Eine Diskussion der phantastischen Vier des Niedergangs

Lesedauer 5 Minuten
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Am 25. März 2017 fand in Lancaster, Pennsylvania, USA, eine Podiumsdiskussion mit dem Titel Our Reality Is No Longer An Option: Why Our Way of Life Is Not Sustainable (dt. Unsere Realität ist nicht länger nur eine Option:  Warum unsere Lebensart nicht nachhaltig ist) statt . Ich habe mir die insgesamt 2 Stunden und 36 Minuten dauernde Diskussion inzwischen zweimal angehört und werde sie sicher noch einmal anhören, …

Hier zu nächst die Übersetzungen der Beschreibung der Diskussion auf Youtube und die Übersetzung einiger Kommentare auf Youtube:

Beschreibung auf Youtube:;

Dieses Spitzentreffen brachte eine bewundernswerte Diskussionsrunde zusammen. Sie bestand aus John Michael Greer, James Howard Kunstler, Chris Martenson, Frank Morris, und Dmitry Orlov. Die Diskussion umfasste Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, unserer Ernährung, Einwanderung, Arbeit, Armut, Minderheiten, Krieg, und viele mehr. …..

Der Kommentar auf Youtube, der mich zur Überschrift inspririerte

Oh ja, Die Fantastischen Vier (nur spaßeshalber) + Frank Morris, Neuzugang, mit einem Auftritt von KMO vom C-Realm podcast, alle zu Ihnen gebracht durch den CFPUB (Center for Progressive Urban Politics, (dt. etwa Zentrale für progressive städtische Politik). Diese sagenhafte Diskussion deckte die ganze Skala der Zwangslagen, die das moderne Amerika plagen, ab: fortschreitender Zerfall der politischen und physikalischen Infrastruktur, die Auswirkung der steigenden Verschuldung der Studenten, Einwanderungsschmerzen, zukünftige Herausforderungen für das wirtschaftliche und soziale System, politischer Kollaps, usw. Jeder Teilnehmer bot einige seiner erprobten und wahren argumentativen Standpunkte an (zum Beispiel, James Howard Kunstlers neuartiges and ziemlich nützliches Instrument der sogenannten “Psychologie der vorhergehenden Investitionen”); antwortete auf die Kritik der jeweils anderen, des Moderators und der Zuhörerschaft; lieferte ergreifende Vorhersagen der zukünftigen Realität, die auf die Einwohner Nordamerikas wartet, und das alles während der Humor beibehalten wurde, der es zu einem so großen Vergnügen macht, dieser Konversation zuzuhören. Wahrscheinlich eines der wichtigsten Videos, die YouTube.com seit der Finanzkrise von 2008 veröffentlicht hat. Es sollte nicht verpasst werden. Sehr zu empfehlen.

Die Diskussion ist insgesamt sehr umfassend und vielfältig, so dass ich es keine gute Idee finde, sie in einem Blogbeitrag nachzuerzählen.

Ich möchte nur einige wenige Aspekte heraus greifen.

Die Diskussion beginnt mit eine Analyse der Gründe für den Wahlsieg von Donald Trump. Greer hatte den Sieg Donald Trumps schon im Januar 2016 für den wahrscheinlichsten Wahlausgang gehalten (siehe dazu auch meinen Blogbeitrag Donald Trump als Klassenkämpfer). Greer erklärt warum, und auch die anderen Diskussionsteilnehmer haben zu diesem Thema interessante Ansichten.  Erstaunlich fand ich dabei insbesondere, wie Orlov erklärt, dass und warum Trump im Grunde eine sehr pessimistische Sicht auf die USA pflegt,  wobei Trump aber jemand sei, der eher zerstören möchte, was nicht funktioniert und eher keine Ideen zum Aufbau von neuen Strukturen und Institution hat, die funktionieren.

Wichtige Aspekte der Diskussion, die ich nach zweimaligem Anhören in besonderer Erinnerung habe:

Klassenkampf

Klassenkampf: Die Klasse der Gehaltsempfänger (und der Reichen und Freiberufler) hat sich auf Kosten der Lohnempfänger bzw. der einfachen Arbeiter schamlos, insbesondere auch mit Hilfe von Zuwanderung und Globalisierung bereichert.

Geld, Kapital und Reichtum

Ein Teil der Diskussion befasst sich mit dem Umstand, dass Geld nichts weiter als ein Symbol und eine Rechnungseinheit ist, mit der man mache Dinge messen und berechnen kann. Geld ist kein Wert an sich. Kapital und Reichtum haben nicht zwingend etwas mit Geld zu tun. Eine Gesellschaft kann extrem viel Geld haben, aber es kann ihr an Reichtum und echtem Kapital fehlen.

Martenson zählte insgesamt 8 verschiedene Formen von Kapital auf, von denen Geld nur die achte ist. Andere sind z.B. Lebendes Kapital (Gesundheit, Artenreichtum usw.), Wissen, Sozialkapital, reale Energie und Rohstoffe.

