrieg es damals getan hat, obwohl auch diese schon Hungersnöte in Europa ausgelöst hat. Siehe z.B. Rationierung und Lebensmittelknappheit im 1. Weltkrieg.

Hartmanns Antwort auf die Bedrohung durch die hybriden Kriege der Gegenwart und Zukunft ist eine Reform und Optimierung der Inneren Führung. Ich zitiere hier den letzten Satz seines Buches:

Wenn Politik, Gesellschaft und Streitkräfte in einer konzertierten Aktion die Ziele der Inneren Führung verfolgen und umsetzen, werden hybrid agierende Gegner kaum Ansatzpunkte finden für ihre zerstörerischen Ansichten

Das sehe ich auch so.

Allerdings sehe ich noch eine Reihe anderer Probleme, die aber alle mit der hybriden Kriegsführung zusammenhängen. Neben der oben schon erwähnten Störanfälligkeit der Nahrungsmittelversorgung und der technischen Infrastruktur,  sowie neben den   Risiken der  Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik , sind das meines Erachtens auch  die Probleme,  auf die ich auf meiner Webseite unter anderem in Beiträgen wie

aufmerksam zu machen versucht habe. Das von William Graham Sumner in seinem Essay Earth-Hunger or the Philosophy of Land Grabbing erläuterte Prinzip und dessen Implikationen für Deutschland und andere Staaten, mit ihren durch die Nutzung endlicher fossiler Energieträger auf verschieden Weise temporär extrem vergrößerten, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten  mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwangsläufig stark schrumpfenden  Nutzflächen, bei dafür viel zu großen Bevölkerungen, wird jedenfalls auch in Hartmanns Buch nicht behandelt  und auch nicht als  die treibende  Kraft und Ursache für hybrid geführte Kriege gesehen, die sie ist und in steigendem Maße sein wird.  Es ist diese Schrumpfung der Nutzflächen und die damit einhergehende Überschreitung der ökologischen Tragfähigkeit, auch in Deutschland und im Rest Westeuropas ebenso wie im Orient und in Afrika, die den Frieden und die westlichen Werte  gefährden werden.  Man bedenke, dass die westlichen Werte und auch der Rechtsstaat, die Demokratie und  die Menschenrechte  so ziemlich alles, was wir als soziale Errungenschaften der letzten 250 Jahre betrachten, letztlich nur Nebenprodukte  einer Ausweitung der  verfügbaren Landflächen, zunächst durch Entdeckungen von vorher unbekannten Kontinenten und dann durch  die  auf der Nutzung fossiler Energieträger beruhenden technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen waren, wie  die Soziologen  William Graham Sumner und   später  William Catton  erklärt haben. Jetzt sind alle Kontinente  bekannt und alle sind überbevölkert. Die nutzbaren Flächen schrumpfen durch Misswirtschaft und Erosion und die für technologiebedingte Ausweitung der Nutzflächen ursächlichen und erforderlichen, nicht erneuerbaren  Ressourcen werden zunehmend knapper und teurer, was letztlich  ebenfalls zur Schrumpfung der Tragfähigkeit der verbleibenden Nutzflächen führen wird. Das alles droht die seit dem dem Mittelalter und ganz besonders seit Beginn der industriellen Revolution erfolgten gesellschaftlichen “Fortschritte” zu revidieren.

Über allem schwebt dann noch der von Joseph Tainter beschriebene Kollaps durch zwangsläufig immer weiter steigende Komplexitätskosten und der ebenfalls von Tainter beschriebene, zwangsläufige Rückgang der Produktivität von Forschung und Entwicklung.

Und dann ist da noch das Phänomen, dass man in der Medizin als Autoimmunerkrankung bezeichnet, und das z.B. Frank Lisson auf gesellschaftlicher Ebene in  Die Verachtung des Eigenen. Über den kulturellen Selbsthass in Europa: Ursachen und Verlauf des kulturellen Selbsthasses in Europa untersucht, oder das Jean Raspail in seinem Roman Das Heerlager der Heiligen am Beispiel Frankreichs und des Westens beschreibt, oder was Irenäus Eibl-Eibesfeldt in dem  Kapitel Zuviel des Guten in seinem Buch Der Mensch, das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft  erklärt. Wenn die Linken und Gutmenschen in unserem Land, unser Land freiwillig oder  mutwillig zerstören oder anderen geben wollen, dann sind diese Linken und Gutmenschen ein Teil des Feindes in einem hybriden Krieg. Wenn man einen Bürgerkrieg oder einen Genozid des eigenen Volkes vermeiden will, dann ist hier Uwe Hartmanns Vorschlag es mit einer Reform und Verbesserung der Inneren Führung zu versuchen sicher einige  Anstrengungen  wert.

Insgesamt habe ich, trotz aller  Bedenken,  durch Hartmanns Buch  Hybrider Krieg als neue Bedrohung von Freiheit und Frieden: Zur Relevanz der Inneren Führung in Politik, Gesellschaft und Streitkräften den Eindruck gewonnen, dass Deutschland  noch nicht verloren ist, solange es noch Offiziere wie  ihn hat. Es ist nur zu hoffen, dass   in den nächsten Monaten und Jahren, ganz im Sinne von Dimitri Orlovs, Neujahrswunsch für das Jahr 2016 ( Mein Rezept für 2016: Frühzeitig und häufig kollabieren!  ) zu vielen kleinen Kollapsen  kommt, die Bevölkerung und Politik vielleicht doch noch  rechtzeitig dazu motivieren die Diskussionen und Reformen durchzuführen, die nötig sind, um die hybriden Kriege der Gegenwart und Zukunft   möglichst gut zu überstehen.

Kelberg, den 30. April 2016

Christoph Becker

 




Wie Deutschland doch noch den Krieg gewann

Ich habe gerade das Buch Decline and Fall: The End of Empire and the Future of Democracy in 21st Century America (dt. Niedergang und Fall: Das Ende des Reiches und die Zukunft der Demokratie im Amerika des 21. Jahrhunderts) von John Michael Greer zu Ende gelesen. Das Buch ist auch aus deutscher und europäischer Sicht aus einer ganzen Reihe von Gründen bedeutend und unbedingt lesenswert.  Anfangen möchte ich mit einem Zitat über Deutschland:

Auf Seite 129f schreibt Greer:

Die Realität jedoch [dass bankrotte Staaten wie Griechenland nur durch einen Staatsbankrott und die Weigerung, ihre Schulden zu tilgen und eben nicht durch Sparmaßnahmen wieder auf die Beine kommen können], ist nicht gerade eine willkommene Nachricht für jene Nationen, die von dieser modernen Form der Wohlstandspumpe profitieren, in der unbezahlbare Schulden gewöhnlich eine große Rolle spielen.

Wenn immer man sieht, dass der Washingtoner Consensus einem Land verordnet wird, halte man nach den Nationen Ausschau, die dies am lautesten fordern. Es ist eine sichere Wette, dass es die Länder sind, die am aktivsten damit beschäftigt sind, die Vermögen der Schuldnerländer einzusammeln; im heutigen Europa ist das üblicherweise Deutschland. Es ist eine der ätzenden Ironien der Zeitgeschichte, dass Europa zwei der verlustreichsten Kriege der Weltgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geführt hat, um Deutschland ein europäisches Reich zu verweigern, und dass es dann die zweite Hälfte des selben  Jahrhunderts damit verbracht hat, Deutschland ohne einen Schuß abzufeuern,  zu erlauben,  nahezu alle seine Kriegsziele –  bis auf Überseekolonien und eine Siegesparade auf dem Champs Élysée zu erreichen.

Insbesondere seit der Gründung der Eurozone hat die europäische Wirtschaft zum Vorteil der Deutschen und sogar auf Kosten anderer europäischer Staaten gewirkt. Die gemeinsame Währung selbst ist ein immenser Vorteil für die deutsche Wirtschaft, die Jahrzehnte damit verbracht hat, mit Wechselkursen zu kämpfen, die deutsche Exporte teurer und ausländische Importe nach Deutschland preiswerter gemacht haben. Die Peseta, Lira, Franc und andere europäische Währungen können nicht länger auf Handelsbilanzdefizite mit Abwertungen relativ zur D-Mark reagieren.  Das resultierende System – kombiniert mit von von orthodoxen Wirtschaftswissenschaften geforderten und von Bürokraten in Brüssel durchgesetzten Freihandelsregelungen – hat als hocheffiziente Wohlstandspumpe funktioniert und es hat Deutschland und ein paar seiner nordeuropäischen Nachbarn erlaubt zu gedeihen, während das südliche Europa tiefer in den wirtschaftlichen Kollaps gestolpert ist.

In einer Weise dann ist es kein Wunder, dass deutsche Regierungsvertreter lauthals darauf bestehen, dass andere europäische Länder ihre strauchelnden Banken retten und dann Steuergelder nutzen, um die resultierenden Schulden abzubezahlen, selbst wenn das dazu führt, dass diese Länder damit einem Rezept folgen, das auf den Selbstmord der nationalen Wirtschaft hinausläuft. Das Ende der Wohlstandspumpe muss nicht das Endspiel für Deutschlands derzeitige Blüte sein, aber es wird sicherlich die Dinge für die deutsche Wirtschaft sehr viel schwieriger machen, und daher nicht nur für die Zukunftsaussichten des deutschen Kanzlers, sondern auch für eine Vielzahl anderer deutscher Politiker. Selbst derjenige davon, der die größten Scheuklappen trägt, sollte erkennen, dass der Versuch den letzten Tropfen Wohlstand aus Südeuropa herauszupressen, lediglich die Ankunft des populistischen Führers beschleunigt, die einige Absätze zuvor erwähnt wurde. Aber ich nehme an, dass es möglich ist, dass diese Generation der deutschen Politiker zu ahnungslos oder zu gehetzt ist, um an so etwas zu denken.

Dennoch, es könnte noch mehr passieren, weil diese Dispute in einem größeren Kontext stattfinden.

Großreiche, bzw. Empire als Wohlstandspumpen

Im Vorwort von Decline and Fall erklärt Greer, dass und warum er Empire oder Großreiche, wie das Römische, das Britische und das US-Amerkanische als Wohlstandspumpen sieht. Er erklärt auch, dass Freihandel nüchtern betrachtet, eben nicht die Segnung für alle ist, wie es uns von Medien und in der Schule verkauft wurde und wird, sondern das,s Freihandel ein Werkzeug zur Ausbeutung und Niederhaltung anderer, weniger hochentwickelter Völker und Staaten durch höher entwickelte Staaten und Völker ist.

Wenn eine unterentwickelte Volkswirtschaft konkurrenzfähig werden will, braucht sie nach Greer zunächst Schutzzölle und Handelshemmnisse, hinter denen sie sich entwickeln kann. Greer erklärt dies insbesondere an der amerikanischen Geschichte. Ein Grund für den amerikanischen Bürgerkieg war offenbar der Interessengegensatz zwischen den für Freihandel (und so gesehen auch für Weltoffenheit) plädierenden, sklavenhaltenden Südstaaten und den am Aufbau einer eigenen Industrie interessierten, dem britischen Vorbild der Industrialisierung folgenden  Nordstaaten, die für ihre vorerst noch unterlegenen Produkte Handelshemmnisse  brauchten.

Ein Empire oder Großreich ist nach Greer eine Konstruktion, die dazu dient, Kapital bzw. Wohlstand aus anderen Ländern und Völkern abzusaugen und im Zentrum des Reiches zu konzentrieren, so dass es dort zu einer kulturellen und technischen Blüte kommen kann.

Die Methoden zur Ausbeutung der peripheren Staaten und Völker können dabei schwanken. Im Wesentlichen werden aber in der Regel manche Völker und teilweise auch nur bestimmte Bevölkerungsschichten bzw. Klassen aus diesen Völkern von Zentralmacht durch Zugeständnisse und Privilegien “gekauft”, um den Prozess der Ausbeutung durchführbar und wirtschaftlicher zu machen. Deutschland, Großbritannien, Kanada und einige weitere Staaten sind sind faktisch der Zentralmacht USA nahestehende, sozusagen zum inneren Kreis des amerikanischen Empires gehörende Staaten, die durch diese Stellung besondere Vorteile haben und so besonders von diesem Empire profitieren – aber die damit auch vom Zerfall des amerikanischen Empires besonders hart getroffen werden.

Generell kostet die Unterhaltung von  Großreichen und großen Organisationen aber Energie und Kapital und wird im Laufe der Zeit zunehmend unwirtschaftlicher, bis sie schließlich für die Zentralmacht mehr Belastung als Vorteil ist und dann irgendwann untragbar wird und zerfällt.

Nutzung fossiler Brennstoffe als zeitliches Empire

Greer erklärt, dass das amerikanischeEmpire nicht nur auf der Ausbeutung von Staaten der zweiten und dritten Welt beruht, sondern dass wir es hier insofern mit einem Sonderfall zu tun haben als zusätzlich auch Vermögen aus der fernen Vergangenheit abgesaugt wird.  Bei diesen Vermögen aus der fernen Vergangenheit handelt sich sich um die durch Photosynthese in vorhistorischen Zeiten entstandenen fossilen Energieträger und da insbesondere um das Erdöl.  Der Aufstieg und Niedergang des amerikanischen Empires ist auch mit der Nutzung der fossilen Energieträger verbunden.

Aus deutscher Sicht interessant ist vor diesem Hintergrund, dass Greer erklärt, wie und warum junge deutsche Offiziere, aber auch Japaner, nach dem 1. Weltkrieg die militärischen Möglichkeiten des Erdöls und der mit Benzin- und Diesel getriebenen Motoren erkannt und in der Anfangsphase des 2. Weltkriegs sehr erfolgreich genutzt und damit die bis dahin gültige  Militärdoktrin auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen haben (Stichworte Blizkrieg).

Gewonnen wurde der 2. Weltkrieg dann von den Allierten, weil diese und da insbesondere die Amerikaner, sehr schnell von den Deutschen und Japanern gelernt haben, während den Deutschen und Japanern im Laufe des Krieges zunehmend der Treibstoff knapp geworden ist.

Die amerikanische Militärmaschine und deren Einsatzplanung sei bis heute sei im Wesentlichen auf den Entwicklungen des 2. Weltkrieges aufgebaut.  Bewegliche, motorisierte Kriegsführung an Land und Flugzeugträger auf See sowie Einsatz der Luftwaffe an Land und auf See.


Greer hat in Decline and Fall ein ganzes Kapitel dem Thema Militär gewidmet und zeigt anhand historischer Beispiele, dass man damit rechnen sollte, dass das amerikanische Militär in den nächsten Jahren eine empfindliche Niederlage erleiden könnte. Er hält so eine Niederlage für die wahrscheinlichste Ursache für den insgesamt unvermeidlichen Zusammenbruch der USA. In seinem 2015 erschienen Roman Twilight’s Last Gleaming schildert er eine solche Niederlage der USA in einem Krieg mit China und er schildert dort auch die anschließende Auflösung der USA in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts.

Anacyclosis

In dem Kapitel The Failure of Politics (dt. Das Versagen der Politik)  bezieht sich Greer auf ein offenbar zuerst von dem griechischen Historiker Polybios beschriebenes  Phänomen. Demnach folgt die Geschichte dem Zyklus

  1. Monarchie
  2. Aristokratie
  3. Demokratie, und dann wieder
  4. Monarchie usw.

Greer setzt dann anstelle von Monarchie auch Diktatur und anstelle von Aristokratie auch Junta sein. Dann betrachtet er vor diesem Hintergrund unter anderem auch die Geschichte der USA und erkennt dort drei dieser  Zyklen. Als “Diktatoren” sieht er dabei George Washington (1776), Abraham Lincoln (1861) und Franklin Roosevelt (1933). Nach deren Tod habe dann jeweils eine Gruppe von Nachfolgern geherrscht (sozusagen die Junta oder Aristokratie). Dann sei jeweils eine demokratischere Herrschaft gefolgt, bis die Demokratie sich dann, wie heute auch wieder, festgefahren habe und nicht mehr in der Lage gewesen sei, die anstehenden Probleme zu lösen.

Nach dieser Theorie  können wir in den USA einen neuen “Diktator” erwarten. Interessant ist natürlich die Frage was, wir in Deutschland und Europa angesichts des aktuellen Totalversagens der derzeit herrschenden Parteien erwarten können.

Demokratische Kultur und Bildung

Greer geht auch umfassend auf das gesunkene intellektuelle und kulturelle Niveau der Demokratie in den USA ein und macht Vorschläge, wie dieses nach einem Zusammenbruch der USA wieder verbessert werden könnte. Natürlich erklärt er auch gut, warum man sich die Mühe machen sollte, die Demokratie zu retten.

Interessant an seinen diesbezüglichen Ausführungen fand ich, dass er Aufzeichnungen von politischen Diskussionen bei Präsidentschaftswahlen aus der Zeit von vor 1860 mit heutigen Präsidentschaftswahlen verglichen hat. Dabei kam heraus, dass die einfachen Arbeiter und Farmer vor über 150 Jahren den heutigen Wählern in den USA intellektuell offenbar deutlich überlegen waren.

Die politische Diskussion in den USA heute beschränke sich oft nur noch auf leere Formeln, deren Zweck darin besteht die Zugehörigkeiten zu Gruppen zu markieren und  Gefühle “diffuser Wärme” oder “stechender Kälte” zu erzeugen.

Es fehle allgemein an der Fähigkeit, sich mit Menschen anderer Meinung zusammenzusetzen und nüchtern, in zivilisierten, gemeinsamen Diskussionen die Meinungsunterschiede und deren Ursache zu erkunden und zu überlegen, was für Lösungen möglich sind.

Es fehle an grundlegenden, erlernbaren Fähigkeiten der Logik und philosophischen Einsicht. Das Aufkommen der Demokratie im alten  Griechenland sei nicht zufällig auch das Produkt einer Zeit in der dort Mathematik, Philosophie und Logik entwickelt worden seien.

Früher habe es in den USA allerorten Vereine und Gruppen gegeben, wo regelmäßig eben auch politische Meinungen diskutiert worden seien. Heute sei das nicht mehr so.

Greer geht auch ziemlich ausführlich auf das Schulwesen in den USA ein und erklärt dessen Geschichte. Früher waren die Schulen offenbar sehr dezentrale, von lokalen Schulvereinen getragene und  finanzierte  Institutionen, die nur minimal von der Landes- und Bundesregierung beaufsichtigt wurden. Die Qualität und auch die Vielfalt der Schulen sei sehr gut gewesen. Heute würden große Summe in eine zentral gesteuerte Bildungspolitik gesteckt und das Ergebnis sei erbärmlich schlecht.

Ernsthaft um die Zukunft Deutschlands und den Erhalt der Demokratie in Deutschland  bemühte Wähler, Parteien und Politiker  könnten von Greers Buch und seinen Überlegungen und Ausführungen über die Grundlagen Geschichte und Realisierung demokratischer Gesellschaften sehr profitieren.

Wenn man über Greers Ausführungen zur Funktionsweise der Demokratie nachdenkt, beginnt man auch zu verstehen, warum eine multikulturelle Gesellschaft nicht wirklich demokratisch sein kann, wie das auch schon z.B. Frank Salter  erklärt hat ( siehe Die humanitären Kosten des westlichen Multikulturalismus und Krieg gegen die menschliche Natur, Bevölkerungsaustausch durch Migration & Verbrechen der Vielfalt).

Dialektik

Mit dem Begriff Dialektik hatte ich bisher nur abgehobene Gedankenschlösser extrem Linker verbunden.

