Die Symbiose von Bauern und Kriegern

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Am 7. März 2017 hat Alice Friedemann in ihrem Blogbeitrag After a collapse will people grow their own food or plunder others? (dt. Werden die Menschen nach einem Kollaps ihre Nahrungsmittel selbst anbauen, oder werden sie andere plündern?)  auf den schon über ein Jahr alten Blogbeitrag The Neopaleolithic: Hunter-Gatherers of the 21st century (dt. Die Neu-Frühsteinzeitlichen Jäger und Sammler des 21. Jahrhunderts) hingewiesen, hinter dem der anonyme niederländische Autor des Webblogs thesenecaeffect.wordpress.com steht.

Ich übersetzte hier die letzten vier Absätze  des Artikels dieses anonymen Niederländers:

Ein Szenarium in dem die Menschen ihre Lebensmittel selbst anbauen erscheint mir sehr viel unwahrscheinlicher als ein Szenarium, in dem umherwandernde Gruppen von Menschen beginnen, die ländlichen Gegenden zu plündern. Dies ist es, was tatsächlich im römischen Reich passiert zu sein scheint, wo herumwandernde Stämme eingedrungen sind und wo lokale Banden römischer Bürger, bekannt als Bagauden, damit begannen, die ländlichen Gegenden zu plündern.

Schließlich, wenn die Lebensmittel, die aus den Häusern und von den Feldern geplündert werden können, zur Neige gehen, werden die Leute gezwungenermaßen ausschließlich von dem abhängen, was in den ländlichen Gegenden wild wächst. Der Klimawandel kann bedeuten, dass sich dies als eine brauchbarere Strategie herausstellt, als man erwarten sollte.

In Europa haben einige Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sich bereits an einen Wanderung-Lebensstil angepasst, der wild wachsende Lebensmittel als Teil der Diät einschließt. Ein Spitzenwert von Pilzvergiftungsfällen wurde in Deutschland registriert, weil Flüchtlinge wilde Pilze gegessen haben.

Es scheint mir, dass wir auch in den kommenden Jahren viel mehr von dieser Art erwarten sollten. Unser Nahrungsmittelproduktionssystem hat sich in einer Weise entwickelt, die eine Rückentwicklung selbst dann schwierig macht, wenn sie notwendig wird. Es sieht eher danach aus, dass die Nahrungsmittelproduktion vollständig aufhört als dass sie weniger komplex wird.

Als ich vor einiger Zeit einem alten Mann aus meinem Dorf, der die Nahrungsmittelknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hatte, von meinen Bedenken bezüglich eines plötzlichen Systemzusammenbruchs erzählt habe, meinte er trocken: “dann wird nur noch zu essen haben, wer eine Pistole hat”.

Ein Landwirt, mit dem ich darüber diskutiert habe, ob man nicht vielleicht doch etwas unternehmen könnte, um die Ernährungsicherheit der Bevölkerung lokal zu verbessern, meinte “das hat doch alles keinen Sinn, Diebstahl und Vandalismus waren und sind schon jetzt ein Problem, wie soll das erst mal sein, wenn es den Leuten wirklich richtig schlecht geht”.
Auch von Winzern an der Mosel weiß ich, dass Diebstahl und Vandalismus schon jetzt,  in fetten Friedenszeiten, ein Problem sind und dass der Staat schon jetzt keinen Schutz dagegen bietet.

Überhaupt werden Eigentumsdelikte und Betrug schon heute oft nicht mehr von Staats wegen verfolgt und es macht oft keinen Sinn mehr, diese überhaupt auch nur anzuzeigen, weil der Staat  sehr offensichtlich schon jetzt einfach unfähig ist und seine Aufgaben in einigen Bereichen nicht mehr erfüllt.

Ich selbst habe mich, wie man verschiedenen Artikeln meines Blogs entnehmen kann, sehr für Landwirtschaft und Gartenbau interessiert, aber ich sehe keinen Sinn mehr darin, irgendetwas von dem was ich herausgefunden habe, praktisch umzusetzen, weil ich nicht sehe, dass und wie Felder, Gärten, Viehbestände und Nahrungsmittelvorräte im Ernstfall gegen Plünderung und Diebstahl gesichert werden könnten. Die Leute müssen wohl leider erst massenhaft verhungern und Opfer von brutalen Plünderungen werden, bevor sie entsprechende Maßnahmen für sinnvoll halten.

