Das Ende der Globalisierung

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Im September 2005 erschien das Buch The Collapse of Globalism: And the Rebirth of Nationalism     (dt. Der Kollaps der Globalisierung: Und die Wiedergeburt des Nationalismus) von John Ralston Saul. Am 5. Oktober 2016, also satte 11 Jahre später, demonstriert der FOCUS, stellvertretend für die deutschen und der internationalen westlichen “Eliten” und die inzwischen auch “Lügenpresse” genannten deutschen “Qualitätsmedien”, deren “Qualität” und Realitätsverlust mit dem Artikel Rechtspopulisten weltweit auf dem Vormarsch Ende der Globalisierung? IWF warnt vor „zerstörerischen“ Handelskriegen.

Ich möchte hier zunächst den Focus zitieren:

Starke Kräfte tendieren dazu, die Globalisierung zurückzudrehen, in den westlichen Industrieländern droht ein neuer Wirtschaftsnationalismus. Der Internationale Währungsfonds warnt vor einem Irrweg: Der Protektionismus hätte verheerende Wirkung – vor allem für die Ärmsten.

Es ist der Alptraum der internationalen Wirtschaftswelt: In den großen Industrieländern des Westens macht sich eine Tendenz breit, die genau entgegen bisheriger Leitlinien der Globalisierung verläuft.

In der Jungenfreiheit vom 5.10.2016 lese ich nun in dem Kommentar von Michael Paulwitz, unter dem Titel Olle Kamellen aus der grünlinken Mottenkiste dass Daniel Cohn-Bendit beim „Festakt zur Deutschen Einheit“ in der Frankfurter Paulskirche  am 3. Oktober 2016 eine Rede gehalten habe, zu der Herr Paulwitz u.a. schreibt

Über Deutschland spricht Cohn-Bendit, Tag der Deutschen Einheit hin oder her, dafür um so weniger. „Europa“, oder vielmehr: EU heißt sein Himmelreich auf Erden, das er sich als noch monströseren Umverteilungs- und Ökodiktatur-Moloch erträumt.

Dafür greift der wohlversorgte Grünen-Veteran ganz nach hinten in die grünlinke Mottenkiste: „Die Überwindung der Nationalstaaten ist die Voraussetzung für unsere Zivilisation“, lautet seine Zentralbotschaft.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir noch einmal mein Exemplar von John Ralston Sauls Buch The Collapse of Globalism, von dem ich die Ausgabe von 2008 habe, aus dem Regal genommen, bei der es sich um die neuere, 2009, also nach der Krise von 2008, erschienen Ausgabe handelt.  Außerdem habe ich mir noch einmal das im folgende eingebundene, im August 2012 auf Youtube veröffentlichte Interview mit J.R. Saul angehört:

Mir fehlt derzeit die Zeit für die Erstellung eines deutsche Transkripts, aber es sollte genug Deutsche geben, deren Englisch ausreicht, um dem Interview folgen zu können. Auf Youtube finden zudem noch einige sehr interessante Vorträge von John Ralston Saul, die eine Auswahl schwer machen.

Ich übersetze hier aber die Kurzbeschreibung von Sauls Buch über den Kollaps der Globalisierung, die auf der hinteren Umschlagseite des Buches steht:

Die Globalisierung ist, wie viele große Ideologien vor ihr, ist tot. Trotz der nahezu religiösen Gewissheit mit der es begriffen wurde, sind die Nationalstaaten nicht ausgestorben, hat der internationale Handel keinen realen Wohlstand erzeugt, der sich über die Gesellschaft verteilt hat und viele Diktaturen wurden nicht in Demokratien verwandelt.

In diesem grundlegenden Buch, überprüft der hervorragende Philosoph John Ralston Saul wohin wir von hieraus gehen. Während die Hoffnung auf globalen Wohlstand dahinschwindet und die Probleme der Einwanderung, des Terrorismus und der Zusammenbrechende Wirtschaften die Nationen der Welt dazu bringen ihre Beziehungen zu überdenken, ist Saul’s erheiternde Untersuchung des Zusammenbruchs der Ideologie der Globalisierung  essentiell – und zeitgerecht.

 

In dem Buch erklärt Saul, gut verständlich und auch mit historischen Beispielen, dass Freihandel nur unter bestimmten Bedingungen und dann auch nur für bestimmte Handelspartner vorteilhaft war und ist. Protektionismus, Zölle und Handelshemnisse waren und sind für schwache und/oder im Aufbau befindliche Wirtschaftszweige und Industrien vorteilhaft und sinnvoll. Sowohl die USA, als auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben in der Vergangenheit davon von mehr oder weniger protektionistischen Praktiken profitiert. Saul führt dazu verschiedene historische Beispiele an.

Irgendwo, mir fällt die Quelle gerade nicht ein, hat auch jemand erläutert, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft der Mittelstand und die kleineren Unternehmen sind, für deren Entstehung  vielleicht gerade auch die bis zur Reichsgründung 1871 herrschende Zersplitterung Deutschlands in kleine Königreiche und Fürstentümer ursächlich sei. Dadurch hätten nämlich die lokalen Fürsten ihren lokalen Unternehmen Vorteile und Entwicklungsmöglichkeiten und Schutz vor Konkurrenz in der Aufbauphase verschafft, die diese in großen, zentralistischen Staaten und Märkten, wie Frankreich nicht hatten.