Greer weist daraufhin, dass der Begriff Dialektik aber älter ist und noch eine andere Bedeutung hat, nämlich:

Dass zwei oder mehr Leute sich zusammensetzen und sagen “Lass uns zusammen nachdenken”. Er führt dazu auch den Philosophen Plotinus an und schreibt, dass Dialektik die Fähigkeit meint, sich mit jemand anderem, der in einem wichtigen Punkt ganz anderer Meinung ist, zusammenzusetzen, die Sache zu diskutieren und festzustellen welche gemeinsamen Grundlagen man hat, wo die Meinungsunterschiede liegen, wie man die Meinungsunterschiede auflösen kann oder eben wie man die Fragen und Werte herausfinden kann, die man berücksichtigen muss, um die Meinungesverschiedenheit zu lösen bzw. damit zivilisiert zusammenleben zu können.

Warum auch die EU scheitern wird

Greer führt, wie ich meine sehr richtig  aus, dass Organisation mehr Energie und Kapital für ihre Verwaltung und ihren Erhalt benötigen, je größer und komplexer sie werden. Wenn die Nettoenergie ( = Gewonnene Energie abzüglich der für die Energiegewinnung nötigen Energie) immer geringer wird, weil die Energievorräte geringer werden oder/und weil der Aufwand für die Energiegewinnung steigt, dann schwinden auch die Mittel für die Erhaltung und Erweiterung komplexer Organisationen. Das entspricht auch dem, was Joseph Tainter in dem von mir mir übersetzten Interview über den Kollaps komplexer Gesellschaften gesagt hat und auch in dem auf dem Buch von Tainter und Patzek aufbauenden Artikel Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen.

Vor diesem Hintergrund können wir als sicher erwarten, dass nicht nur die USA als Bundesstaat und Weltmacht, sondern  auch die EU in den nächsten Jahren oder spätestens Jahrzehnten zerbrechen wird.

Vielleicht wird sogar Deutschland zerbrechen. Immerhin kann man die Einheit Deutschlands auch als Folge der Industrialisierung sehen, die ihrerseits eine Folge der Entdeckung und Nutzung fossiler Energieträger war und die mit der zunehmenden Verknappung  der netto verfügbaren fossilen Energieträger auch wieder zerfällt, weil die Kosten der Einheit deren Vorteile zunehmend übersteigen. Das derzeitige Versagen der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage und damit die Kosten, die durch die Flüchtlinge entstanden sind und weiterhin entstehen, kann man so gesehen auch als Kosten der Einheit Deutschlands betrachten, die man vielleicht nicht hätte, wenn Deutschland wieder wie früher, aus einer Reihe von Kleinstaaten bestünde.

Flüchtlinge und Zuwanderer hier, Mexikaner dort

Ein Aspekt im Bezug auf die USA, den ich als Deutscher und Europäer interessant fand, ist das Problem mit den Mexikanern. Bisher hatte ich gedacht, die USA hätten es besser, weil sie nicht mit diesen Flüchtlingen und Zuwanderern zu tun haben und weil sie vom Orient und Nordafrika durch den Atlantik getrennt sind. Aber Greer zeigt, dass die USA mit den Mexikanern und deren Gangs durchaus ähnliche Probleme haben. Die Lösung scheint nicht klar. So wie ich Greer bisher verstanden habe, werden sich die USA wohl darauf einstellen müssen, weite Gebiete [wieder] an Mexiko zu verlieren und dass sich gewaltätige mexikanische Gangs organisieren und wie früher die Barbaren in den Grenzgebieten des römischen Reiches ihr Unwesen treiben.

Funktion des Staates

Greer betrachtet auch den amerikanischen Bundesstaat, wie er von den Vätern der amerikanischen Verfassung gesehen und gedacht war.

Dazu geht er auch auf das Essay Tragedy of the Commons  (dt. Tragik der Allmende) von Garett Hardin ein sowie auf die Arbeit von Elino Ostrom, die das Problem etwas relativiert habe.

Das Ergebnis ist, dass die Funktion des Staates in erster Linie darin besteht, die Rechte der Almende, als der Allgemeingüter, zu erhalten und einige Aufgaben wie Landesverteidigung, Post und Seuchenbekämpfung zu regeln.

Der Sozialstaat, der für alles aufkommt und bezahlt und der mit Subventionen um sich werfende Bundesstaat,  ist für Greer eher eine Erscheinungsform des Empires, bzw. Großreiches, das so den von anderswo ins Land geströmten Reichtum verteilt. Wenn der zu verteilende Reichtum geringer wird oder ganz weg bleibt, kann diese Art Staat nicht mehr funktionieren. Öffentliche Ausgaben und Sozialstaatsfunktionen werden dann entweder zunehmend nicht oder wie früher in den USA üblich, von lokalen Gruppen und Initiativen übernommen, die das kostengünstiger und gezielter tun können.

Alles, was irgendwie lokal geregelt werden könne, sollte und wird man in Zukunft, wenn Energie und echtes Kapital knapper und teuer werden, vernünftigerweise besser lokal regeln. Die Nutzung der gemeinsamen Viehweide eines Dorfes (der europäische Klassiker der Almende), ebenso wie die Schulen, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Sherif, bzw. Polizei usw. werden z.B. besser und kostengünstiger von lokalen Institutionen geregelt, bei denen die Verantwortlichen von der lokalen Bevölkerung gewählt und bei Bedarf, bzw. bei Amtsmissbrauch oder Unfähigkeit, auch abgewählt werden.

Man brauche eine gewisse Aufsicht durch Landesbehörden und Landespolitiker, aber diese sollten so wenige wie möglich zu sagen haben. Je mehr weiter weg entschieden und verordnet wird, je größer sind die Kosten und die Fehlermöglichkeiten.

Dazu ein Witz, den meine Frau mir kürzlich erzählte:

Ein italienischer und ein griechischer Bürgermeister treffen sich und laden sich gegenseitig ein. Erst kommt der Grieche zu dem Italiener, der ein pompöses Essen auffährt und mächtig protzt. Auf die Frage, wie der dass den alles finanziere, nimmt der Italiener den Griechen mit ans Fenster, zeigt ihm eine Brücke und sagt, die hat die EU bezahlt. Wir haben eine 4-spurige Brücke beantragt und bezahlt  bekommen, aber nur eine 2-spurige Brücke gebaut. Als dann der italienische Bürgermeister bei dem Griechen zu Gast ist, ist das Essen noch besser und der der Grieche protzt noch mehr. Auf die Frage wie der Grieche das bezahlt habe, geht er mit dem Italiener zum Fenster und bittet ihn hinaus zusehen. Als der Italiener nichts Besonderes sieht sagt der Grieche “eben, wir haben eine 6-spurige Brücke beantragt und bezahlt bekommen, aber wir haben überhaupt keine Brücke gebaut.”

Solche, nicht ganz ohne Grund entstehende Witze zeigen auch, warum große, komplexe Organisationen ineffizienter sind als kleinere lokale Organisationen. Greer erwähnt z.B. dass Corporation, also der Begriff, den man heute für Konzerne verwendet, in den USA früher eine ganz anderer Bedeutung hatte. Man habe oft lokal Aktiengesellschaften oder Kooperationen gegründet, um nur ein Bauwerk, wie z.B. eine Kirche oder vielleicht auch eine Brücke oder einen Kanal zu bauen. Es ist klar, dass bei so etwas sparsamer gewirtschaftet und ganz sicher nicht wie bei EU-Projekten betrogen wird, weil die unmittelbar betroffenen Geldgeber lokal vor Ort sind und weil das Geld eben nicht aus irgendwelchen weit entfernten, anonymen Quellen kommt.

Grund zur Hoffnung

Greer gibt mit seinem Buch Decline and Fall nicht nur den Gegnern der EU Grund zur Hoffnung. Er schreibt auf S. 238 auch

Einer der wenigen positiven Aspekte an wirklich schlechter Politik ist, dass sie selbstbegrenzend ist. Ein System, das darauf besteht sie beizubehalten, wird früher oder später zusammenbrechen und verbrennen. Wenn dann der Rauch erst einmal verzogen ist, ist es für die Leute, die um den Krater herum zu stehen nicht allzu schwer zu erkennen, dass etwas sehr falsch gelaufen ist. In dieser Zeitperiode der Klarheit ist es möglich eine große Zahl Veränderungen durchzuführen, vor allem wenn es klare Alternativen und Leute, die sie befürworten, gibt.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich nach Greer, sich schon jetzt Gedanken über alternative Problemlösungen für die Zukunft zu machen und diese zu diskutieren, auch wenn die Mehrheit davon derzeit nichts davon wissen will.

Insgesamt ist Greers Buch Decline and Fall: The End of Empire and the Future of Democracy in 21st Century America (dt. Niedergang und Fall: Das Ende des Reiches und die Zukunft der Demokratie im Amerika des 21. Jahrhunderts) wieder eines, das es wert ist, wie ein Examensskript 2 1/2 mal gelesen zu werden und von dem ich mir das Erscheinen einer guten deutschen Übersetzung  wünsche, damit auch Wähler, Politiker mit geringen Englischkenntnissen es lesen können.

Kelberg, den 6. Februar 2016

Christoph Becker

 




Kollaps als Chance

Weihnachten 2016 habe ich die Lektüre von Jared Daimonds beeindruckendem Buch Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen abgeschlossen, mit der ich in den Tagen vor Weihnachten begonnen hatte. Aufmerksam geworden war ich auf Diamonds Buch, weil Carol Deppe in ihrem Buch The Resilient Gardener: Food Production and Self-reliance in Uncertain Times auf die amerikanische Originalausgabe hingewiesen hatte.

Jared Diamonds  Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen ist gerade auch vor dem Hintergrund des inzwischen allgegenwärtigen Flüchtlingswahnsinns in Deutschland bedrückend.  Daimond zeigt und analysiert anhand einiger historischer Beispiele, warum Gesellschaften untergehen und überleben. Die wichtigsten von ihm aufgeführten  Gründe für den Untergang früherer Gesellschaften treffen auch auf die heutige Bundesrepublik zu:

  • Festhalten an Wertvorstellungen und Glaubensinhalten auch, wenn diese überholt sind und die Lebensgrundlagen und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft zerstören.
  • Nichtbeachtung oder Fehleinschätzung der ökologischen Rahmenbedingungen der Gesellschaft.
  • Versagen oder mit dem langfristigen Interesse der Bevölkerung unvereinbare Prioritäten der Regierenden.
  • Untergang durch Abhängigkeit von Handelspartnern oder Handelsrouten, die durch ökologische, klimatische oder militärische Umstände ausfallen.

Für Deutschland trifft dies meines Erachtens derzeit alles zu oder könnte, was die Handelspartner angeht, in der Zukunft zutreffen.

Diamond zeigt aber auch Beispiele von Gesellschaften die überlebt haben.

Das Buch liest sich flüssig. Diamond versteht es, sehr gut zu erzählen. Die von Diamond ausgewählten historischen Beispiele fand ich durchweg interessant. Teilweise waren sie mir vorher nicht bekannt, teilweise waren es Fälle, zu denen ich schon seit längerem gerne mehr gewusst hätte und wo mir Diamonds Buch nun umfassendere Informationen geliefert hat.  Das Buch war auf jeden Fall die Zeit der Lektüre wert.

Inzwischen habe ich aber auch einige Kritik zu Jared Diamonds Buch  Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen gefunden:

  • Joseph Tainter, dessen grundlegendes Buch The Collapse of Complex Societies von Diamond mehr nebenbei erwähnt wird, verreißt das sich sehr viel besser verkaufende Buch von Diamond in seinem langen Essay mit dem Titel Collapse, Sustainability, and the Environment: How Authors Choose to Fail or Succeed, in dem er aber auch noch einige andere Bücher anderer Autoren zum Thema Kollaps bespricht und zu einem vorsichtigen, verantwortungsbewußten Umgang mit dem Thema Kollaps ermahnt. Ich hatte für meine Webseite ein Interview übersetzt, das er zu seinem eigenen Buch über den Kollaps komplexer Gesellschaften gegeben hatte. Außerdem hatte ich mit Dem Energiedilemma auf den den Grund gegangen, einen Blogbeitrag zu dem Buch Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma von Joseph Tainter und Tadeusz Patzek geschrieben. Tainter sieht die Ursache für den Zusammenbruch von Gesellschaften hauptsächlich darin, dass deren Komplexität und deren Kosten zwangsläufig immer weiter ansteigen, bis ein Punkt erreicht und überschritten wird, ab dem die weitere Zunahme der Komplexität mehr kostet als sie einbringt. Die Gesellschaft kollabiert dann schließlich unfreiwillig oder sie reduziert bewußt und gesteuert ihre Komplexität und damit auch die von dieser verursachten Kosten.
  • The Demise of Easter Island’s Eco-Collapse Parable von Keith Kloor
  • Der deutschsprachige Beitrag Die riesigen Steinfiguren auf der Osterinsel Beitrag aus National Geographic.
  • Richard Heinbergs kritische Buchbesprechung Meditations on Collapse (a Review of Jared Diamond’s book). Heinbergs kritisiert unter anderem auch, dass Jared Diamond das Werk von Joseph Tainter nicht genug beachtet. Ein Kritikpunkt aus der Sicht Heinbergs ist zudem, dass Jared Diamond letztlich ein zu positives Bild unserer aktuellen Lage vermittelt und dass Diamonds Buch 30 Jahre früher, also in den 1970er Jahren besser gepasst hätte, weil es den Eindruck vermittelt, dass ein Kollaps noch zu verhindern sei. Nach Heinberg hat der Kollaps längst begonnen, so dass er nicht mehr vermieden, sondern bestenfalls noch gemanagt werden kann, um seine Auswirkungen zu reduzieren.

Torheit der Regierenden – Verrücktheit der Massen

Von den von Jared Diamonds als weiterführende Literatur angegebenen Büchern habe ich mir schon Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam von Barbara Tuchman und Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds von Charles Mackay bestellt. Beide sind inzwischen eingetroffen, aber ich habe sie noch nicht gelesen. Das Buch von Mackay ist ein Nachdruck eines Buches aus dem 19. Jahrhundert und behandelt nur drei bekannte historische Fälle öffentlichen Wahnsinns, zu denen es im Internet auch deutschsprachige Artikel gibt:

Es gab in Europa jedenfalls schon des Öfteren Fälle kollektiven Wahnsinns, bei denen die Leute irriger Weise glaubten, dass sie bereichert würden.

Die Chancen des Zusammenbruchs nutzen und gedeihen

Am 24.12. hatte ich das Buch Prosper!: How to Prepare for the Future and Create a World Worth Inheriting  von Chris Martenson und Adam Taggert, von www.peakprospertiy.com in der Post. Deutsch übersetzt lautet der Titel: Gedeihe!: Wie man sich für die Zukunft vorbereiten und eine Welt schaffen kann, die es wert ist bewohnt zu werden. Heiligabend habe ich mit der Lektüre dieses Buches begonnen, nachdem ich zuerst mit meiner Frau etwas Hannes und der Bürgermeister im Fernsehen gesehen, die 20-jähriges Jubiläum hatten und dazu eine Zusammenstellung der besten Stücke gezeigt haben. Sozusagen eine geniale Orgie aus Blödsinn und Schnaps im Amt zur Volksbespassung.

Prosper!: How to Prepare for the Future and Create a World Worth Inheriting  ist ziemlich kurz gefasst und liest sich gut. Es enthält zunächst eine kurze Einführung in die “Drei E – Energy, Economy und Enviorement,  (dt.: Energie, Wirtschaft und  Umwelt) mit denen sich die von Chris Martenson und Adam Taggert betriebene Internetseite und Firma peakprosperity.com befasst.

Grundlage ist zunächst der Crash Course von Chris Martenson. An dieser Stelle habe ich mir nun erstmals auch Chris Martensons,  auf eine knappe Stunde komprimierte Zusammenfassung des Crash Course, The ‘Accelerated’ Crash Course (( Beim Ansehen des Accelerated Crash Cours wird man zumindest angesichts der niedrigen Ölpreise der Jahreswende 2015/2016 einige Fragen haben. Chris Martenson hat dazu auf RussiaToday ab Minute 15 in www.rt.com/shows/boom-bust/195740-us-obama-wall-street/ ein Interview gegeben. Außerdem empfiehlt sich an dieser Stelle vielleicht der Artikel Billiges Öl – Amerikas Frackingindustrie hält dem Ölpreisverfall noch stand aus der FAZ vom 12.12.2015  )) , zu dem es auch ein vollständiges Transkript zum Nachlesen gibt.  Von dem ursprünglichen, alten Crash Course aus dem Jahre 2008 gibt es übrigens auch eine ins Deutsche übertragene Fassung: http://www.peakprosperity.com/crashcourse/deutsch

Nach einer Einführung in die Probleme und künftigen Veränderungen, die nach der Analyse von Chris Martenson und Adam Taggert, durch die Kombination der Problemkreis Wirtschaft, Energie und Umwelt zu erwarten sind, behandelt das Buch Prosper  die Fragen, wie man sich vernünftig Weise an die Herausforderungen der Zukunft anpassen, auf diese Vorbereiten und davon profitieren kann. Dabei wird auch auf eine Reihe von Podcasts und Quellen auf www.peakprosperity verwiesen, die man dort zum größten Teil kostenlos herunterladen bzw. nachlesen kann.

Die wesentliche Einsicht von Chris Martenson und Adam Taggert, die ich aber auch schon selbst durch andere Quellen und eigenes Nachdenken gewonnen hatte ist, dass man die Aussicht auf einen Niedergang und das Ende unserer modernen Industriegesellschaft keinesfalls als Katastrophe sehen muss, sondern dass man ihn auch als höchst interessante Herausforderung verstehen kann, die neue Möglichkeiten und Chancen bietet. Vor allem aber ist es so, dass menschliches Wirken und menschliche Intelligenz nicht grundsätzlich zerstörerisch sein müssen, sondern dass sie auch ein Teil der Natur sein können, mit dem diese sich verbessern kann. Man kann z.B., wie John Jeavons, Sepp Holzer, Mark Shepard, Jean-Martin Fortier, die Yeomans mit ihrem Keyline-Konzept die Kaisers mit ihrer Singing Frogs Farm und andere es zeigen, den Wasserhaushalt und die Böden lokal drastisch verbessern. Man kann nur mit Handwerkzeugen und Handarbeit, ohne Herbizide, ohne Pestizide, ohne teure Maschinen mit erstaunlich geringem Aufwand nachhaltig verblüffend hohe Erträge erwirtschaften. Das heißt, dass bei einem Zusammenbruch unserer Infrastruktur, in einer Zeit in der fossile Energieträger unerschwinglich und nicht mehr erhältlich sind, können sehr viel mehr Menschen überleben und auch besser leben, als die historischen Daten etwa über die Landwirtschaft und Bevölkerungsdichte in Deutschland im Mittelalter dies vermuten lassen.  Voraussetzung ist aber, dass man rechtzeitig damit anfängt und auf lokaler ebene die nötigen Maßnahmen und Vorbereitungen durchführt.

Es ist weder nötig noch sinnvoll, auf die Regierung, “den Staat”, die EU usw. zu warten oder sich über deren Dummheit aufzuregen. Die nötigen Veränderungen und Vorbereitungen können lokal auf Gemeindeebene erfolgen. Die Gemeindeebene ist dabei zwingend notwendig, weil Einzelpersonen völlig zurecht zunächst argumentieren, dass es keinen Sinn macht, sich alleine entsprechend anzustrengen und aktiv zu werden, weil man dann im Ernstfall ja doch einfach nur ausgeraubt und umgebracht wird, wenn man nur selbst noch etwas zu essen hat und die anderen nach den bei einer größeren Katastrophe zu erwartenden Plünderungen der Lebensmittelgeschäfte hungern.

