Der Weiße Tiger

Lesedauer 13 Minuten
image_print

Der 2012 vorgestellte Film White Tiger bzw.  Der Weiße Tiger,  des  russischen Regisseurs Karen Shakhnazarov ist meines Erachtens  ein bemerkenswertes, sehr intelligentes Denkmal zum 2. Weltkrieg.  Der Film ist meines Erachtens ganz bewusst nicht nur für die Russen, sondern vor allem auch  für das deutsche Publikum gedacht,  das diesen bisher leider nicht hinreichend erkannt und zu schätzen gewusst hat.

Filmquellen:

  • Auf Youtube kann man sich kostenlos die russische Version mit englischen Untertiteln ansehen: Der weiße Tiger (mit Untertiteln). Soweit in dem Film Deutsche zu Wort kommen oder mit Deutschen gesprochen wird, geschieht dies auch in dieser russisch/englischen Version in akzentfreiem, bzw. in gut verständlichem Deutsch. Diese Version des  Films hat auf Youtube bisher 4.212.837 Aufrufe und 18.961 Likes.
  • Per Amazon gibt es eine deutsch synchronisierte Version mit dem Titel: White Tiger – Die große Panzerschlacht.

Der Film ist eine denkwürdige Mischung aus Kriegsfilm, Dokumentation, Märchen, Sage und einer Art fliegendem Holländer des Krieges. Die Zahl der Kriegsfilme, die ich mir bis heute angesehen habe ist begrenzt, obwohl es im Laufe der Jahrzehnte schon einige waren.  White Tiger, von dem ich nun die russische Version mit den englischen Untertiteln und die deutsch synchronisierte Version angesehen habe, ist für mich aus verschiedenen Gründen ein ganz besonderer Film, weil ich ihn auch vor dem Hintergrund von Noahs Fluch, dem Umgang der Deutschen und der Russen mit der Geschichte und auch vor dem Hintergrund der aktuellen deutschen Politik angesehen habe.

Die Handlung des  Films

Ein unbekannter russischer Panzerfahrer,  bei dem 90 % der Körperoberfläche verbrannt sind, überlebt und wird in relativ kurzer Zeit wieder gesund und wieder voll einsatzfähig. Normal sind derart umfangreiche Verbrennungen absolut tödlich. Dieser Panzerfahrer, im Rest des Films Ivan Naydenov genannt, hat teilweise sein Gedächtnis verloren. Er kann sich weder an seinen Namen noch an seine Familie erinnern. Er ist, wie sich im Film langsam herausstellt, nach seiner schweren Verwundung und schnellen Genesung ein übernatürliches Wesen geworden. Er ist Mensch und doch kein Mensch. Er isst nicht wirklich, sondern kaut nur manchmal etwas Brot. Eine Schusswunde heilt leicht und schnell. Die Panzer sprechen zu ihm und warnen ihn. Er betet zum Gott der Panzer, der im Himmel wohnt und einen goldenen Panzer fährt. Bei diesem Gott befinden sich die Geister der abgeschossenen Panzer und dieser Gott kann es donnern und blitzen lassen.

Der deutsche Panzer, der den Panzer dieses russischen Panzerfahrers zerstört hatte, ist der “Weiße Tiger”. Ein mysteriöser, weiß gestrichener deutscher Panzer vom Typ Tiger. Er taucht manchmal unvermittelt auf, greift ins Gefecht ein und fügt der Roten Armee schwere Verluste zu, um dann wieder auf mysteriöse Weise zu verschwinden. Die Soldaten auf beiden Seiten der Front erzählen sich von diesem unheimlichen Panzer und sogar die Deutschen fürchten sich angeblich vor ihm. Ein gefangener Deutscher, der für das Materialwesen zuständig war, sagt, dass von diesem Panzer in der Verwaltung nichts bekannt sei und dass es unmöglich sei, dass es sich um eine an der Heeresverwaltung vorbei eingesetzte Sonderwaffe Hitlers handele. Der mysteriöse russische Panzerfahrer meint, in dem weißen Tiger seien keine Menschen. Er sei tot und gerade deswegen funktioniere er absolut perfekt und mache im Gefecht alles richtig. Spuren des Weißen Tigers verschwinden einfach, gerade so als könne er fliegen oder sich in Luft auflösen.