John M. Greer hat in seinem Buch Dark Age America, aus dem ich u.a. das erste Kapitel in In der Folge der industriellen Zivilisation übersetzt habe, folgende klassische Lösung beschrieben, auf die die Leute voraussichtlich irgendwann in der Zukunft kommen werden:

Man rechne diese Muster zusammen, folge ihnen über die üblichen ein bis drei Jahrhunderte der Abwärtsspirale und man hat das Standardbild einer Gesellschaft in einem dunklen Zeitalter: eine größtenteils verwüstete ländliche Gegend mit kleinen verstreuten Dörfern, wo selbst versorgende Bauern, die verarmt sind und nicht lesen und schreiben können, darum kämpfen, die Fruchtbarkeit zurück in den ausgelaugten Mutterboden zu bringen. Ihre Regierung besteht aus der persönlichen Machtausübung lokaler Kriegsherren, die im Tausch für den Schutz vor Plünderern ihren Teil der jährlichen Ernte fordern,  und die eine raue Rechtsprechung im Schatten jedes passenden Baumes anwenden.

Das Fazit aus alledem ist für mich, dass Bauern und Gärtner zwingend eine Symbiose mit Kriegern eingehen müssen oder sie müssen – wenn ihnen ihre Freiheit etwas wert ist – wohl oder übel selbst Krieger werden.

Der Staat ist – solange er funktioniert, wie man Jack Donovans Gewalt ist Gold wert entnehmen kann, die Verkörperung des Kriegers und Kriegsherrn. Solange er zumindest im Großen und Ganzen noch funktioniert und die Schäden durch Diebstahl, Plünderung und Vandalismus zumindest aus Sicht der Mehrheit der Bauern und Gärtner noch erträglich sind, funktioniert das System noch.

Doch was ist, wenn das System nicht mehr funktioniert? Außerdem ist es schon jetzt so, dass Investitionen in Landwirtschaft und Gartenbau für Leute, die etwas vorausdenken sinnlos sind, weil bzw. so lange kein überzeugendes Konzept zu einer wirksamen  lokalen Verteidigung von Nahrungsmittelvorräten, Gärten, Feldern und Viehbeständen vorhanden ist.

Ein anderer Aspekt ist, dass die Bauern und Gärtner, wenn sie die Verteidigung ihres Eigentums in Zukunft Kriegern überlassen, ihre Freiheit wieder verlieren werden. Sie und ihre Nachkommen werden wieder zu Leibeigenen und vielleicht sogar Sklaven der Krieger und Kriegsherren werden.

Die Bauern haben ihre Befreiung von der Leibeigenschaft in erster Linie der durch die Entdeckung und Nutzung der fossilen Brennstoffe möglich gewordenen Industrialisierung zu verdanken. Durch die Industrialisierung wurde es nützlich, die Bauern zu befreien, weil sie als freie, mobile und gebildete Bürger flexibler und besser in der Industrie einsetzbar waren. Das heißt, ohne die Industrialisierung hätten wir vermutlich noch immer Leibeigenschaft und auch Sklaverei. Wenn man eine Rückentwicklung zu Leibeigenschaft und Sklaverei ebenso wie einen Rückfall Europas in eine frühsteinzeitliche Gesellschaft der Jäger und Sammler verhindern möchte, wird man auch dafür sorgen müssen, dass die Bauern und Gärtner ebenso wie deren (potentielle) Arbeiter zugleich auch Krieger sind.

Selbstverständlich ist es aber auch so, dass die Krieger Bauern und Gärtner benötigen weil diese drastisch mehr Nahrungsmittel auf einer  gegebenen Fläche produzieren können, als durch eine Gesellschaft von Jägern und Sammlern geerntet werden kann. Bauern und Gärtner brauchen also die Krieger genauso, wie umgekehrt die Krieger Bauern und Gärtner brauchen. Allerdings ist die Gewalt, zu deren Anwendung die Krieger per Definition ja sogar da sind, ein Mittel mit dem die Krieger den Bauern die Preise und Vertragsbedingungen diktieren können, wenn die Bauern zu faul, zu geizig, zu feige oder zu bequem sind, selbst auch Krieger zu sein.

Angenommen, man wäre heute klug genug das einzusehen und wollte entsprechend handeln. Was könnte man tun?

Die Bauern und Gärtner und auch der Rest der Bevölkerung könnten und würden dann zuerst und vor allem auch  Mitglieder im Reservistenband und in diesen angeschlossenen schießsportlichen Arbeitskreisen. Ungediente können übrigens im Reservistenverband  als Fördermitglieder mitmachen.

Darüber hinaus könnten die Leute sich in Schießsportvereinen organisieren und deren Möglichkeiten nutzen.

Insgesamt bietet der deutsche Staat erstaunlich gute Möglichkeiten, die aber kaum genutzt werden.

Kelberg, den 8. April 2017

Christoph Becker

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