Vor der Lektüre von  Jared Diamonds Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen, habe ich Twilight’s Last Gleaming  von John Michael Greer gelesen. Auf dieses Buch war ich durch das Interview von Chris Martenson mit John Michael Greer aufmerksam geworden, das übersetzt den Titel Der Gott des technischen Fortschritts könnte sehr wohl tot sein – Aber die Gesellschaft will dies nicht in Erwägung ziehen hat. Der Roman Twilight’s Last Gleaming  spielt in den Jahren 2025 bis 2028. Er beginnt damit, dass vor der Küste des mit China verbündete Tansanias ein riesiges Ölfeld gefunden wird. Die USA wollen durch einen Umsturz in Tansania  eine ihnen genehme  Regierung installieren.  Der zur Unterstützung dieses Vorhabens im Anmarsch befindliche Flugzeugträgerverband der amerikanischen Marine wird aber vor der Küste Tansanias von einem Schwarm an Land stationierter, überschallschneller chinesischer Cruise Missiles angegriffen und dabei sehr übel zugerichtet (( Das ist ein Szenario, dass offenbar längst bekannt und befürchtet wird. )) . Der Flugzeugträger endet schwer getroffen als weit sichtbares, auf Grund gelaufenes Wrack, an einer afrikanischen Hafeneinfahrt und einige Schiffe des Flugzeugträgerverbandes werden versenkt. Danach kommt es zu einem Landkrieg in Afrika, den die Amerikaner und ihre Verbündeten verlieren, weil Tansania von chinesischen Truppen unterstützt wird.

Die USA führen auch einen Bombenangriff auf chinesische Stützpunkte durch. Die Chinesen beantworten diesen, indem sie mit Spezialeinheiten und Luftlandetruppen den für die USA wichtigen amerikanischen Flottenstützpunkt Diego Garcia im indischen Ozean besetzen.

Der amerikanische Präsident stellt China daraufhin ein Ultimatum, indem er den Einsatz strategischer Atomwaffen gegen China androht, wenn China sich nicht fügt und sich überall binnen 72 Stunden zurückzieht. China lässt das Ultimatum kaltblütig verstreichen und lässt das volle Zivilschutzprogramm anlaufen – damit rechnend, dass die USA zwar mehr Feuerkraft haben, aber dass China mit seinen Atomwaffen trotzdem in den USA genug Schäden anrichten kann, um die USA zu vernichten.

In den USA kommt es während des Ultimatums teilweise auch zu Unruhen und zur Befehlsverweigerungen und zum Desertieren von Sicherheitskräften, während die Russen damit drohen, bei einem Atomkrieg Partei für China zu ergreifen ggf. auch die USA anzugreifen. Der amerikanische Präsident knickt vor diesem Hintergrund ein und bietet Friedensverhandlungen an.

Die Flugzeugträgerverbände der amerikanischen Marine sind nach dem erfolgreichen Angriff der Chinesen im Indischen Ozean militärisch und politisch wertlos geworden.

Das Einknicken des amerikanischen Präsidenten nach dem Ablauf des Ultimatums und das amerikanische Angebot von Friedensverhandlungen ist faktisch eine demütigende Kapitulation der USA, die deren Weltmachtstatus beendet. Der Präsident begeht Selbstmord und wird von seinem Vize ersetzt, der unter dem Einfluss einer Juraprofessorin steht, die faktisch einen Staatsstreich nach dem Vorbild Hitlers plant. Der amerikanische Kongress und Teile der Streitkräfte schaffen es, dies zu verhindern. Der neue Präsident wird durch ein Amtsenthebungsverfahren umgehend abgesetzt. Er flieht und seine Beraterin wird vom Militär verhaftet.

Die Amerikaner sehen immer mehr ein, dass die Union sie (ähnlich wie die EU die meisten Europäer) mehr kostet als sie ihnen nützt. Es kommt zu einem Verfassungskonvent, bei dem ein neuer und letzter Verfassungszusatz beschlossen wird, mit dem die USA als Bundesstaat aufgelöst werden. Die dazu im Vorfeld nötigen Wahlkampfveranstaltungen werden über dunkle Kanäle von Russland finanziert. Die Chinesen hatten allerdings auch erwogen, die USA auf diese Weise aufzulösen.

In der Folge der Auflösung der USA entstehen dann neue kleinere Bundesstaaten. Eine Szenarium, das übrigens in ähnlicher Weise auch der amerikanische Autor James Howard Kunstler wiederholt als realistische Zukunft der USA beschrieben hat – und sicher nicht nur ich mir in ähnlicher Weise auch für die EU wünsche. Dieses Szenarium würde aber auch eine Komplexitätsminderung im Sinne Joseph Tainters Theorie vom Kollaps komplexer Gesellschaften und im Sinne von John Castis Buch Der plötzliche Kollaps von allem: Wie extreme Ereignisse unsere Zukunft zerstören können bedeuten, sowie die Überlegungen von Leopold Kohr bestätigen.

Die neue Weltmacht in Twilight’s Last Gleaming  ist China.

Bevor ich  Twilight’s Last Gleaming  gelesen habe, habe ich den kleinen Roman Als die große Hungersnot kam: Eine Erzählung aus den Eifeler Schicksalsjahren 1816/1817 gelesen, der das durch den Ausbruch des Vulkans Tambora im April 1815 verursachte  Jahr ohne Sommer beschreibt. Die Geschichte spielt in dem Eifelort Hellental und dessen Umgebung. Neben der Erfahrung des Autors, der dort in den Notzeiten nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen ist, dienten offenbar historische Dokumente wie die Pfarrchroniken als Informationsquelle und Inspiration. Die Hungersnot 1816/1817 in der Eifel war zwar schlimm, aber die Zahl der Hungertoten hielt sich offenbar doch sehr in Grenzen. Wesentliche Gründe dafür waren, dass der Zusammenhalt in der Bevölkerung noch recht gut war, dass der christliche Glaube noch funktionierte, dass die lokalen Unternehmer sich durchaus ihren Arbeitern und der Bevölkerung gegenüber verantwortlich fühlten. Auch war die preußische Regierung in Berlin letztlich, wenn auch nur langsam, erreichbar und schickte im Winter 1816/1817 aus dem weniger betroffenen Ostgebieten Getreide in die Eifel.

Die Hungersnot im Winter 1816/1817 war nicht die einzige im 19. Jahrhundert, wie der Artikel Naturkatastrophen und Notstände in der Eifel von Hans-Dieter Arntz. Bemerkenswert finde ich dort vor allem auch Folgendes:

Das Notjahr 1847 ist in den wenigen Presseextrakten der damaligen Zeit ablesbar. Am 9. April 1847 wurde den Eifelbauern nahegelegt, „Froschschenkel statt Brot” zu verspeisen. ….

Wenige Monate später wurden die Eifelbewohner sogar polizeilich darauf hingewiesen, dass Fremde und Bettler nicht versorgt werden dürften, da sie sonst der einheimischen Bevölkerung die letzte Nahrung wegnehmen würden. 1847 sollte jeder mit einer Strafe von 1—5 Thaler belegt werden, wer Fremden Obdach gewährte.

Wie die Liste der Volkszählungen in Deutschland zeigt, hatte Deutschland 1846 mit nur ca. 66 Einwohnern pro Quadratkilometer eine sehr viel geringere Bevölkerungsdichte als heute und trotzdem kam es zu Hungersnöten und wer Fremden etwas zu Essen gab, wurde sogar von der Polizei bestraft, weil für die eigenen Leute nicht genug Nahrung vorhanden war. Heute hat Deutschland ca. 225 Einwohner pro Quadratkilometer, die nur ernährt werden können, weil im großen Stil Lebensmittel und nicht nachwachsende Produkte wie Erdöl und Erdgas für die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion importiert werden  – und weil wir eine extrem effiziente aber eben auch für Terrorangriffe, Kriege und Naturkatastrophen extrem anfällige Organisation und Infrastruktur haben. Wenn es morgen, wie in den beiden  in Eine Sekunde danach vorgestellten Romanen, bzw. wie in Weitere Literatur zum Thema EMP oder in Offener Brief an Obama wegen EMP-Risiko von amerikanischen Sicherheitsexperten erläutert, oder wie in Operation Troja durch gut koordinierte Terroranschläge, zu einem Ausfall unser technischen Infrastruktur käme, wären die Ausrüstung, die Vorräte und das Wissen der heutigen deutschen Bevölkerung für die Nahrungsproduktion faktisch sehr viel schlechter als in den Jahren 1816 und 1847. Gleichzeitig ist die Bevölkerungsdichte heute 3,4 mal größer als damals, während zugleich der Anteil der für die Nahrungsmittel nutzbaren Fläche durch Straßenbau, Industrie und Städtebau heute wesentlich kleiner ist als im 19. Jahrhundert.  Dazu kommt, dass die Menschen in Deutschland heute weniger religiös, mehr egoistisch und mehr individualistisch sind und dass das Land multikultureller geworden ist, was in Notzeiten alles sehr hohe Preise fordern wird. Siehe dazu z.B. auch das von mir übersetzte Interview Krieg gegen die menschliche Natur, Bevölkerungsaustausch durch Migration & Verbrechen der Vielfalt von Henrik Palmgren mit Frank Salter.

Kann man trotzdem einen Kollaps unserer Gesellschaft als Chance sehen? Einen Kollaps ansich derzeit sicher nicht. Eine gehörige Portion Furcht vor einem Kollaps würde aber viele großartige Chancen bieten. Zumindest könnte diese dazu führen, dass  man auf lokaler Ebene die Fähigkeit zum Überleben eines schnellen oder langsamen Kollaps der Gesellschaft verbessern würde. Das hätte auch vor einem Kollaps der Gesellschaft und auch dann,  wenn dieser wider Erwarten nicht eintreffen würde, große Vorteile.

Ich stelle mir dazu zwei Fragen:

  1. Wie kann in Zukunft  einen möglichst großen Teil der Bevölkerung in der historisch als sehr arm bekannten Eifel mit den Mitteln lokaler Landwirtschaft nachhaltig, also dauerhaft mit möglichst wenige Arbeitsaufwand ernähren – wenn Kunstdünger, Pestizide, Herbizide, Hybridsaatgut und motorisierte Landmaschinen nicht mehr verfügbar sind? Die Antwort ist sehr klar: Indem man so bald wie möglich damit beginnt, die Böden zu verbessern, den Wasserhaushalt zu optimieren (siehe meine Artikel Das Hauptlinensystem und Restaurierende Landwirtschaft). Außerdem müsste man so bald wie möglich damit beginnen, Saatgut zu produzieren und zu verbessern, wie das z.B. Mark Shepard in seinem Buch Restoration Agriculture erklärt. Ich werde konkret in 2016 in meinen beiden Gärten versuchen, Beete und Komposte im Sinne von John Jeavons How to Grow More Vegetables anlegen. Ich denke, man muss nach der Lektüre einfach Erfahrungen sammeln, um zugleich damit den Boden zu verbessern.
  2. Was kann und sollte man lokal  unternehmen, um eine ziemlich extreme Katastrophe wie z.B. einen EMP-Angriff abzufedern und zu überleben, bei der schlagartig bundes-, europaweit oder sogar in allen westlichen Staaten die Stromversorgung und möglicherweise auch die Elektronik zerstört werden? Derzeit würden bei einer solchen Katastrophe voraussichtlich, ähnlich wie in dem Roman One Second After – Die Welt ohne Strom über 9 von 10 Menschen auch in meiner Gegend binnen eines Jahres sterben, weil die Rahmenbedingungen noch sehr viel schlechter wären als z.B. bei der Hungersnot 1816/1817. Die Bevölkerungsdichte wäre um ein vielfaches größer und von der Regierung wäre, anders als 1816/1817,  keine Hilfe zu erwarten. Ich bin aber inzwischen sehr sicher, dass man auf lokaler Ebene, und zwar auf Gemeinde- und Verbandsgemeindeebene sehr viel tun kann, dass es sehr interessant und lehrreich sein kann und dass es auch so gemacht werden kann,  dass es sich wirtschaftlich lohnt und sich auch dann auszahlt, wenn es keine oder keine so extreme Katastrophe gibt.

Es kann sehr produktiv, nützlich und auch befriedigend und Freude bereitend sein, die Gefahren und Risiken nüchtern zu analysieren und vernünftig auf sie zu reagieren, anstatt sie zu verdrängen. Sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ein Kollaps unserer Gesellschaft unvermeidlich oder zumindest extrem wahrscheinlich ist kann man jedenfalls auch als Chance und Möglichkeit sehen, die Lebensqualität zu verbessern. Ein gutes Beispiel ist z.B. Adam Taggert, einer der beiden Autoren des oben vorgestellten Buches Prosper!: How to Prepare for the Future and Create a World Worth Inheriting, der zum Jahresanfang 2016 einen Artikel über seine offenbar gute Erfahrung zum Thema Abnehmen veröffentlicht hat. Als Zahnarzt fallen mir natürlich auch gute Beispiele dafür ein, wie eine gesunde Furcht vor einem Kollaps unserer Gesellschaft und damit auch vor dem Verschwinden vieler zahnmedizinischer Möglichkeiten, zu weniger Zahnschmerzen und gesünderen Gebissen und haltbareren zahnärztlichen Versorgungen führen kann, wie man damit Geld sparen und die Lebensqualität verbessern kann. Außerdem sehe ich Möglichkeiten, wie eine gesunde Furcht vor einem Kollaps unserer Gesellschaft die Landschaft verschönern, den Naturschutz und die Fruchtbarkeit der Böden verbessern kann. Ferner ließe sich damit die Ernährung und damit das Leben gesünder machen, der CO2 Ausstoß ließe sich vermindern, die CO2-Bindung im Boden vergrößern und vieles Mehr.

Furcht vor einem Kollaps unserer Gesellschaft könnte jedenfalls eine großartige, die Lebensqualität und damit auch den realen Wohlstand verbessernde Chance sein. Man braucht für alles das nicht den Staat und die EU, sondern kann das meiste letztlich durch eine Mischung aus lokaler und privater Initiative machen.

Kollaps und Flüchtlinge?

Wenn man die Flüchtlinge und Bürger, die sie unterstützen hasst, dann kann die Gewissheit, dass unsere Gesellschaft kollabieren wird inneren Frieden und den Genuss vorausschauender Gewaltphantasien bieten und damit Gewalttaten gegen gegenüber Flüchtlingen, Flüchtlingsunterkünften und Bürgern die Flüchtlinge unterstützen, verhindern. Das ist so ein wenig wie mit der Religion, wo die Gläubigen sich vorstellen können, dass die Bösewichte in der Hölle schmoren werden – mit dem kleinen Unterschied, dass allerdings ganz real mit ziemlich hässlichen Szenen, ähnlich wie beim Völkermord in Ruanda, zu rechnen ist, wenn es wirklich zu einem Zusammenbruch unserer Gesellschaft kommen sollte. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich die Institution der Politischen Korrektheit, die Selbstzensur der Medien und den Volksverhetzungsparagraphen für gefährlich halte. Diese führen nämlich zu möglicherweise sehr irreführenden Lagebildern und verhindern Diskussionen bzw. führen wie offenbar vor den Völkermorden in Ruanda und in Kambodscha zum Aufstauen und Verstecken von gefährlichem Hass, den rechtzeitig zu erkennen vielen Opfern das Leben hätte retten können.

Ein gesundes Maß Furcht vor einem Kollaps könnte im Bezug auf die Flüchtlinge eine Chance für unserer Gesellschaft sein, weil sie “Flüchtlinge” und andere Einwanderer dazu bringen könnte, Deutschland wieder zu verlassen, was die Lebensqualität in Deutschland wohl nicht nur meiner Ansicht verbessern würde – siehe dazu Die humanitären Kosten des westlichen Multikulturalismus und Zuviel des Guten, sowie die Zunahme der Nachfrage nach frei verkäuflichen Waffen und Pfefferspray seit Beginn der Flüchtlingskrise ( Flüchtlingskrise – An die Waffen: Besorgte Bürger rüsten auf) sowie die Berichte über von den Behörden und Medien offenbar verschwiegene Vergewaltigungen durch “Flüchtlinge”. Jedenfalls betrachte ich die Anwesenheit von “Flüchtlingen” in meiner Gemeinde und in Deutschland als Beeinträchtigung meiner Lebensqualität. Fremde Kulturen sind schön und gut, aber bitte  nur in ihren jeweiligen Heimatländern, in Büchern und in Filmen, aber nicht per Verordnung und Einwanderung hier in Deutschland.  Kultur ist im Übrigen auch eine Vereinbarung und Organisation zum Überleben in Notzeiten sowie zur Verteidigung gegen äußere Feinde und Eindringlinge, die an lokale Gegebenheiten und Mentalität angepasst ist.  Eine vorsätzliche Vermischung oder ein Nebeneinander von Kulturen innerhalb eines Staatsgebietes ist vor diesem Hintergrund verwerflich und wenn, dann überhaupt nur in Zeiten des Überflusses und des Friedens möglich. Tatsächlich bestätigt  die Geschichte der meisten multikulturellen Staaten dies.

Eine gesunde Furcht vor einem Kollaps würde Deutschland als Zielland für “Schutzsuchende” und Einwanderer unattraktiv machen, vor allem wenn man dabei dann auch noch davon ausgehen würde, dass bei einem Kollaps eben auch der deutsche Sozialstaat und die Lebensmittelversorgung kollabieren würde, während anderseits die Gesetze zum Schutz von Minderheiten und Ausländern im allgemeinen Chaos ihre Schutzwirkung verlieren und vielleicht sogar der berüchtigte Furor Teutonicus hier und da zum Durchbruch kommen könnte.  Ich stelle mir dazu Szenen wie in dem Roman   One Second After – Die Welt ohne Strom vor. In solchen Situationen wäre ich selbst als Deutscher lieber in den Bergen Syriens oder Afghanistans als in Deutschland. William Catton, von dem ich ein Interview über sein Buch Overshoot für meine Webseite übersetzt hatte, hat gemeint, dass bei den im 21. Jahrhundert zu erwartenden Bevölkerungszusammenbrüchen die Überlebenschancen in Ländern der 3. Welt größer wären als in den Industrieländern.  Ich denke, er hatte damit grundsätzlich sehr recht. Wenn die Deutschen eine gesunde Furcht vor einem Kollaps und auch vor einen Krieg auf deutschem Boden entwickeln würden, würden die Überlebenschancen auch in Deutschland steigen, aber in Ländern der 3. Welt werden heimische Menschen dort immer eine höhere Überlebenschance haben als in  kollabierenden und möglicherweise von Kriegen heimgesuchten Industrieländern wie Deutschland. Ein interessanter Roman zu dem, was in einem Krieg in Deutschland und Europa auf die Menschen zukommen könnte, ist der The Price of Peace aus dem Jahr 1987, von Albert Clark, einem ehemaligen Oberstleutnant der USAF.  In diesem Roman wird Europa von vereinten arabischen Streitkräften angegriffen und sehr übel zugerichtet. Immerhin war Clark damals, in den 80er Jahren, ziemlich fortschrittsgläubig und optimistisch, so dass er die Amerikaner schließlich dank technischer Wunderwaffen gewinnen ließ. Für solchen Optimismus fehlt heute die Grundlage, wie unter anderem Greers Twilight’s Last Gleaming und Forstchens One Second After – Die Welt ohne Strom zeigen.