Das Ziel dieses mysteriösen russischen Panzerfahrers ist es,  den Weißen Tiger unbedingt zu vernichten.

Die Sowjets lassen einen normalen T34 zu einem Spezialpanzer umbauen und stellen dafür die bestmögliche Panzerbesatzung zusammen. Die Leitung für dieses Unternehmen wird einem Major Fedotov von der  Gegenspionage übertragen.

Zum ersten Auftreten des weißen Tigers im Film kommt es, nachdem dieser 15 russische Panzer und Geschütze vernichtet hat und dann in einem Wald verschwunden ist, hinter dem nur Sumpf ist. In diesem Wald kann er aber trotz intensiver Suche nicht gefunden werden. Naydenov, unser russischer Panzerfahrer, ist sich aber sicher, dass der weiße Tiger ihnen auflauert und bittet einen zweiten T34 zu schicken, um den weißen Tiger herauszulocken, während er ihn mit dem Super-T34 auflauert. Tatsächlich kommt der weiße Tiger dann nachts bei Nebel und zerstört den als Lockvogel dienenden T34. Den dann eingreifenden Super-T34 manövriert er aus und gerät hinter diesen, um ihn aus nächster Nähe schwer zu beschädigen, aber erstaunlicher Weise nicht zu zerstören. Major Fedotov beobachtet das Ganze persönlich.

Der weiße Tiger verschwindet dann und seine Spuren enden am Sumpf, so dass einige Russen meinen, er sei im Sumpf versunken. Naydenov aber sagt, das sei nicht wahr. Der weiße Tiger bereite sich nur für eine Schlacht vor.

Die Rote Armee startet dann mit einer größeren Zahl Panzer eine Offensive über ein Gebiet, dass angeblich über 10 km frei von schweren deutschen Waffen ist. Wie man später im Film erfährt, war es an der Weichsel. Der Weiße Tiger taucht auf und zerstört die meisten der angreifenden sowjetische Panzer. Bei dieser Panzerschlacht wird das Grauen des Krieges sehr eindrucksvoll dargestellt, da viele Panzer in Brand geschossen werden und man immer wieder brennende Soldaten und auch verkohlte Leichen sieht.

Der Super-T34 wird bei diesem Gefecht nicht getroffen, sondern verfolgt den Weißen Tiger in ein zerfallenes Dorf. Die Szene ist  ähnlich wie bei einem Duell in einem Western. Der Super-T34 rollt langsam alles musternd und beobachtend durch das Dorf, zerstört  einen in einer Scheune versteckten Kampfpanzer IV, und sucht weiter. Schließlich stehen sich der Weiße Tiger und der Super-T34 gegenüber. Der Weiße Tiger erhält einen Treffer, durch den sich sein Turm verklemmt, auch ist Feuer auf ihm, aber er bleibt weiter manövrierfähig und zieht sich zurück.  Der Super-T34 versucht, ihn endgültig zu zerstören, aber bei diesem Versuch hat er einen Rohkrepierer, weil er vorher bei einem Fahrmanöver Dreck in das Kanonenrohr bekommen hat.

In der nächsten Szene besucht der Major Fedotov, der Führungsoffizier des Panzerfahrers, den kommandierenden General. Wie man erfährt, ist der weiße Tiger wieder spurlos verschwunden. Der General ist zwar Parteigenosse, glaubt aber an Gott und sagt er habe durch den Krieg gelernt an Gott und den Teufel zu glauben.  Die Erklärungen von Major Fedoto  über den mysteriösen Panzerfahrer hält er aber für eine Spinnerei und er schickt Fedotov  für 10 Tage in den Urlaub – danach meint er sei der Krieg angesichts der Vormarschgeschwindigkeit seiner Truppen aus.

Man erwartet nun vielleicht eine neue Panzerschlacht, aber stattdessen wird sehr detailliert die Szene der deutschen Kapitulation in Berlin Karlshorst gezeigt, wo am 9. Mai um 0:16 für die deutsche Seite für das Heer Generalfeldmarschall Keitel, für die Marine  Generaladmiral von Friedburg und für die Luftwaffe Generaloberst Stumpff die Kapitulation unterzeichnet haben.