Die USA haben heute auf dem Papier extrem hohe Geldwerte, aber das reale Kapital und der reale Reichtum sind drastisch geringer und sie schrumpfen. Man war sich darüber einig, dass die amerikanische Wirtschaft faktisch schrumpft und dass sie dies auch weiter tun wird. Die Zeit des Wirtschaftswachstums ist vorbei und es wird wegen der sich verschlechternden Nettoausbeute der Förderung  fossiler Energieträger auch nicht wiederkommen, es sei denn,  man würde – was so gut wie ausgeschlossen ist – eine Methode finden extrem billige, extrem leistungsfähige, umweltfreundliche  Batterien aus Materialien zu bauen, die faktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen. Wenn man das würde, hätte man für einige Zeit Ruhe – bis einen die negativen Folgen dieser Erfindung einholen würden.

Einige Zitate und Informationen, teilweise nur sinngemäß:

  • An unbegrenztes Wachstum glauben nur Verrückte und Wirtschaftswissenschaftler. In der begrenzten, realen Welt in der wir nun einmal leben, ist das Wachstum begrenzt.
  • Ein großes Problem ist, dass es für unser Geldsystem, systembedingt, Wachstum oder Kollaps gibt. Für eine schrumpfende Wirtschaft ist das Geldsystem nicht ausgelegt.
  • Konstruktionen aus Stahlbeton haben systembedingt nur eine Lebensdauer von ca. 100 Jahren. Der Grund ist, dass eindringender Sauerstoff zu Rost führt, der zu einer Volumensvergrößerung führt, die zur Zerstörung des Betons führt. Jedenfalls sollte man bedenken, dass alle Stahlbetonkonstruktionen in diesem Zeitrahmen unbrauchbar werden und ggf. erneuert werden müssen, was entsprechende Mengen an Energie und Material erfordert, die man dann voraussichtlich nicht mehr haben wird.
  • Die meisten großen Erfindungen wurden in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gemacht. Die Ausbeute an bahnbrechenden Erfindungen nimmt seitdem ab. (siehe dazu auch meinen Blogbeitrag Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen).
  • Einwanderungspolitik sollte emotionslos diskutiert werden und sie sollte sich an den realen Interessen und Notwendigkeiten der eigenen, schrumpfenden und zugleich zunehmend automatisierten Wirtschaft orientieren. Man sollte bedenken, dass die USA, nach gut 70 Jahren ungebremster Einwanderung während des Aufbaus der amerikanischen Industrie, die Einwanderung 1923 radikal gedrosselt bis gestoppt haben, weil man allgemein der Ansicht war, dass man in Sachen Einwanderung eine Pause bräuchte. Die Argumente für die Einwanderung, die von den Linken und dem linken Establishment heute vorgebracht würden, seien kindisch-idiotisch oder scheinheilig egoistisch (mit dem Ziel die Arbeiterklasse zum Vorteil des gehobenen Mittelstandes und der Reichen weiter zu ruinieren). Orlov gab zu bedenken, dass Einwanderung auf Weisen reversibel und unkontrollierbar sein kann, an die man zunächst nicht denkt. So würden z.B. hochqualifizierte Ausländer in die USA kommen, um dort zu arbeiten, aber wenn sie Kinder bekämen oder und die Situation sich verschlechtere, würden sie das Land wieder verlassen – diese Leute würden die Identität ihrer Heimatländer oft behalten wollen und diese nicht aufgeben.  Wie die Diskussion auch zeigte, werden Amerikaner von Universitäten aus verschiedenen Gründen oft gegenüber Ausländern diskriminiert.
  • Ein Schrumpfen der Wirtschaft und des Wohlstandes muss nicht so schlimm sein wie viele denken. Wenn sich materielle Armut breit macht, passen sich zumindest die Überlebenden daran an.
  • Wir haben ein Glaubensproblem. Die Hauptreligion in den westlichen Industriestaaten ist nicht das Christentum, sondern der Glaube an den Gott des Fortschritts (siehe dazu auch meinen Blogbeitrag Nach dem Fortschritt und meine Übersetzung des Interview von Chris Martenson mit John M. Greer mit dem Titel Der Gott des technischen Fortschritts könnte tot sein).
  • Menschen lernen zu 99 Prozent leider nur durch Schmerzen und Schäden und nur zu einem Prozent durch Einsicht.
  • Insbesondere, wenn man einfache Leute überzeugen möchte sollte man eine verständliche, einfache “30 Sekundenversion” seiner Überlegungen haben und diese geduldig von Zeit zu Zeit vorbringen.
  • Mit einer Revolution von oben oder mit einer klugen Politik sollte man besser nicht rechnen. Aussichtsreicher sei lokal, im Kleinen Veränderungen anzustreben. Das erinnert mich an das Interview mit Richard Heinberg zu dem Film What a Way to Go. Ich hatte zu diesem Film einen kleinen Blogbeitrag (Der Film What a Way To Go) verfasst und dort alle Interviews zu diesem Film verlinkt.

Mein Aufzählung ist sehr unvollständig und es lohnt sich meines Erachtens, diese Podiumsdiskussion selbst anzusehen und auch etwas in den Kommentaren zu dieser Diskussion auf Youtube zu lesen. Teilweise werden dort auch einzeln Punkte der Diskussion gezielt verlinkt und kommentiert.

Kelberg, den 8. April 2017

Christoph Becker

 

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