Wenn sich die Deutschen gescheit auf einen Kollaps vorbereiten würden, dann könnte das anderseits aber auch dazu führen, dass “Flüchtlinge” hier und da lernen und vielleicht auch Lust dazu bekommen, in ihren Heimatländern Verbesserungen vorzunehmen und dort den Wasserhaushalt, die Bodenfruchtbarkeit und damit letztlich auch die Lebensqualität zu verbessern. Uns könnte das dann zusätzlich nützen, weil wir damit die Sicherheitsrisiken für Deutschland und Europa vermindern würden.

Eine gesunde Furcht vor einem Kollaps unserer Gesellschaft kann man jedenfalls in fast jeder Beziehung auch als eine sehr positive Chance verstehen.

Kelberg, den 2.1.2016 Christoph Becker




Nach dem Fortschritt

Nach dem Fortschritt – Vernunft und Religion am Ende des Industriezeitalters lautet die deutsche Übersetzung des Titels eines 2015 erschienenen Buches  von John M. Greer, das ich gerade zu Ende gelesen habe und zu dem ich hier etwas schreiben möchte.

Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch das Gespräch von Chris Martenson mit  John M. Greer, das Martenson auf seiner Webseite www.peakprosperity.com unter dem Titel “John Michael Greer: The God Of Technological Progress May Well Be Dead“, veröffentlicht hatte, und das ich für meine Webseite übersetzt hatte: Der Gott des technischen Fortschritts könnte sehr wohl tot sein –  Aber die Gesellschaft will dies nicht in Erwägung ziehen.

Hier zunächst die Übersetzung des Umschlagtextes auf der Rückseite des Buches:

Umschlagtext der Rückseite

Fortschritt ist der Gott der modernen Welt.

Was passiert, wenn Gott tot ist?


Die Verehrung, die unsere Gesellschaft der Idee des Fortschritts erweist, stellt eine beeindruckende Hürde für die erfolgreiche Anpassung an das dar, was unsere von Klimawandel und zur Neige gehenden Ressourcen geprägte Zukunft auf Lager hat. John Michael Greer macht nicht nur diese Barriere ausfindig, sondern er sprengt und ebnet sie ein, indem er seinen charakteristischen, scharfen Verstand und sein umfassendes Wissen über Kulturgeschichte anwendet.

Richard Heinberg, Autor, Das Ende des Wachstums

….. eine exzellente Einführung in Greers einsichtsvolles Denken im großen Ganzen, fundiert in nur zu seltenen Kenntnissen der Geschichte, Ökologie und Ökonomie.

Rev. Michael Dowd, auther, Thank God for Evolution

FORTSCHRITT IST NICHT nur ein Ziel im Westen – er ist eine Religion. Unser Glaube an den Fortschritt treibt die weitverbreitete Beteuerung, dass Peak Oil und der Klimawandel nicht wirklich wichtig sind – schließlich würden unsere mit Laborkitteln gekleideten Hohepriester gewiss ein weiteres Wunder bewirken, das uns alle retten wird. Unglücklicherweise ist der Fortschritt, wie wir ihn gekannt haben, vollständig von der halsbrecherischen Ausbeutung von einer halben Milliarde Jahre Sonnenlicht abhängig, das in der Form von fossilen Brennstoffen eingelagert wurde. Während das Zeitalter billiger, im Überfluss vorhandener Energie sich seinem Ende nähert, stößt unserer blinder Glaube an exponentielles wirtschaftliches Wachstum hart gegen erbarmungslose Grenzen des Planeten.

NACH DEM FORTSCHRITT behandelt diesen sich abzeichnenden Paradigmenwechsel, indem es die Form der Geschichte aus einer Perspektive jenseits der kommenden Krise untersucht. Pflichtlektüre für jeden, der darauf bedacht ist, die Zukunft zu verstehen, in einer Zeit in der wir neuen Lebenssinn, Werte und  Hoffnung für die vor uns liegende Zeit suchen müssen.

…. ein zum Nachdenken anregendes Buch,  eine vorsichtig stimmende Geschichte über menschliche Illusionen über die Beherrschung der Natur und die wissenschaftliche Errettung von unserem exzessiven Verbrauch natürlicher Ressourcen, den wir auf unsere Gefahr ignorieren.

Paul Kivel, Autor, Living in the Shadow of the Cross

Buchbesprechung

Das Buch hat einschließlich Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Bibliographie, Index und Kurzbiographie des Autors insgesamt 263 Seiten.

Es ist in 9 Kapitel unterteilt.

  1. Die Geräusche der Totengräber
  2. Die Form der Zeit
  3. Der Fels am Silvaplanersee
  4. Eine eigenartige Abwesenheit von Bauchknochen
  5. Der Gott mit dem verstellbaren Schraubenschlüssel
  6. Die andere Seite des Fortschritts
  7. Lebensretter für Meerjungfrauen
  8. Religiöses Wiederaufleben
  9. Am Ende eines Zeitalters

Das für mich nach dem ersten Lesen des gesamten Buches Wesentlichste:

Die Geschichte ist nicht linear, sondern zyklisch

Die Geschichte ist NICHT linear aufsteigend, aus irgend welchen dunklen Vorzeiten zu einer strahlenden, hochentwickelten und zivilisierten Gegenwart und einer gewiss noch weiterentwickelten Zukunft. Vielmehr ist die Geschichte zyklisch.  Unsere Zivilisation und Kultur ist nur eine von vielen. Mit den Zivilisationen ist das wie mit individuellen Menschen. Sie sind zwar unterschiedlich, aber das Leben der einzeln kann dennoch in typische Phasen wie Geburt, Kindheit, Jugend, Erwachsenenleben und Alter unterteilt werden. Auch gibt es bei aller individuellen und durch die Umwelt bedingten Verschiedenheit typische Muster für die verschiedenen Lebensphasen.  Greer bezieht sich dabei unter anderem auf Friedrich Nietzsche, auf Oswald Spenglers Werk Der Untergang des Abendlandes
und auf  Arnold J. Toynbees Werk Der Gang der Weltgeschichte: Aufstieg und Verfall der Kulturen (d.h., tatsächlich bezieht Greer sich auf Toynbees insgesamt 12 Bände umfassendes englischsprachiges Werkt “A Study of History”).

Die Zeit kann verschiedene Formen haben

Zeit kann man so erleben, wir wir sie kennen oder bisher zu kennen glaubten: Fortschreitend, wobei die Dinge mit der Zeit besser werden.

In anderen Zeiten und in anderen Kulturen hatten bzw. können Menschen Zeit aber auch völlig anders wahrnehmen:

Der Ablauf der Zeit kann als stetige Verschlechterung erlebt werden. Das war z.B. in Kulturen, die ihre ökologischen Grundlagen zerstört hatten, in der Phase des Abstiegs so. Die Vergangenheit war dann ein Goldenes Zeitalter und von der Zukunft erwartete man nichts Gutes mehr, ähnlich wie ein alter Mensch, der zunehmend die Gebrechen des Alters an sich erlebt und weiter auf sich zukommen sieht und der von seiner Jugend träumt. Ein von Greer angeführtes Beispiel ist ein Zeitabschnitt im alten Griechenland, in dem man durch die Einführung von für das bergige Griechenland nicht geeignete Ackerbaumethoden aus dem Zweistromland starke Bodenerosionen und damit sowhl einen Niedergang der Landwirtschaft als auch des Wohlstandes verursacht hat.

Zeit kann für eine Gesellschaft in einem stabilen Umfeld auch etwas sein, was sich nicht ändert. Z.B. kann es für Eingeborene in einer stabilen Umwelt aus Erfahrung nützlich sein, auf Erfindungen und Verbesserungen zu verzichten und diese zu unterdrücken, weil Fortschritt die Stabilität der Umwelt gefährden und die Lebensgrundlage zerstören kann. Die Einführung neuer Jagdmethoden oder Waffen kann in solchen Fällen zwar kurzfristig höhere Jagderträge und höheres Wachstum bringen, längerfristig kann aber eben das zu einem Anwachsen der Bevölkerung bei gleichzeitigem Zusammenbruch des Wildbestandes und damit zum Untergang führen.  Es scheint tatsächlich Völker, wie die Aborigines in Australien zu geben odergegeben zu haben, die eine entsprechende Auffassung von der Form der Zeit in ihrer Kultur realisiert haben.

Freiheit und Evolution

Im 4. Kapitel, Eine eigenartige Abwesenheit von Bauchknochen, geht Greer auf die Erkenntnis ein, dass alle Wirbeltiere die Wirbelsäule da haben, wo wir sie auch haben, nämlich hinten,  bzw. oben im Bereich des Rückens und nicht etwa vorne/unten im Bauch. Ebenso haben alle Säugetiere genau vier Gliedmaßen und nicht sechs wie die Insekten. Der Grund ist, dass sich irgendwann früher in der Evolution  eine Version mit Wirbelsäule hinten/oben und mit vier Gliedmaßen durchgesetzt hat, auf der dann alle Wirbeltiere bzw. alle Säugetiere aufgebaut haben. Säugetiere mit sechs oder mehr Gliedmaßen sind heute ebenso unmöglich wie Wirbeltiere mit der Wirbelsäule unten/vorne im Bauch. Der Hintersinn dieser Betrachtung ist zu zeigen, dass bestimmte Dinge und Entwicklungen zwar rein theoretisch in der Phantasie möglich, aber in der Praxis durch den Verlauf der Evolution ausgeschlossen sind. Unsere Freiheit ist in diesem Sinne in der Praxis begrenzt, und wir sollten damit rechnen, dass dies auch für menschliche Gesellschaften und Kulturen gilt.

Erkennen von Mustern und Formen

Greer geht auch auf das Phänomen ein, dass scheinbar völlig verschieden Dinge ähnliche Muster und Formen haben können. Er bezieht sich dabei u.a. auf Goethe, der sich offenbar auch mit Naturkunde und Anatomie beschäftigt und über ähnliche Formen sinniert hat. Greer nennt diese Art zu denken morphologisches Denken. Mit “morphologisches Denken” findet man per Google verschiedene Artikel.

Greer geht darauf ein, weil dieses morphologische Denken uns dazu befähigt, Ähnlichkeiten von scheinbar völlig unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen zu erkennen und damit auch der Geschichte, Prognosen auch im Bezug auf unsere eigene Zivilisation und Kultur zu erstellen und vielleicht doch aus der Geschichte zu lernen. Die Historiker, die das mit ihren Werken versuchen sind z.B. Oswald Spenglers mit Der Untergang des Abendlandes
und auf  Arnold J. Toynbees mit Der Gang der Weltgeschichte: Aufstieg und Verfall der Kulturen (d.h., tatsächlich bezieht Greer sich auf Toynbees insgesamt 12 Bände umfassendes englischsprachiges Werkt “A Study of History”).

Greer kommt dann zu einem sehr praktischen Beispiel aus seinem eigenen Leben. Es gab in den USA in den letzten 25 Jahren verschiedene Wirtschaftskrisen, bei denen vorher entstandene Finanzblasen geplatzt sind. Zur Zeit der ersten Finanzblase, Anfang der 90er Jahre hatte Greer gerade das Buch Der große Crash 1929: Ursachen, Verlauf, Folgen von John Kenneth Galbraith gelesen. Ihm ist aufgefallen, dass sich alle Finanzblasen und Wirtschaftskrisen, die er seit den frühen 90er Jahren erlebt hat, irgendwie gleichen und zudem,  dass sie auch der von Galbraith beschriebenen Wirtschaftskrise von 1929 ähneln. Was Greer dabei aufgefallen ist, ist dass seine Freunde und Bekannten jedes Mal behauptet haben, dass die gerade aktuelle Finanzblase ganz anders sei und dass man getrost investieren und damit viel Geld verdienen kann. Greer habe sich, mit Blick auf das, was er über die Finanzkrise von 1929 gelernt habe, aber jedes Mal zurückgehalten. Während seine Freunde und Bekannten, die gemeint haben dieses Mal sei alles ganz anders, beim Platzen jeder Finanzblase sehr viel Geld verloren haben, habe Greer sich dann bei der letzten Finanzkrise für sehr wenig Geld sein heutiges Haus kaufen können. Hintersinn dieser Argumentation ist, dass es uns mit der Zivilreligion des Fortschritts und mit dem Niedergang unserer Zivilisation ähnlich gehen könnte. Wir glauben  unser Fall sei ganz speziell  und wir vertun damit die Chance, aus der Geschichte zu lernen und die Schäden zu begrenzen.

Ein Zeitalter der Aufklärung hatten viele Zivilisationen

Wie Greer schreibt, ist ein Zeitalter der Aufklärung und des Infragestellen der Götter der theistischen Religionen aus der Frühzeit einer Kultur ein weit verbreitetes Phänomen. Das heißt, das Zeitalter der Aufklärung im Westen ist nichts Neues. Es hatte unter anderem Vorläufer in China, Indien, Ägypten, im alten Griechenland  und im römischen Reich.

Zivilreligionen

Religion ist nicht nur das, was die meisten denken. Also Glaube an übernatürliche Götter usw.. Es gibt vielmehr auch die sogenannten Zivil- oder Ersatzreligionen, die ohne übernatürliche Götter auskommen und deren Anhänger dennoch typische Verhaltensmuster von gläubigen, religiösen Menschen zeigen. Zu diesen Zivilreligionen gehören z.B. Nationalismus, Kommunismus, Atheismus und auch der in unserer Zeit sehr verbreitete Glaube an den Fortschritt.

Beim Glauben an den Fortschritt geht Greer von einem dreifaltigen Gott des Fortschritts aus, der aus den folgenden drei voneinander abhängigen Teilen besteht:

  1. ethisch-sozialer Fortschritt
  2. technisch-wissenschaftlicher Fortschritt
  3. Wirtschaftswachstum

Zivilreligionen entstehen, wenn eine Zivilisation erwachsen wird, als ob sie ihr Zeitalter der Aufklärung durchlebt und die theistischen Götter ihrer Kindheit und Jugend in Frage stellt. Die Zivilreligionen kommen ohne übernatürlichen Gott aus, aber sie bauen auf den verinnerlichten Werten der alten theistischen Religionen auf.

Unsere “westlichen Werte” und Verfassungen beruhen z.B. in wesentlichen Punkten auf dem Christentum, oder besser gesagt auf dem, was wir und unsere jüngeren Vorfahren für christlich hielten und halten.

Die Zivilreligionen haben aber, weil der übernatürliche Gott oder die übernatürlichen Götter tot ist bzw. tot sind,  kein übernatürliches Jenseits und keine Hölle in die jemand nach seinem Tod kommen könnte. Also versuchen sie, das Paradies auf Erden zu versprechen und zu realisieren. Zivilreligionen benötigen materielle Ressourcen und Infrastrukturen. Wenn diese wegfallen, zerfällt die Zivilreligion.

Zivilreligionen sind durch ihren Verzicht auf übernatürliche Gottheiten relativ leicht in Frage zu stellen und zu widerlegen, sobald ihre materiellen Grundlagen wegbrechen.

Zivilreligionen wirken anderseits als gesellschaftspolitische Massenträgheit: An einer Zivilreligion wird zunächst auch dann festgehalten, wenn  dies nüchtern betrachtet sinnlos oder sogar idiotisch und schädlich geworden ist, weil die Rahmenbedingungen sich geändert haben. Eine Zivilreligion kann also eine schnelle Anpassung an sich verändernde Situationen verhindern und damit die Zerstörung ihrer materiellen Grundlagen beschleunigen. Eine Zivilreligion kann schädliches Verhalten verlängern und verschlimmern. Das war in den durch die Zivilreligion des Nationalismus getriebenen Weltkriegen so, und das erleben wir gerade  in der sogenannten Flüchtlingskrise, die tatsächlich in erster Linie ein Versagen des deutschen Grundgesetzes und der sogenannten europäischen Werte und der auf diesen aufbauenden politischen Ordnung und Gesetzgebung ist. Die Zivilreligion der BRD und Europas verliert gerade ihren Sinn und ihre Berechtigung, so wie der Nationalismus in den Materialschlachten der Weltkrieg. Das Grundgesetz der BRD und die “westlichen Werte”  dienen nicht mehr den Interessen der deutschen Bevölkerung sondern schaden einem rasant zunehmenden Teil der Bevölkerung zunehmend. Ähnlich wie der ursprünglich einmal sehr nützliche und gut gemeinte Nationalismus die Opfer in den Weltkriegen sinnlos gesteigert hat, steigern nun das ursprünglich Grundgesetz sehr nützliche und gut gemeinte Grundgesetz mit seinen starren Regelungen im Bezug auf die Menschenwürde und das Asylrecht die Kosten und den Schaden in der Flüchtlingskrise, bis Deutschland und Europa wieder einmal ruiniert sind.

Die zentrale materielle Grundlage der heute vorherrschenden westlichen Zivilreligion des Fortschritts, ohne die die Flüchtlingsströme nach Europa auch nicht denkbar sind, sind die Verfügbarkeit großer Mengen, mit geringen Kosten erschließbarer fossiler Brennstoffe. Andere, nur endlich vorhandene Rohstoffe sind natürlich auch wichtig. Das Abschmelzen dieser materiellen Grundlage hat aber bereits begonnen.

Greer geht ausführlich darauf ein. Auf meiner Webseite hatte ich mit Beiträgen wie

ebenfalls ausführlich darauf hingewiesen, dass das Fundament des Fortschrittsglaubens (und damit auch die Geschäftsgrundlagen der gesamten derzeitigen Flüchtlingspolitik!!) bröckelt.

Mit dem Untergang einer Zivilreligion kann eine andere kommen oder es können verschiedene Zivilreligionen gleichzeitig existieren, wie ich oben schon angedeutet habe. Beispiele: Nationalismus und Kommunismus in Europa und der Glaube an den dreifaltigen Gott des Fortschritts. Oder eben wie jetzt, der Glauben an das heilige deutsche Grundgesetz, an seine Gebote des Asylrechts usw. um jeden Preis, und auch hier, wie schon in den Weltkriegen, auch wieder der  Glaube an den Gott des Fortschritts. Anders als in der Zeit bis etwa 1970 hat der Glaube an den Gott des Fortschritts, der die Grundlage fast aller anderen westlichen Zivilreligionen geworden ist, inzwischen aber seine Berechtigung verloren.

Nach dem Zerfall der Zivilreligionen kommt es wieder zum Erstarken theistischer Religionen, also solcher Religionen, die übernatürliche Götter verehren. Greer meint übrigens auch, dass der Nihilismus und  der Atheismus in einer solchen Situation bedeutungslos werden.

Nach Greer ist nicht absehbar, ob eine oder mehrere der schon vorhandenen theistischen Religionen gewinnen oder eine völlig neue. Sicher sei aber, dass die eine teure Infrastruktur benötigenden, etablierten Religionen (unsere Amtskirchen) mit dem wirtschaftlichen Kollaps der Gesellschaft ebenfalls verschwinden würden, weil sie ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren.

 

Religionen sind von Antireligionen begleitet

Zu jeder Religion entwickelt sich in der Regel auch eine Antireligion, die das genaue Gegenteil darstellt.

Beispiele:

Die Antireligion des Christentums sind Satans- oder Teufelskulte

Die Antireligion der Zivilreligion des  Nationalismus ist der Internationalismus der Kommunisten, Linken und Grünen.

Die Antireligion der Zivilreligion des Fortschritts sind die Apokalyptiker. Die Apokalyptiker sind die, die glauben, dass man sich keine Sorgen machen müßte, weil sowieso alles total zusammenbricht und die Welt untergeht.