Anschließend wird ein gemeinsames Essen dieser drei deutschen Offiziere gezeigt.  Stumpff meint, dass Essen sei aber wirklich gut, wo die Alliierten das wohl her hätten. Wahrscheinlich aus einem Restaurant, vermutlich aus “dem Schlemmer”, meint von Friedeburg. Wie sich dann zeigt war Keitel nie im Restaurant Schlemmer und kannte es auch nicht. Dann bringen russische Soldaten den Nachtisch. Keitel fragt was das ist. Von Friedeburg sagt, dass es frisch gefrostete Erdbeeren mit Sahne seien. Keitel, der immerhin Chef des Oberkommandos des Heeres war,  probiert eine Erdbeere, genießt sie offensichtlich  und sagt dann, “wissen Sie, ich habe gerade das erste Mal in meinem Leben frisch gefrostete Erdbeeren mit Sahne gegessen”.  Den beiden anderen, vor allem Stumpff, merkt man deutlich an, dass sie die Bitterkeit dieses Details erkennen: Dieser Generalfeldmarschall und Chef des Oberkommandos des Heeres hat gerade das erste Mal in seinem Leben frisch gefrorene Erdbeeren mit Sahne gegessen, nachdem er die Kapitulation des Heeres unterzeichnet hat. Und diese Erdbeeren mit Sahne wurden von sowjetischen Soldaten serviert.

Die nächste Szene zeigt eine große Gruppe deutscher Gefangener, die von sowjetischen Soldaten begleitet durch die Ruinen Berlins marschieren. Auch hier zeigt der Film wieder viele Details. Dieser Führungsoffizier Fedotov, der inzwischen Oberst ist, beobachtet nachdenklich den Zug der Gefangenen, während er in seinem Jeep am Rande der Strasse sitzt. Er fährt dann mit seinem Jeep aus der Stadt heraus und trifft dort den den mysteriösen Panzerfahrer Ivan Naydenov, der an der Technik seines Super-Panzers arbeitet und dort noch etwas verbessert hat, so als ging der Krieg weiter. Der Lade- und der Richtschütze sind weg, sie feiern den Sieg und besaufen sich. Aber für den mysteriösen Panzerfahrer ist der Krieg nicht aus. Er und Oberst Fedotov rauchen gemeinsam eine Zigarette. Er, der Panzerfahrer, habe den Weißen Tiger nicht vernichten können. Der Weiße Tiger werde warten, vielleicht 20, vielleicht 50, vielleicht 100 Jahre, aber er werde wiederkommen und dann werde er ihn vernichten. Der Panzerfahrer verschwindet wieder in seinem Panzer und sein Führungsoffizier, Oberst Fedotov, geht nachdenklich zu seinem Jeep zurück. Als er sich noch einmal umdreht  ist dort, wo gerade noch der Panzer mit dem mysteriösen Panzerfahrer war nur noch ein sich langsam auflösender Nebel zu sehen.  Der Oberst Fedotov sieht lange und sichtbar traurig und nachdenklich zu dem Nebel hinüber und dann hört man, während die Kamera noch auf den Nebel gerichtet ist eine Stimme, wobei ich, als ich den Film das erste Mal sah, zunächst dachte, es sei der Geist des Panzerfahrers, der da scheinbar aus dem Nichts zu dem Offizier spricht.

Wir kennen uns zu lange, zu gut, uns verbindet zu viel, deshalb möchte ich ihnen meine Gedanken nicht verheimlichen, der Krieg ist verloren, das weiß ich, er ist nicht einfach verloren, Europa ist zerstört

Die Kamera schwenkt dabei dann langsam über eine Reihe goldener weiblicher Aktreliefs und zeigt dann in einiger Entfernung in einem prunkvollen Saal  zwei Personen in Sesseln an einem Kaminfeuer sitzen, über dem und um das herum ein riesiges düsteres Wandgemälde zu sehen ist. Die Stimme fährt fort, während die Kamera erst noch einmal über eine weiteres weibliches Aktrelief schwenkt und dann näher heranzoomt

Aber können sie sich vorstellen, was morgen sein wird? Unglückliches Deutschland, das deutsche Volk wird als Sündenbock für alles herhalten müssen. Tausende Bücher werden geschrieben werden. Tausende, irrsinnige Dokumente werden gefunden werden. Man wird sich hunderte Erinnerungen ausdenken. Und wir, ich, und Deutschland, wir werden werden vor der Welt dastehen als beispiellose Ungeheurer des Menschengeschlechts, als Ausgeburten der Hölle.