Wie ich in meinen Artikel meinen Artikel Wie Deutschland doch noch den Krieg gewann  geschrieben habe, erklärt John Michael Greer in seinem Buch  Decline and Fall: The End of Empire and the Future of Democracy in 21st Century America (dt. Niedergang und Fall: Das Ende des Reiches und die Zukunft der Demokratie im Amerika des 21. Jahrhunderts) erklärt es ähnlich.

Vor diesem Hintergrund kann man davon ausgehen, dass der Brexit der teilweise schwachen britischen Wirtschaft sehr helfen wird und das ein Euro- und EU-Austritt auch für Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland unbedingt vernünftig und rational wäre, wenn diese Länder ihrer lokalen Wirtschaft eine Chance geben und ihre Situation verbessern wollen.

Ebenso ist vor diesem Hintergrund und angesichts der Schwäche vieler Bereiche der US-amerikanischen Industrie, die von Donald Trump vertretene wirtschaftspolitische Linie des “America first” vernünftig.

Die Ideologie der Globalisierung  und des Freihandels und an das Ende der Nationalstaaten, an die/das in Deutschland offenbar noch immer viele inbrünstig glauben, ist nicht nur nach Sauls Darstellung ausgesprochen verrückt.

An dieser Stellte möchte ich auf das Essay Witchcraft des ersten amerikanischen Soziologieprofessors, William Graham Sumner aufmerksam machen, zu dem man auf meiner Webseite unter Sumner – War and Other Essays Downloadmöglichkeiten findet. Der von meiner Webseite mögliche, sehr kompakte Download als pdf-Datei reicht dabei zum Lesen auf einem Smartphone gut aus.

Sumner hatte das Phänomen der Hexenverfolgung analysiert und war zu dem Schluss gekommen, dass das Phänomen der Hexenverfolgung keinesfalls tot und für immer überwunden ist.  Überbevölkerung und ungünstige Wirtschaftliche Verhältnisse könnten dazu führen können, dass der Dämon der Hexenverfolgung sich wiederholt. Er schrieb das 1909, und meinte damals auch, dass das Phänomen der Hexenverfolgung (als soziologisches Prinziep) im 20. Jahrhundert insbesondere in der Politik  wieder erwartet werden könne. Insbesondere der Sozialismus sei mit seinem Geist und seinem Programm prädestiniert neue Formen der Hexenverfolgung hervorzubringen. Der auf Telepolis zu findende Artikel Grünes Bombergate  vom 03.10.2016 bestätigt das im Grunde.

Indien und China und die Globalisierung

 

Der wirtschaftliche Aufschwung in Indien und China wirden oft als Beispiel für das Gelingen und die Vorteile der Globalisierung angesehen. John Ralston Saul zeigt, dass Indien und China letztlich deshalb erfolgreich waren, weil sie, soweit sie erfolgreich waren,  sich nicht an die Regeln der Globalisierungspriester gehalten sondern konsequent nationalistische Interessenpolitik betrieben haben.

Eine konsequent nationalistische Interessenpolitik und Missachtung der Regeln der reinen Lehre der Ideologie der Globalisierung war und ist typisch für Länder die in der Zeit der Globalisierung wirtschaftlich wirklich erfolgreich waren, bzw. die sich von den negativen Folgen der Globalisierung erholt haben, wenn sie anfangs deren Regeln eingehalten haben.

Saul weist übrigens vielfach auf die den Globalisierungsjüngern offenbar unbekannte Selbstverständlichkeit hin, es auch vor der Globalisierung,  internationale Beziehungen, Welthandel usw. gegeben hat. Internationale Beziehungen, Verträge und Welthandel gibt es seit Jahrtausenden. Die Globalisierung eher für ziemlich irre Fehlleistungen und völlig einseitige Sichtweisen gesorgt.

Ein ganz entscheidender Kritikpunkt an der Globalisierung ist, dass sie das öffentliche Gut und Interesse, sowie die Individuen als Bürger und Mitglieder einer lokalen Gesellschaft  vernachlässigt und alles einer ziemlich irren, einseitigen wirtschaftlichen Sichtweise unterordnet.

Für diejenigen die bei dem Begriff Nationalismus gleich an die Decke gehen, möchte ich darauf hinweisen, dass John Ralston Saul zwischen positivem und negativem Nationalismus unterscheidet. Wenn man die durch die Ideologie des Gloablismus verursachten Problem zu lange ignoriert und zu lange jede Form von Nationalismus bekämpft läuft, dann man Gefahr, dass sich am Ende ein radiakaler, negativer Nationalismus durchsetzt.

Letzten Endes kommte es wohl darauf an, das richtige Maß zu finden, Extreme zu vermeiden und von Fall zu Fall abzuwägen, nichts zu verteufeln und eine intelligente, sich ständig neu an die Realität anpassende Mischung aus Protektionismus, Freihandel, Nationalism und Internationalismus zu nutzen.

Kelberg, den 6. Oktober 2016

Christoph Becker

 

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