Fazit

Ein großartiges Buch. Schon beim ersten Lesen habe ich viel daraus gelernt. Greer liefert eine Skizze für die Entwicklung der Werte und Glaubenssysteme, die gerade auch in einer Zeit des Umbruchs und des Niedergangs der eigenen Zivilisation und der Werte und Glaubenssysteme dieser Zivilisation, wie wir sie gerade erleben, sehr hilfreich sein kann. Hilfreich auch deshalb, weil er Vertrauen und Hoffnung für eine Zukunft gibt, die aller Voraussicht nach weder den Erwartungen der Fortschrittsgläubigen, noch denen der Apokalyptiker ensprechen wird. Einer Zukunft, die wir sehr wohl aktiv vorbereiten, und intelligent verbessern, oder aber auch durch Dummheit und Ignoranz verschlechtern können.

Viele Phänomene, einschließlich der derzeitigen Flüchtlingskrise in Europa, sehe ich vor dem Hintergrund dieses Buches nun anders.

Es ist zu hoffen, dass sich bald ein deutscher Verlag findet, der eine deutsche Übersetzung von John Michaels Greers Buch “After Progress” herausbringt.

Wir sind dabei mit aller Kraft die  Situation in der wir uns befinden und unsere Zukunftsaussichten (ebenso wie die der meisten Flüchtlinge!) extrem zu verschlechtern, weil die zivilreligiösen Glaubensbekenntnisse unserer Politiker, Journalisten und großer Teile der Bevölkerung  nicht mehr zur veränderten und sich verändernden Realität passen. Greers Buch  kann helfen solche  Probleme zu erkennen und damit Schäden und Katastrophen zu reduzieren oder zu vermeiden.

Kelberg, den 13. Oktober 2015

Christoph Becker

 

 




Gewalt und Krieg

Gewalt und Krieg: Die festgefahrene Agressionsdiskussion ist der Titel des 12. Kapitels des Buches Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, aus dem Jahre 1988(!). Das 10. und das 11. Kapitel des selben Buches habe ich bereits in den Blogbeiträgen Freiheit und das Streben nach Macht und  Zuviel des Guten eingestellt. Die beiden vorgenannten Blogbeiträge enthalten allerdings zum Teil sehr viel mehr als nur Links auf die pdf-Dateien der betreffenden Kapitel von Eibl-Eibesfeldts Buch.

Hier alle Links auf die pdf-Dateien mit Leseproben von Irenäus Eibl-Eibefeldts Buch Der Mensch – das riskierte Wesen: Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft.

Umschlagseite des Buches

10. Kapitel, Freiheit und das Streben nach Macht, S. 155 – 176

11. Kapitel, Zuviel des Guten, S. 177 – 202

12. Kapitel, Gewalt und Krieg, Die festgefahrene Agressionsdiskussion, S. 203 – 231

Das Kapitel 12 ist in folgende Unterabschnitte unterteilt:

  1. Einleitung
  2. Das sogenannte Böse
  3. Mißverständniss um die explorative Aggression
  4. Krieg
  5. Föderation oder Fremdherrschaft: Reflexionen über Namibia und Südafrika
  6. Kritische Offenheit: Vorbedingung für den Frieden
  7. Helfen und Dominanz
  8. Emotionelle Blockaden auf dem Weg zum Frieden

Die ersten drei Unterabschnitte sollten vielleicht Pflichtlektüre für Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen werden, die Aggressionen generell für Böse halten.

Das gesamte 12. Kapitel ist vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise und auch vor dem Hintergrund der globalen Lage insgesamt sehr lesenswert.

So ist z.B. zu erwarten, dass den Deutschen ihr unreflektiertes “Gutsein”, also ihre “Willkommenskultur” und “Hilfsbereitschaft” den “Flüchtlingen” gegenüber, gerade auch von eben diesen Flüchtlingen in Zukunft mit Feindseligkeit und Hass vergolten wird und dass Frau Merkel und die anderen Gutmenschen daher gerade dabei sind, die Grundsteine für blutige Konflikte auf deutschem Boden zu legen.

Das ist aber nur einer von vielen Aspekten zum Thema Gewalt, Krieg und Frieden, die Irenäus Eibl-Eibesfeldt in diesem 12. Kapitel erläutert.

Ist Multikulti verfassungsfeindlich?

Insgesamt frage ich mich vor diesem Hintergrund und allem, ich was sonst noch in den letzten Wochen über Multikulti, Zuwanderung und die Folgen gelernt habe, ob unsere Politiker, allen voran Frau Merkel, aber auch die meisten unserer Journalisten und viele “Wissenschaftler” an den Universitäten nicht letztlich mit Blick auf GG §9 Verfassungsfeinde sind. Der Grund ist, dass abzusehen ist, dass deren politisches Wirken gegen das Gebot der Völkerverständigung verstößt, weil Multikulturalismus, so wie er im Westen propagiert wird und wie die Geschichte zeigt,  Hass und Krieg zwischen den Völkern sät. Das trifft besonders dann zu, wenn wie mit der Zuwanderung fremder Völker nach Deutschland, den einzelnen Völkern keine Autonomie in eigenen Siedlungsgebieten gegeben werden kann.  Auch andere Gründe, wie die schon jetzt, mit Blick auf das absehbare Ende des Zeitalters der Verfügbarkeit billiger fossiler Energieträger, mit sehr weitem Abstand zu große Bevölkerungsdichte in Deutschland, garantieren, dass es dank der Zuwanderungspolitik der letzten 25 Jahre, in Deutschland in Zukunft zu ethnischen Konflikten kommen wird. Gesetze werden uns dabei nicht viel helfen, weil ein Kollaps der BRD alleine schon wegen der zunehmenden Komplexität ( Tainter ) unvermeidlich sein dürfte. Der Kollaps wird nämlich auch die Sicherheitskräfte und die Durchsetzung der Gesetze betreffen. Tatsächlich ist dieser Kollaps teilweise schon jetzt, 2015, eingetreten. Vor diesem Hintergrund fördern die im Bundestag vertretenen Parteien mit ihrer Zuwanderungspolitik faktisch also seit Jahren das künftige Entstehen von Rassismus und Völkerfeindschaft und ethnischen Konflikten auf deutschem Boden.Tatsächlich kann man das auch längst aus den rassistischen, antideutschen Äußerungen vieler Zuwanderer und auch deutschfeindlichen Äußerungen von formal eingedeutschten Bürgern mit nicht deutschstämmigem Migrationshintergrund entnehmen.  Es mag sein, dass unsere Politiker tatsächlich glauben, sie seien gegen Rassismus, Gewalt und Krieg.  Aber objektiv, mit Blick auf die Zukunft, fördern sie diese und handeln damit m. E. verfassungsfeindlich. Man wird die CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke nun nicht als verfassungsfeindliche Organisationen verbieten können, weil die große Mehrheit der Bevölkerung sie wiederholt gewählt und damit auch deren Politik faktisch gut geheißen hat. Allerdings hat vielleicht auch nur fast niemand gründlich über diese Problematik und die Folgen und Risiken der von diesen Parteien betriebenen Politik nachgedacht.

Hinsichtlich Frau Merkel, CDU/CSU, SPD, Grüne und Rassismus sollte man sich an dieser Stelle vielleicht auch einmal das im Folgenden eingebundene Interview mit Willi Wimmer genau anhören:

Wimmer bestätigt meine schon vor Jahren gebildete Meinung, dass es bodenlos asozial, unverschämt und angeblich “christlich-demokratischen” ebenso wie “sozialdemokratischen”  Volksparteien unwürdig ist, anderen Ländern die besten Leute per Zuwanderung nach Deutschland wegnehmen zu wollen, damit wir hier noch ein paar Jahre länger unseren unverschämt großen ökologischen Fußabdruck erhalten und auch nach dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge und der 68er als Homo Colossus schwelgen und leben können. Mit Blick auf die Zukunft ist auch das wieder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das Gebot, das friedliche Zusammenleben der Völker nicht mutwillig zu stören. Dass sich das alles auch nicht mit dem Anspruch einer “grünen”, umweltfreundlichen Politik verträgt, hatte ich schon in meinem Beitrag Für ein wirklich grünes Asyl- und Einwanderungsrecht dargelegt.

Man sieht, die Realität, sowie Gut und Böse, sind in Wirklichkeit nicht so klar und einfach erkennbar, wie oft geglaubt wird.

Das Buch  Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft von Irenäus Eibl-Eibesfeldt  ist eines, auf dessen Grundlagen man zu einer vernünftigeren Diskussion kommen und damit vielleicht noch den einen oder anderen Schaden verhindern oder mildern kann.

Von diesem Buch waren am 4.10.2015 noch ca. 40 Exemplare über verschiedene Händler per amazon.de erhältlich.  Über www.booklocker.de gab es noch 62 Exemplare.

Kelberg, den 4.10.2015

Christoph Becker

 

 

 




Freiheit und das Streben nach Macht

Freiheit und das Streben nach Macht ist der Titel des 10. Kapitels des Buches Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, aus dem Jahre 1988(!), das ich hier, anläßlich des 3. Oktobers 2015, als pdf-Datei einstelle. Das 11. Kapitel desselben Buches habe ich bereits unter dem Titel Zuviel des Guten eingestellt.

Hier der Link auf die pdf-Datei mit dem 10. Kapitel, „Freiheit und das Streben nach Macht“, aus dem Buch Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft: Kapitel 11, Freiheit und das Streben nach Macht, S.155 – 176.

Das Kapitel ist in die folgenden Unterabschnitte aufgeteilt:

  1. Rationale und soziale Freiheit
  2. Freiheit und Dominanz
  3. Rangordnung
  4. Problematische Auswirkungen des Rangstrebens
  5. Gehorsamsbereitschaft

Es sind die Abschnitte Problematische Auswirkungen des Rangstrebens und  Gehorsamsbereitschaft, die mich bewogen haben das 10. Kapitel dieses, noch vor der Wiedervereinigung erschienenen und leider viel zu wenig beachteten Buches,  am 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung zu scannen und als herunterladbare pdf-Datei einzustellen (( Der Verlag bietet das Buch offenbar nicht mehr an, aber es gibt derzeit bei www.amazon.de und www.booklooker.de insgesamt noch ca. 100, meist gebrauchte Exemplare dieses Buches. Ich hoffe, dass es wieder mehr nachgefragt wird und dass irgend ein Verlag es wieder anbieten wird.)) . Eibl-Eibesfeldts Ausführungen über Mängel der Qualifikation politischer Führer und auch über die oft sehr schlechte Qualität der von der Poltitik beauftragten “Experten” fand ich besonders gut. Aber auch die anderen Aspekte finde ich sehr gut erklärt. Das Versagen der deutschen Politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch das Versagen der deutschen Politik seit der Wiedervereinigung werden damit verständlicher.

Als ich heute morgen zu meiner Praxis ging, um das Kapitel einzuscannen und diesen Artikel zu schreiben, waren auf dem Marktplatz einige  “Flüchtlinge” mit ihren Kindern, die nun meines Erachtens den ohnehin unvermeidbaren Niedergang unserer modernen Industriegesellschaft und unseres Sozialstaates sehr beschleunigen werden.  Dass dies nicht nur meine Meinung ist, stand letzte Woche im Gemeindeblättchen meines Ortes. Zitat:

Deutsches Rotes Kreuz Vulkaneifel

Ganz oft hört man: Die Flüchtlinge bedrohen den Wohlstand unserer Gemeinde. Oder: Dann finde ich keinen Kita-Plaztz mehr für mein Kind. Die Menschen fühlen große Unsicherheit und versuchen Erklärungen zu finden. Woher kommt die Angst? Wie gehe ich mit Veränderungen im Leben um? Was kann ich tun?

Mit unserem Gesprächskreis wollen wir neue Denkweisen eröffnen. Der Gesprächskreis steht unter dem Motto: Neue Wege gehen, die ausgetretenen Pfade verlassen, nicht dass wir auf einmal stecken bleiben. Der Dauner Gesprächskreis “Meine Seele darf sprechen” …..

 

Schade. Ich habe das leider ein paar Tage zu spät gelesen. Ich hätte mir die Leute mit ihren Sorgen gerne einmal angehört.  Die Sorgen der Leute sind jedenfalls nur zu  berechtigt.  Eine google-Suche mit “gesamtkosten pro flüchtling” ließ mich eine Kostenaufstellung auf www.pi-news.net eine Kostenaufstellung mit dem bezeichnenden Titel Asylbewerber kosten 24000 Euro pro Jahr, finden.

Nicht eingerechnet sind dabei mit Sicherheit die:

Für die verängstigten Bürger die das DRK mit seinem Gesprächskreis ansprechen will, hätte ich darüber hinaus zwei sehr empfehlenswerte Reden von Manfred Kleine-Hartlage, die ich in den letzten Tagen gehört habe:


 

Dann habe ich mir am 3. Oktober,  das Interview des britischen Journalisten, Autors und Betreibers der Webseite Legalise-Freedom.com, Greg Moffitt, mit dem amerikanischen Schriftsteller und Blogger John Michael Greer über Greers neues Buch  After Progress: Reason and Religion at the End of the Industrial Age (dt. Nach dem Fortschritt: Vernunft und Religion am Ende des Industristriezeitalters. Nachtrag: zu diesem Buch habe, nach Abschluss der Lektüre, am 13. Okt. 2015 den Blogbeitrag Nach dem Fortschritt verfasst. ) angehört, weil ich denke, dass soetwas auch zu einem deutschen Nationalfeiertag im Jahre 2015 gehört:

In vielen Punkten entspricht dieses Interview dem Interview von Chris Martenson mit John Michael Greer, das ich für meine Webseite übersetzt hatte.

Die Scherzfrage, “Wie heißt ein Wirtschaftswissenschaftler der eine Prognose macht?” Antwort “Falsch oder Unzutreffend” (auf Englisch Wrong), kommt auch hier vor.

Meine von Faulheit geprägte Hoffnung, mir mit dem Anhören des Interviews die Lektüre des Buches ersparen zu können wurde nicht erfüllt. Das Buch ist schon auf den ersten Seiten ein absoluter Knüller und Sprengstoff, etwa indem Greer sich mit Friedrich Nietzsche  und dem christlichen Glaubensfundament der westlichen Gesellschaften beschäftigt, von dem wir längst den alles haltenden Grundstein, nämlich den Glauben an Gott entfernt haben. Wenn ich das so sehe könnte unsere irre Asylpolitik ein verzweifelter Versuch vor den Folgen unseres Glaubensverlustes zu fliehen: Nämlich vor der Einsicht, dass wir keine vernünftige Begründung für moralisches und Verhalten und Ethik mehr haben, weil wir, wie Nietzsche es ausgedrückt hat, Gott getötet haben und damit unsere Kosten/Nutzenrechungen verändert hat. Ethik und Moral die dem Einzelnen im Hier und Jetzt keine klaren Vorteile bringen sind nun nichts mehr wert. Der Staat und die Gesellschaft können, werden und müssen versuchen den Verlust an Glauben durch Gewalt und eine funktionierende Polizei und Justiz zu ersetzen, aber das kann und wird auf Dauer nicht gelingen weil, wie der Soziologe William Catton in seinem Buch Bottleneck: Humanity’s Impending Impasse (dt. : Genetischer Flaschenhals: Die in Sicht kommende Strassensperre der Menschheit) schreibt, die zunehmende Spezialisierung der Menschen nicht nur die Effizienz und Fähigkeiten steigert sondern auch immer neue Betrugsmöglichkeit eröffnet. Wie auch immer Greers Buch werde ich also lesen müssen, weil es wichtige Details erörtert. Aus seinem Webblog www.thearchdruidreport.blogspot.de weiß ich aber auch, dass Greer für die Zeit nach dem Zusammenbruch unserer Industriegesellschaft eine Wiedererstarken der Religion voraussieht – aber leider auch einen Zusammenbruch des Glaubens an die Wissenschaft.

Doch zurück zu Greers Interview mit Greg Moffit:

Ein wesentlicher Punkt Greers ist, dass der Glaube an den Fortschritt eine weit verbreitete, ziemlich fundamentalistische Religion oder Ersatzreligion der westlichen Industriegesellschaften ist.

Beim Glauben an den Fortschritt handle sich um eine Religion bzw. um religiöse Gewissheiten, weil die harten Fakten der Realität eine andere Sprache sprechen.

Ein Beispiel ist auch auch hier das Thema Fracking, Teersande und Energiegewinnung, bei dem Politiker, Journalisten und Bevölkerung offenbar nicht, oder noch nicht, sehen, dass es hier eher nicht mehr um eine reale, längerfristige Energieversorgung sondern eher um eine Finanzblase geht. Keines der mit Facking befaßten Unternehmen habe mit der damit ermöglichten Öl- und Gasförderung  Gewinne gemacht. Gewinne würden höchsten mit dem Verkauf von Anteilen gemacht. Die per Fracking erschlossenen Quellen würden, anders als klassische Öl- und Gasquellen rasant an Förderkapazität verlieren.

Das Problem, dass die Generation der geburtenstarken Jahrgänge und die 68er ihre Ideale verkauft haben und dass man all die vielen guten Ansätze und Möglichkeiten, die man in den 70er Jahren noch hatte, um die Industriegesellschaften vorsichtig auf eine Zeit nach dem Öl vorzubereiten und einen sanften Übergang hin zu bekommen vertan und verraten hat.

Es sei einmalig, dass eine Generation, eben die der geburtenstarken Jahrgänge und der 68er, mehr oder weniger bewusst, die Zukunft ihrer Kinder und Enkel zerstört und verheizt habe, um sich selber ein schönes Leben zu machen. Eine Einstellung sei z.B. dass man vor den üblen Folgen der aktuellen Politik die Augen mit dem Argument verschließe, dann wenn alles Zusammenbreche und der Preis für die derzeitige Politik und Lebensweise zu bezahlen sei, sei man ja schon tot, das würde man ja nicht mehr selber erleben.

Ich denke DAS ist ein Phänomen, das auch einige Aspekte der Politik in Deutschland in den letzten 25 Jahren, aber vor allem auch in den letzten Monaten verständlicher macht.

Das ist dann wieder ein Punkt, wo das mit diesem Artikel als Download verfügbar gemachte 10. Kapitel aus Prof. Eibl-Eibefeldts Buch Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft zum Tragen kommt.  Das Problem der oft völlig mangelhaften Qualifikation und Auswahl von politischen Führungspersonal, das Eibl-Eibesfeldt behandelt,  und auch über die von ihm angedeuteten Gesetze, sollte man diskutieren.

Ein Aspekt von Eibl-Eibesfeldts Ausführungen ist auch, dass die insbesondere auch von der deutschen Politik in den letzten Jahrzehnten forcierte Tendenz zu immer größeren politischen Einheiten (EU, “eine Welt”) die Wahrscheinlichkeit für Machtmissbrauch und Verbrechen vergrößert. Mich ließ dass an Leopold Kohr denken. Ich schließe diesen Beitrag zum 3. Oktober 2015, dem 25. Jahretag der Deutschen Einheit, indem ich den Film Leben nach menschlichem Mass über Leopold Kohr einbinde:

 

Mein Fazit: Ein Nationalfeiertag, wie der “Tag der deutschen Einheit”, den ich letzte Woche noch für nutzlos gehalten hatte, bringt also  schon etwas, wenn man ihn zum Nachdenken und Lernen nutzt. Mein anderes Werk am 3. Oktober 2015, mit Blick auf Deutschland, war die vorher schon von mir an anderer Stelle skizzierte und begründete Operation Troja zu überarbeiten und in einen eigenen Artikel zu verwandeln.