Erst jetzt ist die Kamera so weit herangezoomt, dass man erkennen kann, dass da wohl Hitler spricht – obwohl das nicht sein, kann weil der zu diesem Zeitpunkt bekanntlich bereits schon seit einigen Tagen tot war.  Weil dieser Hitler nicht ganz so aussieht, wie ich es erwartet hätte und weil Hitler zum Zeitpunkt der Kapitulation schon tot war und ich ihn ganz sicher nicht in einem Schloßsaal gemütlich am Kaminfeuer vermutet habe, habe ich ihn erst nicht erkannt und die Szene hat mich etwas irritiert.

Etwas Nachdenken ergibt: Es ist  wohl der Geist Hitlers, den der  sowjetische Oberst Fedotov auf einmal sprechen hört und am Kaminfeuer in diesem pomösen Saal sitzen sieht – während er nachdenklich-traurig auf die Stelle blickt, wo gerade noch der Super-T34 und der von ihm betreute Panzerfahrer Ivan Naydenow war und sich in einen durchsichtigen Nebel aufgelöst hat . Der Hitler gegenübersitzende  nachdenklich, schweigend  zuhörende Mann1  trägt einen hellgrauen Nadelstreifenanzug und ein weißes Hemd. Die Kamera und die Beleuchtung sind so eingestellt, dass sein Gesicht im Dunkeln bleibt. Die mit neuen Kerzen versehen, sehr vielarmigen Leuchter zu beiden Seiten des Kaminfeuers  sind aus.  Die Szene ist düster. Wenn man darüber nachdenkt, könnte die Hitler gegenüber sitzende Person  das Gegenstück zu dem Panzergott sein, den der mysteriöse russische Panzerfahrer angebetet hat. Es könnte ein Kriegsgott oder ein nachdenklich-vornehmer Geist aus einem Reich zwischen Himmel und Hölle sein.  Es könnte der Geist des Weißen Tigers oder dessen Chef sein. Die Gedanken, die Hitlers weiter äußert, haben es in sich. Sie sind die Gedanken und die Rechtfertigung eines deutschen Gutmenschen, der gerade zugegeben hat, dass er klar sieht, dass er und sein Volk krachend gescheitert sind:

“Dabei haben wir nur den Mut aufgebracht, das zu verwirklichen, wovon Europa geträumt hat. Wir haben gesagt, wenn Ihr daran denkt, lasst uns das endlich machen. Das ist wie ein chirurgischer Eingriff. Erst tut es weh, aber dann gesundet der Organismus. Haben wir nicht etwa den Traum eines jeden europäischen Normalbürgers verwirklicht? War das nicht die Ursache unserer Siege? Wir wussten doch, dass sie das, wovon sie sogar Angst hatten, es ihren Frauen zu erzählen klar und offen verkündet haben, wie es sich für ein tapferes, monolithisches Volk gehört. Sie haben die Juden nie gemocht. Ihr Leben lang haben sie Russland, dieses dunkle, finstere Land im Osten gefürchtet, diesen wilden, Europa fremden Centauer. Ich habe einfach gesagt, lasst uns diese beiden Fragen lösen. Ein für allemal lösen. Haben wir irgend etwas Neues erfunden? Nein! Wir haben einfach Klarheit in jenen Fragen geschaffen, in denen ganz Europa Klarheit wollte. Das ist alles.

Dieser Hitlers erklärt also, dass er und Deutschland doch eigentlich nur mutig versucht haben, das zu realisieren, was alle normalen Europäer heimlich gewünscht haben. Wenn man die europäische Geschichte betrachtet, liegt in  diesen Ausführungen des Hitlers mehr als nur nein Körnchen Wahrheit. Was würden eigentlich die Geister von Frau Merkel,  Helmut Kohl, Jean-Claude Junker und anderen “guten” Europäern, angesichts des inzwischen absehbaren Untergangs Deutschlands und Europas in den 2020er Jahren sagen?  Doch die Gedanken, von denen Hitlers Geist seinem mysteriösen Gegenüber erzählt, gehen noch weiter:

So lange sich die Erde um die Sonne dreht, solange es Kälte und Hitze, Sturm und Sonnenlicht gibt, wird es auch Kampf geben. Auch Kampf zwischen den Menschen und den Völkern. Wenn die Menschen im Paradies leben würden, würden sie verfaulen. Das was die Menschheit geworden ist, ist sie durch Kampf geworden. Krieg ist eine natürliche, normale Angelegenheit. Krieg gibt es immer und überall. Er hat weder Anfang noch Ende. Krieg ist das Leben selbst. Krieg ist der Urzustand.”

Dazu fiel mir zunächst ein Abschnitt aus Jordan Petersons Vortrag  Biblical Series VIII: The Phenomenology of the Divine ein. Ab Position [30:15] kommt er dort auf Dostojewskis “Notes from the Unterground” (Aufzeichnungen aus dem Kellerloch) zu sprechen. Wie Dostojewski dort schreibt, seien Utopias für Menschen völlig unerträglich. Wenn Menschen nichts anderes zu tun hätten, als essen, trinken und sich um ihre Fortpflanzung zu kümmern, würden sie das System zerstören, so dass etwas unerwartetes, verrücktes passieren könne. Menschen,  so Peterson, wollten keinen utopischen Komfort und Sicherheit, sondern Abenteuer, Chaos und Unsicherheit. Wir seien NICHT für ein statische Utopia gemacht.

So gesehen, hat der Mensch eine Sehnsucht nach Krieg. Der Hitler in dem Film über den Weißen Tiger hat insofern also recht.

Ich möchte hier aber ein großes ABER hinzufügen, weil Hitler nur dann recht hat, wenn man die Definition dessen, was  Krieg ist weit über das hinaus ausdehnt, was die meisten unter Krieg verstehen.

Es ist zwar schon rund 40 Jahre her, aber ich erinnere mich noch gut an eine Stelle in Bertrand Russells Buch Eroberung des Glücks: Neue Wege zu einer besseren Lebensgestaltung , an der Russell schreibt, er habe nur zwei wirklich glückliche Menschen kennen gelernt: Seinen Gärtner, der immer auf der Jagd nach den Kaninchen gewesen sei und einen Wissenschaftler, der immer auf der Jagd nach neuen Erkenntnissen gewesen sei.

Ich selbst wollte eigentlich Berufsoffizier werden. Offizier in einem richtigen Krieg war  – zum Entsetzen meiner pazifistischen Eltern – das Beste und Höchste, was ich mir vorstellen konnte. Aber zum einen war ich für eine Offizierslaufbahn zu unsportlich und in der Schule bei langweiligen Routineaufgaben wie Vokabeln lernen zu schlecht, und zum anderen waren die Beförderungsaussichten in Friedenszeiten zu schlecht und der Frieden erschien mir viel zu sicher. Dann war da die Einsicht, dass ich in einem richtigen Krieg schon am Abend des ersten Tages tot oder schwer verwundet sein könnte und somit nichts mehr von dem Krieg hätte.  Krieg als Hobby und Freizeitbeschäftigung, ohne  die die Freude am Krieg beeinträchtigenden oder beendenden Gefahren richtiger Kriege, das war das Ziel.  Heute spielen die Jungs am Computer Krieg, aber das wäre auch nichts für mich, weil man davon nicht leben kann. Wie ich mir dann überlegt habe, spielen gescheite, vernünftige Männer auf sehr geschickte und gewinnbringende Weise Krieg als Ingenieure, Wissenschaftler, Unternehmer, Ärzte usw., indem sie Probleme lösen.  Ich bin dann erst Ingenieur geworden und nachdem mir schon in der praktischen Ausbildung klar wurde, dass mir das sehr schnell zu langweilig werden würde, bin ich Zahnarzt geworden: Söldner und Militärberater der Patienten im Krieg gegen Bakterien und Pioniersoldat. Das mit dem Militärberater war zwar immer wieder sehr reizvoll, war aber im Großen und Ganzen ein Fehlschlag: Auch wenn ich in vielen Fällen verblüffende Erfolge hatte und mein Know How sehr oft gratis angeboten habe, ist die Zahnarztdichte  in meiner Verbandsgemeinde in den letzten 28 Jahre nachdem ich hier angefangen habe, nicht etwa gesunken, sondern extrem gestiegen und es wird in diesem Sektor weiter kräftig investiert. Der Grund ist, dass der größte Teil der Bevölkerung  Niederlagen im Krieg gegen die Bakterien auf ihren Zähnen nach wie vor als Schicksal ansieht und Zahnärzte lieber eher als Löcher stopfende und Brücken bauende und  Pioniere sehen und teuer bezahlen möchte, als das Wissen moderner Zahnheilkunde zu nutzen und mit minimalem Aufwand die Gesundheit der eigenen Zähne zu erhalten. Eine kleine Pointe des Schicksals ist dabei, dass das, was ich als Wissen aus dem Ausland in diese Gegend mitgebracht habe, tatsächliche eine kulturelle und auch eine materielle Bereicherung hätte sein können. Man könnte sich hier heute, nach über 28 Jahren, schätzungsweise 9 von 10 für Zahnärzte und Zahntechniker auf gewendete Euro sparen und hätte trotzdem mehr Gesundheit und weniger Zahnschmerzen. Stattdessen gibt es hier in der Verbandsgemeinde schätzungsweise heute 9 bis 10 mal so viele zahnärztliche Behandlungsstühle wie vor 30 Jahren. Die Zahl der Zahnärzte hat sich auch vervielfacht. Man denkt besser nicht weiter über darüber nach. Aber hier gibt es auch Dörfer, wo 70 oder sogar über 90 % der Bevölkerung CDU und damit Merkel, Abtreibung, Homoehe, kulturelle Bereicherung durch Analphabeten, nicht nachhaltige, industrielle Landwirtschaft, die modernen Versionen von Noahs Fluch und dem Turmbau zu Babel  und offene Grenzen wählen. Aber in einem demokratischen Land gehört es dazu, den Willen der Mehrheit zu akzeptierren.