Kelberg, den 3. Oktober 2015

Christoph Becker




Zuviel des Guten

Zuviel des Guten ist die Überschrift des 11. Kapitels in dem leider vergriffenen Buch Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, aus dem Jahre 1988(!), dass ich hier als pdf-Datei einstelle, weil dieses Kapitel vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise wichtig ist. Ich hoffe dass, ich damit das Interesse an diesem großartigen Buch, wecken kann, so daß sich vielleicht doch wieder ein Verleger findet der es neu auflegt, und sei es wenigstens als e-Book oder/und Print-on-Demand-Buch.

Hier der Link auf die pdf-Datei mit dem 11. Kapitel “Zuviel des Guten” aus dem Buch Der Mensch das riskierte Wesen – Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft: 11. Kapitel, Zuviel des Guten, S. 177 – 202

Beim Lesen dieses 11. Kapitels sollte man sich realisieren, dass das 1988, also vor 27 Jahren geschrieben wurde, UND dass es ein alter Professor geschrieben hat, der sich wirklich sehr umfassend als Wissenschaftlern mit fremden Kulturen und dem Wesen des Menschen befasst hat.

Ich finde es extrem bitter und traurig, dass unsere Demokratie und unsere sogenannten Volksparteien offenbar nur derart dummes, naives und schlecht ausgebildetes Führungspersonal hat, wie wir es haben. Wir sind ein so reiches Land, und wir hatten zumindest Professoren wie diesen Irenäus Eibl-Eibesfeld, der sich dann auch noch wirklich Mühe gegeben hat allgemeinverständlich und für fachfremde (Politiker!) auch über das Flüchtlingsproblem rechtzeitig gut zu informieren.

Es bleibt der Trost, dass es fast überall im Westen ähnlich war und ist. Dass ein Amerikaner, wie  John Michael Greer, in seinem Gespräch mit Chris Martenson zur amerikanischen Aussenpolitik meinte, dass sabbernde Idiotie diese nur knapp umschreibe, und dass der Amerikaner James Howard Kunstler den US-Aussenminster als “Haarschnitt auf der Suche nach einem Gehirn” zu bezeichnen pflegt, und meint, dass Obama der vermutlich schlechteste Präsident der amerikanischen Geschichte sei, obwohl er ihn selber auch gewählt habe, zeigt, dass die Deutschen nicht alleine im Regen stehen weil ihre Politiker von allen guten Geistern verlassen zu sein scheinen.

Aber müssen wir, müssen unsere großen Volksparteien wie die CDU/CSU und die SPD deshalb wirklich zwingend weiter eine Politik betreiben, als seien sie des Wahnsinns fette Beute oder als seien sie nur noch Strohmänner von irgendwelchen fremden Völkern und Staaten, die Europa und Deutschland gerne in die Knie zwingen und mit Blick auf die ökologischen Rahmenbedingungen auch gerne erobern würden?

Dank unserer genialen Gutmenschen und der von diesen seit über 25 Jahren betriebenen Masseneinwanderung, die 2015 nun einen neuen Höhepunkt erreicht hat, dürften inzwischen ein bis zwei tausend gut ausgebildete und mit den nötigen Informationen über die empfindlichsten Knotenpunkte unserer technischen Infrastruktur versehene IS-Kämpfer ausreichen, um Deutschland sturmreif zu schießen, wie ich das in dem Blogbeitrag Operation Troja, und vorher schon in meinem Offenen Brief an Klagemauer.TV begründet und skizziert habe.

Wie auch immer. Falls das hier jemals ein deutscher Politiker liest: Das oben erwähnte Buch für die menschliche Unvernunft, von Prof. Eibl-Eibesfeldt könnte ein gut und schnell lesbarer Anfang für eine bessere, rationalere Politik gerade auch im Bezug auf das Flüchtlingsproblem sein.

Kelberg, den 26.9.2015, zuletzt geändert am 4.10.2015

Christoph Becker

 




Bereicherung, bunt und andere Unwörter

Aus dem Buch Die Sprache der BRD: 131 Unwörter und ihre politische Bedeutung von Manfred Kleine-Hartlage, habe ich hier die Definitionen der Wörter Bereicherung,  Bevölkerung, bunt, Karneval der Kulturen, Integration, Multikulturell, Kampf gegen Rechts, Toleranz, Vielfalt, Vorurteil, Willkommenskultur, Zivilcourage und Zuwanderung wiedergegeben. Das Buch halte ich für sehr lesenswert und traurig-amüsant. Weil die Definitionen alle recht kurz sind, ist es ein Buch, in dem man zwischendurch immer mal wieder kurz etwas lesen kann.

Hier ist die Webseite des Autors für dieses Buch verlinkt.

Ein gute gemachter Beitrag zum Hintergrund des Buches auf Youtube:

 

Von Manfred Kleine-Hartlage hatte ich schon das meines Erachtens auch sehr empfehlenswerte kleine Buch Warum ich kein Linker mehr bin gelesen. Mit dem selben Titel gibt es auf Youtube einen Vortrag von ihm:

Vortrag Manfred Kleine Hartlage: Warum ich kein Linker mehr bin

Hier nun einige der Definitionen aus seinem Buch  Die Sprache der BRD – 131 Unwörter und ihre politische Bedeutung:


Liste der Definitionen

  1. Bereicherung
  2. Bevölkerung
  3. bunt
  4. dumpf
  5. Integration
  6. Karneval der Kulturen
  7. krude
  8. Multikulturell
  9. rechts
  10. Kampf gegen Rechts
  11. Toleranz
  12. Vielfalt
  13. Vorurteil
  14. Willkommenskultur
  15. Zivilcourage
  16. Zuwanderung

► Bereicherung


Es gibt viele Dinge, von denen man sich bereichert fühlen kann, aber nur wenige, von denen man sich bereichert fühlen soll – und dies auch dann, wenn man nicht recht zu erkennen vermag, worin die »Bereicherung« eigentlich besteht und deshalb zu dieser vermeintlichen Einsicht überredet werden muß. Dies kann auf subtile (-♦»Zuwanderung«) oder auf plumpe, muss aber in jedem Fall auf stereotype Weise geschehen: Worte, die -auf den ersten oder doch spätestens zweiten Blick – offenkundig unangemessen sind, werden in bestimmten Zusammenhängen so oft wiederholt, bis das Publikum durch Abstumpfung dazu gebracht wurde, mit den Worten auch ihren Inhalt zu akzeptieren.

Der ehemaligen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer, »deren tantenhafter Habitus ihren Bonmots erst so richtig die aufreizende Würze verleiht« (Martin Lichtmesz) und die für die subtileren Manipulationen zu einfachen Geistes sein dürfte, verdanken wir einen Klassiker plumper BRD-Sprache: »Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle.«


Da ist sie, die Bereicherung-, und da ein Unwort selten allein kommt, kommt sie aus dem Munde einer ->»Integrations«-Beauftragten Hand in Hand mit den -♦»Menschen«, der -♦»Vielfalt« und der -»»Kultur«. Dass hier gedankenlos Phrasen gedroschen werden, erkennt man daran, dass Frau Böhmer, die in diesem Zusammenhang ausdrücklich nur von türkischen Einwanderern spricht, deren »vielfältige Kultur« rühmt. Die »Vielfalt« entsteht also nicht etwa dadurch, dass die türkische Kultur auf die deutsche trifft: Die türkische Einwanderergemeinde, so müssen wir Frau Böhmer wohl verstehen, ist in sich schon so vielfältig, dass sie uns Deutsche gar nicht mehr nötig hat. Im Hinblick auf die türkisch-kurdische Bipolarität mag dies sogar zutreffen. Da aber weder die Türken, noch die Kurden dieser Art von Vielfalt sonderlich froh zu werden scheinen, ist sie ein erstklassiges Argument gegen den Multikulturalismus, nicht dafür.

Die ständige Rede von der -»»Bereicherung«, die die Deutschen der Masseneinwanderung verdankten, enthält bereits ihr eigenes Dementi: Niemand, der wirklich bereichert wird, braucht durch immer gleiche Worthülsen überredet zu werden, diese Bereicherung als solche zu erkennen. Keine Lottozentrale wird den glücklichen Millionengewinner eindringlich darauf hinweisen, daß er sich doch bitteschön der ihm zuteil gewordenen Bereicherung als solcher bewusst sein möge.

Es fällt schwer, sich nicht an die DDR erinnert zu fühlen, in der jedem noch so schreienden Missstand eine ihn rundeweg leugnende Parole gegenüberstand, und vielleicht ist es kein Zufall, dass der Gebrauch plumpester Propagandaphrasen ohne jeglichen Realitätsbezug einen Höhepunkt unter der Kanzlerschaft einer Frau findet, die ihre politische Grundausbildung in der FDJ erhalten hat, dem Vernehmen nach als Sekretärin für Agitation und Propaganda.
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► Bevölkerung

Dem Wortsinne nach ist eine Bevölkerung keine Personengesamtheit, sondern ein Vorgang, nämlich der des Bevölkerns, und es liegt eine gewisse subtile Logik darin, daß der altehrwürdige Begriff »Volk« gerade in dem Moment aus der politischen Sprache der BRD verschwindet, in dem Deutschland, wie alle anderen Länder des Westens, von Menschen bevölkert wird, die bzw. deren Vorfahren aus ganz anderen Weltgegenden stammen.

Dass der Begriff des Volkes eine besondere Sprengkraft hat, mussten zuletzt die Machthaber der DDR erfahren, die unter der Parole »Wir sind das Volk!« gestürzt wurden. Offenbar haben ihre Nachfolger in der BRD kein Interesse daran, diese Erfahrung zu teilen und offenbar haben sie ein feines Gespür für das, was sie ideologisch stets abstreiten, nämlich dass ein Volk eine Solidargemeinschaft ist, die nur deswegen, weil das so ist, kollektiv handeln und gegebenenfalls auch Machthaber stürzen kann. Kein Volk – keine Solidarität. Keine Solidarität – keine Gefahr.

Als der nordrhein-westfälische Landtag 2010 in einer Resolution befürwortete, Ministern in Zukunft keinen Eid auf »das Wohl des deutschen Volkes« mehr abzunehmen22, und dies ausdrücklich damit begründete, andernfalls würden Migranten ausgegrenzt, gaben die Abgeordneten damit zu, dass Migranten nach ihrer Auffassung per definitionem nicht zum deutschen Volk gehören und dass sie, die Politiker, das Ziel, Einwanderer ins deutsche Volk zu integrieren, aufgegeben hatten, sofern es überhaupt je verfolgt worden war. Was die politische Klasse der BRD freilich keineswegs daran hindert, immer mehr dieser Einwanderer, von denen sie zugibt, dass sie nicht integriert werden können oder sollen, ins Land zu holen. -* »Integration«: Das bedeutet entweder die Aufnahme der Einwanderer in ein integres Ganzes, nämlich das deutsche Volk, oder es bedeutet überhaupt nichts. Integration soll nicht stattfinden, und einem Volk will die politische Klasse der BRD sich nicht mehr gegenübersehen, mit ihm will sie nichts mehr zu tun haben.

Da die BRD aber den Anspruch erhebt, ein demokratisches Staatswesen (von demos = Volk) zu sein, gerät besagte politische Klasse in eine gewisse Verlegenheit: Sie kann zwar im Sinne eines kalten Staatsstreichs Fakten schaffen, indem sie den Rat umsetzt, den Bertolt Brecht nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 der SED-Regierung gab, nämlich das Volk aufzulösen und sich ein neues zu wählen. Sie kann aber nicht zugeben, dass sie das tut. Sie ist darauf angewiesen, die Demokratie wenigstens als Fiktion aufrechtzuerhalten. Sie braucht das Wort »Volk«, aber weil dieses Wort so gefährlich ist wie das, wofür es steht, läßt sie es von einem Wachkommando aus einer Vor- und zwei Nachsilben eskortieren: Fertig ist die »Bevölkerung«.

Dass sie mit einem derart plumpen Manöver allerdings durchkommt, wäre kaum zu erklären, wenn die BRD nicht schon seit 1949 eine Art Demokratiesimulation wäre: eine »Demokratie«, deren Repräsentanten finden, das Volk habe sich ihres Vertrauens als würdig zu erweisen, welches Volk sich aber gleichwohl als »Souverän« umschmeichelt sieht, und sie sich in den gut sechzig Jahren ihres Bestehens den ihr gemäßen Bürgertyp herangezogen hat, nämlich den Demokratiesimulanten.

Wer dies nicht glauben möchte, stelle sich einen Moment lang den Galgen vor, an dem amerikanische Politiker hängen würden, wenn sie es wagten, die amerikanische Verfassung nicht mehr mit »We the People«, sondern mit »We the Population« einzuleiten.
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► BUNT

Kaum jemand hätte sich wohl vor zwanzig Jahren vorstellen können, welche Karriere einmal das Wort »bunt« machen würde: Wer in der meistbenutzte Suchmaschine nach »bunt« sucht, stößt nicht etwa auf die Beschreibung von Kindergeburtstagsfeiern, sondern überwiegend auf Webseiten, die einen politischen Anspruch erheben, dabei aber reichlich stereotyp (in jedem Fall aber alles andere als bunt) daherkommen: unter anderem »München ist bunt«, »Weiden ist bunt«, »Bad Nenndorf ist bunt«, »Gräfenberg ist bunt«, »Vorpommern ist bunt« -und damit sich auch ja niemand falsche Vorstellungen macht, was unter der erwünschten »Buntheit« zu verstehen ist, folgen Vokabeln, von denen viele in diesem Wörterbuch vertreten sind: »Weltoffen, demokratisch, bunt«, »Gesicht zeigen«, »Bündnis gegen Rechtsextremismus«, »Gräfenberger Menschenrechts- und Demokratieerklärung« (ein bißchen Größenwahn darf auch dabei sein).

Den Initiatoren scheint nicht aufzufallen oder es scheint sie nicht zu interessieren, dass ein Land, in dem der Wille zur »Buntheit« den zum Überleben verdrängt, nicht überleben wird; dass eine »Buntheit«, die in München dieselbe ist oder sein soll wie in New York, Peking oder Istanbul, nicht weniger als die Utopie einer völligen Uniformierung des Planeten enthält und zu einer Welt führt, in der man ohne Navigationsgerät nicht einmal weiß, in welchem Land man sich befindet, in der also die reale Vielfalt (im Gegensatz zur ideologisch karikierten »Vielfalt«) einer uniformierten »Buntheit« weichen muss; dass derjenige, der sich infantilen Vokabulars bedient und dies in Zusammenhängen, in denen es um die Zukunft eines ganzen Landes geht, von erwachsenen Menschen nicht ernstgenommen werden kann; und dass diejenigen, die so reden, den Bewohnern eines Hauses gleichen, die über den Fassadenanstrich diskutieren, während die Fundamente bröckeln.

Ein Staat, in dem bis hin zum Bundespräsidenten alle vermeintlich seriösen Meinungsmultiplikatoren in stereotyper Weise eine solch kindische Kitschsprache sprechen, ist zum Tode verurteilt.
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► dumpf

Wenn etwas in politischen Zusammenhängen als »dumpf« bezeichnet wird, dann sind es zumeist »Parolen«. »Dumpf« sind sie dann, wenn der Autor nicht bereit oder nicht in der Lage ist, sich argumentativ mit ihnen auseinanderzusetzen. Da er dies schlecht zugeben kann, nennt er sie »dumpf« und verläßt sich darauf, dass dann schon keiner nachfragen wird, worin die »Dumpfheit« eigentlich besteht (aus Angst, sonst selbst der Dumpfheit verdächtigt zu werden). Ein Schuft, wer solche Rhetorik irgendwie dumpf findet!
Siehe auch -*»krude«.

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► Integration

Integration setzt bereits begriffslogisch die Existenz eines integren Ganzen voraus, in das hinein derjenige, der integriert werden oder sich integrieren soll, integriert werden kann.

Wer daher beispielsweise von der Integration von Ausländern in Deutschland spricht, muss angeben können, wer die integrierende Einheit ist. Diese kann nur das deutsche Volk sein – wer denn sonst?

Dies setzt aber voraus, daß das deutsche Volk überhaupt existiert und eine Solidargemeinschaft ist. Wer ihm diesen Charakter abspricht bzw. ihn zu beseitigen versucht, d.h. wer die integrierende Einheit abschaffen will, kann das Wort »Integration« nur als Lüge benutzen. Was ihm vorschwebt, ist dann in Wahrheit ein Nebeneinander von Teilen, die kein Ganzes bilden: also genau das Gegenteil von Integration. Er spekuliert lediglich darauf, dass die Öffentlichkeit – von der er genau weiß, dass sie unter »Integration« etwas anderes versteht – dies nicht bemerkt.

»Integration« heißt, dass jemand Deutscher wird, und da ein Volk definitionsgemäß eine Solidargemeinschaft ist, bedeutet es, dass er die Solidarität dieses Volkes nicht nur zu eigenen Gunsten einfordert, sondern seinerseits übt, daß er dieses Volk also als sein eigenes empfindet und sein Handeln – auch sein politisches Handeln -daran ausrichtet. Dass es zahlreiche Stammdeutsche gibt, die dieses Postulat mißachten, ändert nichts an seiner Gültigkeit, und die »Integration« von Vorzeigemigranten in eine politische Linke, die sich die Zerstörung des eigenen Volkes auf die Fahnen geschrieben hat, bedeutet demonstrativ Nichtintegration in dieses Volk.

Ob jemand Deutscher ist oder nicht, ist keine Frage der Staatsangehörigkeit: Der Staat schafft nicht das Volk, er findet es bei seiner Entstehung vor und setzt seine Existenz als soziologische, nicht rechtliche Gegebenheit voraus. Nicht zufällig erwähnt auch das Grundgesetz das deutsche Volk in der Präambel, und es enthält nirgendwo den Satz: »Hiermit wird das deutsche Volk gegründet.«

Ein Staat, in dem die Regierung Bertolt Brechts ironisch gemeinten Ratschlag befolgt, das Volk aufzulösen und sich ein neues zu wählen, indem sie den deutschen Pass buchstäblich jedem Dahergelaufenen in die Tasche steckt und nach eigenem Gutdünken die Zusammensetzung des Souveräns manipuliert, überschreitet damit bei weitem seine Befugnisse. Er selbst tritt damit – ungeachtet dieser Kompetenzüberschreitung – in eine Rechtsbeziehung zur jeweils eingebürgerten Person. Eine solche gleichsam vertikale Rechtsbeziehung zwischen dem Staat und einem Bürger hat aber mit der horizontalen Beziehung der Bürger zueinander, hat mit der Zugehörigkeit zu einer Solidargemeinschaft überhaupt nichts zu tun. Wer etwas anderes behauptet, verwechselt Soziologie mit Juristerei. Der Rechtsakt der Einbürgerung kann einen Integrationsprozeß abschließen, aber nicht ersetzen.

Integration ist etwas, das der natürlichen Trägheit des Menschen widerstrebt. Es bedeutet, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, die bestimmte Erwartungen hegt – sonst ist sie nämlich keine – und diese Erwartungen zu erfüllen. Man muß sich ändern, und das tut niemand gerne. Integration ist einfach anstrengend, und wer gesagt bekommt, dass er sich nicht zu ändern braucht, dass er also getrost seine kulturellen Werte und seine ethnischen Loyalitäten behalten kann, die die Integration gerade behindern, der behält sie auch und integriert sich nicht.

Wer Integration für ein wünschenswertes Ziel hält, kann diesem Ziel keinen schlimmeren Bärendienst leisten als dadurch, dass er »Einwanderern signalisiert, sie könnten ruhig doppelte, multiple oder hybride Identitäten hegen, was im Klartext bedeutet, daß sie mit dem deutschen Volk nicht solidarisch zu sein brauchen (es aber theoretisch auch mit keinem anderen sein sollen), da wir Deutschen selbst es ja auch nicht seien und als Glied einer fiktiven Solidargemeinschaft namens .Menschheit’ jede Bevorzugung des Eigenen gegenüber dem Fremden schon aus Prinzip ablehnten. Ein Volk, das tatsächlich so denken würde, wie unsere Eliten uns suggerieren möchten, könnte im Normalbetrieb noch eine Weile nominell fortexistieren. Seine faktische Nichtexistenz als Volk, und das heißt definitionsgemäß als Solidargemeinschaft, würde sich spätestens im Ernstfall offenbaren, also dann, wenn sein Überleben von der Loyalität und Opferbereitschaft seiner Mitglieder abhängt. Es steht zu befürchten, daß die ideologisch postulierten und legitimierten .doppelten’, .multiplen’ und .hybriden’ Identitäten mancher Einwanderer sich in einem solchen Fall als Bemäntelung von jeweils höchst eindeutigen ethnischen Loyalitäten entpuppen würden. Von Loyalitäten, die alles andere als hybrid sind und jedenfalls nicht dem deutschen Volk gelten.«

Es ist auch ganz unerfindlich, warum sich jemand mit einem Volk identifizieren soll, das er auf dem absteigenden Ast sieht: »Warum, um nur dieses eine Beispiel zu nennen, sollten Türken in Deutschland es attraktiv finden, so zu werden wie wir? Warum sollten sie es attraktiv finden, ihre Gemeinschaft mitsamt den damit verbundenen Solidaritätspflichten und -forderungen zu verlassen, um sich einer anderen Gemeinschaft anzuschließen (denn eine solche sind wir in ihren Augen, egal ob wir eine sein wollen oder nicht), die offenkundig auf dem absteigenden Ast sitzt? Die Scheidungs- und Geburtenraten, die masochistische Selbstbeschimpfung und Selbstschädigung der Deutschen, die genau wissen, daß Deutschland sich abschafft (denen das aber egal ist), ihr schwächliches Nachgeben gegenüber Forderungen und Drohungen sprechen doch eine klare Sprache. Wer sich einer solchen Gemeinschaft anschließt, schifft sich sehenden Auges auf der Titanic ein.«

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► Karneval der Kulturen

Auf den ersten Blick ein Oxymoron: »Kultur« im traditionellen Sinne bezeichnet etwas Ernstes und Tiefes, »Karneval« das Gegenteil davon. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, daß die Veranstalter des Berliner »Karnevals der Kulturen« sich dieses Oxymorons, das heißt des Zusammenspannens einander widersprechender Begriffe, bewußt wären. Man darf annehmen, daß sie davor zurückschrecken würden, einen »Karneval der Religionen« oder einen »Karneval der Philosophien« zu veranstalten, und daß sie den Ausdruck »Karneval der Kulturen« nicht um des rhetorischen Effekts willen gewählt haben, sondern weil sie überhaupt keinen Kulturbegriff haben.

Kultur ist unter anderem ein komplexes Ensemble von Normen und Wertvorstellungen, die eine Gesellschaft erst funktionsfähig machen, und die bei verschiedenen Völkern unterschiedlich sind. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort »Andere Länder, andere Sitten«. Eine multikulturelle Gesellschaft wäre eine, in der gilt: »Gleiches Land, verschiedene Sitten«. Die Vorstellung, daß

eine solche Gesellschaft harmonisch sein könne oder gar müsse, kann nur hegen, wer davon ausgeht, die Kulturen, deren -»»Vielfalt« auch noch ideologisch gefeiert wird, seien in Wirklichkeit in jeder relevanten Hinsicht ein und dieselbe Kultur und die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede folglich rein äußerlicher, folklo-ristischer Natur. Dieser Neigung, Kultur mit Folklore zu verwechseln und sie als etwas mißzuverstehen, was dem Menschen so äußerlich sei wie seine Kleidung (die er ja auch wechseln kann, ohne deshalb ein anderer zu werden), entspricht denn auch das infantile Adjektiv -»»bunt«, das zur Beschreibung der multikulturellen Gesellschaft verwendet wird und in etwa besagt, daß alle Menschen sich so gleichen wie Smarties, die sich nur durch die Farbe (und nicht einmal den Geschmack) des Zuckergusses unterscheiden.
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► krude

Manche Worte werden derart stereotyp zur Vortäuschung von Intellektualität gebraucht, daß selbst Autoren der politischen Linken sich über ihre Häufigkeit lustig machen. So schreibt der taz-Kolumnist Deniz Yücel in einer Satire unter dem Titel »Krude, kruder, am krudesten – Wie schreibe ich einen Profimeinungskommentar, der sich nicht anhört wie jeder andere? Zwölf goldene Regeln«:

»9. Stammtischparole: Werfen Sie Ihrem Gegner vor, daß er Stammtischparolen verbreitet. Oder populistisch argumentiert. Oder Klischees bedient. Oder eine Regel mißachtet. Vergessen Sie nicht das passende Adjektiv: Stammtischparole (dumpfe), Populismus (reiner), Klischee (billiges), Regel (goldene).

10. Krudismus: Geben Sie Ihrem Gegner den Rest, bezeichnen Sie seine Ansichten als krude. Der Höchstbietende gewinnt: krude, kruder, am krudesten.«48

Siehe auch -►»dumpf«, -»»Stammtisch«, »Populismus«,

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► MULTIKULTURELL

Eine Kultur besteht vor allem aus den tausend und abertausend ungeschriebenen Regeln, Sichtweisen und Wertorientierungen, über die Konsens unterstellt werden kann und die deshalb Konflikte verhindern, mit deren Regelung der perfekteste Staat überfordert wäre. Ein liberaler Rechtsstaat ist nur dort möglich, wo die Gesellschaft sich vermittels eines solchen Systems weitgehend selbst reguliert und den Staat dadurch in seiner Ordnungsfunktion entlastet, die er sonst nur mit einem Maximum an Repression und selbst dann nur mit unbefriedigenden Ergebnissen erfüllen könnte.

Bestehen in einer Gesellschaft mehrere Kulturen, d.h. mehrere solcher Regelsysteme nebeneinander, existiert ein solcher Konsens nicht und tauchen deshalb bereits im Alltag millionenfach Konflikte auf, die es ohne »Multikulturalismus« nicht gäbe, die die Tendenz zur gewalttätigen Eskalation in sich tragen, und die allen – Einheimischen wie Migranten – das Leben sauer machen.

Dabei ist dieses Chaos auf der Mikroebene, obwohl es vielen Menschen das Leben schier unerträglich macht, noch das geringste Problem. Gravierender, insbesondere von einem emanzipatorischen Standpunkt, ist, daß auch Demokratie auf »multikultureller« Basis nicht möglich ist. Denn der Begriff »multikulturelle Gesellschaft« ist in Wahrheit ein Euphemismus. Eine »multikulturelle« ist notwendigerweise zugleich eine multiethnische Gesellschaft, ein Vielvölkerstaat, eine Gesellschaft in ethnischer Gemengelage.

Wer Multikulturalismus will, will eine ethnische Gemengelage, wie sie in Südafrika, im Libanon, im Kongo

und im ehemaligen Jugoslawien herrschen, und das heißt, er führt die dazugehörigen politischen Zustände herbei: Diktatur oder Bürgerkrieg oder beides.

Die immer drakonischeren Meinungsparagraphen, der immer hysterischere Kampf gegen »Rechts« – das heißt nicht etwa gegen Extremisten, sondern schlicht gegen die Sachwalter der Interessen des eigenen Volkes -, der mit seiner Gesinnungsjustiz und seinem Denunziantenunwesen allmählich Züge einer mittelalterlichen Hexenjagd annimmt, sind nur die ersten Vorboten eines neuen Totalitarismus, der erforderlich werden wird, um die Illusion eines gesellschaftlichen »Friedens« zu erzwingen, den die Gesellschaft, solange sie nicht »multikulturell« war, dem Staat frei Haus geliefert hat. Wie jeder andere Vielvölkerstaat der Geschichte wird auch die BRD und werden die anderen EU-Staaten ihrer ethnischen Konflikte auf die Dauer nur mit diktatorischer Gewalt und durch Suspendierung der Bürgerrechte Herr werden. Der Unterschied ist, daß die Staaten Europas diesen Zustand absichtlich herbeigeführt haben, den andere Vielvölkerstaaten als historisch tradiertes Problem nur vorgefunden haben, und daß die Linke die politische Speerspitze dieses Zerstörungswerks ist.
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► RECHTS

In der Sprache der BRD wird das Wort »rechts« ausschließlich in einem diffamierenden Sinne verwendet. Vermutlich ist den meisten Menschen, sogar den Älteren, kaum mehr bewußt, daß mit »links« und »rechts« einmal die Spektren von SPD und CDU/CSU bezeichnet wurden, das Wort »rechts« in keiner Weise einen abwertenden Beigeschmack hatte und auch von Mainstreamkonservativen zur Bezeichnung des eigenen politischen Standorts verwendet wurde.

»Rechts« ist schließlich nicht nur im Deutschen, sondern auch in vielen anderen Sprachen konnotiert mit »richtig«, »Recht« und »Gerechtigkeit«. »Links« dagegen wird verbunden mit »linkisch« und »link« im Sinne von unredlich. »Seltsam, wie man sich >links< nennen kann, da links von alters her als Synonym für das Fehlgehende gilt«,56 schrieb Botho Strauß. Wenn im heutigen BRD-Sprech »links« mit »gut« und »rechts« geradezu mit »böse« assoziiert wird, so ist dies ein eindrucksvoller Beweis für die Macht von Propaganda, auch und gerade primitiver Propaganda.

Daß diese Propaganda funktionieren konnte, hat nicht zuletzt mit der erbärmlichen Feigheit der bourgeoisen Karrieristen des Mainstreamkonservatismus zu tun, die um keinen Preis als »rechts« gelten wollten, dann mit dem Begriff auch die Sache aufgaben, für die er steht, und die heute in der Tat schon deshalb nicht »rechts« sind, weil sie hierzu überhaupt Überzeugungen haben müßten. Was ist eigentlich ein rechter Standpunkt?

Rechts sein heißt (und hieß schon immer), von der Frage auszugehen, wie die Welt ist, nicht, wie sie sein soll. Rechts sein heißt, sein Weltwissen aus der Geschichte zu beziehen, nicht aus einer imaginierten Zukunft, es heißt, die Welt nicht vom Standpunkt einer utopischen Verheißung zu beurteilen, sondern vom Standpunkt der ihr drohenden Gefahren. Rechts sein heißt, bei der Beurteilung der Wirklichkeit den eigenen Augen zu trauen, und es heißt, das, was funktioniert, dem vorzuziehen, was nicht einmal beansprucht zu funktionieren. Links sein heißt von alldem das Gegenteil.

Da das Volk in diesem Sinne von Natur aus rechts ist, ist die Linke darauf angewiesen, es zum Schweigen zu bringen.

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► Rechts, Kampf gegen

Da -»»rechts« und »links« aufeinander bezogene Komplementärbegriffe sind, ist jeder Standpunkt, der nicht

links ist, automatisch entweder rechts oder kein Standpunkt.

»Kampf gegen Rechts« heißt im Klartext: Kampf gegen alles, was nicht links ist. Es widerspricht diesem Befund nicht, daß es Menschen gibt, die sich als nicht links verstehen und trotzdem den »Kampf gegen Rechts« unterstützen. Sie betreiben Appeasement im verächtlichen Sinne des Wortes, das heißt: Sie füttern das Krokodil in der Hoffnung, als Letzter gefressen zu werden.

Da zu einem rechten Standpunkt die Hochschätzung intakter Strukturen gehört, ist der »Kampf gegen Rechts« zugleich der Kampf gegen diese Strukturen, also unter anderem gegen Völker, Nationalstaaten, Familien, Recht und Religion. Die Begriffe »rassistisch«, »nationalistisch«, »faschistisch«, »sexistisch«, »homophob«, »fundamentalistisch«, »rechtspopulistisch« und »reaktionär« werden in einem polemisch diffamierenden Sinne ausschließlich gegen Verteidiger dieser Strukturen, und zwar wegen dieser Verteidigung, vorgebracht. Der Kampf gegen Rechts ist die politische Flankierung eines nihilistischen Zerstörungsprojekts, das sich gegen Gesellschaft und Zivilisation schlechthin richtet.

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► Toleranz

»Toleranz« kommt vom lateinischen »tolerare« und heißt so viel wie »dulden«, »ertragen«. Sobald zur Toleranz aufgerufen wird, wissen wir also, daß das, was da toleriert werden soll, etwas Unangenehmes ist, das man sich nicht selbst ausgesucht hat und auch nicht ausgesucht hätte.

Eine Tugend ist Toleranz nur insofern, als in westlichen Gesellschaften Pluralität, etwa im Bereich politischer Meinungen, wissenschaftlicher Hypothesen oder miteinander konkurrierender Unternehmen nicht nur in Kauf genommen wird, sondern ausdrücklich erwünscht ist, weil sie zugleich eine Konkurrenz um Problemlösungsstrategien ist und dazu beiträgt, Entwicklungsdynamiken zu entfesseln. Die Kehrseite dieser notwendigen Pluralität ist, daß zu ihrer Erhaltung Toleranz erforderlich ist, die deswegen – aber eben nur deswegen und insofern – als Tugend gilt.

Dies bedeutet nicht, daß jegliche Pluralität des Verhaltens in allen nur erdenklichen gesellschaftlichen Bereichen automatisch wünschenswerte Folgen hätte, und es bedeutet erst recht nicht, daß es eine Tugend wäre, die Toleranz anderer Menschen mutwillig in Anspruch zu nehmen. Niemand wird behaupten, daß es eine Tugend sei, in öffentlichen Fahrstühlen zu urinieren, anderer Leute Autos zu beschädigen oder ihre Häuser mit Graffiti zu beschmieren, andere zu beleidigen oder zu bedrohen, Abfall achtlos auf die Straße zu werfen, sich ungefragt in anderer Leute Wohnzimmern breitzumachen oder sich an ihren Bankkonten zu bedienen. Wir würden es als Unverfrorenheit empfinden, wenn der Betreffende uns Vorhalten würde, wir hätten dies gefälligst zu dulden, da Toleranz doch eine Tugend sei.

Im öffentlichen Sprachgebrauch wird das Wort »Toleranz« aber just in diesem Sinne verwendet: Da haben wir zu dulden, daß Fremde, die niemand eingeladen hat, sich ungebeten zwar (noch) nicht in unseren Wohnzimmern, wohl aber in unserem Land breitmachen (was insofern dasselbe ist, als das eigene Land für ein Volk genau das ist, was für eine Familie die eigene Wohnung ist); wir haben zu dulden, daß ihr Verhalten sich nach den Maßstäben ihrer Herkunftsländer richtet, und wären es die Wertmaßstäbe einer gewalttätigen Machokultur; wir haben zu dulden, daß religiöse und kulturelle Vorstellungen, auf deren Boden noch nie eine freiheitliche Demokratie gewachsen ist, weil diese Vorstellungen mit einer solchen unvereinbar sind, den Anspruch auf Gleichberechtigung erheben; wir haben diesen Werten diese Gleichberechtigung zuzugestehen; wir haben eine Masseneinwanderung zu dulden, die erkennbar keine -►Bereicherung darstellt, es sei denn eine der Einwanderer, sondern der erwähnten Selbstbedienung an unseren Konten entspricht; und folglich haben wir auch die Existenz einer ganzen Industrie von – diesmal einheimischen – Mitessern zu dulden, die ausschließlich davon leben, diese Zustände herbeizuführen, zu verwalten, zu beschönigen, zu verteidigen und zu rechtfertigen und deren Kritiker der -»Intoleranz zu bezichtigen und überhaupt auf jede nur erdenkliche Weise zu verleumden, zu drangsalieren, zu kriminalisieren und mundtot zu machen. Selbstredend nur im Namen einer »Toleranz«, bei der unglücklicherweise und sozusagen als Kollateralschaden die einzige Form von Toleranz auf der Strecke bleibt, die zu praktizieren überhaupt eine Tugend ist, nämlich die Toleranz gegenüber der Meinung des Andersdenkenden.

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► Vielfalt

Mit dem Wort »Vielfalt« – das mit ähnlich naiver Selbstverständlichkeit positiv verwendet wird wie das Wort -♦»bunt« – ist in aller Regel die ethnische Vielfalt gemeint, das heißt die Umwandlung aller westlichen Länder in multiethnische Gesellschaften. Es geht also nicht darum, in einer weitgehend homogenen Kultur ein paar andersfarbige Akzente zu setzen und sie dadurch interessanter zu machen; es geht nicht darum, Restaurants mit exotischer Küche vor Ort zu haben, sondern ethnische Gemengelagen herbeizuführen, wie sie etwa für den Libanon, den Kongo oder das ehemalige Jugoslawien typisch sind oder waren.

Unter dem Stichwort »Vielfalt« wird die tatsächliche und schon immer vorhandene Vielfalt von Völkern und Kulturen bekämpft. Was entstehen soll, sind ethnische Gemengelagen, die im gesamten Westen (denn die übrige Welt hält wenig von dieser »Vielfalt«) ungefähr gleich sein sollen, gemäß aller historischen Erfahrung nur zu ethnischen Spannungen bis hin zum Bürgerkrieg führen können und nach einem Konfliktmanagement schreien, das anders als durch eine Diktatur kaum zu bewerkstelligen ist.

Und so ist es nur folgerichtig, daß die erste Form von Vielfalt, die den selbstproduzierten Sachzwängen einer multiethnischen Gesellschaft zum Opfer fällt, die Vielfalt der Meinungen ist. Was von früherer Liberalität geblieben ist, ist ein enger Meinungskorridor, gesäumt von einfältigen, stereotypen Phrasen und bewacht von einer ganzen Armee offizieller und inoffizieller Meinungszensoren, die mit leidenschaftlichem Denunziantenehrgeiz darüber wachen, daß Vielfalt und -»Toleranz hinreichend gepriesen werden.
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► Vorurteil

Unter einem Vorurteil versteht man traditionell den voreiligen Rückschluß von einer generalisierenden Aussage auf den Einzelfall.

In der Sprache der BRD dagegen ist die generalisierende Aussage bereits als solche ein Vorurteil. Unter der Herrschaft der BRD-Ideologie formuliert ein »Vorurteil« nicht erst der, der zum Beispiel behauptet, alle Moslems seien radikale Islamisten (was in der Tat ein Vorurteil im traditionellen Sinne des Wortes wäre), sondern bereits der, der zutreffend darauf hinweist, daß es in sämtlichen islamischen Gesellschaften und eben auch in allen moslemischen Einwandergruppen im Westen radikale Islamisten gibt, und daß dies nicht zufällig der Fall ist, sondern etwas mit den Eigenheiten der islamischen Religion und der Soziologie moslemischer Gesellschaften zu tun hat.

Diesen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen müßte freilich in der Tat dazu führen, die Masseneinwanderung von Moslems nach Europa zu stoppen, und zwar unabhängig von einem individuellen Verdacht, einfach aufgrund einer zutreffenden statistischen Aussage, deren Mißachtung die innere Sicherheit des eigenen Landes gefährdet. Man kann und darf diese Konsequenzen, die man ziehen muß, auch tatsächlich ziehen. Entgegen einer weitverbreiteten Fehlannahme gibt es nämlich kein -»Menschenrecht auf Migration in anderer Völker Länder. Es hat ein solches auch nie gegeben, weil seine Verwirklichung zur Zerstörung jener staatlichen Ordnungen führen müßte, die die Menschenrechte überhaupt erst gewährleisten können. Wo es keinen Rechtsanspruch gibt, ist es auch keine -»Diskriminierung, Einwanderung zu unterbinden oder einzuschränken, ganz egal, ob dies aufgrund allgemeiner Richtlinien oder aufgrund von Einzelentscheidungen geschieht, übrigens auch dann nicht, wenn es sich bei den Überlegungen, die solchen Restriktionen zugrundeliegen, tatsächlich um »Vorurteile« im pejorativen Sinne des Wortes handeln würde. Zur Souveränität gehört auch das Recht auf Irrtum.

Auf der Alltagsebene sind Vorurteile so etwas wie die Statistik des kleinen Mannes: Sie halten sich höchstens so lange, wie die Erfahrung ihnen nicht widerspricht. Sofern sie falsch sind, halten sie sich am ehesten, wenn es keine Gelegenheit gibt, sie zu überprüfen. Halten sie sich aber hartnäckig in sozialen Kontexten, in denen man ständig Kontakt mit Angehörigen der betroffenen Gruppen hat, die Überprüfung also möglich ist, so muß man davon ausgehen, daß sie eine zumindest grob zutreffende Generalisierung darstellen, und der Sozialwissenschaftler, der selbst dann noch von »Vorurteilen« (im Sinne von Hirngespinsten und Zwangsvorstellungen) spricht, dürfte der Einzige sein, der solche tatsächlich hat.

► Wandel, demographischer

Die Geburtenraten der Völker Europas liegen seit langem unter dem zur Bestandserhaltung nötigen Wert, und da die Politik die keineswegs -* alternativlose Entscheidung getroffen hat, diese Tendenz nicht durch ge-

eignete familien- oder sozialpolitische Maßnahmen umzukehren, sondern sie als Passepartout-Argument für eine Politik der offenen Grenzen zu benutzen, werden sie auch die Kontrolle über ihre eigenen Länder verlieren. Sie werden, sofern nicht doch noch eine Umkehr stattfindet, zahlenmäßig weiterhin abnehmen, in den eigenen Ländern in die Minderheit gedrängt werden und schließlich verschwinden.

Wer es fertigbringt, einen solchen Vorgang als »demographischen Wandel« zu bagatellisieren, dürfte auch zynisch genug sein, den Tod eines Menschen »Gesundheitswandel« zu nennen.

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► Willkommenskultur

Es ist nicht ganz korrekt zu behaupten, daß unsere Politiker vor allem lügen würden. Richtiger wäre es, von Täuschung zu sprechen: Sie benutzen Wörter, die einen bestimmten Inhalt haben, spekulieren aber darauf, daß dieser Inhalt nicht oder falsch verstanden wird. Wer den ideologischen Nebel lichtet, der den tatsächlichen Inhalt ihrer Phrasen freundlich verhüllt, muß ihnen sogar zugestehen, daß sie bisweilen erstaunlich ehrlich sind, wenn auch nur auf ihre eigene verquere Weise.

Nehmen wir das Wort von der Willkommenskultur, die Einwanderer in unserem Land vorfinden sollen und für deren Vorhandensein selbstredend die Deutschen verantwortlich sind. Das klingt menschenfreundlich (»Willkommen«) und kultiviert (»Kultur«) und suggeriert, daß ein Volk, das eine solche Kultur entwickelt, einer besonders hohen Moral anhängt. Was aber sagt uns dieses Wort, wenn wir diese emotionalen Konnotationen beiseite lassen?

  1. Es sollen möglichst viele Menschen einwandern, sonst bedürfte es schwerlich einer ganzen »Kultur«, sie »willkommen« zu heißen; dieser Aufwand wäre dann überflüssig.
  2. Diese Menschen brauchen nicht zu beweisen, daß sie für das deutsche Volk nützlich sind, vielmehr hat dieses Volk zu beweisen, daß es für die Einwanderer nützlich ist.
  3. Diese brauchen sich demgemäß nicht zu assimilieren.
  4. Sondern wir müssen uns an sie anpassen.

»Willkommenskultur« heißt also auf Deutsch, daßss die Deutschen sich damit abfinden sollen, im eigenen Land zur Minderheit zu werden (1.), diesen Prozeß der ethnischen Verdrängung selbst zu bezahlen (2.), sich ihre Lebenswelt umkrempeln zu lassen (3.) und anders zu leben, als sie es von sich aus tun würden und sich selbst ausgesucht hätten (4.).

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► Zivilcourage

Unter »Zivilcourage« versteht man traditionell die Bereitschaft, für eine gerechte Sache auch dann einzustehen, wenn man damit bei der Obrigkeit aneckt und in der Gesellschaft wenig Verständnis und noch weniger Verbündete findet.

In der real existierenden BRD mit ihrer Orwell-Sprache versteht man darunter das Gegenteil, nämlich öffentliche Bekenntnisse »gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit« und so weiter abzulegen, also genau die Bekenntnisse, die von der Obrigkeit gefordert, belobigt und belohnt werden, und mit denen man bis in die vorgestanzten Formulierungen hinein die eigene Konformität unter anderem mit sämtlichen Bundes- und Landesregierungen, allen etablierten Parteien, den Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitgeberverbänden und überhaupt mit allen gesellschaftlichen Großorganisationen bis hin zu Sportverbänden, sämtlichen etablierten Medien, den multinationalen Konzernen, der EU, der NATO und der UNO bekundet und sich wohldotierte Preise für »Zivilcourage« nebst finanzieller Förderung für Projekte abholen kann, deren Zweck darin besteht, Andersdenkende, die keine mächtigen Förderer und reichen Sponsoren haben, zum Schweigen zu bringen.

Hat man damit Erfolg, hat man es also geschafft, daß mächtige Großbanken konservativen christlichen Organisationen die Konten kündigen, ein NPD-Mann nicht Schornsteinfeger wird, ein kleiner Verlag, der ohnehin nur durch die Selbstausbeutung von Idealisten existieren konnte, endgültig ruiniert wird oder eine genehmigte und völlig legale Demonstration von 100 Leuten durch den -»Aufmarsch (hier paßt der Ausdruck) von 10000 teils gewaltbereiten Gegendemonstranten nicht stattfinden kann, dann hat man beste Aussichten, vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet zu werden. Für Zivilcourage.

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► Zuwanderung

Wer von »Zuwanderung« statt von »Einwanderung« spricht, kann ebensogut von »Admigration« statt von »Immigration« sprechen. Bei einem ungewohnten Fremdwort würden die Adressaten allerdings womöglich nachschlagen, was es bedeutet, während umgekehrt ein Fremdwort, das vertraut ist, keine spontanen Assoziationen auslöst. Da ist es hilfreich, es bei der vertrauten Wendung zu verlassen, sofern man vermeiden möchte, dass das Publikum nachdenkt.

Anders bei deutschen Wörtern: Neologismen werden hier nach unbewußten Regeln verarbeitet und daher unter Umständen als solche gar nicht erkannt, lösen aber gleichwohl Assoziationsketten aus. Es ist ein Unterschied, ob jemand »herein-« oder »hinzukommt«, und daß der »Einwanderer« rein sprachlich mit dem »Eindringling« und dem »Einbrecher« verwandt ist – die ebenfalls »hereinkommen«, und zwar ungebetenerweise liegt insofern in der Natur der Sache.

Um solche Assoziationen – und wären sie noch so angemessen – gar nicht erst aufkommen zu lassen, hat man den Neologismus »Zuwanderung« erfunden, der an den »Zusatz«, das »Zubrot« und die »Zulage« denken läßt, in jedem Fall aber die Assoziation erweckt, man bekäme hier etwas hinzu: inhaltlich also dieselbe Aussage wie die Phrase von der -* »Bereicherung«, aber subtiler verborgen und daher weniger plump.




Bürokratischer Wahnsinn, frei ab 18

Vorhin hat meine Frau eine DVD über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer für mich in Empfang genommen, bei der der Fahrer des Paketdienstes süffisant grinsend das Alter des Empfängers dahingehend prüfen musste, dass dieser über 18 ist. Meine Frau meinte “was hast Du denn da bestellt ?” Der Titel dieser nach dem Gesetz nicht jugendfreien DVD lautet
 Holzer’sche Permakultur: Wüste oder Paradies? Über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer in aller Welt.. Amazon.de macht darauf aufmerksam, dass die DVD per   “Spezialversand für Artikel ohne Jugendfreigabe.” erfolgt.

Die Beschreibung der DVD bei Amazon:

Über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer in aller Welt. Sepp Holzer, “Agrar-Rebell” und ökologischer Visionär aus den österreichischen Alpen, lernte schon als Kind von der Natur. Als er mit 19 Jahren den elterlichen Krameterhof übernahm, machte er aus dem kargen Bergbauernhof ein ertragreiches Naturparadies mit vielfältigen Wildniskulturen. Seit Jahren berät er Landbesitzer, Bauern, Professoren und Siedlungsprojekte in Russland, USA, Südeuropa und anderen Regionen bei der Renaturierung von Grundstücken mit “Holzer´scher Permakultur” und beim Aufbau essbarer Landschaften. Der Film zeigt vor allem die Arbeit mit Wasser und den Aufbau von Wasserlandschaften, Seen und Teichen. “Wenn der Wasserhaushalt in Ordnung gebracht ist, ist 70 % der Arbeit getan, denn die Erdoberfläche und auch der Mensch besteht zu 70% aus Wasser”, sagt Sepp Holzer.

Warum muss man beim Empfang dieser DVD nachweisen, dass man über 18 Jahre alt ist? Vermutlich weil Sepp Holzer die DVD selbst vertreibt und sich die Kosten für das Verfahren der Jugendfreigabe gespart hat.

Obwohl, nachdem ich mir die DVD angesehen habe, kann ich mir – spöttisch-ironisch betrachtet –  schon vorstellen, dass manch einer  diese DVD als “nicht hilfreich” einstufen könnte, etwa weil Kinder, Jugendliche und noch nicht perfekt angepasste Erwachsene “dumme” Fragen stellen könnten, wenn sie die DVD sehen.

Die DVD zeigt jedenfalls etliche Unerhörtheiten. Holzer läßt teilweise mit schweren Baumaschinen die Landschaft gezielt umgestalten.  Was er macht, oder machen lässt, ist  oft zunächst kreative Zerstörung des Bestehenden. Er lässt unter anderem gezielt Tümpel, Teiche, kleine Seen und Terrassen anlegen wo vorher keine waren. Er lässt tatsächlich, selbst in Afrika und Russland,  blühende und fruchtbare Landschaften und Artenvielfalt  entstehen, wo vorher keine waren.  Weil er dafür ganz selbstverständlich auch schwere Maschinen einsetzt, ist Sepp Holzer  auch einer, der fossile Energieträger nutzt um die Fruchtbarkeit des Bodens zu verbessern.

Wenn ich an die Bauernversammlung meines Landkreises denke, die ich im März 2015 besucht habe, dann dürfte das Prinzip und die Vielfalt der von Sepp Holzer empfohlenen Anpflanzungen der maximale Horror aller mit der Verwaltung und Verteilung landwirtschaftlicher Fördergelder befassten Bürokraten und Kontrolleure sein. Das fängt mit der Vermessung der unegalen, kurvenreichen Strukturen an und endet mit der notorischen Nichteinhaltung der Vorgabe, dass jeweils mindestens 300 qm mit der gleichen Pflanze bepflanzt werden müssen.  Auch kann ich mir vorstellen, dass manche “Naturschützer” in Deutschland  zunächst vor Wut schäumen, wenn jemand sich erdreistet, derart die Landschaft und Lebensräume zu “zerstören” – zumindest, wenn und solange sie Holzers Resultate nicht gesehen haben.

Als ich mich neulich mit einem Kleinbauern aus meiner Gegend über Sepp Holzers Empfehlung Teiche und Tümpel an zu legen unterhalten habe, war die Antwort, das könne man sich in unserer Gegend abschminken.  Neue Teiche und Tümpel würden nicht genehmigt. Einfach illegal welche anlegen ginge wegen der lückenlosen Luftaufklärung auch nicht. Damit die Angaben zum Erhalt von EU-Fördermitteln überprüft werden können, hat der Staat nämlich Karten im Maßstab 1:2500 die mit Luftbildern abgeglichen werden. Auf diesen Karten fällt selbst ein  kleiner Tümpel auf.

Anderseits erfüllt Holzers Art der Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung die grundlegenden Zielvorgaben, der  Naturschutzgesetze und auch der Agrarförderung. Der tiefere Sinn der neuen EU-Agrarförderung kam auf der oben erwähnten Bauernversammlung vor lauter bürokratischem und formalistischem Gestrüpp zwar nicht zur Sprache, aber je mehr ich darüber nachdenke und je mehr ich die Art der Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung von Sepp Holzer verstehe, um so mehr meine ich, dass Holzers  Methode das, was die EU-Beamten und auch die Naturschützer eigentlich wollen – oder zu wollen vorgeben – maximal verwirklicht. Und doch kann man ziemlich sicher sein, dass die mit dem Naturschutz, der Landwirtschaft  und dem Wasserrecht befassten Behörden und Verbände  in der Praxis von den meisten Landwirten, die vielleicht Holzers Methoden umsetzen wollen, als  unüberwindliche Hindernisse wahrgenommen werden. Eigentlich meinen es alle gut und wollen nur das Beste. Aber es funktioniert nicht. Oft wird in der das Gegenteil von dem bewirkt, was  bezweckt wurde.

Wenn Kinder und Jugendliche diese DVD sehen und dann ihre Eltern und Lehrer fragen und wahre  Antworten bekommen, könnten sie  daher zu der Meinung kommen, dass unser Staat und unsere Demokratie versagen und, dass die Politiker und Beamten der EU und auch der Bundesrepublik keinen Respekt verdienen, weil sie in für das Überleben und die Zukunftsfähigkeit des Landes essentiellen Dingen versagen und das Falsche tun. Tatsächlich sagt Holzer gegen Ende seiner DVD, dass vom Staat und von den Politikern vorerst keine Hilfe zu erwarten sei.  In seinem Buch “Der Agrar-Rebell” kann man nachlesen, wie und warum er zu dieser Meinung gekommen ist. Insofern ist es vielleicht schon korrekt, dass diese DVD über Sepp Holzers Permakultur nur an Personen über 18 Jahre verkauft werden darf.  Anderseits kann diese DVD zum Nachdenken anregen und vielleicht zu dem einen oder anderen sinnvollen Projekt führen.

Nachtrag:

Im Internet kursiert auch heftige Kritik an Sepp Holzer. Siehe dazu den Wikipediaeintrag über Sepp Holzer und das Buch Bittere Ernte von Frau Gertrud Barrada sowie deren Internetseite jena-hof.at.  Das Buch habe ich noch nicht gelesen, wohl aber habe ich mir die Internetseite von Frau Barrada gut angesehen. Mein Fazit: Da hat mal wieder eine “erfolgreiche” [Geschäfts]Frau” “Madame” gespielt und ist dabei grandios gescheitert, weil sie keine Ahnung von den technischen Details und der handwerklichen Praxis hatte. Mir fallen dazu auch andere Beispiele aus anderen Bereichen ein. Insofern kann man auch zu dem Schluss kommen, dass die Bücher und DVDs von Sepp Holzer tatsächlich nur etwas für Erwachsene sind. Ich selber lese die Bücher von Sepp Holzer – soweit ich sie nicht schon gelesen habe -, aber ich lese  auch eine ganze Reihe andere Bücher bzw. habe diese gelesen, wie z.B. auch How to Grow More Vegetables von John Jeavons, Building Soils for Better Crops von Fred Magdoff und Harold von Es, Restoration Agriculture von Mark Shepard,  Water for Every Farm – Yeomans Keyline Plan von P.A. Yeomans, 4000 Jahre Landbau in China, Korea und Japan von F.H. King, und  Tree Crops: A Permanent Agriculture (Conservation Classics) von von J. Russell Smith. Dazu sehe ich mir verschiedene reale Projekte, wie auch den Holzerschen Krameterhof an, und dann, mit dem theoretischen Hintergrund und den praktischen Vorbildern im Kopf, denke ich selbst nach, mache selbst gezielte Versuche  und setze dann selbst ein Projekt mit einem konkreten Ziel um (( Bei mir ist das Ziel:  Herausfinden und zeigen, wie man auch in einer früher, und wenn man nichts tut auch in Zukunft wieder, sehr armen, relativ unfruchtbaren Gegend wie der Eifel nach dem Ende des Ölzeitalters und selbst bei einem langfristigen Totalausfall der Stromversorgung und Elektronik, wie er bei einem EMP-Angriff oder einem schweren Sonnensturm zu erwarten ist,  genug Lebensmittel produzieren und eine gute Bodenqualität erreichen und erhalten und dabei nebenher auch auch die Menge des im Boden und in Pflanzen gespeicherten Kohlenstoffes steigern kann. ))  Sepp Holzers Bücher, Erfahrungen und DVDs sind dabei also nur eine Quelle von vielen. Vor einem breiteren Hintergrund ist Sepp Holzers Werks sicherlich ein sehr wertvoller Beitrag.

Wenn ich mir die massiven Erdarbeiten ansehe, die Sepp Holzer auf der DVD im Rahmen seiner Projekte zeigt  und die Geschichte von  Frau Barrada lese, dann frage ich mich allerdings auch nach der Rolle der Ingenieure. Wer mit Baggern an Hängen große Erdarbeiten durchführt oder Dämme für Teiche und Seen baut, sollte schon mit den lokalen geologischen Verhältnissen, Witterungseinflüssen und der Bodenmechanik sehr gut vertraut sein, oder/und einen oder bei potentiell sehr gefährlichen Projekten auch mehrere entsprechend spezialisierte Ingenieure zu Rate ziehen. Auch sollte es im Voraus von solchen Ingenieuren abgesegnete Pläne der durchzuführenden Erdarbeiten geben,  an die sich der Bauunternehmer bzw. die Baumaschinenführer strikt zu halten haben, und deren Einhaltung überwacht wird. Wenn die Pläne warum auch immer nicht eingehalten wurden, müssen entsprechende Untersuchungen und Berechnungen durchführt und ggf. nachgebessert werden.  Wenn man, wie Frau Berada, von Tiefbau keine Ahnung hat, dann muss man eben ein Ingenieurbüro beauftragen, das über die nötige Qualifikation und auch über eine entsprechende Haftpflichtversicherung verfügt, um die geplanten Erdarbeiten prüfen und ggf. optimieren zu lassen.

Ich finde, dass die schlechte Erfahrung dieser Frau Barada mit Herrn Holzer keinesfalls den grundsätzlichen Wert seiner Erfahrung, seiner Bücher und DVDs schmälert, sondern nur einmal mehr zu dem ermahnt was Holzer selber predigt, und was eben nicht nur für Pflanzen und Tierhaltung in der  Landwirtschaft, sondern auch für das Denken und Informieren gilt: Monokultur vermeiden und die Vorteile der Vielfalt nutzen (( Vielfalt,  Diversität und Buntheit sind heute leider auch Begriffe, die oft gedankenlos von Leuten benutzt und missbraucht werden, die selber eine extreme intellektuelle Monokultur pflegen, in der nur noch gedacht und gesagt werden und wahr sein darf, was gerade als und politisch korrekt gilt.  ))

Kelberg, den 29. 4. 2015 Christoph Becker