Das ist übrigens ein finsteres Vorzeichen. freizahn.de war wieder so ein Versuch von mir, bestmögliches Wissen und wirkliche kulturelle Bereicherungen aus aller Welt zusammenzutragen und den Leuten hier anzubieten. Nur ging es jetzt nicht mehr nur um die Gesundheit von Zähnen, sondern um das Leben der Menschen und ihrer Kinder und Kindeskinder und darum, dass die Leute hier auch in Zukunft etwas  Nahrhaftes essen haben.  Auch dieser Versuch ist gescheitert, das ist mir klar geworden. Aber Spaß gemacht hat es  trotzdem.

Als Brücken bauender Pionier in weißer Arztuniform habe ich aber dank neuer Implatattechniken auch meinen Spaß.  Selbst die Angst der Patienten ist ein Gegner, den zu besiegen interessant ist und  das Kriegerherz erfreut. Die Suche nach Problemlösungen, diese Jagd nach Antworten, die hinter immer neuen Horizonten versteckt waren,  ist sehr befriedigend, auch  wenn ausgerechnet die besten und menschlichsten Lösungen oft fast keiner nutze möchte.

Aber die Karawane zieht weiter. Meine neueste Vision ist ein neuer Russlandfeldzug, bei dem gescheite deutsche und russische Krieger sich nicht gegenseitig ruinieren und umbringen, sondern gemeinsam einen großen Krieg im Sinne von großer Problemlösung führen, um zumindest Russland die großen Probleme dieses Jahrhunderts gut überstehen zu lassen und ihm eine gute Zukunft auch in der Zeit nach dem Ende des billigen Öls zu ermöglichen. Es geht um einen großen Krieg, der in der Summe sehr viel mehr Leben schafft als er zerstört. Es geht darum, den Geist des Weißen Tigers und des mysteriösen russischen Panzerfahrers dazu zu bringen, sich nicht gegenseitig  zu zerstören, sondern dazu zu bringen, gemeinsam das Bodenleben, die Bodenqualität und die Erträge der Böden Russlands zu verbessern und von der Verfügbarkeit billiger fossiler Energieträger und anderer Industrieprodukte weitgehend unabhängig zu machen, so dass die russische Landwirtschaft auch dann noch üppige Erträge liefern und natürlich auch russische Soldaten gut ernähren kann, wenn in Deutschland und anderen Teilen Westeuropas die meisten Menschen an Hunger und seinen sozialen Nebenwirkungen sterben oder gestorben sind.

Ich weiß nicht ob sich die Gelegenheit ergibt, aber ich möchte hier auch nur zeigen, wie ein deutscher Junge, der einmal davon träumte wie der Weiße Tiger mit einem Panzern im Krieg durch Russland zu kämpfen, Wege gefunden hat, ganz anders und besser Krieg zu führen. Ich schreibe das, weil das Leben zwar schon, wie Hitler am Ende von White Tiger sagt, von Anfang bis Ende Krieg ist, aber der Krieg muss insgesamt nicht so ein furchtbares Gemetzel und Zerstörungswerk sein, wie der Film zeigt und wie die Leute denken. Der Krieg ist eben immer auch ein Werk des menschlichen Geistes, der versucht  Zerstörung und Gemetzel zu verhindern. Das höchste Ziel des Kriege ist, wie Sun Tzu in Angriffsstrategie nach Sun Tzu sagt, alles unter dem Himmel intakt zu erobern.

Gesund zu erhalten ist auch ein Kriegsziel – wobei es faktisch auf der Ebene von Zellen und Bakterien allerdings auch Vernichtung von Leben bedeutet. Gesund zu machen noch mehr.   Die weltweite Bodenerosion zu stoppen. Die Böden besser werden zu lassen und optimales Bodenleben in die oft toten landwirtschaftlichen Nutzflächen dieser Welt zu bringen, was auch den Wasserhaushalt und Kreislauf verbessern würde, wäre das derzeit höchste aller Kriegsziele. Da könnte ich mir sogar noch andere, die Wüsten begrünende Feldzüge in Afrika und im Orient vorstellen, wie es Allan Savorys TED-Talk zeigt, den ich schon in Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität eingebunden hatte.

Der Film mit dem Weißen Tiger und seinem russischen Gegenstück, dem Panzerfahrer Ivan Naydenow   mit seinem Super-T34, erinnern mich auch an Kaiser Barbarrossa im Kyffhäuser. Man könnte auch sagen, der Weiße Tiger war Barbarossa mit seinen Rittern, aber dann hat er nach der Schlacht an der Weichsel einige Untaten der Deutschen  gesehen, wegen denen er mit einer Mischung aus Trauer, Zorn und Fassungslosigkeit wieder in seinen Berg zurück gekehrt ist. Aber vielleicht kommt er wieder hervor. Ich kann mir vorstellen, dass der Mysteriöse Panzerfahrer Ivan Naydenow und der Geist des Weißen Tigers, oder eben auch der Geist des alten Friedenskaisers im Kyffhäuser, ganz friedlich und enthusiastisch gemeinsam Probleme lösen.

Jedenfalls muss Krieg nicht das sein, was sie meisten denken. Krieg ist letztlich der Kampf gegen Chaos, Zerfall und Tod. Krieg ist Kampf mit dem Ziel,  Leben zu erhalten und zu ermöglichen. Wenn es anders wäre, würde kein vernünftig regiertes Land dieser Erde Streitkräfte aufstellen und unterhalten.

Der bestmögliche Krieg ist ein Krieg, der mehr aufbaut als er zerstört. Auf großen Flächen das Bodenleben, die Böden und die Erträge zu verbessern und dabei möglichst wenig oder keine fossilen Energieträger und nicht erneuerbare Rohstoffe kann auch das höchste Ziel großer Krieger sein, auch wenn, wie Sun Tzu gesagt hat, der Edelmann das Schwert auch in Friedenszeiten an seiner Seite behält.

Falls jetzt jemand das Motto der Friedensbewegung  “Schwerter zu Pflugscharen” einfällt, habe ich da was zum Lesen und Nachdenken: Die Torheit der Pflügenden und die Geschichte.  Pflugscharen können nämlich auf Dauer tödlicher sein als Schwerter.  Wie ich in Symbiose von Bauern und Kriegern zu zeigen versucht habe, sind Schwerter, bzw. Waffen und Soldaten, die glaubhaft mit deren Einsatz drohen, eine zwingende Voraussetzung für eine auf Dauer  funktionierende, rentable Landwirtschaft.

Kelberg, den 3. Oktober 2017

Christoph Becker

 


  1. erst als die den Film ein zweites Mal gesehen und das Profil aus der Ferne gesehen habe, war ich einigermaßen sicher, dass diese zweite Person sehr wahrscheinlich ein Mann ist.  

Share
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments