Was der Abschied von den fossilen Energieträgern bedeutet

Gail Tverberg hat am 15.12.2023 mit “Ten Things that Change without Fossil Fuels” einen wie ich meine sehr realistischen Artikel zum Thema “Abschied von den fossilen Brennstoffen” geschrieben, den ich im Folgenden übersetzt habe.

Übersetzung des Artikels von Gail Tverberg

Link auf das Original: https://ourfiniteworld.com/2023/12/15/ten-things-that-change-without-fossil-fuels/

Gail Tverberg ist eine amerikanische Versicherungsmathematikerin, die sich seit Jahren sehr mit den Themen Energie und Rohstoffe befasst hat. Sie hat dazu auf ihrem Blog ourfiniteworld.com sehr viele Artikel geschrieben,  die in der Regel sehr viel kommentiert werden. In der Vergangenheit habe ich schon einige Artikel von ihr übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Zehn Dinge, die sich ohne fossile Brennstoffe ändern

Veröffentlicht am 15. Dezember 2023 von Gail Tverberg

Der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe zur Verhinderung des Klimawandels ist heute ein beliebtes Thema. So ziemlich das gleiche Ergebnis tritt ein, wenn uns die fossilen Brennstoffe ausgehen: Wir verlieren fossile Brennstoffe, aber nur, weil wir sie nicht mehr fördern können. Praktisch niemand sagt uns jedoch, in welchem Maße das derzeitige System von fossilen Brennstoffen abhängig ist.

Die Wirtschaft ist außerordentlich abhängig von fossilen Brennstoffen. Wenn nicht genügend fossile Brennstoffe zur Verfügung stehen, wird es wahrscheinlich zu Kämpfen um das, was verfügbar ist, kommen. Einige Länder werden wahrscheinlich weit mehr als ihren gerechten Anteil bekommen, während der Rest der Weltbevölkerung nur noch sehr wenig oder gar keine fossilen Brennstoffe mehr zur Verfügung haben wird.

Wenn der völlige oder fast völlige Verzicht auf fossile Brennstoffe für einen Teil der Weltbevölkerung ein Risiko darstellt, könnte es nützlich sein, über einige der Dinge nachzudenken, die schief gehen könnten. Im Folgenden finden Sie einige meiner Ideen zu den Dingen, die sich in einer Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe verändern, meist zum Schlechteren.

[1] Banken, wie wir sie kennen, werden wahrscheinlich scheitern.

Bevor die Banken in Gebieten, in denen es praktisch keine fossilen Brennstoffe gibt, zusammenbrechen, werden wir meiner Einschätzung nach generell eine Hyperinflation erleben. Die Regierungen werden die Geldmenge stark erhöhen in dem vergeblichen Versuch, die Menschen glauben zu machen, dass mehr Waren und Dienstleistungen produziert werden. Diese Methode wird angewandt werden, weil die Menschen mehr Geld mit der Möglichkeit gleichsetzen, mehr Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Leider wird es ohne fossile Brennstoffe sehr schwierig sein, sehr viele Waren zu produzieren.

Mehr Geld führt einfach zu mehr Inflation, weil für den Betrieb von Maschinen aller Art zur Herstellung von Waren physische Ressourcen, einschließlich der entsprechenden Energiearten, benötigt werden. Die Herstellung von Dienstleistungen erfordert ebenfalls Energie aus fossilen Brennstoffen, aber im Allgemeinen in geringerem Umfang als die Herstellung von Waren. Eine Schere zum Haareschneiden beispielsweise wird mit fossiler Energie hergestellt. Die Person, die die Haare schneidet, muss bezahlt werden; ihr Lohn muss hoch genug sein, um die energiebedingten Kosten wie den Kauf und die Zubereitung von Lebensmitteln zu decken. Der Laden, in dem das Haareschneiden durchgeführt wird, muss auch für die fossile Energie bezahlen, die für Wärme und Licht benötigt wird, sofern diese Energie überhaupt verfügbar ist.

Die Banken werden zusammenbrechen, weil ein zu großer Teil der Schulden nicht mit Zinsen zurückgezahlt werden kann. Ein Teil des Problems wird darin bestehen, dass die Löhne zwar steigen werden, die Preise für Waren und Dienstleistungen aber noch schneller steigen werden, so dass die Waren unerschwinglich werden. Ein weiterer Teil des Problems besteht darin, dass die Dienstleistungswirtschaften, wie die der USA und der Eurozone, unverhältnismäßig stark von einer rückläufigen Wirtschaft betroffen sein werden. In einer solchen Wirtschaft werden sich die Menschen weniger oft die Haare schneiden lassen. Stattdessen werden sie ihr Geld für das Nötigste ausgeben, einschließlich Lebensmittel, Wasser und Kochzubehör. Dienstleistungsunternehmen wie Friseursalons und Restaurants werden aus Mangel an Kunden schließen, was zu Zahlungsausfällen führen wird.

[2] Die heutigen Regierungen werden scheitern.

Wenn die Banken scheitern, werden auch die heutigen Regierungen scheitern. Zum Teil werden sie an den Versuchen scheitern, die Banken zu retten. Ein weiteres Problem werden sinkende Steuereinnahmen sein, weil weniger Waren und Dienstleistungen produziert werden. Die Finanzierung der Rentenprogramme wird immer schwieriger werden. All diese Probleme werden zu einer zunehmend kontroversen Politik führen. In einigen Fällen werden sich die Zentralregierungen auflösen und die Bundesstaaten und andere kleinere Einheiten, wie die heutigen Provinzen, auf sich allein gestellt zurücklassen.

Zwischenstaatliche Organisationen, wie die Vereinten Nationen und die NATO, werden immer weniger Gehör finden, bevor sie schließlich scheitern. Es wird für sie immer schwieriger werden, ausreichende Finanzmittel von den Mitgliedstaaten zu erhalten.

Diktaturen mit Führern, die absolute Macht ausüben, und Aristokratien, die von Führern mit erblichen Rechten regiert werden, sind die Regierungsformen mit dem geringsten Energiebedarf. Diese werden ohne fossile Brennstoffe wahrscheinlich häufiger werden.

[3] Fast alle heutigen Unternehmen werden scheitern.

Fossile Brennstoffe sind für alle Arten von Unternehmen unerlässlich. Sie werden bei der Gewinnung von Rohstoffen und beim Transport von Waren eingesetzt. Wir verwenden fossile Brennstoffe, um Straßen zu befestigen und fast alle heutigen Gebäude zu bauen. Ohne fossile Brennstoffe werden selbst einfache Reparaturen an der bestehenden Infrastruktur unmöglich. Ohne ausreichende fossile Brennstoffe laufen vor allem internationale Unternehmen Gefahr, in kleinere Einheiten zu zerfallen. Sie werden es unmöglich finden, in Teilen der Welt zu operieren, in denen es praktisch keine fossilen Brennstoffe gibt.

Fossile Brennstoffe werden sogar bei der Herstellung von Solarzellen, Windturbinen und Ersatzteilen für Elektrofahrzeuge verwendet. Von Solar- und Windenergie als “erneuerbaren Energien” zu sprechen, ist in hohem Maße irreführend. Bestenfalls kann man sie als “Verlängerer” der fossilen Brennstoffe bezeichnen. Sie können vielleicht das Problem eines geringen Angebots an fossilen Brennstoffen lösen, aber sie sind bei weitem kein adäquater Ersatz.

[4] Die Stromnetze und das Internet werden verschwinden.

Fossile Brennstoffe sind für den Betrieb des Stromübertragungsnetzes wichtig. Für die Wiederherstellung heruntergefallener Stromleitungen nach Stürmen werden zum Beispiel fossile Brennstoffe benötigt. Der Anschluss von Solarzellen oder Windturbinen an das Stromnetz erfordert fossile Brennstoffe. Haussolaranlagen können so lange betrieben werden, bis ihre Wechselrichter ausfallen. Sobald die Wechselrichter ausfallen, ist ihr Nutzen stark beeinträchtigt. Für die Herstellung neuer Wechselrichter werden fossile Brennstoffe benötigt.

Fossile Brennstoffe sind auch für die Aufrechterhaltung aller Teile des Internetsystems wichtig. Außerdem ist es ohne das Stromnetz unmöglich, Computer für die Verbindung mit dem Internet zu nutzen.

[5] Der internationale Handel wird stark zurückgehen.

In dieser Zeit des Jahres erinnern sich viele von uns an die Geschichte von den drei Königen aus dem Morgenland, die das Jesuskind mit wertvollen Geschenken besuchen. Wir erinnern uns auch an die Geschichten in der Bibel über Paulus, der in ferne Länder reiste. Aus diesen und vielen anderen Beispielen wissen wir, dass internationaler Handel und Reisen auch ohne fossile Brennstoffe möglich sind.

Das Problem ist, dass einige Teile der Welt ohne fossile Brennstoffe nur noch sehr wenig als Gegenleistung für Waren anbieten können, die mit fossilen Brennstoffen hergestellt wurden. Länder mit fossilen Brennstoffen werden schnell herausfinden, dass Staatsschulden von Ländern ohne fossile Brennstoffe nicht viel wert sind, wenn es um die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen geht. Infolgedessen wird sich der Handel auf die verfügbaren Exporte beschränken. Für Teile der Welt, die ohne fossile Brennstoffe auskommen, wird der Export von Waren wahrscheinlich sehr begrenzt sein.

[6] Die Landwirtschaft wird sehr viel weniger effizient sein.

Die heutige Landwirtschaft ist durch den Einsatz großer mechanischer Geräte, die in der Regel mit Dieselkraftstoff betrieben werden, und einer Vielzahl von Chemikalien wie Herbiziden, Insektiziden und Düngemitteln unglaublich effizient geworden. Darüber hinaus werden mit fossilen Brennstoffen hergestellte Zäune und Netze verwendet, um unerwünschte tierische Schädlinge fernzuhalten. In einigen Fällen werden Gewächshäuser verwendet, um ein kontrolliertes Klima für Pflanzen zu schaffen. Mit Hilfe fossiler Brennstoffe wird spezielles Hybridsaatgut entwickelt, das Eigenschaften hervorhebt, die die Landwirte für wünschenswert halten. All diese “Hilfsmittel” werden in Zukunft verschwinden.

Ohne diese Hilfen wird die Landwirtschaft viel weniger effizient sein. Abbildung 1 zeigt, dass selbst bei einem geringen Rückgang der Nutzung fossiler Brennstoffe im Jahr 2020 der Anteil der Landwirtschaft an der Beschäftigung zunimmt.

Abbildung 1. Weltweite Beschäftigung in der Landwirtschaft in Prozent der Gesamtbeschäftigung, wie von der Weltbank zusammengestellt.

Die Beschäftigung in der Landwirtschaft ist wichtig. Diese Arbeitskräfte wurden nicht entlassen, auch wenn Beschäftigte im Tourismus und in der Bekleidungsindustrie ihren Arbeitsplatz verloren, so dass der Anteil der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung stieg.

[7] Der künftige Arbeitskräftebedarf wird wahrscheinlich überproportional im Agrarsektor liegen.

Die Menschen müssen essen. Selbst wenn die Wirtschaft sehr ineffizient arbeitet, werden die Menschen Nahrung brauchen. Es ist zu erwarten, dass der Anteil der Menschen, die in der Landwirtschaft (einschließlich Jagen und Sammeln) tätig sind, beträchtlich steigen wird.

Manche Menschen hoffen, dass eine Umstellung auf Permakultur das Problem der Abhängigkeit der Landwirtschaft von fossilen Brennstoffen lösen wird. Ich sehe in der Permakultur eher eine Verlängerung der fossilen Brennstoffe als eine Lösung, um ohne fossile Brennstoffe auszukommen, denn sie setzt die Verwendung vieler auf fossilen Brennstoffen basierender Geräte voraus, wie z. B. moderne Zäune und die heutigen Werkzeuge. Außerdem löst die Permakultur das Problem der Ineffizienz bestenfalls teilweise, da sie eine große Menge an praktischer Arbeit erfordert.

Abbildung 2. Vergleich der Beschäftigung in der Landwirtschaft in den USA, als Anteil an der Gesamtbeschäftigung, mit einer vergleichbaren Relation für die am wenigsten entwickelten Länder der UN, basierend auf den Daten der Weltbank.

Heute besteht eine große Kluft zwischen dem Anteil der Beschäftigung in der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten und in der gleichen Statistik für die UN-Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder. Die meisten dieser Länder befinden sich in Afrika südlich der Sahara. Sie verbrauchen sehr wenig fossile Brennstoffe.

In den USA lag der Anteil der Beschäftigung in der Landwirtschaft zuletzt bei etwa 1,7 %. In dem Teil Europas, der den Euro verwendet, lag der Anteil der Beschäftigung in der Landwirtschaft in letzter Zeit im Durchschnitt bei 3,0 %. Sowohl in den USA als auch in Europa wäre ein enormer Wandel in der Beschäftigung erforderlich, um den Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung auf 70 % (wie Anfang der 90er Jahre in der am wenigsten entwickelten Gruppe der Vereinten Nationen) oder sogar auf 55 % (wie in letzter Zeit in derselben Gruppe) zu erhöhen.

[8] Das Heizen von Häusern wird zu einem Luxusgut, das nur den Wohlhabenden vorbehalten ist.

Ohne fossile Brennstoffe wird Holz wegen seines Heizwertes sehr gefragt sein. Holz wird zum Kochen von Lebensmitteln benötigt werden; es ist sehr schwierig, sich ausschließlich von Rohkost zu ernähren ( Link auf Catching Fire: How Cooking Made Us Human von Richard Wrangham). Holz wird auch für die Herstellung von Holzkohle gefragt sein, die wiederum zum Schmelzen bestimmter Metalle verwendet werden kann. Angesichts dieser Nachfrage nach Holz wird die Abholzung der Wälder in vielen Teilen der Welt wahrscheinlich zu einem großen Problem werden. Holz wird im Allgemeinen recht teuer sein, da die Kosten für die Ernte und den Transport über weite Entfernungen ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe beträchtlich sind.

Menschen, die in dünn besiedelten Waldgebieten leben, können vielleicht ihr eigenes Holz für die Hausheizung sammeln. Für andere Menschen wird das Heizen zu Hause wahrscheinlich zu einem Luxus, den sich nur die sehr Reichen leisten können.

[9] Alleinleben wird der Vergangenheit angehören.

Ohne genügend Wärme und mit kaum genügend Holz zum Kochen werden sich die Menschen (und ihre Tiere) noch mehr zusammendrängen müssen. Mehrgenerationenhäuser, die über einem Platz für die Haltung von Nutztieren gebaut werden, könnten wieder populär werden. Es wird effizienter sein, für große Gruppen zu kochen als für jeweils eine Person. Menschen in kalten Gegenden werden sich in Betten zusammenkuscheln, um sich warm zu halten. Oder sie kuscheln sich mit ihren Hunden zusammen, wie in dem Sprichwort “Three Dog Night” (dt. “Drei Hundenacht”), das eine Nacht meint, die so kalt ist, dass man drei Hunde braucht, um eine Person warm zu halten.

Selbst in den warmen Teilen der Welt werden die Menschen in Gruppen zusammenleben, weil die Führung eines Haushalts für eine einzelne Person einfach zu teuer wird. Lebensmittel und Brennstoff zum Kochen werden einen großen Teil des Familieneinkommens verschlingen. Für andere Ausgaben wird wenig übrig bleiben.

[10] Regierungen und ihre Gesetze werden an Bedeutung verlieren. Stattdessen werden neue Traditionen und neue Religionen eine größere Rolle bei der Aufrechterhaltung der Ordnung spielen.

Die Regierungen haben Dutzende von Versprechungen gemacht, aber ohne ein wachsendes Angebot an fossilen Brennstoffen (oder einen adäquaten Ersatz) werden sie diese nicht einhalten können. Die Renten werden wegfallen. Die Regierungen werden wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sein, Eigentumsrechte durchzusetzen. Ohne einen guten Ersatz für fossile Brennstoffe sind Massenunruhen wahrscheinlich.

Die Menschen sehnen sich nach Ordnung. Ohne Ordnung ist es unmöglich, Geschäfte zu machen. Aus jüngster Erfahrung wissen wir, dass “Nachhaltigkeitsgruppen”, die von Menschen mit einem gemeinsamen Interesse an Nachhaltigkeit gebildet werden, nicht gut genug funktionieren, um für Ordnung zu sorgen. Sie neigen dazu, sich aufzulösen, sobald Hindernisse auftauchen.

Was in der Vergangenheit offenbar funktioniert hat, um für Ordnung zu sorgen, ist eine Kombination aus Traditionen und Religionen. In einer sich wandelnden Welt werden sich wahrscheinlich sowohl die Traditionen als auch die Religionen ändern müssen. In dem Buch Communities that Abide von Dmitry Orlov et al. weisen die Autoren darauf hin, dass ein starker (nicht gewählter) Führer und gemeinsame religiöse Überzeugungen den Zusammenhalt einer Gruppe fördern. Es ist sogar hilfreich, wenn die Gruppe ein wenig verfolgt wird. Der Kampf für eine gemeinsame Sache ist Teil dessen, was die Gruppe zusammenhält.

Die Zehn Gebote in der Bibel werden in einer Weise ausgelegt, die stark darauf hindeutet, dass es sich um Regeln für das Verhalten innerhalb der Gruppe und nicht für das Verhalten im Allgemeinen handelt. Zum Beispiel gilt “Du sollst nicht töten” für andere Mitglieder der Gruppe; Kriege gegen andere Gruppen wurden sehr wohl erwartet. In diesen Kriegen wurde die Tötung von Mitgliedern einer anderen Gruppe erwartet. Dies scheint die Tötung von Mitgliedern der Hamas durch Israel heute zu erlauben. Da es nicht genügend fossile Brennstoffe gibt, werden die Kämpfe immer häufiger.

Fazit

Meiner Meinung nach steht die Welt heute vor einem Problem, mit dem auch kleinere Volkswirtschaften in der Vergangenheit immer wieder konfrontiert waren: Die Bevölkerung ist zu groß für die Ressourcenbasis der Wirtschaft geworden, zu der jetzt auch die fossilen Brennstoffe gehören. Die heutigen Staats- und Regierungschefs formulieren das Problem so, dass sie sich freiwillig von fossilen Brennstoffen abwenden, um den Klimawandel zu verhindern, damit die Situation weniger beängstigend klingt.

Meines Erachtens muss die Welt ihren Verbrauch an fossilen Brennstoffen reduzieren, denn letztlich bestimmen die Gesetze der Physik die Verkaufspreise für fossile Brennstoffe. Wir fördern zuerst die kostengünstig zu produzierenden fossilen Brennstoffe. Das Problem ist, dass die Verkaufspreise für fossile Brennstoffe nicht beliebig hoch ansteigen können. Die Preise müssen beides sein:

  • Hoch genug, damit die Produzenten einen Gewinn erzielen können, wobei Mittel für Reinvestitionen und angemessene Steuern für ihre Regierungen übrig bleiben.
  • Niedrig genug, damit die Verbraucher es sich leisten können, Lebensmittel und andere Konsumgüter zu kaufen, die mit diesen fossilen Brennstoffen hergestellt wurden.

Wenn wir davon ausgehen, dass alle fossilen Brennstoffe, die sich unter der Erde zu befinden scheinen, tatsächlich abgebaut werden können, könnte der Klimawandel durch ihre Verbrennung tatsächlich ein Problem darstellen. Aber es ist schwer vorstellbar, dass sie wirklich abgebaut werden können, wenn man die Frage der Bezahlbarkeit bedenkt. Die Politiker werden die Preise niedrig halten, um die Wähler dazu zu bringen, für sie zu stimmen, wenn sonst nichts [dagegen spricht].

Die Forscher haben fleißig nach Lösungen gesucht, aber bisher mit wenig Erfolg. Jede vermeintliche Lösung erfordert einen erheblichen Einsatz von fossilen Brennstoffen. Wir müssen also darüber nachdenken, was passieren könnte, wenn wir gezwungen sind, ohne fossile Brennstoffe und ohne einen angemessenen Ersatz auszukommen.

Ende der Übersetzung.

Nachbemerkung des Übersetzers

Zum Thema Energie und Arbeitsproduktivität möchte ich hier insbesondere auf das Beispiel mit den drei verschieden Energieintensiven Methoden des Kühemelkens in Zum Thema CO2-Bepreisung hinweisen. Wie man dort sehen kann, schrumpft die Produktivität energieintensiver Methoden bei steigenden Energiepreisen rasant.

Weil Deutschland so gut wie keine eigenen Rohstoffe mehr hat und z.B. im Vergleich zu Indien relativ weit im Norden liegt, können die Deutschen nur hoffen, dass das Klima wirklich wärmer wird und dass die Winter in der höheren Breiten milder werden, weil damit der Energieaufwand wegen der Winter reduziert und zugleich die Wachstumstperiode der Pflanzen verlängert werden kann. Dass man in Deutschland einen großen Aufwand treibt um eine Klimaerwärmung zu verhindern ist vor dem Hintergrund des Endes des wirtschaftlich nutzbaren fossilen Energiequellen sehr unvernünftig. Klimaerwärmung bedeutet nämlich nur, dass das Klima in den höheren Breiten ausgelichener und dem Klima am Äquator etwas ähnlicher wird. Das Klima am Äquator wird sich dagegen bei einer “globalen Erwärmung” NICHT wesentlich ändern.  Siehe dazu auch meinen Artikel Die Klimaschlittenfahrt.

Was man angesichts des Versiegens der wirtschaftlich nutzbaren fossilen Energiequellen tun könnte wäre

Es gibt natürlich auch noch einige anderem Möglichkeiten. Für den Bereich Medizin könnten z.B. meine Artikel Mehrzweckwaffe gegen Viren und Bakterien sowie Das Universelle Gegenmittel inspirierend sein.

Im Zeitalter fossiler Brennstoffe ist auch sehr viel zeitloses, über dieses Zeitalter hinaus wichtiges und wertvolles Wissen gewonnen worden. Das kann man sammeln, ordnen und nutzen lernen. Wenn man das gut macht, kann man den Lebensstandard, die Lebensqualität und die Gesundheit in der Zeit nach dem Ende der Verfügbarkeit billiger fossiler Energieträger sehr verbessern.

Die Erschöpfung der wirtschaftlichen noch nutzbaren fossilen Energiequellen ist nicht auf zu halten. Man kann aber die Geschwindigkeit und die Höhe der Kollateralschäden auf dem Weg in das postfossile Zeitalter durchaus noch sehr positiv beeinflussen und man kann auch das dann noch hier in Deutschland und Europa mögliche zivilisatorische Niveau auf verschiedene Weise positiv beeinflussen.

Das aktuelle Wichtigste wäre aus deutscher Sicht ein politischer Seitenwechsel, ähnlich wie bei der Konvention von Tauroggen, bei der am 30.12.1812 der preußische General York faktisch aus dem Zwangsbündnis Preußens mit Napoleon ausgetreten ist. Gut ein Jahr später, am 1.1,.1813 hat das eben diesem General York unterstellte preußische  Armeekorps  dann mit Hilfe russischere Pioniertruppen bei Kaub den Rhein überquert. Yorks Armeekorps war damals eines von 4 Korps der schlesischen Armee, die von dem preußischen Marschall Blücher geführt wurde. Die anderen Korps dieser Armee, die ebenfalls Anfang Januar 1813 den Rhein überquert haben, waren  russische Korps. Der Krieg in dem diese schlesische Armee mit ihren preußischen und russischen Truppen 1813/1814 kämpfte war Teil der deutschen Befreiungskriege. Russland war somit 1812/1813 ebenso wie 1941/1945  ganz entscheidend an der Befreiung Deutschlands beteiligt.

Wenn Deutschland heute noch eine Zukunft haben und das Ende der Verfügbarkeit fossiler Energieträger mit alle seinen Folgen hinauszögern will, dann wird man in Deutschland an die Geschichte der Konvention von Tauroggen anknüpfen müssen. Wenn man das, wie derzeit leider zu erwarten, nicht tun wird, dann wird die von Gail Tverberg beschriebene Entwicklung beschleunigt und verschlimmert.  Eine Ironie der Geschichte wird dann sein, dass eben nicht die AfD sondern die Folgen der Politik von Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU   sehr, sehr viele Zugewanderte dazu bringen wird Deutschland wieder zu verlassen. Und dass dann nicht weil sie, wie von den bösen Rechten geplant dafür belohnt werden, sondern weil sie aus Angst vor Hunger, Kälte und Not fliehen. Man bedenke dazu, dass  Deutschland bis zum Beginn der Nutzung billiger fossiler Energie ein Auswanderland war. Das heißt,  früher sind Deutsche nach Amerika, nach Russland und auf den Balkan ausgewandert, weil in dem damals, in der Zeit vor der Nutzung fossiler Energieträger, noch drastisch dünner besiedelten  Deutschland Hunger, Elend und Not das Leben schwer und oft unerträglich gemacht haben.

Hier in der Eifel gibt es eine kleine Kapelle und eine Infotafel die daran erinnert, dass dort noch vor 170 Jahren ein  Dorf war, das verschwunden ist weil seine Bewohner alle ausgewandert sind weil sie so arm waren und hier in Deutschland keine Zukunft mehr sahen: Zur Geschichte des untergegangenen Dorfes Allscheid.

Kelberg den 25.1.2024

Christoph Becker

Nachträge

  • www.anti-spiegel.ru/2024/die-gasknappheit-in-europa-duerfte-sich-verschaerfen/
  • tkp.at/2024/01/27/warum-die-energiewende-zurueck-ins-mittelalter-fuehrt/
  • www.artberman.com/blog/draining-america-first-the-beginning-of-the-end-for-shale-gas/  Zitat “Die Schiefergasvorkommen [der USA] sehen allmählich wie ein Friedhof aus. Die einstigen Weltklasselagerstätten Barnett und Fayetteville werden in den USA nicht mehr als Schiefergasvorkommen bezeichnet. Utica scheint auf den gleichen Zombie-Status zuzusteuern.Diese Studie deutet darauf hin, dass die Erwartungen an die künftige Schiefergasproduktion in den USA möglicherweise zu hoch sind und die Reserven zu hoch angesetzt sind. Die geplante Steigerung der Exporte um 15 Mrd. Kubikmeter pro Tag wird das künftige Angebot ernsthaft unter Druck setzen, unabhängig davon, ob die Produktion bereits zurückgegangen ist oder nicht.

    In einem kürzlich erschienenen Beitrag habe ich darauf hingewiesen, dass die Signale für die Zukunft der Tight Oil-Produktion gelb, wenn nicht sogar rot blinken. Jetzt scheint es, als gäbe es ähnliche Gefahrenzeichen für Schiefergasvorkommen.

    Ich hoffe, dass das US-Energieministerium seine Einschätzung der künftigen Gasversorgung überprüft und aktualisiert, bevor es weitere Exportanträge genehmigt. Amerika zuerst auszutrocknen ist eine schreckliche Idee.”

     

    Faktisch können und sollten sich die USA  die Steigerung der Flüssiggas-Exporte nach Europa nicht mehr leisten.




Die Deindustrialisierung Deutschlands hat begonnen

 Ich habe hier eine am 3. Juli 2023 unter dem Titel The deindustrialization of Germany has begun (dt.: Die Deindstrialsierung Deutschlands hat begonnen) veröffentlichte, gut 19 Minuten dauernde Diskussion von Alex Christoferou und Alexander Mercouris auf The Duran übersetzt und ich habe diese durch einige weiterführende Links und Anmerkungen ergänzt.

Die Diskussion auf The Duran

Titel des Originals:  The deindustrialization of Germany has begun

Links auf das Original:

Alex Christoforou: [00:00:00] Also gut, Alexander, lass uns über die Deindustrialisierung Deutschlands sprechen, ein Begriff, den wir, glaube ich, geprägt haben. Ich glaube, das waren wir.

Alexander Mercouris: [00:00:12] Ja, ich glaube, das haben wir.

Alex Christoforou: [00:00:12] Von Deutschland? [00:00] Ja. Vor über einem Jahr haben wir angefangen, darüber zu reden. Und tatsächlich, jetzt ist es soweit. Es sieht so aus, als ob wir am Anfang vom Ende der einst großartigen [00:00:30] Produktionswirtschaft angekommen sind. Der Grund dafür ist, glaube ich, ein Bericht der Financial Times über die Kapitalflucht, die in Deutschland stattfindet. So gut wie niemand will mehr in Deutschland investieren. Das ist ganz einfach.

Alexander Mercouris: [00:00:49] Auf jeden Fall. Nun, ich kann nur sagen, dass das erstaunlich ist. Das ist eine unglaubliche Situation. Kapitalflucht aus Deutschland. Wann hat es das zuletzt gegeben? Ich meine, Deutschland ist [00:01:00] der Ort, zu dem das Kapital geht. Es ist nicht die Art von Ort, wo das Kapital abwandert. Kapitalflucht aus Deutschland ist ein fast unerhörtes Konzept. Ich meine, soweit ich mich erinnern kann, muss man bis zur Krise der 1920er und 30er Jahre zurückgehen, um so etwas zu erleben. Ich meine, Deutschland war schon immer ein guter Ort für Investitionen. Es war schon immer ein guter Ort, um Geschäfte zu machen. Es mag in mancher Hinsicht sehr reguliert sein, aber die Dinge sind sehr geordnet, sehr strukturiert, sehr gut organisiert. Weißt du, wenn ich mit [00:01:30] Geschäftsleuten spreche. Sie werden dir immer sagen, dass es schon immer eine gute Idee war, ein Unternehmen in Deutschland zu gründen. Nun, das ist jetzt vorbei, wie es scheint. Es scheint auch, dass viele der Leute, die jetzt ihr Geld aus Deutschland abziehen, Deutsche sind, insbesondere Industrielle, die Industriekonzerne in Deutschland. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass die Zukunft der Großindustrie in Deutschland, der großen Fertigungsindustrien in Deutschland, [00:02:00] nicht gut ist. Und es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Ich meine, sie haben den Zugang zum Gas verloren, zu billigem russischen Gas. Ihre Aussichten, ihre sehr erfolgreichen Wirtschaftsbeziehungen mit China fortzusetzen, werden nun zunehmend in Frage gestellt. Die deutsche Regierung selbst findet es extrem schwierig, mit den ständig wachsenden finanziellen Anforderungen Schritt zu halten [00:02:30]. Denk daran, dass Deutschland durch seine Verfassung gezwungen ist, nur ein sehr, sehr geringes Defizit zu haben, und dass es sein Haushaltsdefizit relativ schnell wieder in einen Überschuss umwandeln muss. Das schränkt den finanzpolitischen Handlungsspielraum Deutschlands ein. Das Land hat auch nicht viel geldpolitischen Spielraum, denn natürlich wird die deutsche Geldpolitik jetzt von der Europäischen Zentralbank betrieben, [00:03:00] die zwar ihren Sitz in Frankfurt hat, aber die für die Eurozone und nicht nur für Deutschland zuständig ist.

Ich denke, die Lage wird sehr schwierig, und natürlich wird es in Deutschland schwierig. Es wird in der gesamten Eurozone schwierig. Was die Situation in Deutschland jetzt besonders schwierig macht, ist, dass wir auch einen [00:03:30] weltweiten Rückgang der Produktion erleben. Ich meine, die Produktion in Europa schrumpft jetzt. In China sehen wir auch eine Schrumpfung, oder zumindest läuft es auch dort nicht gut. Die Daten zum verarbeitenden Gewerbe in China waren schwach. Die Zahlen aus den Vereinigten Staaten haben viel Verwirrung gestiftet. Es gibt Hinweise darauf, dass die Beschäftigungszahlen in den Vereinigten Staaten falsch sind. Ich denke, dass viele Leute das erwartet haben und glauben, dass es [00:04:00] Anzeichen dafür gibt, dass die Produktionstätigkeit in den Vereinigten Staaten wieder etwas aufflackert. Aber ich habe gesehen, dass Peter Schiff sagt, dass dies nur die Folge der Versuche ist, die Militärproduktion zu erhöhen, um Aufträge für die Ukraine zu erfüllen. Das ist also alles, was offenbar vor sich geht. Ich meine, ich bin mir da nicht sicher, aber in den USA sieht es auch nicht sehr gut aus. Natürlich sehen wir auch, dass trotz der wiederholten Kürzungen der Ölproduktion durch die [00:04:30] OPEC-Plus die Ölpreise nicht steigen können. Ich muss sagen, es sieht für mich immer mehr so aus, als ob wir auf eine sehr, sehr große Rezession zusteuern, eine globale Rezession, in der Tat. Und wenn Deutschland, das mit all diesen speziellen Problemen bereits ein Ausreißer ist, mit einer globalen Rezession konfrontiert wird, die vor allem [00:05:00] das verarbeitende Gewerbe treffen wird, dann wird das natürlich den ganzen Prozess, über den wir gerade gesprochen haben, in Gang setzen. Eine weitere Spirale nach unten.

Alex Christoforou: [00:05:08] Richtig. Du denkst also, dass die Ursache für diese Flucht nicht so sehr mit Russland und der Ukraine zu tun hat, sondern eher mit den globalen Aussichten

Alexander Mercouris: [00:05:21] Nein, ich denke, das hängt alles miteinander zusammen. Ich denke, dass die Ukraine-Krise, [00:05:30] die Russland-Krise und der Sanktionskrieg die Probleme, die nach der Pandemie und nach all den langen Jahren der hohen Liquidität im Geldsystem ohnehin aufgetreten wären, massiv verschärft haben. Und natürlich die massiven Mehrausgaben, die die Regierung Biden in ihrem ersten Jahr getätigt hat. Aber all das [00:06:00] hätte sich in Grenzen halten lassen. Aber natürlich die Auslösung eines globalen Wirtschaftskriegs, der sich übrigens weiter verschärft, ein globaler Wirtschaftskrieg, in dem überall Sanktionen verhängt und Menschen mit Sanktionen an allen möglichen Orten bedroht werden, bringt das Welthandelssystem völlig durcheinander und führt, wie wir in vielen Sendungen besprochen haben, zu einem Zusammenbruch der Dollar-Dominanz. Ich denke, das führt zu [00:06:30] Zukunftszweifeln in der ganzen Welt, weshalb wir einen allgemeinen weltweiten Rückgang der Produktion beobachten, außer paradoxerweise in Russland, das hier einen Ausreißer darstellt. Aber ich denke, dass Deutschland, wenn man so will, an der Spitze dieser Entwicklung steht, denn was Deutschland mit den russischen Sanktionen und der Politik, die es [00:07:00] betrieben hat, und einigen seiner innenpolitischen Maßnahmen wie der Abschaltung seiner Atomkraftwerke und all dem Rest. Ich denke, das hat dieser ganzen Sache eine massive zusätzliche Wendung gegeben, die besonders Deutschland betrifft.

Wie ich schon sagte, besteht die Gefahr, dass man in eine Schleife gerät. Deutschlands Handlungen haben Deutschland also nach unten gezogen. Deutschlands Handlungen in Verbindung mit allen anderen Staaten, den westlichen Staaten, tragen [00:07:30] zu einer weltweiten Rezession bei. Und diese Rezession wird dann auf Deutschland zurückwirken und es noch weiter und schneller nach unten ziehen. Man sieht also, wie so etwas passieren kann. Weißt du, eine Sache kommt zu der anderen. Nebenbei bemerkt ist es immer noch Zeit, den Kurs zu ändern, aber die Zeit läuft schnell ab.

Und ich würde sagen, du hast absolut Recht. Wir haben diesen Satz (mit der Deindustrialisierung) letztes Jahr geprägt, aber ich bin überrascht, wie schnell sich die Ereignisse jetzt [00:08:00] abspielen.

Alex Christoforou: [00:08:01] Ja. Und das Ziel ist nicht, das Problem zu beheben. Es geht sogar in die entgegengesetzte Richtung. Das kann man am 11. Sanktionspaket sehen, das zeigt, dass die EU-Führung völlig außer Kontrolle ist. Zwei Deutsche sind in dieser Führung, Ursula von der Leyen und Olaf Scholz. Wenn man Olaf Scholz als EU-Führer betrachtet – Deutschland ist der EU-Führer.

Alexander Mercouris: [00:08:26] Oh, absolut.

Alex Christoforou: [00:08:27] Wir haben also zwei Deutsche, die nicht nur [00:08:30] ihr Land zerstören, sondern auch die Europäische Union und die Welt in eine globale Rezession treiben, die im Wesentlichen die Welt außerhalb des kollektiven Westens dazu zwingt, die kollektiven westlichen Strukturen zu verlassen .[undeutlich].. BRICs, die SCO und BRICs Bank und all diese Dinge. Ja, das ist eine Katastrophe, aber niemand ist bereit, diese Leute zu entfernen, damit man [00:09:00] die Dinge wieder auf Kurs bringen könnte. Niemand.

Alexander Mercouris: [00:09:02] Nein, niemand tut das. Du hast es perfekt zusammengefasst. Ich meine, du hast eine absolut korrekte Zusammenfassung dessen geliefert, was passiert. Aber in einem politischen System, wie wir es jetzt im Westen haben, in dem Optionen und Alternativen blockiert sind, ist es unglaublich schwierig, den Kurs zu ändern. Und das ist das Problem, das wir sehen. Es gibt Zeit und Raum, in dem das möglich ist. Eine Wende wäre möglich, wenn [00:09:30] wir einen neuen Bundeskanzler in Deutschland hätten, der andere Prioritäten hätte und sofort sagen würde: “Das ist weit genug gegangen, wir müssen zum Telefon greifen und mit den Russen reden, versuchen zu klären, was wir mit Nord Stream machen können, alle Sanktionen beiseite legen, eine vernünftige Verhandlungslösung für die Ukraine aushandeln, nach einer Sicherheitsstruktur suchen, einer neuen Sicherheitsstruktur in Europa. All diese Dinge. Übrigens, früher wäre das alles nicht so [00:10:00] schwierig gewesen. Ich meine, ein Willy Brandt hätte es tun können. Ein Helmut Schmidt hätte es in einer anderen Weise tun können, aber auch ein Konrad Adenauer hätte es tun können. Aber nichts davon passiert jetzt, weil die politischen Systeme, natürlich nicht nur in Deutschland, sondern so ziemlich überall, außer vielleicht in den Vereinigten Staaten, die Art von Debatten [nicht] zulassen, die diese Art von Veränderung [00:10:30] möglich machen. Die einzige Möglichkeit, wie es dazu kommen könnte, wäre, dass das politische System komplett umkippt, zum Beispiel durch einen Sieg der AfD in Deutschland, was etwas wahrscheinlicher wird, obwohl es immer noch sehr unwahrscheinlich ist, dass es in der näheren Zukunft passiert. Eine Frage ist außerdem, ob die AfD im Moment überhaupt in der Lage wäre, in Deutschland eine Regierung zu bilden. [00:11:00] Und natürlich ist da auch noch die Frage von Marine Le Pen. Wenn es nicht zu einem sofortigen Zusammenbruch in Frankreich kommt, dann kann sie frühestens 2027 Präsidentin werden, und das ist noch sehr weit weg. Allerdings gab es in den britischen Medien heute Artikel, die darauf hindeuten, dass es zu einem baldigen Zusammenbruch in Frankreich kommen könnte.

Alex Christoforou: [00:11:22] Ja. Weißt du, eine andere Sache, die wir gesagt haben, als dieser ganze Konflikt begann, war, dass der Zweck [00:11:30] des Konflikts tatsächlich darin besteht, Russland draußen zu halten, die USA drinnen zu halten – das NATO-Mantra, die USA drinnen zu halten und Deutschland zu zerstören.

Ich denke auch, das klar wird, dass ein anderer Teil des Konfliktes darin besteht, dass der kollektive Westen es scheinbar in Ordnung findet dass die Ukraine zerstört wird. Ich denke es wird nun ebenfalls klar, dass das was sie in der der Ukraine jetzt sehen, nicht gewinnbar ist. Daher ist der Wechsel der Politik nun dahingehend, dass wir was auch immer die Russen von der Ukraine wegnehmen, nennen wir es Neurussland, besser zerstören und dass wir nicht versuchen, es zu erhalten oder dass wir versuchen, diese Sache zu gewinnen.

Also, ich meine, sie zerstören definitiv Deutschland. Sie zerstören die Ukraine. Sie [00:12:30] halten die USA in Europa, was nicht gut für die Amerikaner ist. Es klingt, als wäre das eine gute Sache, wenn die Amerikaner sagen: Ja, wir haben jetzt Europa. Großartig. Nein, nein. Das Letzte, was man sich wünscht, ist eine dysfunktionale Europäische Union. Ich meine, das ist keine gute Sache für die Vereinigten Staaten von Amerika. Aber das ist es, was sie jetzt bekommen. Sie besitzen Europa. Ihnen gehört, was von der Ukraine übrig ist. Und die 150 oder 300 Milliarden, [00:13:00] welche Zahl man auch immer nehmen will, von allem, was sie in die Ukraine gesteckt haben – eine Katastrophe.

Alexander Mercouris: [00:13:05] Nun, auf jeden Fall. Ich meine, ein zerrüttetes Europa ist absolut nichts, was die Vereinigten Staaten wollen sollten. Ich meine, das wäre sogar eine komplette Umkehrung der US-Politik. Es gab einmal eine Zeit, in der die USA von ganz anderen Leuten geführt wurden, von Leuten wie George Marshall, Dwight Eisenhower, John Kennedy, die daran glaubten, Europa aufzubauen und nicht zu zerstören. Und, weißt du, das [00:13:30] schuf eine große Periode des Wohlstands und der Prosperität, die den Wohlstand in den Vereinigten Staaten erhöhte. Ein zerrüttetes Europa wird für die Vereinigten Staaten eine Last und keine Stütze sein. Es wird sie nach unten ziehen. Und natürlich, wenn es politisch immer instabiler wird, was es mit der Zeit zwangsläufig wird, dann käme zu den wirtschaftlichen Problemen noch eine Reihe weiterer hinzu. Das ist also eine völlig falsch verstandene, fehlgeleitete [00:14:00] Politik. Aber ich stimme dem zu, was du sagst. Und ich stimme zu, dass dies so funktioniert, wie es sich vielleicht einige Leute erhofft haben, auch wenn sie Amerika ein vergiftetes Geschenk machen. Aber ich möchte auch sagen, dass ich froh bin, dass du die Ukraine angesprochen hast. Ich bin sicher, du hast diese Umfrage dieses Instituts in Kiew gesehen. Es ist wichtig zu betonen, dass dies eine ukrainische Umfrage ist. Man hat in der ganzen Ukraine [00:14:30] eine Umfrage durchgeführt. Ob die Leute jemanden kennen, der im Laufe des Konflikts getötet oder verwundet wurde. Die Zahlen sind erschreckend. Sie sind von etwa 9 % der Befragten im Herbst auf, ich glaube, 78 % angestiegen. Ich meine, es sieht wirklich so aus, als ob die Ukraine dabei ist, völlig zerstört zu werden. Dabei sollte dieser ganze Konflikt [00:15:00] eigentlich dazu dienen, die Ukraine zu erhalten. Er bewirkt genau das Gegenteil.

Alex Christoforou: [00:15:07] Das ist es nicht. Wir wissen es. Nun, wir haben es von Anfang an gesagt. Ja, ich weiß. Das ist es, was sie den Leuten verkauft haben. Weißt du, Tucker Carlson hat neulich seinen Monolog auf Twitter gehalten und das Gleiche gesagt. Sie haben dem amerikanischen Volk verkauft, dass es bei diesem ganzen Konflikt um die ukrainische Demokratie und die Bewahrung der ukrainischen Demokratie und all diese Dinge geht, und dann hat er festgestellt, dass Selenskyj die Wahlen abgesagt hat. [00:15:30] Offensichtlich geht es also nicht um Demokratie, aber es ging immer um einen Regimewechsel in Russland. Das haben wir letztes Wochenende mit der ganzen Prigoschin-Sache gesehen. Wir werden das nicht noch einmal thematisieren. Aber wie begeistert waren sie von der Aussicht auf eine Art Regimewechsel, denn darum ging es bei dieser ganzen Sache. Regimewechsel in Russland und dann Plünderung und Ausbeutung aller russischen Ressourcen. Und dann, wenn sie mit der Plünderung und Ausbeutung aller russischen Ressourcen fertig sind, [00:16:00] zerlegen sie Russland in 100 verschiedene Mikrostaaten, genau wie sie es mit dem Balkan gemacht haben. Ja, sie nehmen den Plan, den sie auf dem Balkan aufgestellt haben und übertragen ihn auf Russland. Dabei ist er auf ganzer Linie gescheitert. Sie sollten diese Sache in Ordnung bringen. Es ist ganz einfach. Du und ich, wir könnten Europa in Ordnung bringen. Ganz einfach. Stoppt das Geld für die Ukraine, stoppt die Waffen [00:16:30] für die Ukraine, zwingt Selenskyj, zwingt ihn. Innerhalb von 24 Stunden wird er gezwungen sein, Putin anzurufen und zu sagen: Putin, bitte, bitte lass mich nach Moskau kommen und mich mit dir treffen. Das ist das eine, was man tun muss. Und dann entlässt man van der Leyen, man entlässt Scholz, man entlässt die Grünen, man entledigt sich all dieser Leute. Das ist alles, was man tun muss. Von der Leyen und die Scholz-Grüne-Regierung müssen weg, und die Dinge werden anfangen, sich in die richtige Richtung zu bewegen.

Alexander Mercouris: [00:17:00] Absolut.

Alex Christoforou: [00:17:01] Ich übertreibe ein bisschen, aber.

Alexander Mercouris: [00:17:04] Nein, das tust du nicht.

Alex Christoforou: [00:17:04] Du verstehst was ich meine.

Alexander Mercouris: [00:17:05] Du übertreibst überhaupt nicht. Ich kann nur sagen, wenn man all diese Dinge tut und wie du gesagt hast, bleibt das im Bereich des politisch Möglichen oder dessen, was früher einmal politisch möglich war. Ich meine, weißt du, wenn wir einen JFK (John F. Kennedy) im Weißen Haus hätten, wäre es machbar. Ich meine, es wäre absolut machbar.

Alex Christoforou: [00:17:25] Wir haben einen RFK Jr. (Robert F. Kennedy Jr.).

Alexander Mercouris: [00:17:26] Nun, vielleicht. Wir werden sehen, vielleicht. Aber wenn [00:17:30] man so jemanden hätte und ein politisches System, das ihn unterstützt, wie wir es einst hatten, dann wäre so etwas möglich. Ich meine, man erinnere sich: Richard Nixon ist nach Peking gereist. Ich meine, das war eine mindestens ebenso große politische Kehrtwende wie die, von der du sprichst. Aber ich möchte noch etwas anderes sagen. Wenn wir all diese Dinge tun würden, all die Dinge, die du gesagt hast. Dann würde sich die Weltwirtschaft sofort wieder erholen. Wir würden sehen, dass aus dem derzeitigen Abwärtssog [00:18:00] eine Welle des Vertrauens entstehen würde. Die Menschen würden anfangen, Geld auszugeben, zu investieren und Unternehmen zu gründen. Und wenn man versuchen würde, den Geldüberhang zu beseitigen, der durch das Jahrzehnt von QE (Quantitative Easing) und die überhöhten Staatsausgaben entstanden ist, die wir ebenfalls gesehen haben. Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Geld aufzusammeln. Es ist nicht so herausfordernd oder [00:18:30] so schwierig, wie die Leute denken. Die gesamte Weltwirtschaft könnte unglaublich schnell ihre Richtung ändern, so wie es nach dem Zweiten Weltkrieg und in den 1980er Jahren der Fall war. 

Alex Christoforou: [00:18:40] Ja, ich stimme zu. Ich stimme zu. Die Dinge würden sich sehr, sehr schnell ändern. Aber wir bewegen uns in die komplett entgegengesetzte Richtung. 

Alexander Mercouris: [00:18:49] Ganz genau. Wir verstärken die Positionen, die die Dinge noch schlimmer machen. 

Alex Christoforou: [00:18:56] Ja. Also gut. Wir werden es an dieser Stelle beenden.

Der Umfang der Kapitalflucht

125 Milliarden Euro entsprechen 125.000 Millionen. Das ist so als hätten 125.000 Bürger reiche Bürger jeweils eine ganze Million Euro ins Ausland transferiert um das Geld dort zu investieren.

Deutschsprachige  Artikel zur Kapitalfluchtmeldung

  1. https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/kapitalflucht-aus-deutschland-investoren-verlassen-das-land-und-wetten-auf-die-naechste-euro-krise-li.363821
  2. https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/703788/Institut-der-deutschen-Wirtschaft-Investoren-fluechten-aus-Deutschland
  3. https://www.telepolis.de/features/Kapitalabfluss-auf-Rekordniveau-Standort-Deutschland-wird-unattraktiv-9204852.html

Das zu wenig beachtete Energieproblem

In einem Punkt kann ich Alexander Mercourius und Alex Christoferou nicht zu zustimmen:

Einen großen Aufschwung kann es meines Erachtens nicht mehr geben, weil die Kosten für die Produktionskosten für die fossilen Energieträger aus Sicht der westlichen Staaten inzwischen zu hoch sind. Energie ist nicht irgend ein Rohstoff, sondern es ist das wichtigste Betriebsmittel menschlicher Gesellschaften. Fossile Energie ist dabei nach wie vor die mit sehr weitem Abstand beste und wichtigste Energiequellen. Man kann die fossile Energie in der Praxis nicht ersetzen. Die “erneuerbaren Energien” sind letztlich nur Spielereien, die man sich überhaupt nur leisten kann, weil und solange man genug billige fossile Energie hat. Ausnahme sind die Techniken und Methoden, mit denen man Wind, Sonne und Wasserkraft vor Beginn des Industriezeitalters genutzt hat: Die klappernde Mühle am rauschenden Bach, die hölzernen Windmühlen, die man früher in den Niederlanden, in Flandern und in Norddeutschland verwendet hat sowie Segelschiffe.

Alle modernen Formen der Nutzung “erneuerbarer Energien” erfordern dagegen große Mengen ausreichend billiger fossiler Energie. Dazu einige Beispiele: Die Bergwerke und Tagebaue für die Erzgewinnung (siehe z.B. Monster Truck: größter Muldenkipper der Welt – Welt der Wunder https://youtu.be/MB6DeGV7TWo)

Es geht über die Straßenbaumaschinen, Schwertransporter und Kräne und andere fast immer mit Diesel getriebene Fahrzeuge für die Montage, Instandhaltung, Reparatur und Demontage von Windkraftanlagen.  Andere Beispiele sind Zementfabriken und Stahlfabriken, ohne deren Produkte man weder moderne Wasserkraftanalgen noch noch moderne Windkraftanlagen bauen kann.

Ich denke dabei z.B. an eine Schautafel an der Olef-Talsperre in der Eifel (https://de.wikipedia.org/wiki/Oleftalsperre ), die 1954 – 1959 gebaut wurde und die dann 1962–1965 und 1982–1986 aufwendig verstärkt bzw. repariert werden mußte. Oder ich denke an den Bauern, den ich hier in der Eifel dabei beobachtet habe, wie er mit einem mit Diesel angetriebenen Traktor mit Anhänger zu einem in einem Getreidefeld stehenden Windkraftwerk fuhr, um dort dann die zu dem Windkraftwerk gehörtende Grasfläche mit einem Benzin getriebenen Aufsitzrasenmäher zu mähen.

Ein anderer grüner Wahnsinn sind die die so gut wie immer leeren, über 10 Tonnen schweren, dieselgetriebenen Omnibusse, die hier in der Eifel nun seit einigen Jahren an 7 Tagen in der Woche alle 2 Stunden fahren und völlig unnötig die Luft verpesten und kostbares fossile Energie verschwenden, weil irgend welche völlig praxisfernen rot-grünen Verkehrsplaner das für eine gute Idee halten.

Der Ukrainekrieg ist natürlich das Sahnehäubchen rot-grün-westlicher Umwelt-, Energie, Menschlichkeit und Friedenspolitik.

Einen sehr guter Kommentar von Douglas MacGregor (Politikwissenschaftler, Oberst a.D. der US-Army, spricht Deutsch und war lange in Deutschland, war von US-Präsident Donald Trump als amerikansicher Botschafter in Deutschland vorgesehen) zum Sinn und Ziel des Ukrainekrieges, den ich heute auf de.rt.com gefunden habe: Worum es im Ukraine-Krieg wirklich geht: BlackRock-Eliten und Petrodollar stehen vor dem Aus.

Ziel des Ukrainekrieges, war also, genauso wie bei Hitlers Angriff auf die UdSSR, letztlich der Zugriff auf die russischen Rohstoffe (siehe meine Übersetzung Blut für Öl) . Wie neulich auf dem Telegramkanal von Alina Lipp zu erfahren war, waren die Vorkommen fossiler Energie im Donbas-Gebiet auch der Grund dafür, warum die Ukraine und der Westen Zugriff auf diese Gebiete behalten bzw. haben wollten:

  1. https://t.me/neuesausrussland/15024
  2. https://t.me/neuesausrussland/15026
  3. https://t.me/neuesausrussland/15028

Es ist schon megakrass und unerträglich, dass eine von den deutschen Grünen gestellte Aussenministerin sich vor diesen Hintergründen dafür einsetzt, die offenbar gegen die Interessen der Bevölkerung und Umwelt in der Ukraine agierende Regierung mit deutschen Geschützen, Panzern, Munition und massiver Finanz- und Militärhilfe zu versorgen, anstatt im Sinne des deutschen Grundgesetzes und im Sinne der Tradition bismarckscher Aussenpolitik, die Interessen aller Seiten zu erkunden und so weit wie irgendmöglich zu beachten, um so auch optimal die Interessen Deutschlands zu vetreten.

Damit bin ich etwas vom Thema abgekommen. Das Zentrale Problem ist nämlich die zunehmende Erschöpfung der fossilen Energiequellen kombiniert mit der Unmöglichkeit diese zu ersetzen.

Dazu habe ich auf hier auf freizahn.de in der Vergangenheit eine eine ganze Menge zusammengetragen. Hier einige Beispiele, zusätzlich zu dem oben schon verlinkten Blut für Öl:

  • Erschöpfung: Das Schicksal des Ölzeitalters. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass der Energieaufwand für die Produktion von Öl immer weiter steigt. Man kann Anhand der historischen Entwicklung des Ölpreises, kombiniert mit dem Energieinhalt von einem Fass Erdöl zeigen, dass die Ölförderung irgendwann zwischen 2025 und 2032 im globalen Mittel unrentabel wird. Man wird von da im Durchschnitt mehr Energie für die Ölförderung aufwenden müssen als mit der Förderung gewonnen wird. Die Ölförderung ist dann im globalen Mittel keine Energiequelle mehr. Einzelne Ölfelder werden natürlich auch danach noch wirtschaftlich nutzbar sein, aber dennoch wird die geopolitische und wirtschaftliche Auswirkung wahrscheinlich ziemlich  gravierend sein.
  • Der aufziehende Sturm am Ölhimmel. In der dort zitierten Studie wird gezeigt, dass die Entwicklung der Ölförderung in Russland und in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetuntion und die Entwicklung von deren Eigenverbrauch in den nächsten Jahren dazu führen werden, dass diese Länder kein Öl mehr haben werden, das sie in die EU exportieren können.
  • Zum Thema CO2-Bepreisung. Unter anderem wird dort an einem praktischen Beispiel gezeigt, wie sehr die Rentabilität leistungsstarker moderner Maschinen und Produktionsprozesse von der Entwicklung des Energiepreises abhängt.

Vor dem Hintergrund der absehbaren Entwicklung am Energiemarkt glaube ich nicht, dass es noch einmal einen Wirtschaftsaufschwung wie nach 1945 geben kann.

Man könnte allerdings die Höhe der Verluste und die Geschwindigkeit des Absturzes Deutschlands und der deutschen Wirtschaft ganz erheblich reduzieren, wenn man den Krieg in der Ukraine beenden, mit Russland so gut es noch geht verhandeln und eine kluge Realpolitik betreiben würde.

Das Problem mit der Pandemie

Was Alexander Mercouris und Alex Christoferou auch nicht beachten, sind die Folgen des Umgangs mit der Coronapandemie:

Dank der Massenimpfungen ist die Pandemie noch NICHT beendet. Vielmehr ist es nach Dr. Geert Vanden Bossches sehr gut begründeter, finsterer Prognose weiterhin sehr wahrscheinlich, dass es zu verheerenden, die Staaten mit hohen Impfquoten wirtschaftlich und gesellschaftlich in die Knie zwingenden Mutationen kommen wird. Siehe dazu z.B. auch Warum die Pandemie nicht vorbei ist und Corona Orkanwarnung Teil 4. Man bedenke, dass unter anderem nicht nur fast alle Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, sondern auch die Streitkräfte der NATO fast vollständig geimpft sind.

Auch war und ist diese Massenimpfung und der Umgang mit der Pandemie dem Vertrauen in die staatlichen und wissenschaftlichen Institutionen der westlichen Gesellschaften nicht gerade förderlich.

Man stelle sich einmal vor, dass Dr. Vanden Bossche Recht behält UND dass es in der russischen Fühung genug gescheite und verantwortungsbewußte Leute gibt, die das Problem und die Gefahr verstanden haben und die stillschweigend die sehr wohl möglichen Gegenmaßnahmen zum Schutz der eigenen Bevölkerung und der eigenen Streitkräfte vorbereitet haben.

Vielleicht ist das auch einer der  Gründe, warum das russische Militär nach Möglichkeit defensiv agiert. Die Führung im Kreml kennt und versteht mit Sicherheit die Energieprobleme Europas und der USA und sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Bezug auf die Folgen der Massenimpfungen gegen Covid informiert.

Wenn das Kapital flieht, fliehen auch Fachkräfte

Der Vater meiner Mutter hatte aus den Weltkriegen und den Inflationen, die er erlebt hatte den Schluß gezogen, dass das sicherste und beste Kapital nicht Geld, Gold oder Land ist, sondern das was man im Kopf hat, bzw. das was gelernt hat und kann.

John Michael Greer hatte in einem Interview gemeint, wenn die apokalyptischen Reiter kämen, dann solle man ihnen Bier anbieten (können).

Nun wird in den deutschen Artikeln über die Kapitalflucht angegeben, dass einer der Gründe der Fachkräftemangel in Deutschland sei. Das stimmt sicher mit Blick auf den Mangel an echten Fachkräften in der Bundesregierung und in anderen Institutionen.

Aber wenn die Milliardäre und Millionäre ihr Kapital ins Ausland bringen, weil sie in Deutschland keine Zukunft mehr sehen, dann werden auch viele der wirklichen Fachkräfte Deutschlands gehen, zumal diese ihr wichtigstes Kapital sehr einfach mitnehmen können, da sie es als Wissen und Können in ihrem Kopf haben.

Zugleich werden von den wirklichen Fachkräften im Ausland, die für Deutschland tatsächlich eine Bereicherung wären, kaum noch welche nach Deutschland kommen wollen.

Die Konvention von Tauroggen

Mit Blick auf die Entwicklung im Energiesektor glaube ich nicht, dass man den Absturz und die Deindustrialisierung Deutschlands verhindern kann.

Ich bin mir aber sehr, sehr sicher, dass man das  Ausmaß und die Geschwindigkeit des Niedergangs stark reduzieren könnten,  wenn sich wider Erwarten im Bundestag eine vernünftige, an echter Realpolitik und an Frieden und Guten Beziehungen zu Russland interessierte Mehrheit finden würde.

Ich möchte dazu an die Konvention von Tauroggen erinnern, mit der Preussen am 31.12.1812, nach der Niederlage von Napoleons Großer Armee in Russland, faktisch die Seite gewechselt hat. Einige Links zur Konvention von Tauroggen:

Meine Schlußfolgerung

Die massive Kapitalflucht von sage und schreibe ca. 125.000 Millionen in nur einem einzigen Jahr, zeigt dass es auch unter den Reichen und Superreichen in Deutschland viele gibt, die in Deutschland keine Zukunft mehr sehen und die kein Vertrauen in die  Politik der derzeitigen der Bundesregierung haben.

Die Zukunft sieht wegen der absehbaren Entwicklung am Energiemarkt und wegen der absehbaren Niederlage der Ukraine und des Westens im Krieg gegen Russland ziemlich schlecht aus.

Deutschland kann und sollte sich in dieser Situation keinen Krieg gegen Russland leisten, sondern zu einer rationalen Aussen- und Sicherheitspolitik zurückkehren.

Bei Beginn des durch die Nutzung der fossilen Energie möglich gewordenen Industriezeitalters hat Deutschland durch die Konvention von Tauroggen und durch die daraus folgenden Freiheitskriege gegen die damalige westliche Vormacht seine Situation verbessert.

Jetzt, gegen Ende des Industriezeitalters ist Deutschland wieder auf Seiten der aktuellen westlichen Vormacht in einem Krieg gegen Russland verwickelt, den Russland genauso wie den von 1812 gewinnen wird.  Vor diesem Hintergrund und der oben übersetzten Diskussion von Alexander Mercouris und Alex Christoforou könnte es hilfreich sein, sich mit dem Geist der Konvention von Tauroggen zu beschäftigen und in diesem Sinne einen Frieden und gute Beziehungen mit Russland anzustreben.

Kapitalflucht aus Deutschland und die Deindustrialisierung Deutschlands könnte man damit zumindest stark bremsen.

Kelberg, den 7. Juli 2023

Christoph Becker

Nachträge




Michael Hudson: Auswege

Ich habe hier den Artikel “Der Euro ohne die deutsche Industrie” von Prof. Michael Hudson, sowie das sich darauf beziehende Interview mit dem Titel “Den westlichen Rentiers (Kapitalrentnern) entkommen” von Pepe Escobar mit Prof. Hudson übersetzt.

Der Euro ohne die deutsche Industrie

Von Michael Hudson, Dienstag, 4. Oktober 2022

Links auf das englische Original: https://michael-hudson.com/2022/10/the-euro-without-german-industry/  und https://www.nakedcapitalism.com/2022/09/michael-hudson-on-the-euro-without-germany.html

Die Reaktion auf die Sabotage von drei der vier Nord Stream 1- und 2-Pipelines an vier Orten am Montag, den 26. September, konzentrierte sich auf Spekulationen über die Täter und die Frage, ob die NATO einen ernsthaften Versuch unternehmen wird, die Antwort zu finden. Doch statt Panik gab es einen großen Seufzer der diplomatischen Erleichterung, ja sogar Ruhe. Die Abschaltung dieser Pipelines beendet die Ungewissheit und die Sorgen der US/NATO-Diplomaten, die in der vergangenen Woche fast ein krisenhaftes Ausmaß erreichten, als in Deutschland große Demonstrationen stattfanden, bei denen die Beendigung der Sanktionen und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zur Behebung der Energieknappheit gefordert wurden. 

Die deutsche Öffentlichkeit begann zu begreifen, was es bedeutet, wenn ihre Stahl-, Düngemittel-, Glas- und Toilettenpapierunternehmen geschlossen werden. Diese Unternehmen prognostizierten, dass sie ihr Geschäft ganz aufgeben – oder in die Vereinigten Staaten verlagern – müssen, wenn Deutschland die Handels- und Währungssanktionen gegen Russland nicht aufgibt und die Wiederaufnahme der russischen Gas- und Öleinfuhren zulässt, so dass vermutlich der astronomischen Preisanstieg um das Acht- bis Zehnfache rückgängig gemacht wird.

Allerdings hatte Victoria Nuland vom Außenministerium bereits im Januar erklärt, dass Nord Stream 2 so oder so nicht vorankommen wird”, wenn Russland auf die zunehmenden ukrainischen Angriffe auf die russischsprachigen östlichen Oblaste reagiert. Präsident Biden bekräftigte am 7. Februar das Beharren der USA und versprach, dass es “Nord Stream 2 nicht mehr geben wird. Wir werden dem ein Ende setzen. … Ich verspreche Ihnen, dass wir in der Lage sein werden, das zu tun.”

Die meisten Beobachter nahmen einfach an, dass diese Äußerungen die offensichtliche Tatsache widerspiegelten, dass deutsche Politiker voll und ganz in der Tasche der USA/NATO steckten. Die deutschen Politiker weigerten sich beharrlich, Nord Stream 2 zu genehmigen, und Kanada beschlagnahmte bald die Siemens-Turbinen, die für den Gastransport durch Nord Stream 1 benötigt werden. Damit schien die Sache erledigt zu sein, bis die deutsche Industrie – und eine wachsende Zahl von Wählern – schließlich zu berechnen begann, was eine Sperrung des russischen Gases für die deutschen Industrieunternehmen und damit für die Beschäftigung im Inland bedeuten würde.

Die Bereitschaft Deutschlands, sich selbst eine wirtschaftliche Depression zu verordnen, schwankte – allerdings nicht bei seinen Politikern oder der EU-Bürokratie. Wenn die politischen Entscheidungsträger die Interessen der deutschen Wirtschaft und den Lebensstandard an die erste Stelle setzen würden, dann würden die gemeinsamen Sanktionen der NATO und die Front des Neuen Kalten Krieges durchbrochen werden. Italien und Frankreich könnten folgen. Diese Aussicht machte es dringend erforderlich, die antirussischen Sanktionen aus den Händen der demokratischen Politik zu nehmen.

Obwohl es sich um einen Gewaltakt handelt, hat die Sabotage der Pipelines die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der NATO wieder beruhigt. Es gibt keine Ungewissheit mehr darüber, ob sich Europa von der US-Diplomatie lösen kann, indem es den gegenseitigen Handel und die Investitionen mit Russland wieder aufnimmt. Die Gefahr, dass sich Europa von den Handels- und Finanzsanktionen der USA und der NATO gegen Russland löst, scheint auf absehbare Zeit gebannt zu sein. Russland hat bekannt gegeben, dass der Gasdruck in drei der vier Pipelines sinkt und dass das Eindringen von Salzwasser die Rohre irreversibel korrodieren wird. (Tagesspiegel, September 28.)

Wohin gehen der Euro und der Dollar von hier aus?

Wenn man sich ansieht, wie dies die Beziehung zwischen dem US-Dollar und dem Euro verändern wird, kann man verstehen, warum die scheinbar offensichtlichen Folgen eines Abbruchs der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, Italien und anderen europäischen Volkswirtschaften und Russland nicht offen diskutiert wurden. Die Lösung ist ein deutscher und sogar europaweiter Zusammenbruch der Wirtschaft. Das nächste Jahrzehnt wird eine Katastrophe sein. Es mag Vorwürfe über den Preis geben, der dafür gezahlt wurde, dass die europäische Handelsdiplomatie von der NATO diktiert wurde, aber Europa kann nichts dagegen tun. Niemand erwartet (noch), dass es der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit beitreten wird. Was erwartet wird, ist, dass ihr Lebensstandard sinkt.

Die Exporte der deutschen Industrie und die Anziehung ausländischer Investitionen waren wichtige Faktoren, die den Wechselkurs des Euro stützten. Für Deutschland bestand der große Reiz des Übergangs von der D-Mark zum Euro darin, zu vermeiden, dass sein Exportüberschuss den Wechselkurs der D-Mark in die Höhe treibt und deutsche Produkte auf den Weltmärkten auspreist. Die Erweiterung der Eurozone um Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und andere Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten verhinderte einen Höhenflug des Euro. Das schützte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

Nach seiner Einführung im Jahr 1999 zu einem Kurs von 1,12 USD sank der Euro bis Juli 2001 auf 0,85 USD, erholte sich jedoch und stieg im April 2008 sogar auf 1,58 USD. Seitdem ist der Kurs stetig gesunken, und seit Februar dieses Jahres haben die Sanktionen den Euro-Kurs unter die Parität zum Dollar gedrückt, bis auf 0,97 Dollar in dieser Woche.

Das größte Defizitproblem sind die steigenden Preise für importiertes Gas und Öl sowie für Produkte wie Aluminium und Düngemittel, deren Herstellung einen hohen Energieeinsatz erfordert. Und da der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar sinkt, steigen die Kosten für das Tragen der europäischen US-Dollar-Schulden – die normale Bedingung für Tochtergesellschaften multinationaler US-Unternehmen – und drücken die Gewinne.

Dies ist nicht die Art von Depression, bei der “automatische Stabilisatoren” wirken können, um das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Energieabhängigkeit ist strukturell bedingt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirtschaftsregeln der Eurozone das Haushaltsdefizit auf nur 3 % des BIP begrenzen. Dies verhindert, dass die nationalen Regierungen die Wirtschaft durch Defizitausgaben stützen. Höhere Energie- und Lebensmittelpreise – und der Schuldendienst in Dollar – werden dazu führen, dass viel weniger Einkommen für Waren und Dienstleistungen zur Verfügung steht.

Pepe Escobar wies am 28. September darauf hin, dass “Deutschland vertraglich verpflichtet ist, bis 2030 mindestens 40 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr zu beziehen. … Gazprom hat einen gesetzlichen Anspruch darauf, auch ohne Gaslieferungen bezahlt zu werden. … Berlin bekommt nicht das ganze Gas, das es braucht, muss aber trotzdem zahlen.” Es ist mit einem langen Rechtsstreit zu rechnen, bevor das Geld den Besitzer wechselt. Und Deutschlands endgültige Zahlungsfähigkeit wird kontinuierlich schwächer werden.

Es mutet seltsam an, dass der US-Aktienmarkt am Mittwoch einen Anstieg von über 500 Punkten beim Dow Jones Industrial Average verzeichnete. Vielleicht hat das Plunge Protection Team eingegriffen, um zu versuchen, die Welt zu beruhigen und zu versichern, dass alles in Ordnung sein wird. Der Aktienmarkt gab diese Gewinne am Donnerstag jedoch größtenteils wieder ab, da die Realität nicht mehr beiseite geschoben werden konnte.Der Wettbewerb der deutschen Industrie mit den Vereinigten Staaten endet, was der US-Handelsbilanz zugute kommt.
Aber auf dem Kapitalkonto wird die Abwertung des Euro den Wert der US-Investitionen in Europa und den Dollarwert der Gewinne, die sie noch erzielen können, verringern, wenn die europäische Wirtschaft schrumpft. Die von den multinationalen US-Unternehmen gemeldeten weltweiten Gewinne werden sinken.

Die Auswirkungen der US-Sanktionen und der Neue Kalte Krieg außerhalb Europas

Die Fähigkeit vieler Länder, ihre Auslands- und Inlandsschulden zu begleichen, war bereits am Ende, bevor die antirussischen Sanktionen die weltweiten Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe trieben. Die sanktionsbedingten Preiserhöhungen wurden durch den steigenden Dollarkurs gegenüber fast allen Währungen verstärkt (ironischerweise mit Ausnahme des Rubels, dessen Kurs in die Höhe geschnellt ist, anstatt zu kollabieren, wie es die US-Strategen vergeblich zu erreichen versuchten). Die internationalen Rohstoffpreise werden nach wie vor hauptsächlich in Dollar angegeben, so dass die Aufwertung des Dollars die Importpreise für die meisten Länder weiter erhöht.

Der steigende Dollar erhöht auch die Kosten für die Bedienung von Auslandsschulden in Dollar in der Landeswährung. Viele Länder Europas und des Globalen Südens sind bereits an der Grenze ihrer Fähigkeit angelangt, ihre auf Dollar lautenden Schulden zu bedienen, und haben immer noch mit den Auswirkungen der Covid-Pandemie zu kämpfen. Jetzt, da die Sanktionen der USA und der NATO die Weltmarktpreise für Gas, Öl und Getreide in die Höhe getrieben haben und die Aufwertung des Dollars die Kosten für die Bedienung der auf Dollar lautenden Schulden in die Höhe treibt, können es sich diese Länder nicht leisten, die Energie und die Lebensmittel zu importieren, die sie zum Leben brauchen, wenn sie ihre Auslandsschulden bezahlen müssen. Irgendetwas muss geschehen.

Am Dienstag, den 27. September, vergoss US-Außenminister Antony Blinken Krokodilstränen und erklärte, ein Angriff auf russische Pipelines sei “in niemandes Interesse”. Aber wenn das wirklich der Fall wäre, hätte niemand die Gasleitungen angegriffen. Was Herr Blinken wirklich sagen wollte, war: “Fragen Sie nicht Cui bono.” Ich erwarte nicht, dass die Ermittler der NATO über die Beschuldigung der üblichen Verdächtigen hinausgehen, die von den US-Beamten automatisch verantwortlich gemacht werden. Die US-Strategen müssen einen Plan haben, wie sie weiter vorgehen wollen.

 Sie werden versuchen, eine neoliberalisierte Weltwirtschaft so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Sie werden die übliche Masche für Länder anwenden, die ihre Auslandsschulden nicht bezahlen können: Der IWF wird ihnen das Geld leihen, um zu zahlen – unter der Bedingung, dass sie die Devisen für die Rückzahlung aufbringen, indem sie privatisieren, was von ihrem öffentlichen Eigentum, ihren natürlichen Ressourcen und anderen Vermögenswerten übrig ist, und sie an US-Finanzinvestoren und ihre Verbündeten verkaufen. Wird das funktionieren?

 Oder werden sich die Schuldnerländer zusammentun und Wege finden, um die Welt mit erschwinglichen Öl- und Gaspreisen, Düngemittelpreisen, Getreide- und anderen Lebensmittelpreisen, Metallen und Rohstoffen, die von Russland, China und ihren verbündeten eurasischen Nachbarn geliefert werden, wiederherzustellen, und zwar ohne US-amerikanische “Auflagen”, wie jene die den europäischen Wohlstand beendet haben?

Eine Alternative zu der von den USA entworfenen neoliberalen Ordnung ist die große Sorge der US-Strategen. Sie können das Problem nicht so einfach lösen wie die Sabotage von Nord Stream 1 und 2. Ihre Lösung wird wahrscheinlich der übliche US-Ansatz sein: militärische Intervention und neue farbige Revolutionen in der Hoffnung, die gleiche Macht über den Globalen Süden und Eurasien zu erlangen, die Amerikas Diplomatie über die NATO über Deutschland und andere europäische Länder ausgeübt hat.

Die Tatsache, dass die Erwartungen der USA an die Wirkung der antirussischen Sanktionen gegen Russland genau das Gegenteil von dem war, was tatsächlich eingetreten ist, lässt für die Zukunft der Welt hoffen. Die Ablehnung und sogar Verachtung von US-Diplomaten gegenüber anderen Ländern, die in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse handeln, hält es für Zeitverschwendung (und sogar für unpatriotisch), darüber nachzudenken, wie andere Länder ihre eigene Alternative zu den US-Plänen entwickeln könnten. Die Annahme, die diesem Tunnelblick der USA zugrunde liegt, ist, dass es keine Alternative gibt – und dass, wenn sie nicht über eine solche Perspektive nachdenken, sie undenkbar bleiben wird.

Wenn jedoch andere Länder nicht zusammenarbeiten, um eine Alternative zum IWF, zur Weltbank, zum Internationalen Gerichtshof, zur Welthandelsorganisation und zu den zahlreichen UN-Organisationen zu schaffen, die jetzt von US-Diplomaten und ihren Bevollmächtigten auf die USA/NATO ausgerichtet sind, wird sich die wirtschaftliche Strategie der finanziellen und militärischen Dominanz der USA in den kommenden Jahrzehnten so entfalten, wie es Washington geplant hat. Die Frage ist, ob diese Länder eine alternative neue Wirtschaftsordnung entwickeln können, um sich vor einem Schicksal zu schützen, wie es sich Europa in diesem Jahr für das nächste Jahrzehnt auferlegt hat.

Interview von Pepe Escobar mit Michale Hudson

Links auf das Original:

Die zwei Titel des Originals

Übersetzung des Titels auf der Webseite von Michael Hudson:

Dem westlichen Rentner/Pensionär entkommen

Übersetzung des Titels auf The Cradle:

Michael Hudson: Ein Fahrplan, um dem Würgegriff des Westens zu entkommen  – Der geoökonomische Weg weg von der neoliberalen Ordnung ist voller Gefahren, aber die Chancen für den Aufbau eines alternativen Systems sind ebenso vielversprechend wie dringend

Von Pepe Escobar 06. Oktober 2022

Beginn der Übersetzung des Interviews

Einleitung

Es ist unmöglich, die geoökonomischen Turbulenzen, die mit den “Geburtswehen” der multipolaren Welt einhergehen, ohne die Erkenntnisse von Professor Michael Hudson von der University of Missouri und Autor des bereits bahnbrechenden Buches The Destiny of Civilization (dt. Das Schicksal der Zivilisation) zu verstehen.

In seinem jüngsten Aufsatz geht Professor Hudson näher auf die selbstmörderische Wirtschafts- und Finanzpolitik Deutschlands und ihre Auswirkungen auf den bereits fallenden Euro ein – und deutet einige Möglichkeiten für eine schnelle Integration Eurasiens und des globalen Südens als Ganzes an, um den Würgegriff des Hegemons zu brechen.

Dies führte zu einer Reihe von E-Mail-Austauschen, insbesondere über die künftige Rolle des Yuan, zu denen Hudson anmerkte:

“Die Chinesen, mit denen ich seit Jahren spreche, haben nicht erwartet, dass der Dollar schwächer wird. Sie weinen nicht über seinen Aufstieg, aber sie sind besorgt über die Kapitalflucht aus China, da ich glaube, dass es nach dem Parteitag [der am 16. Oktober beginnt] ein hartes Durchgreifen gegen die Verfechter der freien Marktwirtschaft in Shanghai geben wird. Der Druck für die anstehenden Veränderungen hat sich seit langem aufgebaut. Der Reformgeist zur Eindämmung der ‘freien Märkte’ hat sich unter den Studenten schon vor über einem Jahrzehnt verbreitet, und sie sind in der Parteihierarchie aufgestiegen.”

In Bezug auf die zentrale Frage, ob Russland die Bezahlung von Energie in Rubel akzeptiert, sprach Hudson einen Punkt an, der außerhalb Russlands kaum beachtet wird: “Sie wollen nicht wirklich nur in Rubel bezahlt werden. Das ist das Einzige, was Russland nicht braucht, denn es kann sie einfach drucken. Es braucht nur Rubel, um seine internationalen Zahlungen auszugleichen und den Wechselkurs zu stabilisieren – nicht, um ihn in die Höhe zu treiben.”

Das bringt uns zu Abrechnungen in Yuan: “Eine Zahlung in Yuan ist wie eine Zahlung in Gold – ein internationales Gut, das jedes Land als eine nicht-fiat Währung begehrt, die einen Wert hat, wenn man sie verkauft (im Gegensatz zum Dollar, der jetzt einfach konfisziert oder schließlich aufgegeben werden kann). Was Russland wirklich braucht, sind wichtige Industriegüter wie Computerchips. Es könnte China bitten, diese mit dem von Russland bereitgestellten Yuan zu importieren”.

Keynes ist zurück

Nach unserem E-Mail-Austausch erklärte sich Professor Hudson freundlicherweise bereit, einige Fragen zu den äußerst komplexen geoökonomischen Prozessen in Eurasien ausführlich zu beantworten. Und los geht’s.

The Cradle: Die BRICS-Staaten prüfen die Einführung einer gemeinsamen Währung – einschließlich aller BRICS-Staaten und, wie wir erwarten, auch der erweiterten BRICS+. Wie könnte das praktisch umgesetzt werden? Es ist schwer vorstellbar, dass die brasilianische Zentralbank mit den Russen und der Volksbank von China harmoniert. Würde das nur Investitionen beinhalten – über die BRICS-Entwicklungsbank? Würde das auf Rohstoffen + Gold basieren? Wie passt der Yuan dazu? Basiert der BRICS-Ansatz auf den aktuellen Gesprächen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) mit den Chinesen unter der Leitung von Sergey Glazyev? Hat das Gipfeltreffen in Samarkand die Verknüpfung von BRICS und SCO ( Shanghai Cooperation Organization ) praktisch vorangebracht?

Hudson: “Jede Idee einer gemeinsamen Währung muss mit einer Währungs-Swap-Vereinbarung zwischen den bestehenden Mitgliedsländern beginnen. Der Großteil des Handels wird in den eigenen Währungen abgewickelt. Um aber die unvermeidlichen Ungleichgewichte (Zahlungsbilanzüberschüsse und -defizite) auszugleichen, wird eine neue Zentralbank eine künstliche Währung geschaffen.

Dies mag oberflächlich betrachtet wie die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geschaffenen Sonderziehungsrechte (SZR) aussehen, die hauptsächlich zur Finanzierung des US-amerikanischen Defizits wegen des Militärs (engl. US deficit on military account) und des steigenden Schuldendienstes der Schuldner des Globalen Südens gegenüber den US-Kreditgebern dienen. Die Regelung wird jedoch eher dem von John Maynard Keynes 1944 vorgeschlagenen “Bancor” ähneln. Defizitländer könnten ein bestimmtes Kontingent an Bancors ziehen, deren Bewertung durch eine gemeinsame Auswahl von Preisen und Wechselkursen festgelegt würde. Die Bancors (und ihre eigene Währung) würden für die Bezahlung der Überschussländer verwendet werden.

Doch anders als das SZR-System des IWF wird das Ziel dieser neuen alternativen Zentralbank nicht einfach darin bestehen, die wirtschaftliche Polarisierung und Verschuldung zu subventionieren. Keynes schlug den Grundsatz vor, dass, wenn ein Land (er dachte damals an die Vereinigten Staaten) chronische Überschüsse erwirtschaftet, dies ein Zeichen für seinen Protektionismus oder seine Weigerung ist, eine gegenseitig belastbare Wirtschaft zu unterstützen, und dass seine Forderungen allmählich getilgt werden sollten, zusammen mit den Auslandsschulden der Länder, deren Wirtschaft nicht in der Lage war, ihre internationalen Zahlungen auszugleichen und ihre Währung zu stützen.

Die heute vorgeschlagenen Regelungen würden zwar die Kreditvergabe unter den Mitgliedsbanken unterstützen, aber nicht zur Förderung der Kapitalflucht (der Hauptverwendungszweck von IWF-Krediten, wenn wahrscheinlich “linke” Regierungen gewählt werden), und der IWF und die mit ihm verbundene Alternative zur Weltbank würden den Schuldnern keine Sparpläne und arbeitnehmerfeindliche Politik aufzwingen. Die Wirtschaftsdoktrin würde die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und lebensnotwendigen Gütern fördern und die Bildung von greifbarem landwirtschaftlichem und industriellem Kapital unterstützen, nicht die Finanzialisierung.

Es ist wahrscheinlich, dass Gold auch ein Element der internationalen Währungsreserven dieser Länder sein würde, einfach weil Gold ein Handelsgut ist, auf das sich die Welt schon seit Jahrhunderten als akzeptabel und politisch neutral geeinigt hat. Aber Gold wäre ein Mittel zur Begleichung von Zahlungsbilanzen und nicht zur Definition einer nationalen Währung. Diese Salden würden sich natürlich auch auf den Handel und die Investitionen mit westlichen Ländern erstrecken, die nicht Teil dieser Bank sind. Gold wäre ein akzeptables Mittel zur Begleichung westlicher Schulden gegenüber der neuen Bank mit eurasischem Zentrum. Dies würde sich als ein Zahlungsmittel erweisen, das die westlichen Länder nicht einfach ablehnen könnten – solange das Gold in den Händen der neuen Bankmitglieder bleibt und nicht mehr in New York oder London, wie es seit 1945 die gefährliche Praxis ist.

Bei einem Treffen zur Gründung einer solchen Bank wäre China in einer ähnlich dominanten Position wie die Vereinigten Staaten 1944 in Bretton Woods. Aber seine Arbeitsphilosophie wäre eine ganz andere. Ziel wäre es, die Volkswirtschaften der Bankmitglieder zu entwickeln, mit langfristigen Planungs- oder Handelsmustern, die für ihre Volkswirtschaften am geeignetsten erscheinen, um die Art von Abhängigkeitsverhältnissen und Privatisierungsübernahmen zu vermeiden, die die Politik des IWF und der Weltbank kennzeichnen.

Diese Entwicklungsziele würden eine Bodenreform, eine Umstrukturierung der Industrie und des Finanzwesens, eine Steuerreform sowie eine Reform des inländischen Banken- und Kreditwesens umfassen. Die Diskussionen auf den SCO-Treffen scheinen den Boden für eine allgemeine Interessenübereinstimmung bei der Schaffung von Reformen in diesem Sinne bereitet zu haben.”

Eurasien oder Pleite

The Cradle: Ist mittelfristig zu erwarten, dass die deutschen Industriellen angesichts der kommenden Verödung und ihres eigenen Untergangs massenhaft gegen die von der NATO verhängten Handels- und Finanzsanktionen gegen Russland aufbegehren und Berlin zwingen, Nord Stream 2 zu öffnen? Gazprom garantiert, dass die Pipeline wieder hergestellt werden kann. Dafür muss man nicht der SCO beitreten…

Hudson: “Es ist unwahrscheinlich, dass deutsche Industrielle handeln werden, um die Deindustrialisierung ihres Landes zu verhindern, angesichts des Würgegriffs der USA/NATO auf die Politik der Eurozone und der vergangenen 75 Jahre politischer Einmischung durch US-Beamte. Deutsche Firmenchefs werden eher versuchen, mit möglichst viel persönlichem und unternehmerischem Vermögen zu überleben, wenn Deutschland in ein wirtschaftliches Wrack vom Typ eines baltischen Staates verwandelt wird.

Es ist bereits die Rede davon, die Produktion – und das Management – in die Vereinigten Staaten zu verlagern, was Deutschland daran hindern wird, Energie, Metalle und andere wichtige Materialien von Lieferanten zu beziehen, die nicht von US-Interessen und ihren Verbündeten kontrolliert werden.

Die große Frage ist, ob deutsche Unternehmen in die neuen eurasischen Volkswirtschaften abwandern würden, deren industrielles Wachstum und Wohlstand das der Vereinigten Staaten weit in den Schatten stellen dürfte.

Natürlich sind die Nord Stream-Pipelines wiederherstellbar. Das ist genau der Grund, warum der politische Druck der USA durch Außenminister Blinken so stark war, dass Deutschland, Italien und andere europäische Länder ihre Wirtschaft vom Handel und von Investitionen mit Russland, dem Iran, China und anderen Ländern, deren Wachstum die USA zu stören versuchen, noch stärker isolieren.”

Wie man der  “Alternativlosigkeit” entkommen kann

The Cradle: Erreichen wir den Punkt, an dem die Hauptakteure des globalen Südens – mehr als 100 Nationen – endlich die Kurve kriegen und beschließen, alles zu tun, um die USA daran zu hindern, die künstliche neoliberale Weltwirtschaft in einem Zustand des ewigen Komas zu halten? Das bedeutet, dass die einzig mögliche Option, wie Sie dargelegt haben, darin besteht, eine parallele Weltwährung unter Umgehung des US-Dollars einzurichten – während die üblichen Verdächtigen bestenfalls den Gedanken an ein Bretton Woods III in die Welt setzen. Ist das Finanzcasino FIRE (Finanzen, Versicherungen, Immobilien (engl. Finance, Insurance, Real Estate)) allmächtig genug, um jede mögliche Konkurrenz zu zerschlagen? Sehen Sie neben den von BRICS/EAEU/SCO diskutierten Mechanismen weitere praktische Mechanismen vor? 

Hudson: “Vor ein oder zwei Jahren schien es, dass die Aufgabe, ein vollwertiges alternatives Weltwährungs-, Währungs-, Kredit- und Handelssystem zu entwerfen, so komplex ist, dass die Details kaum durchdacht werden können. Aber die US-Sanktionen haben sich als der notwendige Katalysator erwiesen, um solche Diskussionen pragmatisch dringend zu machen.

Die Konfiszierung der Goldreserven Venezuelas in London und seiner US-Investitionen, die Konfiszierung von 300 Milliarden Dollar der russischen Devisenreserven in den Vereinigten Staaten und Europa und die Drohung, dasselbe mit China und anderen Ländern zu tun, die sich der US-Außenpolitik widersetzen, haben die Entdollarisierung dringend notwendig gemacht. Ich habe die Logik in vielen Punkten erläutert, von meinem Valdai-Club-Artikel (mit Radhika Desai) bis hin zu meinem kürzlich erschienenen Buch The Destiny of Civilization, der Vorlesungsreihe, die ich für Hongkong und die Global University for Sustainability vorbereitet habe.

Das Halten von Wertpapieren, die auf Dollar lauten, und selbst das Halten von Gold oder Anlagen in den Vereinigten Staaten und Europa ist keine sichere Option mehr. Es ist klar, dass die Welt in zwei ganz unterschiedliche Arten von Volkswirtschaften zerfällt und dass die US-Diplomaten und ihre europäischen Satelliten bereit sind, die bestehende Wirtschaftsordnung zu zerstören, in der Hoffnung, dass sie durch die Schaffung einer disruptiven Krise den Sieg davontragen können.

Es ist auch klar, dass die Unterwerfung unter den IWF und seine Sparpläne wirtschaftlicher Selbstmord sind, und dass es selbstzerstörerisch ist, der Weltbank und ihrer neoliberalen Doktrin der internationalen Abhängigkeit zu folgen. Das Ergebnis war ein nicht zu begleichender Schuldenberg, der auf US-Dollar lautete. Diese Schulden können nicht bezahlt werden, ohne Kredite beim IWF aufzunehmen und die Bedingungen einer wirtschaftlichen Kapitulation vor den US-Privatisierern und Spekulanten zu akzeptieren.

Die einzige Alternative dazu, sich selbst wirtschaftliche Sparmaßnahmen aufzuerlegen, besteht darin, aus der Dollar-Falle mir ihrer von den USA geförderten “freie Marktwirtschaft” (Märkte ohne staatlichen Schutz und ohne die Fähigkeit der Regierung, die Umweltschäden der US-amerikanischen Ölkonzerne, Bergbauunternehmen und der damit verbundenen Abhängigkeit von Industrie und Nahrungsmitteln zu beheben) mit einem sauberen Schnitt auszusteigen.

Der Bruch wird schwierig sein, und die US-Diplomatie wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Schaffung einer widerstandsfähigeren Wirtschaftsordnung zu verhindern. Aber die US-Politik hat einen globalen Zustand der Abhängigkeit geschaffen, in dem es im wahrsten Sinne des Wortes keine andere Alternative gibt, als sich davon zu lösen.”

Deutscher NATO und EU-Austritt?

The Cradle: Wie bewerten Sie die Bestätigung von Gazprom, dass die Leitung B der Nord Stream 2 nicht vom Pipeline-Terror betroffen war? Damit ist Nord Stream 2 praktisch einsatzbereit – mit einer Pumpkapazität von 27,5 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr, was der Hälfte der Gesamtkapazität der beschädigten Nord Stream entspricht. Deutschland ist also nicht dem Untergang geweiht. Damit wird ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen; eine Lösung wird von einer ernsthaften politischen Entscheidung der deutschen Regierung abhängen.   

Hudson: “Das ist der Knackpunkt: Russland wird sicher nicht noch einmal die Kosten tragen, nur damit die Pipeline gesprengt wird. Es wird auf Deutschland ankommen. Ich wette, das derzeitige Regime sagt “Nein”. Das dürfte für einen interessanten Aufstieg der alternativen Parteien sorgen.

Das eigentliche Problem besteht darin, dass die einzige Möglichkeit für Deutschland, den Handel mit Russland wiederherzustellen, darin besteht, aus der NATO auszutreten, da es sich bewusst ist, dass es das Hauptopfer des Krieges der NATO ist. Dies könnte nur gelingen, wenn es auf Italien und auch auf Griechenland übergreift (weil es seit Zypern nicht mehr vor der Türkei geschützt wird). Das sieht nach einem langen Kampf aus.

Vielleicht ist es für die deutsche Industrie einfacher, ihre Sachen zu packen und nach Russland zu ziehen, um bei der Modernisierung der Industrieproduktion zu helfen, insbesondere BASF für die Chemie, Siemens für den Maschinenbau usw. Wenn deutsche Unternehmen ihren Standort in die USA verlagern, um dort Gas zu beziehen, wird dies als Überfall der USA auf die deutsche Industrie empfunden, um deren Vorsprung für die USA zu erobern. Dennoch wird dies angesichts der postindustriellen Wirtschaft Amerikas nicht gelingen.

Die deutsche Industrie kann sich also nur nach Osten bewegen, wenn sie ihre eigene politische Partei als nationalistische Anti-NATO-Partei gründet. Die EU-Verfassung würde Deutschland zum Austritt aus der EU verpflichten, das sie die Interessen der NATO auf Bundesebene in den Vordergrund stellt. Das nächste Szenario ist die Diskussion über den Beitritt Deutschlands zur SCO. Lassen Sie uns Wetten darüber abschließen, wie lange das dauern wird.”

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.

Ende der Übersetzung

Die Sanktionen des Westens sind großartig für Russland – Ein Interview von Jungewelt.de mit Michael Hudson

6.8.2022:  »Die Sanktionen des Westens sind großartig für Russland« Über den Krieg in der Ukraine, Interessen der Finanzoligarchie und China als Hauptrivalen der USA. Ein Gespräch mit Michael Hudson

Mit der Suchfunktion auf Jungewelt.de derzeit 68 Artikel, wenn  man dort mit “Michael Hudson” sucht. Viele Artikel befindenden sich allerdings hinter einer Bezahlschranke.

Strategie des Austauschs

Prof. Hudsons Überlegungen haben mich an meinen allerdings schon über 5 Jahre alten Artikel Strategie des Austauschs erinnert.

 




Zur Nord Stream-Sprengung

Ich habe hier James H. Kunstlers Blogbetrag vom 3.10.2022 übersetzt, weil dieser zum Verständnis der Hintergründe und Folgen des Anschlages auf die Nordstream-Pipelines hochinteressant ist.  Demnach gibt es inzwischen Indizien dafür, dass ein aus den USA kommendes, über der Ostsee aufgetanktes U-Bootjagdflugzeug vom Typ P8 Poseidon der US-Navy die Pipelines mit U-Boot-Jagdtorpedos zerstört hat.

Link auf das Original: https://kunstler.com/clusterfuck-nation/developing-developments/

Beginn der Übersetzung

Aktuelle Entwicklungen

“Joe Biden” verarscht die westliche Zivilisation. Er kann sich selbst nicht helfen. Seine Helfer können ihm nicht helfen. Wer wird uns helfen?

Eine Botschaft in einem Glückskeks von Panda Take-out erinnert uns daran: “Der Dildo der Konsequenz ist selten geölt.” Bitte wenden Sie diese alte Weisheit auf “Joe Bidens” Sabotage der Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2 an. Staatssekretär Antony Blinken bezeichnete die Tat als “enorme Chance”, den Energieverbrauch in Euroland zu senken und die bisherige Abhängigkeit von erschwinglicher russischer Energie auf ruinös teures amerikanisches Flüssigerdgas (LNG) zu verlagern – ein angeblicher Segen für die US-Produzenten. Glück für uns und sie!

Lassen Sie uns ein paar technische Dinge über Erdgas klären. Gaspipelines ermöglichen die Versorgung mit billigem Gas, ohne dass kostspielige Transportvorgänge erforderlich sind. Die Ströme verlaufen kontinuierlich vom Produzenten zum Kunden. LNG erfordert die Komprimierung des Gases bei extrem niedrigen Temperaturen und den Bau von kostspieligen LNG-Tankschiffen, um das Gas während des Transports kalt und komprimiert zu halten. Jeder Tankwagen kann nur eine bestimmte Menge Gas transportieren, und der Fluss ist nicht kontinuierlich. An jedem Ende der energieaufwendigen Reise befindet sich ein kostspieliges LNG-Terminal zum Be- und Entladen des Gases. Unterm Strich: Die Kunden in Euroland können sich das US-LNG nicht leisten, obwohl sie es vorerst gut und hart bekommen werden, um den ersten Winter einer dauerhaften Depression zu überstehen, die sich eher wie der Vorhof eines neuen dunklen Zeitalters anfühlen wird. Denken Sie auch daran, dass amerikanisches Schiefergas eine endliche Ressource ist, dass wir selbst viel davon brauchen und dass die am frühesten erschlossenen Schiefergasfelder in den USA eines nach dem anderen ausfallen.

Minister Blinken tut so, als ob die tödliche Lage Europas problemlos in eine neue “grüne, erneuerbare” Ordnung der Dinge sowie in einen stabilen und ausgewogenen neuen Kalten Krieg zwischen der US-geführten NATO und Russland übergehen wird, wie in den 1950er Jahren. Minister Blinken ist natürlich völlig verrückt. Deutschlands Industrie wird nun zusammenbrechen, die Euro-Währung wird mit ihr zusammenbrechen, und der Wechselkurs zu den Dollars, die Euroland kaufen muss, um US-LNG zu kaufen, wird es weiter in den Ruin treiben. Sie wird wahrscheinlich auch die Europäische Union sprengen, die vor allem ein Handelsgerüst ist. Mit der sinkenden Industrieproduktion sinkt auch der Handel, und die fadenscheinigen Kooperationsvereinbarungen zwischen den Nationen verwandeln sich in einen verzweifelten Wettbewerb, während jede Nation in Euroland um ihr Überleben kämpft.

Vergessen wir nicht, warum “Joe Biden” die Nord Stream in die Luft gesprengt hat: um jede Möglichkeit auszuschließen, dass sich Deutschland aus den US-Sanktionen gegen Russland herauswinden kann. Unmittelbar vor dem Streik bei Nord Stream kam es in mehreren deutschen Städten zu Protesten, da die Bevölkerung bereits unter der Einstellung der russischen Gaslieferungen und den steigenden Preisen für dringend benötigtes Gas litt. Wenn die USA tatenlos zusahen, während Deutschland einen separaten Frieden mit Russland schloss, wie würde sich das auf das Engagement der NATO-Länder in dem von den USA provozierten Konflikt zwischen der Ukraine und Russland auswirken? Wie viel Bargeld würde Euroland weiterhin an Herrn Selenskyjs dubiose Geldwäsche-Operation auszahlen?

Was kein Regierungsvertreter zugeben kann – nicht einmal in den Euroland-Opferstaaten dieser unglaublichen Dummheit – ist, dass die Zerstörung der Nord-Streams durch die USA ein kriegerischer Akt gegen unsere eigenen Verbündeten war. Der Blogger, der sich selbst als “Monkey Werx” bezeichnet und sich durch die Verfolgung der weltweiten militärischen Flugbewegungen einen Namen gemacht hat, gibt übrigens einen umfassenden Überblick darüber, wie genau die Mission durchgeführt wurde. Ich werde ihn zusammenfassen, aber Sie können seinen vollständigen Bericht selbst lesen (www.monkeywerxus.com/blog/the-nord-stream-2-pipeline-sabotage).

MW berichtet, dass in der Nacht zum 26. September ein P8 Poseidon U-Boot-Jagdflugzeug der Marine aus den USA in die Ostsee geflogen ist. Es landete nicht im Vereinigten Königreich, um aufzutanken, um so Komplikationen bei der Verfolgung zu vermeiden, sondern traf über Grudziadz (Polen) auf ein US-amerikanisches Luftbetankungsflugzeug vom Typ Bart-12, mit dem es mehr als eine Stunde lang verbunden war. Die P8 war mit luftgestützten Torpedos des Typs Mk54 ausgerüstet. Nach dem Abdocken von der Bart-12-Tankanlage folgte die P8 einer Route nach Westen entlang der Nord-Stream-Pipelines, sank auf die Höhe für den Bombenabwurf und warf ihre Waffen ab. Kabumm. Voll aufgetankt flog die P8 dann direkt zurück in die USA. Als Russland einige Tage später vor den Vereinten Nationen die Frage nach der Verantwortung der USA für das Nord-Stream-Projekt stellte, weigerten sich die US-Vertreter, die Frage mit Ja oder Nein zu beantworten. Niedlich.

Die Fragen drängen sich also auf: Wie viele Tage noch, bis Deutschland und der Rest von Euroland zu begreifen beginnen, dass sie von Amerika in ein Szenario des wirtschaftlichen Zusammenbruchs hineingezogen wurden? (Wie viele Tage noch, bis ein Team kompetenter Fachleute Klaus Schwab und seine Kollegen irgendwo in der Schweiz zur Strecke bringt?) Wann wird sich das europäische Volk gegen seine idiotischen Regierungschefs wenden und sie aus dem Amt jagen? Wann werden alle (außer dem psychotischen Polen) aus dem Ukraine-Kreuzzug der USA aussteigen? Ich kann Ihnen sagen, dass das alles verdammt bald beginnen wird. Und wenn das der Fall ist, wird das das Ende des NATO-Bündnisses bedeuten.

In der Zwischenzeit lässt die von den USA geführte Propagandakampagne Russland gegen eine wütende und triumphierende ukrainische Armee völlig auf verlorenem Posten stehen. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Russland hat im vergangenen Monat einige taktische Rückzüge unternommen, um eine endgültige systematische und methodische Zerschlagung der verbliebenen ukrainischen Armee vorzubereiten. Russland bringt Iskander-Hyperschallraketen mit, die nicht unbedingt nuklear bewaffnet sein müssen, und wird reguläre russische Streitkräfte aufstellen, um die Freiwilligen der Donbass-Miliz zu ersetzen, die die Hauptlast an der dünn verteidigten Linie getragen haben, die zu dem viel diskutierten taktischen Rückzug um die Charkow-Isium-Lyman-Front führte. Der russische Verhandlungstisch ist offen für Geschäfte. Wenn die Ukraine sich nicht meldet, muss sie sich entscheiden, welche Art von Rumpfstaat sie werden will – ein nur halbherziger landwirtschaftlicher Hinterhof oder ein völlig abgehalfterter gescheiterter Staat.

Währenddessen versinkt Westeuropa in Kälte und Dunkelheit, und die USA folgen nicht weit dahinter. Was steht als Nächstes hier im Heimatland an? Wie wäre es mit einer Treibstoffkrise im Lkw-Verkehr? Kerosin wird immer knapper – in der Lagerstätte des Hudson Valley in Albany gibt es zum Beispiel keins mehr. Die Kraftstoffmischung für den Wintertransport besteht zu 70 % aus Diesel und zu 30 % aus Kerosin, das hinzugefügt wird, um den Kraftstoff leichter zu machen und ihn bei Frost flüssig zu halten. Diese Verknappung deutet auf einen Zusammenbruch der Versorgung mit so ziemlich allem hin, insbesondere aber mit Lebensmitteln. Klingt nicht besonders weihnachtstauglich. “Joe Biden” und Co. sind dabei, die USA auf nahezu jeder Ebene zu zerstören. Fünfunddreißig Tage bis zu den Zwischenwahlen. Schicken wir also noch ein paar Milliarden Dollar in die saugende Brustwunde, die die Ukraine ist.

Ende der Übersetzung




Zum Ukrainekrieg Teil 2

Als zweiten Teil zum Thema Ukrainekrieg habe ich das fast zweistündige Interview des norwegischen Politikwissenschaftlers Glenn Diesen mit Alexander Mercouris und Scott Ritter übersetzt.  Wenn man den Ukrainekrieg und die daraus gerade auch für Deutschland und Europa folgenden wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen verstehen lernen möchte, ist dieses Interview vielleicht das Beste, was es derzeit gibt.

Anmerkung zum Interview

Wegen der Länge des Interviews habe ich  es zur Verbesserung der Orientierung durch Zwischenüberschriften unterteilt. Die Zwischenüberschriften können durch das automatisch erstellte Inhaltsverzeichnis direkt durch Anklicken angesteuert werden. Außerdem habe ich Zeitmarken im Abstand von 30 Sekunden eingebunden und die Texte von Alexander Mercouris mit und von Scott Ritter jeweils in einem hellen Farbton hinterlegt.

Was dem Interview und der darin beschriebenen Lage meines Erachtens hinzuzufügen ist, ist dass die weitere Entwicklung auch stark von dem durch die Massenimpfungen beeinflussten Zusammenspiel der weiteren Entwicklung der Coronaviren und der Immunsysteme der Geimpften und der Ungeimpften abhängen könnte.  Das heißt, wenn sich Dr. Vanden Bossches Prognose zur weiteren Entwicklung der Pandemie im Wesentlichen als richtig herausstellen sollte, dann wird alleine das bereits ausreichen, die hochgeimpften Streitkräfte der NATO-Staaten und die Wirtschaft im Westen  kollabieren lassen. Die große Frage ist dann, wie weit auch Russland und China ebenfalls betroffen sein werden und wer wie schnell und wie gut die sehr wohl vorhandenen, bekannten und erprobten Gegenmittel einsetzen wird (Als Beispiele siehe z.B. meine Übersetzungen in Dr. Chettys Covid-Behandlung Teil 8 und Dr. Manuel Aparico in der StewPeters Show sowie Wirksame Coronaprävention). In jedem Fall stellt sich dann aber auch die Frage, was passiert, wenn deutlich wird, dass einige Atommächten die wirtschaftliche und personelle Grundlage zur weiteren Erhaltung ihrer nuklearen Waffensysteme verloren geht.

Links auf das Original des Interviews:

Übersetzung des Interviews

Einleitung/Begrüßung

GlennDiesen: [00:00:04] Willkommen, alle zusammen. Heute ist der 19. August 2022. Mein Name ist Glenn Diesen. Ich bin Professor an der Universität von Südostnorwegen, und bei mir ist der immer ausgezeichnete Alexander Mercouris von The Duran. Und zu guter Letzt haben wir Scott Ritter, einen ehemaligen Geheimdienstoffizier des US Marine Corps, Militärexperte, Geheimdienstexperte und natürlich auch [00:00:30] ein amerikanischer Patriot. Viele kennen Scott Ritter wahrscheinlich als UN-Waffeninspektor, der die Abrüstung von Massenvernichtungswaffen beaufsichtigt hat. Und ich nehme an, Sie behaupteten öffentlich vor dem Krieg, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen besaß. Und, na ja, wenn man auf Sie gehört hätte, dann wären wohl viele Menschenleben verschont worden. Und ich glaube auch, dass viele Leben verschont worden wären, wenn unsere Politiker auf Sie gehört hätten, was die aktuelle Krise in der Ukraine [00:01:00] angeht, ein Krieg, der scheinbar sehr leicht hätte vermieden werden können. Also, Scott Ritter, das ist ein echtes Vergnügen.

ScottRitter: [00:01:09] Nun, vielen Dank für die Einladung. Alexander, es ist toll, dich wiederzusehen.

AlexanderMercouris: [00:01:13] Ja, ganz meinerseits.

Wie ist es um das russische Militär bestellt?

GlennDiesen: [00:01:17] Also. Ja, lassen Sie uns einfach loslegen, denke ich. Nun, ich dachte an das Narrativ des Westens bezüglich dieses Krieges in der Ukraine. Er wechselt weiterhin von ungebremstem Optimismus zu mehr [00:01:30] Pessimismus, der jetzt eingesetzt zu haben scheint. Aber die große Frage ist wohl, wie es um das russische Militär bestellt ist? Weil wir immer wieder sagen, es ist übermächtig, es ist nur ein korrupter Flop. Aber wenn Russland ein so starkes Militär hat, fragen sich viele Menschen, warum? Warum ist es den Russen nicht gelungen, die Ukrainer zu besiegen?

 ScottRitter: [00:01:53] An wenn ist diese Frage gerichtet?

 GlennDiesen: [00:01:55] Es tut mir leid. An Sie Scott.

Auch die Russen sind normale Menschen 

ScottRitter: [00:01:57] Okay, schauen Sie. Lassen Sie uns [00:02:00] beginnen, indem wir einfach eine Tatsache festhalten. Der Russe ist nicht drei Meter groß. Der russische Soldat ist kein Übermensch. Sie sind in der Lage, Fehler zu machen. Sie haben Fehler gemacht. Sie werden auch weiterhin Fehler machen. So ist es nun einmal.

Also diese Vorstellung, dass Russland eine perfekte Kriegsmaschine ist, die nichts falsch machen kann. [00:02:30] Und warum in aller Welt haben sie diesen Krieg nicht schon gewonnen? Was für eine Absurdität.

Die Ukraine war bei Kriegsbeginn sehr stark

Die Ukraine begann diesen Konflikt mit dem zweitgrößten Militär in Europa nach der Türkei. Es war eines der am besten ausgebildeten Militärs in Europa, eines der am besten ausgerüsteten Militärs in Europa, eines der am besten geführten Militärs in Europa. Und wegen des anhaltenden Konflikts in der Ostukraine war es eine der kampferfahrensten [00:03:00] Armeen in Europa. Lassen Sie es mich anders formulieren. Wenn die ukrainische Armee gegen die deutsche Armee gekämpft hätte, hätte sie die Deutschen vernichtet. Die ukrainische Armee hätte die polnische Armee vernichtet. Die ukrainische Armee hätte die rumänische Armee, die französische Armee und die italienische Armee vernichtend geschlagen. So gut waren und sind die Ukrainer, sehr professionell, [00:03:30] sehr gut ausgebildet, sehr motiviert, nebenbei bemerkt. Die Vorstellung, dass Russland in die Ukraine einmarschieren und diese sehr fähigen Streitkräfte einfach beiseite fegen würde, ist also absurd. Und wir haben gesehen, dass Russland diesen Konflikt mit einem Aktionsplan ausgelöst hat, der meiner Meinung nach die Fähigkeiten der Ukraine unterschätzt hat.

Wir haben gesehen, wie Russland fliegende [00:04:00] Kolonnen nach vorne schickte, ohne sich um die Sicherheit der Flanken und der Rückseite zu kümmern. Und den Ukrainern gelang es, viele dieser Kolonnen in einen Hinterhalt zu locken und den Russen schwere Verluste zuzufügen. Das ist nur eine Feststellung von Tatsachen.

Russland hat ein sehr professionelles Militär

Aber was Russland hat, ist ein sehr gut ausgebildetes Militär, das über eine sehr, sehr kompetente Doktrin verfügt, die von einigen der am besten ausgebildeten Offiziere, dem [00:04:30] am besten ausgebildeten Offizierskorps der Welt, angeführt wird, von Leuten, die die Kunst des Krieges verstehen, und ein Militär, das zunehmend professioneller geworden ist, weg von diesem auf Wehrpflichtigen basierenden Militär, das vielleicht in den frühen 2000er Jahren bis vielleicht 2008 dominierte.

Der fünftägige Krieg mit Georgien war ein großer Weckruf für die Russen bezüglich der Unzulänglichkeiten ihrer Ausbildung, ihrer Ausrüstung und ihrer Doktrin. Was wir also [00:05:00] haben, ist ein russisches Militär, das weiß, was es tut. Und das größte Zeichen eines Profis ist die Fähigkeit, sich unter widrigen Umständen gut anzupassen. Die Russen gingen mit einer bestimmten Vorgehensweise in den Kampf und merkten schnell, dass sie sich anpassen mussten, dass die Ukrainer sehr kompetent waren und dass Russland seine Methodik ändern musste. [00:05:30] Und das taten sie, indem sie sich auf das Hauptproblem konzentrierten, mit dem sie konfrontiert waren, nämlich die stark verschanzten ukrainischen Streitkräfte, die die Ostukraine verteidigten, die Gebiete im Donbass, die in den letzten acht Jahren unter ukrainischer Kontrolle waren. Und ich muss betonen, dass sie stark verschanzt sind. Das ukrainische Militär hat sich in einigen der umfangreichsten [00:06:00] Schützengrabenanlagen verschanzt, die es seit dem Ersten Weltkrieg gegeben hat, mit Stahlbetonblöcken, Sie wissen schon, Bunkern, Stellungen. Wenn man eine Stellung angreift, wird man von einer anderen aus getroffen. Ihre Artillerie hat jeden Quadratzentimeter registriert, so dass, wenn die Russen auf ein bestimmtes Stück Boden kommen, die Ukrainer bereits eine Lösung für den Beschuss gefunden haben. Und wenn sie Artillerie zur Verfügung haben, sind sie in der Lage, diese [00:06:30] Stück mit der Artillerie zu beschießen.

Es handelt sich also um ein außerordentlich schwieriges militärisches Problem. Und den Russen ist es gelungen, einen, wie ich sagen würde, perfekten Sturm an militärischen Fähigkeiten zu entwickeln, um dieses Problem zu lösen. Sie haben ihre überwältigende Überlegenheit, ich würde sogar sagen, ihre Vorherrschaft bei der Artillerie, voll ausgenutzt, um eine Konfliktmethodik [00:07:00] zu entwickeln, die sich auf die Ausführung der Mission ohne zeitliche Beschränkung konzentriert. Und das ist in der Militärgeschichte so ziemlich einzigartig. Fast immer, wenn ein Krieg geführt wird, stehen die militärischen Befehlshaber unter Zeitdruck. Um eine Mission zu erfüllen, muss man den Hügel 861 bis 1500 Uhr am dritten Tag einnehmen. Und so werden Leben geopfert, um dieses Ziel rechtzeitig zu erreichen. [00:07:30] Die Russen haben den Kalender aus der Gleichung entfernt. Sie kümmern sich nicht um die Zeit. Alles, was ihnen wichtig ist, ist das Erreichen des Ziels, nämlich den Ukrainern ein Maximum an Verlusten zuzufügen, bei einem Minimum an Verlusten auf Seiten Russlands. Und sie haben sich eine Vorgehensweise ausgedacht, die genau das bewirkt. Sie bahnen sich ihren Weg durch die Ostukraine und verursachen dabei [00:08:00] eine nie gekannte Zahl von Opfern.

Verblüffende Zahlenverhältnisse

Normalerweise strebt ein Angreifer im Krieg einen zahlenmäßigen Vorteil von 3 zu 1 gegenüber dem Verteidiger an. Auf jeden einzelnen Ukrainer, der sich eingegraben hat, sollten also drei Russen kommen. Und führt man diesen Angriff durch, und das Verhältnis der Verluste beträgt ungefähr 1 zu 1. Ich meine, historisch gesehen, einige der größten Schlachten, die in der modernen Geschichte geschlagen wurden, im Zweiten Weltkrieg usw., haben ein Verhältnis von [00:08:30] eins zu 1,2 zu 1,4, was bedeutet, dass 100.000 der einen Seite gegen 100.000 der anderen Seite kämpfen, es wird eine Schlacht geben und schließlich wird es so weit sein, dass etwa 80.000 auf der einen Seite übrig bleiben und etwa 60.000 auf der anderen. Man erkennt die Überlegenheit die von einer Seite erreicht wurde. Die andere Seite beginnt sich zurückzuziehen oder zu kapitulieren. Die Russen erreichen im Moment eine Verlustquote – ich will nicht lachen, denn es ist Krieg und Menschen sterben. Und ich weiß nicht, [00:09:00] ich will das nicht verharmlosen -, aber ich muss sagen, als Militär muss man sagen, dass es in militärischen Belangen unerhört ist, gegen einen derartig eingegrabenen Feind in die Offensive zu gehen und dabei Opferzahlen von zehn, 15, 20, manchmal 30 zu 1 zu erreichen. Und ich denke, dass die Menschen im Westen zunehmend anfangen, dies zu sehen. Viele westliche Militärbeobachter beobachteten die Russen in der Anfangsphase und waren ein wenig enttäuscht, weil wir alle mit der operativen Bewegungskriegsführung [00:09:30] aufgewachsen waren, mit dieser Panzertruppe in Brigade- oder Divisionsgröße, die die Linie durchbrechen und in den hinteren Bereich vorstoßen, mit großen, beindruckenden Pfeilen [auf den militärischen Lagekarten]. Und als die Russen das nicht taten, sagten wir alle: Oh, die sind überbewertet. Sie sind nicht so gut man dachte. Und jetzt rekalibrieren wir im Grunde genommen und sagen: Diese Jungs sind wirklich gut, wirklich gut, sie sind fantastisch. Ich würde nicht gegen sie antreten wollen, denn diese Jungs haben [00:10:00] die Kunst des Krieges gemeistert, bei der sie alle ihre Stärken maximiert und gleichzeitig jede Schwäche des Feindes ausgenutzt haben.

Der Horror des modernen Krieges

Anekdotisch hören wir die Ukrainer sagen, “wir gehen an die Front und sind bereit, gegen die Russen zu kämpfen. Wir sind bereit. Wir sind vorbereitet. Wir kommen an die. Front, und wir verbringen die nächsten Tage damit, von der Artillerie unter Beschuss genommen zu werden. Wir verlieren 50, 60 % unserer Truppen, also ziehen sie uns ab. Und wir haben nie einen Russen gesehen.”. Wie demoralisierend ist es, wenn ein Feind [00:10:30] in den Nahkampf gehen will, wenn man an die Front geht, schreckliche Verluste erleidet und den Feind nie gesehen hat. Das ist die Realität des Krieges. Und wenn man sie dann zu Gesicht bekommt, ist man in der Regel schon pulverisiert worden. Und jetzt kommen diese gut ausgebildeten leichten Infanteriekräfte, unterstützt von Panzern, in die Gräben und graben dich mit Bajonetten, Granaten und Gewehrfeuer aus. Und es ist ein sauberer [00:11:00] Durchmarsch. Die Russen schlagen sich also auf dem Schlachtfeld fantastisch, aber die Uhr ist ihnen egal. Sie kümmern sich nicht um den Kalender. Sie werden ihre Missionen so erfüllen, dass die ukrainischen Verluste maximiert und die eigenen minimiert werden. Und damit möchte ich abschließen.

Verlustzahlen

Wissen Sie, es gibt einige Dokumente, die aus dem Verteidigungsministerium, dem ukrainischen Verteidigungsministerium, durchgesickert sind, aus denen hervorgeht, dass die ukrainischen Streitkräfte bis Ende Juni, Anfang Juli [00:11:30] 191.000 Verluste erlitten haben, 191.000. Das ist nur die Armee, die Luftwaffe, der Grenzschutz und andere Kräfte sind nicht mitgerechnet. Wenn man alle mit einbezieht, beläuft sich die Gesamtzahl der Verluste auf etwa 250.000 Tote und Verwundete. Das ist eine Zahl, die ich schon seit einiger Zeit in den Raum werfe, wobei ich nicht behaupten will, dass ich Gottes Geschenk für irgendetwas bin. Das bin ich nicht. Aber ich habe den Krieg studiert und ich war lange genug im Krieg, so dass ich in der Lage bin, das, was man militärische [00:12:00] Mathematik nennt, in meinem Kopf zu machen. Ich kann mir eine Reihe von Streitkräften ansehen. Ich kann mir die verfügbare Feuerkraft, die verfügbare Doktrin und das Gelände ansehen und meine Augen vier- oder fünfmal schließen, während der Algorithmus in meinem Kopf abläuft. Und sie sagen, dass dies das erwartete Ergebnis zu diesen Kosten ist. Und als ich mir anschaute, was in der Ostukraine vor sich ging, sagte ich, dass die Ukraine bis zum Sommer dieses Jahres eine Viertelmillion Opfer zu beklagen haben würde. Und es hat sich herausgestellt, dass das genau das ist, was sie [00:12:30] erlitten haben. Also, das sind keine Toten. Es ist eine Viertelmillion Verluste. Aber von dieser Viertelmillion sind zwischen 70 und 80.000 im Kampf gefallen. Das ist eine ganze Menge. Das ist ziemlich viel. Das heißt nicht, dass die Russen keine Verluste erlitten haben. Sie haben Verlust. Wenn ich meine militärischen Berechnungen durchsehe, schätze ich, dass die Gesamtverluste der Alliierten für die Russen bei etwa 15.000 Toten liegen. (Wie Scott Ritter weiter unten erwähnt entfallen davon nur ca. 5.000 Tote auf die russischen Streitkräfte. Der Rest entfällt auf die mit Russland verbündeten Milizen der beiden Donbass-Republiken) Und wir haben es wahrscheinlich mit 25.000 bis 30.000, vielleicht sogar bis zu 40.000 Verwundeten zu tun. Also [00:13:00] 55.000 russische Verluste (also Tote und Verwundete) insgesamt. Die meisten dieser Opfer gab es zu Beginn des Konflikts, während die Ukrainer immer mehr Opfer zu beklagen hatten als die Russen.  Aber wenn man es grafisch darstellt, sieht man, dass die Russen hier [zeigt mit der Hand ein hohes Niveau] mit Verlusten beginnen, und dann sinken ihre Opferzahlen auf ein gleichbleibend niedriges Niveau, sie sinken so weit gegen Null, wie es heutzutage möglich ist. Die ukrainischen Verluste waren immer höher, aber, aber sie haben dass anfängliche Niveau verlassen, sind gestiegen und steigen jetzt steil an [er zeigt die Veränderungen mit den Händen an]. Und selbst [00:13:30] wenn diese Zahlen darauf hindeuten, dass die Ukrainer den Russen große Verluste zugefügt haben, ist das heute nicht [mehr] der Fall. Die Grafik würde heute zeigen, dass die ukrainischen Verluste in die Höhe schießen und dass die russischen Verluste auf einem niedrigen Niveau stagnieren. Der Krieg wird sich für die Ukrainer nur noch schlimmer entwickeln.

Wenn ein Krieg verloren ist, ist er nicht unbedingt vorbei

Also, wissen Sie, im Juli, August [00:14:00] 1943 gab es in der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs eine große Schlacht namens Kursk. Als die Schlacht zu Ende war, gab es wohl auf beiden Seiten keinen Militärexperten, weder auf der deutschen noch auf der sowjetischen Seite, der nicht erkannt hätte, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Er war zu Ende. Das war, sagen wir, im Juli, August 1943. Dennoch dauerte der Krieg noch fast zwei Jahre.

Auch wenn der Krieg verloren war, bedeutete dies nicht, dass der Krieg vorbei war. [00:14:30] Die Ukraine hat diesen Krieg im Mai verloren. Sie verlor ihn, als Mariupol fiel, denn als Mariupol fiel, hatten die Russen die Formel perfektioniert, die auf dem Schlachtfeld wiederholbar ist, und es gibt nichts, was dieses Ergebnis ändern würde. Keine noch so große militärische Hilfe des Westens, keine noch so große Mobilisierung der Ukrainer würde etwas an diesem Ergebnis ändern. Es gibt noch [00:15:00] viele Kämpfe zu bestehen. Es werden noch viele Ukrainer getötet werden, es wird noch viel Territorium erobert werden. Und es werden leider auch noch viele Russen getötet und verwundet werden. Ich will nicht behaupten, dass der Krieg zu Ende ist, aber er ist gelaufen. Russland hat gewonnen, und daran wird sich nichts mehr ändern.

Verhängnisvolle Intervention des Westens

GlennDiesen: [00:15:20] Aber entschuldigen Sie, ich habe mich nur gefragt, wie Sie das Gefühl haben, dass der Krieg in diese neue Phase eintritt, denn wie Sie eingangs erwähnten, stürmte Russland [00:15:30] irgendwie unvorsichtig auf Kiew zu, wissen Sie, mit diesen sehr dünnen, langen Nachschublinien, was sie sehr verwundbar machte. Es scheint mir aber, dass Boris Johnson während der ukrainischen und russischen Friedensverhandlungen Kiew einen Besuch abstattete und ihnen praktisch mitteilte, dass das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten die Ukraine mit allen Waffen versorgen würden, die sie brauchen würde, wenn sie nur von diesem Friedensabkommen, von diesem, nun ja, Verhandlungstisch [00:16:00] mit den Russen weggingen. Ich denke, dass dies aus unserer Sicht den Krieg verändert hat, denn bis dahin sah es so aus, als ob die Russen den Schaden für die Ukraine so niedrig wie möglich halten wollten. Doch danach schien der Krieg zu einem Abnutzungskrieg zu werden, in dem das gegnerische Militär effektiv vernichtet wurde. Aber wie gesagt, das geht jetzt schon seit ein paar Monaten so. Aber es scheint, dass wir jetzt zu diesem Stadium kommen, wo die ukrainische Armee [00:16:30] zusammenzubrechen scheint, denn gerade in den letzten zwei oder drei Wochen sehen wir Abschnitte an der Hauptfrontlinie und nördlich von Donezk Stadt, also und auch im Westen, das sind Vuhledar und Marjinka, Pisky, Awdijiwk und jetzt auch Bachmut, die zu fallen scheinen. Dies waren die Hauptverteidigungslinien. Es ist als ob der Krieg in eine neue Phase eingetreten wäre, vom Zermürbungsprozess mehr hin zu territorialen Übernahmen. Was meinen [00:17:00] Sie beide?

 ScottRitter: [00:17:02] Nun, Alex, ich habe lange genug gesprochen, also können Sie das übernehmen.

 AlexanderMercouris: [00:17:06] Lassen Sie mich zuerst ein paar Anmerkungen zu dem machen, was Sie gesagt haben, Scott, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich möchte nur sagen, dass ich glaube, dass die von Ihnen erwähnten Opferzahlen in etwa richtig sind. Und Sie sagten, dass die Ukraine die westlichen Armeen geschlagen hätte, nur die westeuropäischen Armeen. Die britische Armee, die britische Landarmee, zählt, glaube ich, etwa 80.000 Mann. Also [00:17:30] wir reden hier von 190.000 ukrainischen Opfern bis Juni. Das ist, man kann es sich ausrechnen, viel mehr als die britischen Landstreitkräfte. Und ich habe tatsächlich gehört, dass man das in Großbritannien sagt. Sie sagten, dass die Ukrainer, schon bevor die Zahlen des ukrainischen Militärs durchgesickert sind, dass die Ukrainer mehr Männer verloren haben, als [00:18:00] die britische Armee in einem Krieg einsetzen könnte.

Umkehr der Verhältnisse im Abnutzungskrieg

Zu dem Punkt das sich der Abnutzungskrieg hier zum Nachteil des des Verteidiger entwickelt – ein Abnutzungskrieg sollte eigentlich zu Gunsten der Verteidigung funktionieren. Zumindest scheint das jeder in London anzunehmen. Ich kann mich an diese Zeit des wilden Optimismus im April erinnern. [00:18:30] Sie sagten sich, na ja, wissen Sie, sie haben Kiew nicht bekommen. Sie werden im Donbass angreifen. Der Donbass wird genau so stark verteidigt, wie Sie gesagt haben. Die Russen werden nicht in der Lage sein, diese Verteidigungsstellung zu durchbrechen, weil die Ukrainer so gut verschanzt sind. Das ukrainische Militär ist, wie sich herausstellte, sehr stark. Ich glaube übrigens, dass dies ein Faktor ist, den die Leute unterschätzt hatten. Ich habe ihn sicherlich unterschätzt. Ich glaube, das ist übrigens auch ein Grund, warum es überhaupt zum Krieg kam, denn die Russen waren zweifellos [00:19:00] zunehmend besorgt über diese militärische Aufrüstung in der Ukraine, und sie waren darüber sehr beunruhigt. Aber abgesehen davon war man in London und wahrscheinlich auch in Washington sehr optimistisch und sagte sich: Die Russen werden einen Zermürbungskrieg nicht gewinnen können. Die Zahlen sind zu sehr gegen sie gerichtet. Aber wie man nun gesehen hat, kehrt sich die Zermürbung um. Es sind die Ukrainer, die unter der Zermürbung leiden, nicht die Russen. [00:19:30] Ich glaube, es gibt ein stilles, wachsendes Entsetzen über das schiere Ausmaß dieses Artilleriekrieges, den zumindest das britische Militär nicht wirklich verstanden hat, von dem es bis zu diesem Zeitpunkt keine wirkliche Vorstellung hatte. Ich sage es oft und ich sage es wieder, Ich habe keinen militärischen Hintergrund, keinen wie auch immer gearteten. Ich war nie in einer Armee. Ich habe nie in Uniform gedient. Ich kannte Offiziere, militärische [00:20:00] Offiziere, aber, nochmals, ich habe mich nie für militärische Angelegenheiten interessiert.

Russlands logistische und industrielle Leistung

Ich kenne mich etwas, sehr gut mit Logistik aus, und die schiere logistische Leistung, all diese Artillerie in Bewegung zu setzen, sie mit Munition zu versorgen, sie Tag für Tag, Woche für Woche in dieser Größenordnung zu versorgen und all diese Raketen abzufeuern, ist einfach unglaublich. Es ist atemberaubend. Es ist ein unglaublicher [00:20:30] industrieller Aufwand. Es ist ein gewaltiger organisatorischer Aufwand. Es ist ein Aufwand, zu dem wir zumindest hier in Großbritannien, das kann ich definitiv sagen, nicht mehr fähig sind. Ich denke, wenn die Vereinigten Staaten all ihre Ressourcen dafür einsetzen würden, könnten sie es schaffen. Aber kein europäisches Land könnte das allein oder auch nur gemeinsam. Wir haben gesehen, dass die Munitionsvorräte [00:21:00] im Westen, die Vorräte, alle erschöpft sind. Im Juli hat Europa alle Waffenlieferungen an die Ukraine eingestellt, weil wir diese Art von Krieg einfach nicht mehr durchhalten können. Es ist ein Zermürbungskrieg, der sich nicht nur gegen die Ukraine richtet. Unglaublich. Und das ist etwas, das niemand erwartet hat. Er richtet sich auch gegen uns, und damit meine ich die Streitkräfte in Europa [00:21:30], und darauf haben wir keine Antwort. Ich wollte also nur diese Beobachtungen machen, die auf den Dingen aufbauen, die Scott sagt. Wenn Scott etwas davon beanstanden möchte, dann wird er das natürlich tun.

Auf dem Weg zur Entmilitarisierung der NATO

GlennDiesen: [00:21:45] Letzter Punkt. Ich erinnere mich an den tschetschenischen Führer Kadyrow. Er sagte, dass sie nach der Entmilitarisierung der Ukraine auch die NATO entmilitarisieren werden. Ich dachte, wissen Sie, er neigt zu einer etwas bombastischen Sprache, aber da ist etwas dran. Ich meine, wir haben europaweit agiert. unsere [00:22:00] militärischen Lagerbestände abgebaut und alles verfrachtet. Und wir sehen jetzt, dass die Zahlen zurückgehen, nicht unbedingt wegen unserer Politik, sondern weil wir die Mittel nicht mehr haben. Und selbst wenn wir sie hätten, scheinen wir einfach nicht in der Lage zu sein, die Waffen so schnell liefern zu können wie die Ukrainer sie verlieren. Es scheint also eine verlorene Schlacht zu sein. Aber wie gesagt, das ist der Grund, warum es so frustrierend ist, dass es [00:22:30] weitergeht. Wir setzen den Krieg fort, obwohl, Scott sagte, dass der Krieg verloren ist auch wenn er noch nicht beendet ist. Es fühlt sich an, als hätten wir diesen Punkt [ab dem der Krieg verloren ist] schon lange hinter uns gelassen haben. Und doch kämpfen wir weiter.

AlexanderMercouris: [00:22:48] Ich möchte nur ein paar Dinge sagen. Ein paar schnelle Dinge. Zunächst einmal schäme ich mich zutiefst für die Rolle, die mein Land im März gespielt hat, als es eine vielversprechende Möglichkeit für [00:23:00] eine Verhandlungslösung für diesen Krieg zunichte gemacht hat. Zweifellos werden wir noch mehr dazu sagen. Aber ich bin zutiefst bestürzt über diese Sache. Aber um auf die Punkte zurückzukommen, die Sie vorhin angesprochen haben, Glenn, Ihre Frage über die Tatsache, dass der Krieg die Richtung zu ändern scheint, werde ich Scott in Bezug auf das Militär überlassen, aber ich habe auch das Gefühl, dass die Zermürbung jetzt den Punkt erreicht, an dem man über den Horizont hinweg sehen kann, dass die Zermürbung ihren Effekt haben wird.

Ukraine dem Weg zum wirtschaftliche Kollaps

[00:23:30] Kein Militär kann den Schaden verkraften, den die Ukraine Tag für Tag, Woche für Woche erleidet. Keine Gesellschaft kann das. Es mehren sich die Hinweise, dass auch in der Ukraine die wirtschaftlichen Spannungen zunehmen. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass sich dort eine Inflationskrise anbahnt. Wir haben Kommentare von Wirtschaftswissenschaftlern wie Ken Rogoff, der übrigens ein sehr bekannter [00:24:00] Harvard-Ökonom ist. Sie sagen der Ukraine, dass man die Ausgaben nicht in dem Maße aufrechterhalten kann. Man kann nicht so viel Geld drucken, um die Kriegsausgaben zu decken, wie man es derzeit tut. Wenn man das tut, wird man mit ernsthaften Inflationsproblemen konfrontiert werden.

Der Gouverneur der ukrainischen Zentralbank hat sich jetzt geäußert und genau dasselbe gesagt. Er sagte, dass die Regierung in Kiew ihre Ausgaben kürzen muss. Wie [00:24:30] kann eine Regierung, die sich mitten im Krieg befindet, ihre Ausgaben kürzen? Ich meine, das ist unmöglich. Was von ihnen verlangt wird, lässt nur einen logischen Weg zu: Friedensverhandlungen. Genau aber dazu scheint die Regierung in Kiew strukturell nicht in der Lage zu sein.

Ich habe also das Gefühl, dass wir wahrscheinlich in den nächsten [00:25:00] Wochen bis Monaten an den Punkt kommen, an dem die Zermürbung ihre Wirkung zeigt und dieser Krieg sich seinem Ende nähert. Ich denke, ich habe Recht, wenn ich sage, dass dies sicherlich der Fall ist, nebenbei bemerkt, ich meine – wie Sie wahrscheinlich alle wissen, bin ich Jurist – juristische Kämpfe, Rechtsstreitigkeiten können manchmal eine zermürbende Qualität haben. Was dabei manchmal passiert, und ich vermute, dass das auch im Krieg der Fall ist, ist, dass eine Seite irgendwann erschöpft ist und der Zusammenbruch plötzlich kommt.

Vorstoß der Russen bis zum Dnjepr absehbar

Ich frage mich, ob wir so etwas auch in der Ukraine erleben könnten. Wenn ich von einem plötzlichen Zusammenbruch spreche, dann meine ich nicht einen totalen Zusammenbruch auf der ganzen Linie, aber wir könnten zum Beispiel im Donbass, in der Ostukraine und [00:26:00] in der Ukraine ziemlich dramatische Entwicklungen erleben. Es gibt alle möglichen Leute, die an der Front sind. Russland, aber auch die Ukraine, haben übrigens einige erstaunliche Kriegsreporter. Sehr tapfere Leute.

Im Grunde genommen scheinen sie alle zu sagen, dass, sobald die Verteidigungslinien im Donbass durchbrochen sind, die einzige verbleibende Verteidigungslinie der Fluss Dnjepr ist, und dass es [dazwischen] dann wirklich nichts mehr gibt. Es [00:26:30] gäbe dann nichts mehr, was einem russischen Vormarsch zum Dnjepr im Wege stünde. Wenn aber die Russen bis zum Dnjepr vorstoßen dann ist die Ukraine im Wesentlichen zwei Teile zerschnitten. Den Krieg fort zu führen wird dann, zumindest so weit ich das sehe, sehr, sehr problematisch. Sie stellen also die Frage, wohin sich dieser Krieg entwickelt und in welche Richtung er geht? Ich hoffe, ich habe gerade meine [00:27:00] eigenen Gedanken dazu deutlich gemacht.

Scotts Geschichte von der Artillerie der US-Marines

ScottRitter: [00:27:04] Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen. Alexander hat gerade alles meisterhaft beantwortet. Es gibt nichts mehr zu besprechen. Nein, ich stimme 100% zu. Wenn Sie mir erlauben, dass ich mir ein bisschen Geschichtenerzählen gönne. Aber es hat etwas mit dem hier zu tun. Als ich bei der Artillerie war, ich war in einem Artilleriebataillon, als ich zum ersten Mal zum Marine Corps kam, als einfacher Leutnant. Und ich hatte die Dreistigkeit [00:27:30] als ich vor meinen kommandierenden Offizier gerufen wurde, sagte er, was ist die Rolle eines Nachrichtenoffiziers? Er hatte gerade die beiden Jungs vor mir gefeuert. Ich antwortete: Der Nachrichtendienst steuert die Operationen. Ohne mich könnt ihr gar nichts machen. Er fragte: Glauben Sie das wirklich? Ich sagte: Ja, Sir, das tue ich. Er sagte: Gut. Sie sind für den jährlichen Ausbildungsplan verantwortlich. Dem Leutnant wurde die Verantwortung für die Erstellung des jährlichen Ausbildungsplans für das größte Artilleriebataillon der freien Welt übertragen, [00:28:00] das fünfte Bataillon der elften Marines, das aus fünf schießenden Batterien besteht. Ich sagte: “Okay, das mache ich.”.

Aber als ich dazukam, war die Art und Weise, wie wir die Artillerie betrieben, die des Zweiten Weltkriegs, mit Artilleriebataillonen zur direkten Unterstützung, die mit der Front zusammenarbeiteten und die für Feuerunterstützung bis zur Divisionsebene sorgten. Aber es war sehr linear. Als [00:28:30] ich mir die sowjetischen Fähigkeiten anschaute, weil wir für den Kampf gegen die Sowjets trainierten, sagte ich, dass wir schon am dritten Tag verlieren würden. Wenn wir das versuchen, wenn wir versuchen, mit den Sowjets auf Augenhöhe zu sein, dann werden wir verlieren. Und das war zu einer Zeit, als das Marine Corps sich für die Manöverkriegsführung entschied. Indem ich einige dieser Prinzipien adaptierte, entwickelte ich einen jährlichen Trainingsplan, der viel Manövrieren, viel Dispersion, konzentriertes [00:29:00] Feuer und mobile Anti-Batterien-Fähigkeiten beinhaltete. Die Idee war, Raum zu tauschen, Raum zu schaffen und den Feind zu stören, bis man einen entscheidenden Punkt erreicht, an dem man ihn treffen kann. Und dafür haben wir trainiert, ich meine, ich war zweieinhalb Jahre lang dort. Eines der interessanten Dinge, von denen Sie sprachen, ist die Logistik, diese neue Art des Krieges. Das Marine Corps trainierte damals so wie es kämpfte, das heißt, wir übten nur mit scharfer Munition. Ich bin 29 Jahre alt, aus Kalifornien und in der [00:29:30] Wüste, und die Munitionsausgaben gingen durch die Decke, und das Hauptquartier des Marine Corps kam zu mir und sagte, das könne man nicht rechtfertigen. Ich musste wieder einen Bericht schreiben. Nun, als Oberleutnant musste ich erklären, dass wir so trainieren mussten, weil wir sonst den Krieg verlieren würden. Ich konnte sie überzeugen. Was ich damit sagen will, ist, dass die Munitionsverbrauchsraten durch die Decke gingen, und trotzdem hatten wir, als wir den Krieg durchspielten, irgendwann einfach nicht mehr genug, egal wie gut [00:30:00] wir waren. Selbst wenn wir alles richtig gemacht haben, selbst wenn wir die perfekte Zeit für ein Manöver genutzt haben, um uns einen Vorteil zu verschaffen, usw. Irgendwann würden unsere fünf Batterien zermürbt werden, ohne dass die Artilleriekapazitäten der [sowjetischen] Streitkräfte nennenswert geschwächt würden. Sie würden uns überwältigen und wir müssten am Ende Atomwaffen einsetzen. Egal, was wir also taten, wir mussten am Ende immer Atomwaffen einsetzen. Und das war das United States Marine Corps.

Ich will nicht [00:30:30] zu sehr prahlen, aber es gab niemanden, der besser war als wir. Und es wird auch nie jemanden geben, der besser ist als wir. Wir waren die ultimativen Kämpfer. Und ich bin mir sicher, dass die Marines heute dasselbe empfinden: Sie haben sich voll und ganz der Kriegskunst verschrieben. Und es war dennoch nicht gut genug. Es war nicht gut genug. Und jetzt haben wir die Ukrainer, die nicht annähernd so gut sind wie die Marines. Sie sind professionell, aber ich kann Ihnen garantieren, dass ihr Militär nie auf dem Niveau trainiert hat, das wir in den 1980er Jahren in Bezug auf Live-Feuer-Manöver ständig im Feld trainiert haben. [Wahrscheinlich ist eine Kombination aus ständigem Stellungswechsel und Schießen mit scharfer Munition gemeint]. Und [00:31:00] jetzt treten sie gegen die Russen an, die ebenfalls nicht so gut ausgebildet waren wie wir. Aber die Russen haben das gemeistert. Und Sie haben recht, logistisch gesehen ist das kein Zufall.

Die Russen haben noch lange genug Munition

Was ist hier los? Wissen Sie, die Russen sind nicht mit dem Gedanken in diesen Krieg gegangen, dass sie ihn in drei Monaten gewinnen werden. Daher haben sie all diese Munition gehortet. Die Russen haben das schon seit Jahren geplant. Seit Jahren haben sie ihre Mittel [00:31:30] für die Beschaffung von Munition aufgestockt. Sie haben nicht nur Artilleriemunition gehortet, sondern auch Präzisionsmunition, Klibr-Raketen, Onyx-Raketen. Diese Dinge sind ihnen noch nicht ausgegangen. Wie Alex weiß hieß es schon im April, “ihnen werden die Kalibr-Raketen ausgehen werden. Sie haben nicht ….”.

 AlexanderMercouris: [00:31:50] Der Daily Telegraph sagte uns im März, dass dies in zwei Wochen der Fall sein würde.

 ScottRitter: [00:31:55] Das ist nicht passiert. Sie haben weiter alles was sie brauchen. Sie greifen dich an und es wird niemals enden.

Noch mal zur angekündigten Entmilitarisierung der NATO

Sie [00:32:00] haben die NATO angesprochen und es gibt eine Ankündigung, dass sie die NATO entmilitarisieren werden. Denken Sie darüber nach. Es ist nicht nur, dass sie … Alexander, Sie wissen, wir reden über 191.000, ich schätze eher 250.000 an Verlusten, das ist mehr als das Doppelte der britischen Armee. Die Zahl der toten Ukrainer entspricht genau der Größe der britischen Armee. Die Russen haben also so viele Ukrainer getötet, wie es [00:32:30] in der britischen Soldaten Armee gibt. Und das ist etwas, worüber man mal kurz nachdenken sollte. Entmilitarisierung der NATO. Die NATO hat sich, um die Ukrainer zu versorgen, selbst ausgeweidet. Das liefert den ersten Teil dieser Ankündigung.

Lassen Sie uns das genauer analysieren. Das bedeutet, dass Russland, bevor wir darüber sprechen, was die NATO der Ukraine zur Verfügung gestellt hat, das gesamte Arsenal der zweitgrößten Armee Europas, das [00:33:00] bestehende Arsenal, die Tausende von Panzern, die Tausende von Artilleriegeschützen, die Hunderte von Flugzeugen, die die Ukraine vor der Öffnung ihrer Kasernen und Arsenale durch die NATO besaß, besiegt, zerstört, vernichtet hat. Das ist an sich schon erstaunlich, denn die Menge an Ausrüstung, die Russland zerstört hat, wenn man sie mit dem vergleicht, was die NATO in ihren Arsenalen hat, bedeutet, dass sie in der Lage sind, das, was die NATO hatte, vollständig [00:33:30] zu zerstören. Aber jetzt hat sich die NATO selbst ausgeweidet, indem sie der ukrainischen Armee erhebliche Mengen an Ausrüstung gegeben hat, die von den Russen zerstört wurde. Es ist also nicht so, dass sich das ukrainische Militär mit all dieser neuen NATO-Ausrüstung erfolgreich neu aufgestellt hat, um größer, besser und besser zu werden. Sie werden immer noch zerschlagen. Die Ausrüstung wird zerstört.

Russland hat den Krieg militärisch zweimal gewonnen

Russland hat den Krieg also zweimal gewonnen. Sie besiegten das ukrainische Militär, wie es [00:34:00] ursprünglich organisiert und ausgerüstet war, und sie besiegten das neue ukrainische Militär, das von nun von der NATO mit all dieser Ausrüstung der NATO ausgestattet wurde. Einige NATO-Staaten haben die Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständen ganz eingestellt, weil sie nichts mehr zur Verfügung stellen können, es sei denn, sie wollen ihre Fähigkeiten auf Null reduzieren. Russland hat also die NATO demilitarisiert. Tatsache ist, dass Russland in der Lage sein wird, die derzeitige Artillerierate von 60.000  [00:34:30] bis 70000 Schuss pro Tag aufrechtzuerhalten – ein kurzer Hinweis auf den Golfkrieg, in dem ich 1991 gegen den Irak kämpfte, die Vereinigten Staaten feuerten während der Bodenkampfphase im gesamten Golfkrieg 60.000 Schuss [Artilleriemunition] ab. Die Russen verbrauchen das an einem Tag. Lassen Sie uns also kurz darüber nachdenken, bevor wir zum nächsten Punkt übergehen.

Aufrüstung ist kein Computerspiel sondern kostet Zeit

Die NATO – lassen Sie mich das einwerfen. Man baut eine Armee nicht über Nacht auf. Und [00:35:00] Alexander, Sie haben das angedeutet. Sie sprachen von der Fähigkeit, Munition usw. zu produzieren. Selbst, wenn NATO auf magische Weise 200 Milliarden Euro produzieren würde. Sie können das nicht, aber nehmen wir an die haben magische Euros. Dies ist kein Kriegsspiel, kein Computerspiel, bei dem wir rekrutieren, genügend Ressourcen anhäufen und auf den Knopf klicken und sagen “Oh, sehen Sie, wir haben genug Ressourcen angesammelt, wir bauen Panzer, wir bauen Panzer. Wir bauen Flugzeuge. Wir bauen Artillerie.” Nein, die industrielle [00:35:30] Basis ist [in der Realität] nicht in der Lage, das zu tun.

Die industrielle Basis arbeitet auf der Grundlage eines zeitlichen Budgets, d.h. der Gesetzgeber genehmigt eine bestimmte Menge an Munition, die im Laufe der Zeit produziert werden soll. Die industrielle Basis stellt sich darauf ein und tut dies, wenn es nicht zu einer totalen Mobilisierung, einer totalen Umwandlung der industriellen Basis kommt, ist das alles, was man tun kann. Diese Umstellung braucht Zeit. Sie geschieht nicht über Nacht. Europa ist nicht in der Lage, ein Arsenal zu produzieren, das [00:36:00] mit dem russischen Militär mithalten kann. Sie werden die Briten abhängen. Ich glaube, es wurde viel darüber geredet, dass sie [die Briten] in zwei Wochen keine Munition mehr haben würden. Nein, die Munition wird ihnen vor Ablauf von zwei Wochen ausgehen, denn das setzt zunächst einmal voraus, dass Großbritannien in der Lage ist, mit einer bestimmten Anzahl von Truppen über einen Zeitraum von zwei Wochen eine bestimmte Feuerrate aufrechtzuerhalten. Sie würden Ihre gesamte Armee in weniger als dieser Zeit verlieren. Sie würden also keine Truppen mehr haben, die Munition verbrauchen könnte, die Munitionsdepots würden zerstört werden. Die Logistik würde zerstört werden. Die Russen werden [00:36:30] Sie auf dem gesamten Spektrum des Schlachtfelds dominieren. Und das gilt für die gesamte NATO, sogar für die Vereinigten Staaten. Uns gehen die HIMARS-Raketen aus. Wissen Sie, das HIMARS ist angeblich diese magische Waffe, die wir entwickelt haben, und mit der wir dem russischen Militär das Genick brechen können. Nun, das ist wunderbar in einer perfekten Welt, aber wir haben keine HIMARS-Munition mehr. Wir haben sie alle den Ukrainern gegeben, und sie wurden alle in die Luft gesprengt. Also, ja, die NATO ist entmilitarisiert worden, und wenn dieser Krieg zu Ende ist, und er wird zu Ende gehen, werden wir [00:37:00] ein russisches Militär sehen, das die Kunst des Krieges perfektioniert hat, was nicht nur beinhaltet, wie man den Feind an der Front tötet, sondern auch, wie man das logistisch aufrechterhält, wie man das macht und wächst. Und sie werden es mit einer NATO zu tun haben, die sich selbst entkernt hat, die keine Nachhaltigkeit hat und der es immer noch an einem Militär mangelt, das in der Lage ist, die Art von Krieg zu führen, die Russland jetzt führt.

Wie wird sich der Krieg in der Ukraine ändern?

Wird sich der Krieg ändern? Ja. Wenn sie die Verteidigungsanlagen [bei Donezk] durchbrechen, wird sich das Wesen des Krieges ändern. Daran gibt es keinen Zweifel. Aber [00:37:30] ich würde jeden davor warnen, an einen dramatischen Ausbruch zu denken. Und der Grund, warum ich das sage, ist, dass die Operation Bagration im Sommer 1944 stattgefunden hat. Die Zerstörung der Heeresgruppe Mitte, einer der schrecklichsten Zusammenbrüche des militärischen Zusammenhalts in der modernen Geschichte, bei dem die deutsche Heeresgruppe Mitte im Wesentlichen von den Sowjets überwältigt wurde [00:38:00]. Und plötzlich sieht man die großen Pfeile [auf den militärischen Lagekarten], die vorwärts gehen, und auf dem Papier sieht es wirklich, wirklich gut aus. Große Pfeile. Aber weißt du, was mit diesen großen Pfeilen einherging? Große Verluste. Riesige Verluste. Große Pfeile gibt es nicht umsonst. Große Pfeile sind teuer. Und ich glaube nicht, dass die Russen bereit sind, diesen Preis zu zahlen. Auch wenn sich die Gelegenheit für einige große Pfeile bietet, denke ich, dass die Russen [00:38:30] versuchen werden, ihren Zermürbungskrieg anzupassen, den sie bisher geführt haben. Wahrscheinlich mit einem höheren Operationstempo, aber sie werden versuchen, den Ukrainern immer wieder die Gelegenheit zu geben, eine Pause einzulegen, sich zu konsolidieren, und dann werden die Russen ebenfalls eine Pause einlegen, sie niedermahlen und dann zur nächsten Pause übergehen. Ich denke also, dass wir anstelle dieses stetigen Zermahlens einige Sprünge nach vorne sehen werden, Sprünge nach vorne, Sprünge nach vorne, [00:39:00] Sprünge nach vorne. Aber ich glaube nicht, dass wir die großen Pfeile sehen werden, denn große Pfeile bringen große Verluste mit sich. Und eines der Dinge, die die Russen offenbar für sich entdeckt haben, ist die Minimierung von Verlusten. Dies ist immer noch eine militärische Spezialoperation. Sie haben nicht mobilisiert. Sie haben immer noch mit den Einschränkungen eines Militärs in Friedenszeiten zu tun. Sie sind also nicht darauf vorbereitet, die Verluste hinzunehmen, die mit großen, weitreichenden Offensivoperationen einhergehen. Und ich erwähne das, weil egal [00:39:30] was mit den Ukrainern passiert, wenn sie zusammenbrechen und zerbröckeln, genau wie die deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen waren immer noch in der Lage, sich auf der Stelle zu drehen und die Sowjets zu schlagen, wenn diese einen Fehler machten. Die Ukrainer sind immer noch in der Lage, auf der Stelle zu drehen und den Russen ins Gesicht zu schlagen, wenn der Russen ihnen die Chance dazu geben. Das ist also die Gefahr großer, den Gegner besiegender militärischer Offensiven [engl.: big air war], denn wenn man sie beginnt und einen kompetenten Gegner hat, kann er immer noch Schaden anrichten. Und ich glaube nicht, dass die Russen [00:40:00] den Ukrainern eine Gelegenheit geben wollen, Schaden anzurichten. Letztendlich wird dieser Krieg aber zu einem Krieg der Gebietseroberung werden, sobald die Verteidigungsanlagen aufgerollt sind.

[Anmerkung. Auf dem Military Summary Chanel wurde am Freitag den 26.8.2022, also eine Woche nach der hier übersetzten Diskussion erklärt, dass die Russen in der ablaufenden Woche in der Gegend bei Donezk und an den meisten anderen Stellen keine Gebietsgewinne mehr zu verzeichnen hatten weil sie sich auf eine neue Taktik verlegt haben: Sie beschießen und dezimieren damit ukrainische Einheiten aus sicherer Entfernung so lange mit ihrer Artillerie, bis die Ukrainer die dezimierten Einheiten gegen frische Einheiten auswechseln. Dann dezimieren die Russen diese frischen Einheiten. Erst wenn die Russen sicher sind das die Ukraine eine Stellung wirklich kampflos aufgegeben hat rücken sie vor. Offenbar gelingt es den Russen so den ukrainischen Streitkräften hohe Verlust zu zu fügen und deren Einheiten zu zermürben, ohne dass es auf russischer Seite Verluste gibt.]

Wie die Ukraine ihr Recht verlor über ethnische Russen zu regieren

Die Russen haben deutlich gemacht, dass sich die Natur des Konflikts geändert hat, weil die Ukraine im April nicht bereit war, sich auf verantwortungsvolle Verhandlungen einzulassen. Und um es grob zu vereinfachen, hat die Ukraine das Recht verloren, über einen ethnischen [00:40:30] Russen zu herrschen. Ich denke, das ist so einfach, wie ich es ausdrücken kann. Russland wird den Ukrainern nie wieder die Möglichkeit geben, ethnische Russen so zu terrorisieren, zu ermorden, zu vergewaltigen, wie sie es in der Vergangenheit getan haben. Die vom ukrainischen Parlament verabschiedeten Gesetze zum Verbot der russischen Sprache und zur Ächtung der russischen Kultur sind Gesetze, die, wenn man die Augen schließt und das Wort “Russisch” durch “Jude” ersetzt, in ihrer Auslöschung eines Volkes, einer Kultur, einer Rasse an Nazi-Deutschland erinnern. [00:41:00] Egal, was passiert, die Ukraine hat in den Köpfen der Russen, glaube ich, jedes Mitspracherecht verloren, wenn es darum geht, einen ethnischen Russen zu regieren. Sie werden also Charkow verlieren, sie werden Dnipropetrowsk verlieren, sie werden Nikolajew verlieren, sie werden Odessa verlieren. Und ich denke, wir werden die Schaffung von Neurussland erleben, das sich von Transnistrien bis nach Charkow erstreckt. Das wird für immer Russland sein. Die Militäroperation wird, sobald sie die Verteidigung aufrollen und den Donbass [00:41:30] zurückerobern, zu einem Krieg der Gebietseroberung werden, in dem die Russen ein bestimmtes territoriales Ziel definieren und es dann erreichen werden. Konsolidieren, vollenden, konsolidieren, vollenden mit dem Ziel, ihre Ziele mit minimalen Verlusten zu erreichen. Das ist der einzige Punkt, der meiner Meinung nach berücksichtigt werden muss. Die Russen werden keine großen Spiele spielen, weil Russland politisch nicht bereit ist, große Verluste hinzunehmen, aber sie werden diesen Krieg gewinnen.

Wird Russland Wehrpflichtige mobilisieren?

 GlennDiesen: [00:42:00] Der Punkt, den ich Sie fragen wollte, weil Sie erwähnt haben, dass Russland nicht über dieses Format einer speziellen Militäroperation hinausgegangen ist, dass es Spekulationen bezüglich der Mobilisierung gibt, weil es danach aussieht, dass es nächsten Monat diese Volksabstimmungen durchführen wird, mit denen Cherson und Saporischschja an Russland angeschlossen werden. [00:42:30] Wäre es nicht so, dass das damit das rechtliche Problem, des Einsatzes russische Truppen in fremden Ländern überwunden würde? Mit anderen Worten, dies würde es Russland ermöglichen, auch viele Wehrpflichtige zu entsenden und viele dieser Truppen freizusetzen? Oder ist das etwas, das nicht durch das Gesetz eingeschränkt ist, sondern dass sie lediglich nicht unbedingt tun wollen, um die Verluste gering zu halten?

AlexanderMercouris: [00:43:00] Ich glaube nicht, dass sie Wehrpflichtige in diesen Krieg schicken werden. Ich glaube nicht, dass dies überhaupt Teil der Agenda ist. Ich denke, was sie tun werden, ist Folgendes. Sie werden genau das tun, was Scott gesagt hat. Sie werden damit beginnen, diese Gebiete in die Russische Föderation einzugliedern. Und das wird rechtliche Auswirkungen haben, denn sobald diese Gebiete Teil der Russischen Föderation sind, werden Angriffe auf sie zu Angriffen auf die Russische Föderation. Angriffe auf sie werden Teil von Angriffen auf Russland selbst.

Aber ich glaube, dass [00:43:30] wir zwei Dinge erleben werden. Erstens denke ich, dass die Russen anfangen werden, in diesen Gebieten zu rekrutieren. Das tun sie ja bereits. Es gibt auch schon Berichte, die durchgesickert sind. Es ist nicht ganz klar, aber anscheinend wird bereits eine Odessa-Brigade gebildet, und es werden noch mehr solcher Einheiten entstehen, nicht als Miliz, aber sie werden vermutlich Teil der regulären russischen Armee sein.

Aber mit diesen Gebieten [00:44:00] erhalten die Russen einen Reservepool von Menschen, die von Ukrainern regiert wurden, die Gründe haben, den Ukrainern nicht freundlich gesinnt zu sein, weil sie diskriminiert wurden. Das ist übrigens etwas, was die Menschen im Westen einfach nicht akzeptieren wollen. Ich meine, man akzeptiert im Westen einfach nicht, dass es diese sehr stark diskriminierende Politik gegenüber Russen gibt. Aber sie ist eine Tatsache, und sie [00:44:30] wird eine Wirkung haben. Die Menschen werden bereit sein, sich zu melden, zu kämpfen, ihr Land zu verteidigen und in die russische Armee einzutreten, um das zu tun. Es gibt auch Gerüchte, und ich betone Gerüchte, aber sie sind so weit verbreitet, dass ich mir sicher bin, dass etwas dran ist, dass alle möglichen Freiwilligenbrigaden – mit anderen Worten, Reservisten – in Russland rekrutiert werden [00:45:00], um im wesentlichen Infanteriepersonal aufzubauen. Ich glaube, das ist das einzige, was den Russen in diesem Krieg gefehlt hat ist Infanterie. Scott weiß mehr darüber als ich. Sie werden nach und nach mehr Infanterie aufstellen, durch all diese Freiwilligen, durch die Tatsache, wie ich schon sagte, dass sie in der Lage sein werden, Personal in diesen bestimmten Regionen zu rekrutieren, und das [00:45:30] wird, denke ich, mit der Zeit das Gleichgewicht noch mehr beeinflussen.

Ich meine, ich habe das Gefühl, dass die Ukraine, wenn wir uns die Situation, sagen wir, im März, als die Schlacht im Donbass begann, anschauen, zu diesem Zeitpunkt einen sehr, sehr großen Vorteil bei den Infanteriekräften hatte. Ich vermute, dass sich dieser Vorsprung durch all diese Verluste verringert hat. Mit den [00:46:00] russischen Verstärkungen, die jetzt ins Spiel kommen, wird sich dieser Vorteil noch weiter verringern. Sie sehen also eine ausgeglichene Tendenz. Zumindest ist das meine Meinung. Aber ich glaube nicht, dass sie Wehrpflichtige hineinschicken werden. Ich denke, dass das russische Militär auf einer gewissen Ebene von einem Kriegskonzept [00:46:30] abrücken will, bei dem der Krieg mit Wehrpflichtigen geführt wird. Ich glaube, Wehrpflichtige werden eher als Arbeitskräftereserven gesehen, denn als Leute, die man in die Schlacht an die Front schickt. Ich persönlich glaube also nicht, dass sie noch Wehrpflichtige in die Schlacht schicken werden.

 ScottRitter: [00:46:51] Ich stimme zu. Ich möchte das nur noch einmal betonen.

Russlands Abschied von den  Wehrpflichtigen

Die Russen haben sich bereits von den Wehrpflichtigen verabschiedet. Wissen Sie [00:47:00], schauen Sie sich die jüngste Erhebung an, um es mal so zu sagen. Ich habe die Zahl vergessen. Ich glaube, die Gesamtzahl für dieses Jahr war 260.000, ungefähr die Hälfte davon wird alle sechs Monate eingezogen. Es gibt zwei Zyklen. Und die Russen haben sich daran gehalten. Es gab keine massive Ausweitung der Rekrutierung. Sie rekrutierten im Grunde nur so viele Wehrpflichtige, wie sie in Friedenszeiten für ihre militärischen Verpflichtungen benötigten. Es ist das gleiche Niveau [00:47:30] der Rekrutierung, das vor der speziellen Militäroperation stattfand.

Und wie Alexander schon sagte, und das ist etwas, das 2008 während des kurzen Krieges mit den Georgiern aufkam. Die georgische Infanterie war von den Marines ausgebildet worden. Wie gesagt, ich bin kein großer Fan davon das die NATO-Ausbildung in Georgien oder in der Ukraine ausbildet. Aber hey, die Marines, die sind professionell und bilden diese Truppen sehr gut aus. Und die Russen [00:48:00] haben nach dem Krieg gesagt, dass sie noch nie gesehen haben, dass leichte Infanterie auf diese Weise operiert. Sie waren zehnmal besser als die Russen. Ihr Feuermanöver, ihre Führung und Kontrolle, die Art und Weise, wie ihre Truppen miteinander kooperieren. Die Russen sagten, diese Jungs seien fantastisch. Es war nur so, dass die Russen Panzer und Artillerie mitbringen konnten, gegen die die Infanterie keine Chance hatte. Aber Junge, konnten diese Georgier kämpfen.

Da haben die Russen gesagt, na ja, wenn die Georgier das so machen, was ist, wenn wir jemals gegen den [00:48:30] großen Hund antreten müssen? Wir haben gerade gegen einen Chihuahua gekämpft.  Wir haben gewonnen, aber er hat uns geschlagen. Was, wenn wir gegen den Rottweiler da drüben antreten müssen? Wie werden wir mit ihm fertig? Und so fingen sie an, sich zu verändern. Eines der Dinge, die sie getan haben, ist, dass, wenn man die Qualität der Ausrüstung ändert, wenn man die Fähigkeiten der Kommunikation ändert, wenn man die Taktik und die Operation, die Doktrin ändert, man das Niveau der militärischen Fähigkeiten erhöht, die erforderlich sind, um das zu erreichen, so dass man [00:49:00] es nicht mit einer Wehrpflichtigen Armee erreichen kann. Einer der Gründe, warum die Sowjets die Masse so eingesetzt haben, ist, dass das Konzept der Masse gut zu ihrem Wehrpflichtigen-Militär passte. Sie waren in der Lage, eine große Anzahl von Menschen zu rekrutieren, sie mit einer großen Anzahl von Geräten auszustatten, die sehr einfache Aufgaben auf massive Weise erledigen und einen Feind überwältigen konnten. So kämpfen die Russen heute nicht mehr. Sie sind sehr hoch entwickelt. [00:49:30] Sie brauchen sehr professionelle Truppen, Truppen, die in der Lage sind, das Konzept der Befehlshaber zu verstehen . Diese Vorstellung, dass der russische Soldat nur ein dummer kleiner Roboter ist, dem gesagt wurde, er solle etwas tun und der es blindlings ausführt, das ist vorbei. Der russische Soldat ist ein denkender Profi, der die Absicht eines Befehlshabers erfährt und dann auf der Grundlage der Realität vor Ort Wege findet, diese Absicht zu verwirklichen.  Das ist ein Berufssoldat. 70% des russischen Militärs besteht aus so genannten Vertragssoldaten [00:50:00] die im Grunde genommen Berufssoldaten sind. Und diese Zahl wird noch steigen. Ich glaube, das Ziel der Russen ist es, die Zahl der Wehrpflichtigen so weit wie möglich zu reduzieren.

Die anfängliche Antikriegsstimmung in Russland

Und wie Alexander schon sagte, einer der Gründe, warum sie nicht eingezogen werden müssen, ist, dass, als dieser Krieg begann, ich wiederhole mich, und ich zögere immer, mich auf anekdotische Informationen zu verlassen, aber ich glaube, dass es in Russland ein erhebliches Anti-Kriegsgefühl [00:50:30] gab, und dass viele, viele, viele Russen nicht für diesen Konflikt waren. Sie haben die Notwendigkeit eines Angriffs auf ein anderes slawisches Land nicht verstanden. Es gibt große familiäre Wurzeln, wissen Sie, Beziehungen. Wenn man einen Russen kratzt, bekommt man eine ukrainische Großmutter, wenn man einen Ukrainer kratzt, bekommt man einen russischen Onkel. Ich meine, so ist das nun einmal. Und so gab es eine Menge Unmut. Die russische Regierung hatte keine gute Arbeit geleistet, um der Bevölkerung diesen Konflikt zu erklären. Ich glaube also, dass es hier [00:51:00] ein Problem gab, und das ist einer der Gründe, warum die russische Regierung zögert, zu mobilisieren, denn eine Mobilisierung in einer Bevölkerung, die nicht bereit ist, mobilisiert zu werden, könnte zu katastrophalen Folgen führen.

Warum die Stimmung in Russland kippte

Aber im Laufe der Zeit hat das russische Volk es selbst herausgefunden. Wie Alexander sagte, wir im Westen verstehen es nicht. Sie verstehen es in Russland. Sie wissen genau, was vor sich geht.  Sie verstehen den Hass, den abgrundtiefen Hass, den die Ukrainer gegenüber den Russen empfinden, die sie als Orks bezeichnen. Ich meine, das [00:51:30] ist der übelste Rassismus, den man sich vorstellen kann. Und dann dreht man diesen Hass um. Dieser Hass existiert in der breiten ukrainischen Bevölkerung. Ich glaube, viele Russen waren schockiert darüber, wie groß die Ressentiments unter den einfachen Ukrainern waren. Ich spreche nicht von den Nazis. Ich spreche vom Durchschnittsukrainer, vom Groll gegenüber Moskau. Die Ressentiments gegenüber den Russen. Und dann kommt noch dieser ukrainische Nationalismus hinzu, dieses abscheuliche Konzept der rassischen Vorherrschaft, das [00:52:00] Polen, Russen und Juden als Untermenschen behandelt. Das ist keine Theorie. Wir wissen, dass sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und im Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg Hunderttausende von ihnen abgeschlachtet haben. Es ist also nicht hypothetisch. Es ist real. Das ist die Ukraine. Das ist das wahre Gesicht des ukrainischen Nationalismus. Und ich glaube, die Russen haben endlich begriffen: Wow, das ist ernst. Wir lassen uns auf diesen Krieg ein.

Druck der Bevölkerung auf die russische Regierung

Nun, es gibt zwei Dinge, die mit der Zustimmung zu tun haben: Wir unterstützen diesen Krieg. Aber dann wenden sie sich an die Regierung und sagen, ihr solltet besser gewinnen, und zwar entscheidend. [00:52:30] Sie lassen sich nicht auf den Krieg ein, um dann eine halbe Sache zu machen. Deshalb sage ich, wenn alle von Verhandlungen reden: Es wird keine Verhandlungen geben, es wird eine bedingungslose Kapitulation geben, aber es wird keine Verhandlungen geben. Es wird keine Bedingungen geben.

Die Ukrainer kommen an den Tisch und sagen, wir sind bis zum Stillstand gefeuert, wir akzeptieren eure Bedingungen. Die Russen werden im Grunde nur sagen, “wie viel von eurem erbärmlichen kleinen Land wollt ihr noch unter eurer erbärmlichen Herrschaft haben? Wir werden diktieren, dass ihr keine Stimme habt. Ihr habt kein Mitspracherecht. Was wir entscheiden, ist das, was ihr bekommen werdet.”. [00:53:00]

Ich glaube, ein Grund, warum die Russen diese harte Position einnehmen müssen, ist, dass die russische Bevölkerung es verlangt, dass sie es fordert, aufgrund der Opfer, die gebracht wurden, aufgrund dessen, was in Russland emotional passiert ist, um sich in diesen Konflikt einzukaufen, und dieses Einkaufen bringt eine Welle von Patriotismus mit sich.

Rekrutierungsprobleme der USA

Wissen Sie, im Moment hat die US-Armee ein Rekrutierungsproblem. Wir können die fette woke Bevölkerung nicht dazu motivieren, sich freiwillig zum Militärdienst [00:53:30] zu melden. Die Leute sagen einfach, wir wollen das nicht. Nicht nur das, die Leute wollen es nicht. Die Nation schafft es nicht einmal mehr genug Leute herzuvorbringen, die überhaupt die Mindestanforderungen für den Militärdienst zu erfüllen. Kinder wachsen nicht mehr mit dem Wunsch auf, Soldat zu werden oder zur Marine zu gehen. Ich meine, ich bin damit aufgewachsen, dass mein Vater bei der Air Force war. Alles, was ich wollte, war, dem Militär beizutreten. Und ich habe trainiert, ich habe Sport getrieben und war oft im Team, körperlich fit. Alle meine Mitschüler [00:54:00] wollten körperlich fit sein, und viele von uns wollten zum Militär. Das wollten wir tun, um unserem Land zu dienen. Das Konzept der Nation zu dienen ist nicht mehr so weit verbreitet wie früher, und ich glaube, [auch] Russland ist in dieses Malaise gefallen – aber nicht jetzt.

Viele Freiwillige in Russland

[Einschub: Im Military Summary Chanel am Fr. 26.8.2022 wurde berichtet und erklärt dass und warum Russland nun den Personalbestand seiner Streitkräfte um 140.000 erhöht hat. Es geht wohl darum dass sich viele freiwillig zu den Streitkräften melden und dass man dies in der Finanzplanung berücksichtigt indem man die offizielle Sollstärke der Streitkräfte entsprechend erhöht.]

Es gibt Russen, die dienen wollen, und es gibt viele Freiwillige. Und es gibt zwei Arten von Truppen, die für die Russen kämpfen. Es gibt die professionellen Truppen, die Fallschirmjäger, die Marines, die gepanzerten Einheiten und natürlich die Infanterieeinheiten. Aber [00:54:30] dann gibt es noch das, was man die Nationalgarde nennt, die russische Nationalgarde. Dafür war das Innenministerium zuständig, es sind die Streitkräfte des Innenministeriums, in beträchtlicher Zahl. Sie wurden in die sogenannte russische  Nationalgarde umgewandelt.

Die russische Nationalgarde stellt neue Bataillone, neue Truppenverbände auf, alles Freiwillige. Die Tschetschenen haben eine Ausbildungsakademie, die Tausende von Freiwilligen ausbildet, die nach sehr hohen Standards geschult werden und entweder in [00:55:00] Ersatzeinheiten oder in tatsächlich funktionierenden Einheiten organisiert und entsandt werden. Diese Ausbildung findet wieder unter den Freiwilligen aus den besetzten Gebieten statt.

Ich weiß nicht, ob das ein politisch korrekter Begriff ist, aber die ehemaligen ukrainischen Gebiete von Cherson haben eine Bevölkerung, die groß genug ist, um die Odessa-Brigade zu bilden. Es wird eine Karkow-Brigade gebildet, und ich denke, dass diese gut ausgebildeten, motivierten leichten [00:55:30] Infanterieeinheiten gebildet werden, die man heranziehen wird, wenn es zu einigen sehr schweren Kämpfen kommt.

Noch einmal zu den Opferzahlen der russischen Seite

Um noch einmal auf die Opferzahlen zurückzukommen. Sagen wir, die Russen hatten zehn oder 15.000 Tote zu beklagen. Das ist meine grobe Schätzung. Etwa 5000, vielleicht 6000 sind reguläre russische Streitkräfte. Der Rest sind Milizionäre der Donezker Volksmiliz und der Lugansker Volksmiliz. Sie tragen die Hauptlast der Verluste, weil sie die Hauptlast der schweren Kämpfe tragen. Das ist gewollt, denn [00:56:00] das ist die Befreiung von Lugansk, das ist die Befreiung von Donezk, wo die Russen ihnen die Führung bei der Räumung der Schützengräben usw. überlassen. Die Russen werden sie unterstützen, falls und wenn es nötig ist.

Aber ich denke, wenn wir uns zum Beispiel die Schlacht um Odessa ansehen, wird man sehen, dass die führenden Truppen bei der Räumung von Odessa die der Odessa-Brigade sein werden. Sie werden von russischen Marines, von russischen Fallschirmjägern, von tschetschenischen Spetsnaz oder tschetschenischen Spezialkräften unterstützt. Aber die Jungs, die das tun werden [00:56:30], die Grabenkämpfe, die Grabensäuberung, das wird die Odessa-Brigade sein, und sie werden den Großteil der Verluste erleiden.

Dasselbe gilt für die Brigade Charkow, wenn Sie in Charkow einmarschieren. Und das ist die russische Absicht. Diejenigen, die ein persönliches Interesse an der Befreiung des Gebiets haben, werden die Kämpfe führen. Die Leute, die den Donbass befreien, sind die Milizen der Donbass-Republiken, und sie erleiden die schwersten Verluste, und die Leute, die befreien werden, sobald der Donbass befreit ist und man in diese anderen Gebiete vordringt, werden meiner Meinung nach leichte Infanterieeinheiten sein, die aus diesen Gebieten rekrutiert werden, unterstützt von patriotischen, motivierten Einheiten. Das russische Militär, die Profis werden da sein, aber sie werden eher eine unterstützende Rolle spielen oder sie werden ihre Fähigkeiten auf strategisch wichtige Punkte konzentrieren, wo man diese Professionalität braucht, aber Russland muss nicht mobilisieren und will nicht mobilisieren. Und damit möchte ich es bewenden lassen.

Mobilisierung wäre eine Niederlage Russlands

Wissen Sie, als Israel [00:57:30] 2006 gegen die Hisbollah kämpfte, hat die Hisbollah, wenn man sich die Statistiken ansieht, mehr Männer verloren. Sie haben mehr Ausrüstung verloren. Die Hisbollah hat diesen Krieg dennoch haushoch gewonnen. Und warum? Sie haben den Krieg gewonnen, weil sie nicht verloren haben.  Der israelische Sieg war überhaupt kein Sieg. Er war eher peinlich. Es war eine Demütigung. Und obwohl die israelische Armee nicht besiegt wurde, weil sie nicht gewonnen hat, hat sie verloren. Eine Mobilisierung [00:58:00] seitens Russlands ist eine Niederlage. Es ist eine strategische Niederlage. Russland wird also nicht mobilisieren, denn das bedeutet, dass es verloren hat. Alles, was den Ukrainern das Gefühl gibt, dass sie die Russen gezwungen haben, strategisch von ihrem Masterplan abzurücken, ist ein Sieg für die Ukraine, und es ist etwas, worauf die Ukrainer aufbauen können und wofür sie internationale Unterstützung bekommen. Eine russische Mobilisierung wäre also eine Niederlage für Russland und ein Sieg für die Ukraine. [00:58:30] Und ich glaube nicht, dass die Russen in nächster Zeit mobilisieren werden. Sie brauchen es nicht. Sie wollen es auch nicht. Und noch einmal, wenn sie es tun, ist es eine politische Niederlage für sie.

GlennDiesen: [00:58:40] Ich erwarten nicht, dass sie die Wehrpflichtigen an die Front schicken. Es wäre sehr unpopulär, wenn diese Leute in Särgen nach Hause kämen. Das würde die Unterstützung für den Krieg stark verringern. Ich habe eher an die Leute im Hintergrund gedacht, an die Gebiete, die bereits eingenommen wurden, die jetzt so sind, dass man die Berufssoldaten eher an die [00:59:00] Front schicken kann und natürlich die Rotation verbessert hat und sicherstellt, dass sie zwischen den Vorstößen genug Erholung bekommen.

Katastrophale Fehler des Westens

Wie der Westen die Stimmung in Russland kippte

Aber ich denke, das Problem oder einer der größten Fehler, den der Westen gemacht hat, war, dass er im Wesentlichen mit allen Russen in den Krieg gezogen ist. Denn ich stimme dem zu, was Scott gesagt hat. Als der Krieg im Februar begann, fühlten sich viele Russen wirklich schlecht und sehr unsicher in Bezug auf diesen Krieg. Sie waren sehr gespalten. Nicht viele [00:59:30] Menschen fühlten sich wohl dabei, in einen Krieg mit einem immer noch slawischen Land, der Ukraine, zu ziehen.

Aber ich denke, der beste Weg für den Kreml, alle auf seine Seite zu ziehen, war, als die Amerikaner sagten: “Unser Ziel in diesem Krieg ist nicht nur die Verteidigung der Ukraine, wir wollen Russland dauerhaft schwächen. Wir werden dafür sorgen, dass sie nie wieder eine Offensive starten oder in den Krieg ziehen können.” Das war eine Art offene Kriegserklärung, die andeutete, [01:00:00] selbst wenn man noch in Russland und gegen den Krieg ist, wenn man um sein eigenes Überleben kämpft, dann geht es nicht nur um diesen Krieg. Man sieht, dass es im Wesentlichen so ist wie der Kreml gesagt hat. Dies ist ein Stellvertreterkrieg. Die Vereinigten Staaten sind hinter Russland her. Das ist es, was sie in der Ukraine getan haben. Und ich glaube, das ist bei vielen Russen angekommen. Ich denke also, dass Washington in dieser Sache einen großen Fehler gemacht hat, aber nicht nur die USA, sondern auch die Europäer. Ich [01:00:30] und Alexander haben vorhin darüber gesprochen, wie die Russen jetzt behandelt werden.

Wir haben immer gesagt, dass es in Europa seit Jahrhunderten eine sehr starke Russophobie gibt, aber wir hatten immer diese Art von liberalem Schleier. Wissen Sie, wir haben so getan, als ob wir die Russen wirklich lieben würden und dass wir nur ihre Führer hassen. Aber jetzt, mit diesem Konflikt, hat sich die Stimmung einfach geändert. Jetzt tut niemand mehr so, als ob. Es ist ziemlich abscheulich. Wir wollen keine Russen bei den Olympischen Spielen. Wir wollen keine [01:01:00] Russen auf Tennisplätzen sehen. Wir spielen kein Schach mit ihnen. Sie dürfen nicht als Touristen in unser Land kommen. Im Grunde genommen sind die Russen unser Feind. Das ist jetzt die Sprache. Ich denke also, ja, sogar Astovich in der Ukraine hat erkannt, dass es vielleicht ein paar freundliche Pro-Ukrainer in Weißrussland oder Russland gibt, aber das würde alle verscheuchen. So kennt Astovich die Leute. Also, ich denke das war für [01:01:30] das Pentagon ein großer, großer Fehler, obwohl.

 AlexanderMercouris: [01:01:34] Es war ein katastrophaler Fehler. Es war ein absolut katastrophaler Fehler. Ich muss übrigens sagen, dass ich das Gefühl habe, dass wir diesen Fehler in Europa in größerem Ausmaß begangen haben die Vereinigten Staaten.

Wenn man zu Beginn dieses Krieges etwas tun wollte, das garantiert die russische Unterstützung hinter [01:02:00] der russischen Regierung festigen würde, dann waren all die Dinge, die in den ersten Wochen im Westen, insbesondere in Europa, von der Europäischen Union, von den europäischen Regierungen getan wurden, auf dieses Ziel hin berechnet.

Ich meine, die eine Sache, von der ich zufällig weiß, dass sie die Gefühle vieler Menschen in Russland herauskristallisiert hat, war das weltweite Flugverbot, die Vorstellung, dass Russen nicht länger in der Lage sein würden [01:02:30], auf die Art und Weise nach Europa zu fliegen, wie sie es bisher konnten? Sie wissen schon, der Versuch, Aeroflot sozusagen auszuschließen. Dies vermittelte den Eindruck, dass Russen in Europa nicht erwünscht sind.

Dabei ist Russland eine viel kultiviertere Gesellschaft, als viele Menschen im Westen glauben. Die Russen sind viel besser informiert als viele Menschen im Westen meinen. Sie sind viel gebildeter. Sie [01:03:00] haben das alles gesehen. Sie sahen die westlichen Führer so, wie sie über Russland sprachen. Sie sahen all diese Dinge über das Verbot von Tschaikowsky und den Rauswurf von Dostojewski aus den Kursen, was übrigens wahr ist. Solche Dinge sind tatsächlich passiert. Sie sind mit der Art von Dingen vertraut, die die Medien im Westen verbreiten.

Und sie sagten sich, wissen Sie, Putin hat diese weitschweifige, unzusammenhängende Rede zu Beginn dieses Krieges gehalten. Aber [01:03:30] er hat Recht. Er hat absolut Recht. Diese Menschen sind von Grund auf feindlich gesinnt, nicht nur ihm gegenüber, sondern auch uns gegenüber. Es handelt sich also um eine existenzielle Frage. Und wir haben diese außergewöhnliche Konsolidierung der russischen Gesellschaft gesehen, die stattgefunden hat.

Unterschätzung der russischen Wirtschaft

Und noch etwas ist passiert, nämlich dass der Westen, und ganz besonders die Europäer, aber ich denke auch hier in den Vereinigten Staaten, die Ausgereiftheit (engl. sophistication) der russischen Wirtschaft ernsthaft unterschätzt haben [01:04:00]. Ich glaube, sie haben sich selbst eingeredet, dass es sich um eine Tankstelle handelt, die sich als Land ausgibt, dass sie nicht in der Lage sind, die Dinge zu regeln, dass sie nicht in der Lage sind, die Dinge zusammenzufügen. Und ich glaube, sie haben wirklich geglaubt, wenn man diese Sanktionen verhängen würde, könnten die Menschen in Russland nicht mehr bei Harrods einkaufen gehen und [01:04:30] die Oligarchen wären sauer auf Putin. Die Wirtschaft würde zusammenbrechen, es gäbe eine Hyperinflation, und das gesamte politische System in Moskau würde wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Und tatsächlich haben alle Maßnahmen, die sie ergriffen haben, das Gegenteil von dem bewirkt, was sie beabsichtigt haben. Am Ende haben sie die russische Gesellschaft hinter Putin konsolidiert.

Bestätigung der  eurasischen Ausrichtung Russlands

Und das ist [01:05:00] etwas, von dem ich weiß, Glenn, dass Sie ausführlich darüber geschrieben haben: Die Bestätigung der eurasischen Wahl in Russland. Es gab diese Spannung, eine historische Spannung in Russland zwischen dem Westen, den Leuten, die dem Westen zugeneigt sind, die sagten, Russland sollte sich wirklich vollständig in den Westen integrieren, und anderen, die sagten, na ja, wir sind etwas anders geografisch positioniert. Wir müssen die Dinge vielleicht etwas breiter angehen. [01:05:30]

Es gab Leute, die über das größere Eurasien-Projekt gesprochen haben. Es gab all diese Dinge. Nun, dies ist ein entscheidender und schlüssiger Schritt innerhalb Russlands, der diese Diskussionen beendet. Es gibt diese Entscheidung, und ich denke, dass sie in der gesamten russischen Gesellschaft breite Unterstützung findet, sich nach Osten zu orientieren. Zumindest im Moment ist eine Beziehung zum Westen einfach unmöglich. Bauen wir [01:06:00] unsere Wirtschaft auf, bauen wir die russische Gesellschaft auf, so gut wir können. Und dann, wenn man sich schließlich mit Europa einigen kann, was irgendwann unweigerlich der Fall sein wird, tun wir es nicht aus einer Position der Verhandlung und Diskussion heraus, sondern aus einer Position viel größerer Stärke und viel größerer Autorität als der, die wir bisher hatten. Es sind nicht nur die politischen Entscheidungsträger in [01:06:30] Moskau, die jetzt auf diese Weise sprechen. Ich habe angefangen zu sehen, dass Russen, ich kenne Leute, die in diesem Sinne unpolitisch sind, anfangen, auf diese Weise zu reden, während sie das bisher nie getan haben.

Wie der Westen Putins größte Schwäche ignorierte

 ScottRitter: [01:06:48] Sehen Sie, es gibt das alte Sprichwort, Alexander und Glenn. Ich bin mir sicher, dass ihr damit vertraut seid. Ihr wisst, dass Demokratien keine Demokratien bekämpfen. Und das liegt nicht daran, dass sie alle demokratisch abstimmen. [01:07:00] Es liegt daran, dass Demokratien dazu neigen, sich auf die Wirtschaft zu konzentrieren und nicht auf das Militär. Eine Demokratie, die mit einer benachbarten Demokratie zusammenarbeitet, hat also tiefe wirtschaftliche Bindungen, die es unmöglich machen, sie zu bekämpfen. Man will sie nicht bekämpfen, denn sie sind ein Teil von einem selbst. Man ist mit ihnen verwoben. Sie sind mit einem verwoben.

Einer der fatalen Fehler des Westens besteht darin, [daraus resultierenden] die Schwächen Putins nicht anzuerkennen. [01:07:30] Ich meine, wir reden jetzt alle über Putins Stärken und Putin ist heute stärker, und es tut mir leid, ich entschuldige mich, Russland ist stärker. Ich möchte nicht eine Nation mit 130 oder 140 Millionen Menschen in eine Person verwandeln, so wie es hier im Westen immer gemacht wird. Aber Russland ist ein Land, das von einem Führer namens Wladimir Putin geleitet wird. Er ist ein Präsident. Aber er ist gewählt. Ich weiß, dass es keine starke, lebendige russische Opposition gibt. Welche [01:08:00] russische Opposition auch immer versucht hat zu existieren, sie wurde durch das Geld westlicher Geheimdienste korrumpiert, die versuchen, die russische Demokratie zu untergraben, indem sie sie mit Leuten wie Nawalny und anderen infiltrieren. Aber Putin kann immer noch eine Wahl verlieren. Wir sollten diese Realität nicht vergessen. Aber am Ende des Tages, wenn die Russen zur Wahl gehen und gegen Wladimir Putin stimmen, wird er nicht Präsident sein. Dies ist keine absolute Diktatur. Und [01:08:30] Putin weiß das und seine politische Partei weiß das. Eine der großen Schwachstellen in Russland war die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Russland und dem Westen. Diese Interdependenz kann auf zwei Weisen gesehen werden. Wir sagen drei. Die eine besteht aus zwei Untergruppen. Die eine sind die Oligarchen.

Sie  nahmen eine enorme Menge an russischem Reichtum, brachten ihn [01:09:00] aus Russland heraus und nutzten diesen Reichtum dann, um diesen Brückeneffekt zwischen der russischen Wirtschaft und der westlichen Wirtschaft zu schaffen. Sie hatten sehr viel Einfluss. Putin mochte diesen Einfluss nicht. Ich meine, Putin hat immer gegen Oligarchen gewettert, aber sie waren da. Und das viele Geld machte sie zu groß, um zu scheitern (to big to fail). Er konnte es sich nicht leisten, sie zu Fall zu bringen, weil der Schock für die russische Wirtschaft zu groß gewesen wäre, als dass Putin das politisch hätte überleben können. [01:09:30] Wenn Putin also versucht hätte, die Oligarchenklasse zu beseitigen, hätte er die politischen Auswirkungen bei den Wahlen zu spüren bekommen. Die andere ist die alltägliche Arbeiterklasse. Putin gewinnt Wahlen mit 54 bis 64 %. Ich meine, Diktatoren gewinnen mit etwa 99 %. Er ist also kein echter Diktator. Es gibt hier ein Element der Demokratie. Es gibt diese 30, 40 % der Russen, die sagen, dass sie Putin vielleicht doch nicht so sehr mögen, wie alle denken. Und von diesen 30 gibt es diesen [01:10:00] Prozentsatz, der unpolitisch ist. Sie wählen Putin nicht, weil sie ihn mögen, sondern weil er den Status quo ante der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Westen aufrechterhält. Das ist ihre Lebensgrundlage. Damit können sie ihre Familien ernähren, ihre Kinder einkleiden, ein Dach über dem Kopf haben, und das ist es, worin sie investiert haben. Sie haben nicht in den großen Schwenk nach Osten investiert. Sie haben in eine wirtschaftliche Beziehung mit London, mit Paris, mit [01:10:30] New York investiert. Und wenn Putin das tun würde, wovon er weiß, dass er tun muss, um Russland stark zu machen, nämlich die strategische Scheidung mit dem Westen, dann würde sich dieser Prozentsatz, 20, 30 %, was auch immer, in den Umfragen gegen ihn wenden, er würde abgewählt werden. Putins Schwachpunkt war also die Oligarchenklasse und die Mittelschicht, die in den Westen integriert war.

Eine verpasste Chance des Westens

Wenn ich ein Stratege im Weißen Haus gewesen wäre, [01:11:00] würde ich gesagt haben, wir müssen ein schrittweises System von gezielten Sanktionen entwickeln, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, die Oligarchen und die Mittelschicht gegen Putin wegen des Ukraine-Konflikts aufzubringen, denn es gibt bereits eine große Anzahl von Russen, die über diesen Konflikt nicht glücklich sind. Wenn wir die Sanktionen allmählich so anpassen, dass das Leben unangenehm, nicht schrecklich, aber unangenehm wird, [01:11:30] dann werden die Leute sagen: Ich mag es nicht, von diesem Krieg belästigt zu werden. Und es hätte eine durchschlagende Ablehnung von Putins Krieg geben können. So hätte man den Kampf geführt, wenn man ihn im Westen richtig verkauft hätte, an eine russische Bevölkerung, die vielleicht geneigt wäre, das zu akzeptieren, weil ihr Leben unbequem ist. Das haben wir aber nicht getan. Wir haben Putin stattdessen den größtmöglichen Gefallen. Schocktherapie. Sehen Sie, [01:12:00] Putin konnte die große Scheidung nicht durchführen. Wir haben es für ihn getan. Wir haben es ihm so leicht gemacht. Wir haben gesagt: BUMM, es wird keine wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Westen geben. Und die russische Mittelschicht sagte: “Was soll’s!” Und ja, anfangs hätte man sagen können, “wir geben dir die Schuld, Wladimir Putin”. Aber dann mussten sie sich umdrehen und sagen, was unsere Freunde im Westen …… Es gibt nicht einmal eine helfende Hand. Es gibt keine Sympathie. Moment mal, sollten sich diese Sanktionen nicht gegen ihn richten? Aber Sie greifen mich an. Ihr nehmt mir die Möglichkeit, meine Familie zu ernähren, [01:12:30] die Möglichkeit, ein Dach über meinem Haus zu haben. Sie haben mich angegriffen. Ich dachte, wir wären Freunde. Der Westen war nie dein Freund. Das war ein großer Weckruf.

Und dann die Oligarchen. Wie viel wirtschaftlichen Druck kann man auf Wladimir Putin ausüben, wenn der Westen einem alles Geld wegnimmt und man kein Druckmittel mehr hat? Das Einzige, was sie hatten, war ihr Reichtum, den sie hier und da ein- und ausgeben konnten und nie so weit wie … Wir haben alles genommen. Als dies geschah, sagte Putin, Sie erinnern sich an die Rede, Alexander. Ich kann ihn nicht zitieren, aber im Grunde heißt es [01:13:00]: “Verpisst euch. Ihr wollt in Europa leben? Leben geht doch nach Europa, kommt nicht nach Hause. Ihr seid hier nicht willkommen.”

Der Westen hat Putin den größtmöglichen Gefallen getan

Der Westen hat Wladimir Putin den größtmöglichen Gefallen getan, denn wir haben den Schwenk nach Osten in kurzer Zeit politisch möglich gemacht. Wir haben ihn ermächtigt, dies zu tun. Wir haben dafür gesorgt, dass er in Russland auf keinen Widerstand stoßen würde, weil wir den Russen keine Alternative geboten haben.  Sie haben keine. Es gibt viele Russen, die sich vielleicht nicht nach Osten orientieren wollten. [01:13:30] Vielleicht mochten sie ihre iPhones. Sie wollen nicht das Huawei-Handy kaufen. Vielleicht ist die Irritation dieser Russen sehr oberflächlich. Es geht um Markennamen und solche Dinge.

Aber am Ende des Tages geht es darum, Essen auf den Tisch zu bringen, ein Dach über dem Kopf, Kleidung für ihre Kinder. Sie haben eine wirtschaftliche Zukunft, die nicht mehr an den Westen gebunden ist. Der war von Anfang an nie ein Freund Russlands. Wir haben Russland nur zum wirtschaftlichen [01:14:00] Vorteil benutzt. Als es darauf ankam, als es für uns an der Zeit war, aufzustehen und zu sagen: Hey, wir wollen dem russischen Volk nicht schaden, wir sind gegen den Krieg in der Ukraine, aber wir wollen dem russischen Volk nicht schaden, haben wir das nicht gesagt.

Was wir gesagt haben, ist: Stoppt den Krieg in der Ukraine. Wir müssen das russische Volk vernichten. Wir müssen das russische Volk ausnehmen. Wir müssen das russische Volk zermalmen. Das ist eine der größten Lektionen, die das russische Volk meiner Meinung nach gelernt hat: dass der Westen Russland nicht würdig ist. Deshalb wird Russland [01:14:30] nie wieder versuchen das wiedergutzumachen. Wissen Sie, die Annäherung an den Westen, die mit Peter dem Großen begann, das Fenster zum Westen und all das, das ist vorbei, diese Tür ist geschlossen.

Das heißt aber nicht, dass es eine riesige Mauer geben wird. Sie wissen, dies ist kein “Game of Thrones” mit einer riesigen Eiswand, die den Nordflügel von den wilden Ländern trennt. Es wird Beziehungen geben. Irgendwann werden der Westen und Russland wieder lernen, friedlich zu koexistieren, aber es wird nie wieder [01:15:00] als Partner oder Freunde sein. Ich denke, es wird einfach wie bei Völkern sein, die von der Geschichte gezwungen sind, nebeneinander zu leben. Lassen Sie uns also einen Weg finden, dies friedlich zu tun.

Aber die Vorstellung einer großen russischen Freundschaft mit dem Westen ist meiner Meinung nach für lange Zeit vorbei. Russland hat einen Schwenk nach Asien vollzogen. Das Land hat sich darauf festgelegt. Seine Wirtschaft wird darauf ausgerichtet. Und die Zukunft Russlands wird davon bestimmt werden. Und das liegt allein am Westen. Der Westen, hat hier einer [01:15:30] der größten Fehler gemacht. Der Westen hat große militärische Fehler gemacht, über die wir bereits gesprochen haben. Aber der wirtschaftliche Fehler und der politische Fehler, der damit verbunden ist, ist von größerer Bedeutung, denn dieser Krieg wird enden. Was wir getan haben, garantiert, dass dies nach dem Krieg geschehen wird. Wir werden nicht die Kontrolle darüber haben. Man sehe sich an wie es uns schwächt. Man sehe sich an wie die Scheidung von Russland den Westen schwächt. Man sehe sich an wie geschwächt Europa heute ist. Man sehe sich an wie geschwächt die Vereinigten Staaten sind. Früher [01:16:00] waren die G-7, die sieben mächtigsten Industrienationen der Welt, ein Musterbeispiel für wirtschaftliche Stärke. Heute sind die G7 ein Witz, wenn man sie z.B. mit den BRICS vergleicht. Die Leute sagen, na ja, dann gehen wir zu den G 20, ziehen die G 7 von den G 20 ab, und was kommt dabei heraus? Oh, BRICS. Und wer hat die Kontrolle über BRICS? Es sind nicht die Vereinigten Staaten, es sind Russland und China. Dieser wirtschaftliche Sieg geht also ganz, ganz klar an Russlands. Und noch einmal, die Geringschätzung, die wir Russland entgegenbrachten, und ich hatte diesen Kampf mit Berufskollegen [01:16:30], die sich auf Energie konzentrieren, die absolute Verachtung, die sie für Russland hatten, für das russische politische System, für die russische Wirtschaft. Alle glaubten, dass Russland die Sanktionen nicht überleben würde, dass der russische Energiemarkt nicht ausgereift sei. Ich bitte Sie, Leute. Die Russen haben bewiesen, dass sie viel weiter entwickelt sind als so ziemlich jeder andere auf der Welt.

Die Demütigung des Westens in Arabien

Der ultimative Ausdruck des russischen Entwicklungsstandes war, als Biden [01:17:00] letzten Monat nach Saudi-Arabien reiste und auf den Knien kroch, um sich mit dem BS (Bin Salman) anzufreunden, einem Mann, den er einen Paria nannte. Er werde niemals mit diesem Mann verhandeln. Wir werden sie gesellschaftlich isolieren. Und weil man Saudi-Arabien braucht, um die Ölproduktion zu steigern, ist er, Joe Biden, zu ihm gekrochen, hat sich selbst entwürdigt, hat sein Land entwürdigt, hat alles entwürdigt, wofür er stand, und hat nichts bekommen, denn was hat Saudi-Arabien ihm gesagt? Wir werden vielleicht ein bisschen mehr Öl fördern, aber diese Entscheidung wird nicht zwischen Ihnen und mir getroffen. Diese Entscheidung wird [01:17:30] im August getroffen werden, wenn die OPEC plus zusammenkommt. Wer ist das “plus”? Russland. Raten Sie mal, wer die endgültige Entscheidung darüber traf, wie viel Öl gefördert werden sollte, um den wirtschaftlichen Schaden für Russland zu mindern: diese Tankstelle [Ex-US-Präsident Obamas spöttische Bezeichnung für Russland]. Aber diese Tankstelle entpuppte sich als ein weitaus raffinierterer globaler Geschäftsmann, als man ihm je zugetraut hätte.

Die Russen waren über ihren eigenen Erfolg erstaunt

 AlexanderMercouris: [01:17:50] In der Tat. Darf ich noch hinzufügen, Scott, dass die Russen selbst über ihren eigenen Erfolg erstaunt waren. [01:18:00] Sogar Putin hat das. Aber das ist außerhalb unseres Bereichs, schätze ich, denn ich weiß nicht, was Putin selbst denkt. Aber ich denke, eines der anderen Dinge, die als Ergebnis der Sanktionen passiert sind, während ich all dem, was Sie gesagt haben, zustimme, bin ich übrigens völlig einverstanden mit der Tatsache, dass es viel effektiver gewesen wäre, den Leuten unbequeme Umstände zu bereiten.

Aber eines der anderen Dinge, die Russland an den Westen gebunden oder eher den Bruch verhindert hat war die Tatsache, die die Russen, insbesondere nach der Zeit der späten Sowjetära [01:18:30] in hohem Masse das Gefühlt hatten, das sie nicht so gut wie der Westen sind. Sie dachten, “wissen, dass wir die Dinge nicht so gut machen können wie der Westen. Wenn der Westen wirklich hart gegen uns vorgeht, dann wird alles auseinanderfallen. Alles wird zusammenbrechen, so wie es Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre geschah und wie es 1998 wieder geschah und wie es 2008 fast geschah. Wir müssen immer einen Weg finden, um uns gut zu verstehen, vor allem mit den Amerikanern, denn das ist das einzige wirkliche Spiel in der Stadt und wir können uns selbst nicht [01:19:00] vertrauen.”.. Und jetzt sehen Sie, was passiert. Wir verhängen all diese Sanktionen. Wir verhängen das absolute Extrem an Sanktionen. Und zum eigenen Erstaunen der Russen funktioniert ihre Wirtschaft weiterhin. Das Fleisch steht noch immer auf dem Tisch, das Dach ist noch immer über dem Haus, die Stromversorgung funktioniert noch, das Gas ist noch da, die Geschäfte sind noch immer voll. Die Preise fallen derzeit sogar. Das war also sehr aufschlussreich und natürlich [01:19:30] alles in allem: Erfolg im Krieg, Erfolg in der Wirtschaft. Man wird eine sehr große Veränderung in Russland erleben. Es wird einen enormen Anstieg des russischen Selbstbewusstseins geben, wie man ihn seit den 1960er Jahren nicht mehr erlebt hat. Ich meine, Russland hat seinen Glauben an sich selbst schon vor langer Zeit verloren. Aber wie ich schon sagte, wird es [01:20:00] anfangen, ihn auf eine Art und Weise wiederzuerlangen, wie wir es im Westen seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr gesehen haben.

Russland hat seine Lebenskraft wiedergefunden

 ScottRitter: [01:20:07] Ich stimme mit Ihnen überein. Lassen Sie mich nur schnell hinzufügen, es ist, als hätte Russland sein Mojo (Lebenskraft) gefunden. Mojo, wie hieß der Film? Austin Power. Wissen Sie, sie haben ihr Mojo zurück, Baby. Und es ist echt. Ich meine, Sie haben Recht. Ich hoffe, dass ich niemanden in Russland beleidige, aber es gab immer ein Gefühl [01:20:30] von russischem Nationalstolz, von russischen Errungenschaften. Aber am Ende des Tages gab es ein Gefühl der russischen Unterlegenheit, dass Russland einfach nicht so gut war wie der Westen, dass Russland den Westen brauchte, um wie ein großer Bruder zu sein. Und Sie haben zu 100 % Recht.

Ich glaube nicht, dass irgendjemand im Moment nach dem Westen schaut. In der Tat, was jetzt passiert ist, ist, dass die Wolle von den Augen abgezogen wurde und die Menschen mit einer größeren Klarheit auf den Westen schauen, als sie es zuvor getan haben. Ich meine, jeder wusste schon immer, dass der Westen rassistische Probleme hat, dass wir wirtschaftliche Ungleichheiten haben, [01:21:00] dass es in Amerika Obdachlose gibt usw. Aber das wurde immer beiseite geschoben, ähnlich wie das amerikanische Volk das beiseite geschoben hat, unter der Prämisse: Ja, aber Amerika ist die größte Macht der Welt. Wir sind die leuchtende Stadt auf dem Hügel. Wir können alles besser machen als andere. Es stellt sich heraus, dass wir das vielleicht nicht können. Und vielleicht lernen die Russen gerade, dass sie nicht nur gut sind, sondern richtig gut. Sie sind fähig. In vielen Fällen sind sie besser als der Westen.

Ein gefährlicher Punkt in der Weltgeschichte

Ich denke also, dass diese Vorstellung von der russischen Unterlegenheit [01:21:30] weggefegt worden ist. Und jetzt kommt der springende Punkt, denn das könnte sehr gefährlich sein. Es könnte ein sehr gefährlicher Moment in der Weltgeschichte sein, wenn Russland so programmiert wäre wie die Vereinigten Staaten, wenn dies die Luft des Kalten Krieges wäre, ein Nullsummenspiel, bei dem jeder Verlust für dich ein Sieg für mich ist, deshalb werde ich deine Verluste vergrößern und meine Siege maximieren. Die Welt könnte sich dann auf dem Weg in eine sehr schlechte Zeit befinden [01:22:00].

Auf dem Weg zum Multilateralismus

Zum Glück für die Welt ist die russische Führung weitaus reifer und erfahrener als jede Führung im Westen. Ich meine, man kann keine der europäischen Nationen als kultiviert oder reif bezeichnen, wenn man ihr Verhalten gegenüber Russland in Bezug auf die Sanktionen und das Militär betrachtet. Dies sind die Handlungen von irrationalen Kindern. Die Russen hingegen haben [01:22:30] eine sehr reife Führung, eine sehr zielgerichtete Führung. Und sie konzentrieren sich auf das Konzept des Multilateralismus. Sie benutzen dieses Wort nicht einfach nur, um damit politisch zu punkten. Sie meinen es ernst. Sie glauben es. Und das russische Außenministerium.

Schauen Sie sich nur Sergej Lawrow an, einen Mann, den ich nicht wie einen Fanclub anhimmeln will, Sie wissen schon. Aber hey, Hut ab vor diesem Mann. Er ist verdammt gut als Außenminister. Er ist klug. [01:23:00] Ich wünschte nur, er wäre 20 Jahre jünger, denn die Welt könnte Sergej Lawrow in einer Position gebrauchen, in der er die Dinge auf dem Weg dorthin beeinflussen kann. Er wird älter. Hoffentlich ziehen die Russen die nächste Generation von Sergey Lawrows auf.

Aber dieser Mann ging nach Afrika, führte ein diplomatisches Duell mit Tony Blinken [derzeitiger Außenminister der USA] und dominierte. Ich meine, der Eindruck, den Russland nach diesem Besuch machte, war der einer Nation, die wirklich befreundet sein wollte. Mit Menschen auf eine kollaborative [01:23:30] Art und Weise zu arbeiten. Um alle Probleme zu bewältigen, die damit verbunden sind. Tony Blinken wurde von der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, auf einer Parallelreise begleitet. Ich glaube, das ist ihr Name ist, sie kam nach Uganda, nachdem Lawrow Uganda verlassen hatte. Als Lawrow in Uganda war, Hände schüttelte, sich mit dem ugandischen Präsidenten anfreundete, ging der US-Botschafter dorthin und sagte: “Hey, ihr könnt russische Lebensmittel kaufen, ihr könnt russischen [01:24:00] Dünger kaufen, wenn ihr wollt, aber wenn ihr russische Energie kauft, wenn ihr Dinge kauft, die sanktioniert sind, wird es Konsequenzen für euch geben, und die Afrikaner sagen, ihr könnt nicht mehr so mit uns reden. Und wissen Sie, wer das gesagt hat? Die südafrikanische Außenministerin, die sagte, “Ich werde nicht hier sitzen und zulassen, dass Sie uns schikanieren (engl. bully, auch mit einschüchtern, bedrängen zu übersetzen). Sie, Tony, haben es nicht getan, aber Ihr Botschafter hat ganz Afrika schikaniert, und ganz Europa kommt hierher und denkt, es tue, was Sie wollen, indem es uns schikaniert. Wir lassen uns nicht mehr schikanieren [01:24:30]. Russland nutzt diese wachsende Spaltung und Irritation in der Welt der Welt, ist bereit für das Ende der amerikanischen Hegemonie und ist bereit, in eine multilaterale Welt einzutreten und sie vertrauen Russland. Ich denke also, wir sehen, und das ist etwas, was amerikanische geopolitische Analysten übersehen, dass wir eine Zeit erleben, in der den Möglichkeiten [01:25:00] auch Fähigkeiten und, was noch wichtiger ist, Absichten gegenüberstehen.

Der Chance für den Multilateralismus steht ein wieder erstarktes Russland gegenüber, das in der Lage ist, diese Bemühungen anzuführen, und zwar in der festen Absicht, dies ehrlich zu tun. Russland spielt keine auf Regeln basierenden internationalen Ordnungsspiele. Russland spielt das Spiel der internationalen Ordnung auf der Grundlage von Gesetzen. Das gilt auch für China. Und ich denke, wir werden erleben, dass sich die Welt um Russland und [01:25:30] China scharen wird, nicht um Amerika zu ersetzen, denn das wäre falsch. Das hieße, ein schlechtes System, das von Amerikanern betrieben wird, in ein schlechtes System zu verwandeln, das von Chinesen und Russen betrieben wird. Sondern das die Russen und die Chinesen es nutzen um allen die Möglichkeit zu geben, sich zu erheben. Das wird kein leichtes Unterfangen sein. Es wird nicht perfekt sein. Es wird Konflikte geben. Das ist einfach die menschliche Natur. Aber ich glaube, wir stehen vor einem dieser großen Momente in der Geschichte, in dem ein System durch ein anderes ersetzt wird [01:26:00] und Russland wird eine Führungsrolle übernehmen, weil es sich selbst ermächtigt hat. Russland glaubt an sich selbst. Ich glaube nicht, dass Russland dies vor zehn Jahren hätte tun können. Ich glaube nicht, dass Russland die Weltbühne mit dem nötigen Selbstvertrauen hätte betreten können, um die Welt gegen die Vereinigten Staaten anzuführen. Aber im Moment haben sie das Selbstvertrauen, sie haben die Absicht, sie haben die Fähigkeit, und sie haben, was noch wichtiger ist, eine Welt, die bereit ist, ihre Führung zu akzeptieren, weil die Welt einfach die Nase voll hat. Ich meine, was dieser südafrikanische Außenministerin [01:26:30] zu Tony Blinken gesagt hat, wird, glaube ich, vom Rest der Welt immer und immer wieder wiederholt werden. Sie haben nicht mehr das Recht, uns zu belehren. Sie haben kein Recht, uns zu belehren.

 GlennDiesen: [01:26:41] Ich denke, das ist ein wichtiger Hinweis auf die Schwierigkeiten, die die Vereinigten Staaten jetzt haben, sich anzupassen, denn in der unipolaren Ordnung war es möglich, Druck auszuüben, jemanden zu schikanieren, Sanktionen zu verhängen, bis er sich beugt und tut, was man ihm sagt.

Wie der Westen sich mit den Sanktionen ruiniert

Aber in der multipolaren Ordnung ist es etwas anders, weil man mit den Sanktionen die Märkte [01:27:00] einfach anderen überlässt, und auch mit diesem Druck und Mobbing, wie Sie sagten, können die Afrikaner einfach sagen, na ja, wir gehen einfach zu den Chinesen oder den Russen oder, Sie wissen schon, zu jemandem, der uns keine Ultimaten stellt. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die Sanktionen gegen Russland so ein großes Problem darstellen, denn es zeigt, dass wir, wie Scott schon sagte, nicht zu schätzen wissen, was diese gegenseitige Abhängigkeit bedeutet und wie sie uns zugute gekommen ist. Schließlich nutzen Länder diese asymmetrische wirtschaftliche [01:27:30] Interdependenz oft zu ihrem eigenen Vorteil aus, das ist klar. Aber Russland war immer mehr vom Westen abhängig als der Westen von Russland. Wir sind also seit 30 Jahren davon besessen, dass wir zu sehr von russischer Energie abhängig sind, aber sie haben unsere Banken, unsere Währung, unsere Transportkorridore, unsere Technologien, unsere Industrien, einfach alles genutzt. Und jetzt, mit diesen Sanktionen, wird plötzlich alles gekappt. Und nicht nur die Russen, sondern durch die Beschlagnahmung aller Gelder der russischen Zentralbank [01:28:00] und die Unterbrechung der Versorgung mit Schlüsseltechnologien. Jetzt sagt natürlich ein ehemaliger NATO-Generalsekretär, oh, wir können vielleicht die Ostsee für die Russen abriegeln, jetzt, wo wir Finnland und Schweden haben. Wir werden also ihre Nachschubwege abschneiden. Ich meine, es sind nicht nur die Russen, die jetzt denken, dass sie sich jetzt nicht mehr auf die westlichen Industrien, ihre Technologien, Transportkorridore [01:28:30] oder Finanzinstrumente verlassen können. Auch der Rest der Welt nimmt das zur Kenntnis. Sie sind entsetzt darüber, wissen Sie. Ich weise immer wieder darauf hin, dass wir im Westen dies oft als ein Zeichen der Tugend der Sanktionen sehen, aber das der Rest der Welt anfängt an, uns als Schurken zu sehen, weil wir all diese Regeln, die wir vorher hatten, wenn es darum ging, Gelder von Zentralbanken zu beschlagnahmen und …. gebrochen haben. Das Vertrauen ist weg. Und gleichzeitig ist Russland vielleicht [01:29:00] nicht der große wirtschaftliche Ersatz für die Vereinigten Staaten, aber Sie haben China. Ich denke also, dass wenn wir all diese Sanktionen sehen. Wenn sie einen Zweck hätten, könnten sie gerechtfertigt sein. Aber diese Märkte sind für immer verschwunden. Wir behaupten immer wieder, dass wir Russland in den letzten 30 Jahren einen Gefallen getan haben, indem wir es einbezogen haben. Aber in Wirklichkeit haben wir mit Russland Handel getrieben, sie haben billiges Gas, [01:29:30] Öl und Metalle exportiert und damit unsere Industrie wettbewerbsfähig gehalten. Und wir können alle unsere Technologien für Industriegüter an die Russen verkaufen. Dieser riesige Markt, all die billige Energie und die Metalle gehen jetzt nach Asien und der riesige Markt, an den man verkaufen kann, ist auch weg. Sie werden sich nicht mehr auf Lieferketten mit dem Westen verlassen, genau wie die Chinesen es nicht tun. Es handelt sich also um eine dauerhafte Trennung, die unsere Wettbewerbsfähigkeit untergraben wird und untergraben hat. Es gab diese Woche ein [01:30:00] lustiges Beispiel mit der Slowakei. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es gelesen haben. Wollen bei den Sanktionen ziemlich hat sein und wollen kein russisches Gas mehr kaufen. Die Energiepreise sind daher so hoch gestiegen, dass sie es sich nicht mehr leisten können, ihr eigenes Aluminium herzustellen. Also müssen sie jetzt Aluminium aus Russland importieren. Das kann man sich einfach nicht ausdenken. Einfach eine schrecklicher Kreislauf von Sanktionen. Es gibt da kein strategisches Denken. Ich habe den Eindruck ist es ist einfach nur emotional. Wir sind wütend. Das fühlt sich gut und tugendhaft an. Aber [01:30:30] es gibt einfach keinen Zweck dahinter. Es gibt keinen Plan. Es gibt niemanden, der hinter dem Steuer sitzt. Es ist ziemlich schockierend zu sehen, wie sich all diese Dinge abspielen.

 AlexanderMercouris: [01:30:41] Es ist absolut schockierend. Ich möchte nur sagen, dass ich mich an die Vereinigten Staaten erinnern kann. Ich meine, ich, ich sollte meine Geschichte, meinen Hintergrund erzählen. Ich war jemand, der eine enorme Bewunderung für die Vereinigten Staaten hatte. Das habe ich immer noch. Das habe ich absolut. Ich habe eine enorme sentimentale Bindung an die Vereinigten [01:31:00] Staaten, an die amerikanische Verfassung, an das amerikanische politische System, wie ich es mir vorstelle, an die amerikanische Kultur. Und ich erinnere mich an die alten Vereinigten Staaten, eine riesige industrielle Organisationsmacht. Sie haben diese Dinge verstanden. Sie haben all die Zusammenhänge verstanden. Vor 50, 60, 70 Jahren hätten sie diese Fehler nicht gemacht. Sie hätten das nicht getan, denn wie sich herausgestellt hat, sind wir davon ausgegangen, dass die Russen [01:31:30] wirtschaftlich von uns abhängig sind, und haben nie bedacht, in welchem Ausmaß wir von ihnen abhängig geworden sind.

Wir sind davon ausgegangen, dass die Russen auf unsere Hochtechnologie nicht verzichten können, und wir haben nicht erkannt, dass wir ihr Gas, ihren Weizen, ihren chemischen Dünger, ihr Öl, ihre Kohle, ihr Aluminium, ihre seltenen Erden brauchen, dass sie in Wirklichkeit [01:32:00] völlig in unser Wirtschaftssystem eingebettet sind. Und das große Problem ist natürlich, dass, wenn es um Hochtechnologie und dergleichen geht, die Auswirkungen einer Hochtechnologiebeschränkung langfristig sind, während die Auswirkungen des Abschneidens von lebenswichtigen Rohstoffen und Gütern unmittelbar sind. Außerdem verfügen die Russen über ein hohes Maß an Wissenschaft und Organisation. Sie können wahrscheinlich zu einem großen Teil [01:32:30] die technologischen Einschränkungen, die wir ihnen auferlegen, abmildern. Und natürlich gibt es jetzt eine andere Welt jenseits von Europa, jenseits der Vereinigten Staaten. Die Zeiten, in denen Technologie und Wissenschaft eine Sache des Westens waren und niemand sonst sie betrieb, sind vorbei. Auch das haben wir nicht verstanden. Aber sie können es wahrscheinlich im Laufe der Zeit herausfinden, und sie haben die Zeit und den Raum in Russland, um es zu tun. Sie können Flugzeuge bauen, sie können Autos bauen. Ein Land, das Raketen startet, [01:33:00] Dinge in den Weltraum schickt. Sie können vieles selbst tun, was wir uns einreden, dass sie es nicht können, aber sie können es tun und sie können andere finden, die ihnen helfen. Sie werden Menschen in China finden. Sie finden Menschen in Korea, sie finden Menschen in Malaysia, in Singapur, an allen möglichen Orten.

Aber wie sich herausstellt, können wir Öl, Gas, Kohle, Lebensmittel und all diese Dinge nicht einfach ersetzen, denn [01:33:30] das geht nicht und man braucht sie sofort. Deshalb befinden wir uns derzeit in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage. Wenn Sie also in diese beiden Hauptstädte reisen – ich lebe in London, ich habe Freunde in Moskau -, dann schauen Sie sich diese beiden Hauptstädte an, in London steigen die Preise unaufhörlich. Lebensmittel werden immer teurer. Energieprodukte werden immer teurer. Die Lebenshaltungskosten steigen. Während ich zu Ihnen spreche, ist das gesamte Londoner [01:34:00] U-Bahn-System geschlossen, weil die Arbeiter streiken, weil sie nicht über die Runden kommen können. Wir haben Probleme, die sich überall wiederholen, die sich durch die britische Wirtschaft und die deutsche Wirtschaft ziehen. In Russland hingegen sinken die Lebensmittelpreise. Die Energiekosten sinken, weil sie diese [01:34:30] Dinge, die essentiell sind und die wir nicht haben, in Hülle und Fülle haben. Wir haben nie verstanden, und ich habe es, um ehrlich zu sein, selbst nicht verstanden, in welchem Ausmaß der Wohlstand, den wir im Westen seit den 1980er Jahren erreicht haben, der Rückgang der Inflation, den wir seit den 1980er Jahren erreicht haben, von dieser enormen Bereitstellung [01:35:00] russischer natürlicher Ressourcen abhing, von Rohstoffen, die nach dem Kalten Krieg verfügbar wurden und die wir uns jetzt in einem außergewöhnlichen Anfall von Wahnsinn selbst verwehrt haben. Wir haben es also nicht nur geschafft, all die anderen Dinge zu tun, die Scott erwähnte, sondern wir haben es auch geschafft, einen enormen wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Und wie Sie richtig sagen, Glenn, wenn all diese Dinge so bleiben [01:35:30], wird es strukturell werden, denn ja, die Wirtschaft passt sich an. Wir werden Alternativen zum russischen Gas finden. Wir werden mehr Flüssigerdgas-Tankstellen bauen. Wir importieren es aus Katar oder aus den Vereinigten Staaten oder von wo auch immer.  Aber es wird viel teurer sein als das Pipelinegas, das wir bisher aus Russland bezogen haben, weil es in der Natur des Systems liegt. Pipeline-Gas wird immer [01:36:00] billiger sein als zum Beispiel LNG. Wir verweigern uns beispielsweise den Zugang zu Sonnenblumenöl aus Russland. Ja, wir können es von woanders her bekommen, aber es muss weiter her kommen. Es wird per Schiff kommen müssen, anstatt schneller aus Russland transportiert zu werden. Wir werden all diese Probleme haben, und sie werden sich kumulieren und zu Dauerproblemen werden. In einer Zeit, in der wir bereits [01:36:30] mit großen wirtschaftlichen, kommerziellen und industriellen Herausforderungen durch asiatische Konkurrenten konfrontiert sind, ist das sehr, sehr schlecht für uns. Nun ist es in Europa besonders schlimm, weil wir in Europa naturgemäß arm an Ressourcen sind. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor sehr reich an Ressourcen. Sie ist weitgehend autark. Die USA können das überstehen, aber in Europa haben wir uns selbst immensen und [01:37:00] dauerhaften Schaden zugefügt. Und ich stimme Ihnen vollkommen zu, Glenn. Warum sollten die Russen uns von jetzt an Gas verkaufen wollen? Ich meine, all diese Pipelines, die aus russischer Sicht gebaut wurden, haben nichts als Probleme mit sich gebracht. Wir haben sie missbraucht. Wir haben ihr Unternehmen Gazprom belästigt. Wir haben rechtliche Schritte gegen sie eingeleitet. Wir haben einen Artikel nach dem anderen darüber veröffentlicht. Wir haben sie mit dem Preis unter Druck gesetzt. Wir haben das eine oder andere getan. Vertrauen [01:37:30] ist ein wesentlicher Bestandteil einer Geschäftsbeziehung, und das ist weg. Selbst wenn wir den Russen sagen würden, dass diese Sanktionen ein schrecklicher Fehler waren, den wir rückgängig möchten. Es wird keine Rückkehr zum Status quo ante sein, weil die Russen uns nicht mehr vertrauen. Sie werden ihre Pipelines nach Asien bauen. Sie werden dort ihre Verbindungen ausbauen, um [01:38:00] ihr Öl an Indien und China zu verkaufen. Sie werden die wirtschaftlichen Verbindungen mit Asien ausbauen. Und das wird für uns in Europa auf Dauer eine sehr, sehr schlechte Nachricht sein. Ich glaube nicht, dass wir das verstanden haben. Und übrigens, und das ist nur eine Kleinigkeit am Ende, ich habe über die industrielle Natur der Kriegsführung und die Logistik gesprochen, was mich übrigens erstaunt hat. Aber angesichts der Tatsache, dass wir unsere industriellen und verarbeitenden [01:38:30] Grundlagen im Westen erschöpft haben, schauen Sie sich an, wo die verarbeitende Industrie jetzt steht. Der überwiegende Teil davon ist in Asien, und zwar in außerordentlichem Maße in China. Wenn die Russen 70.000 Schuss Artilleriemunition pro Tag abfeuern können, Tag für Tag, Woche für Woche, was können dann die Chinesen tun? Deren industrielle [01:39:00] Basis ist um ein Vielfaches größer als alles, was Russland hat. Ich denke, das ist etwas, worüber wir auch nachdenken müssen.

Das Totalversagen der europäischen Diplomatie

 GlennDiesen: [01:39:09] Zusammenfassend kann man feststellen, dass Russland den Krieg gewinnt. Die Wirtschaftssanktionen sind auf verheerende Weise nach hinten losgegangen. Wir sind nicht in der Lage, den Rest der Welt gegen Russland zu mobilisieren, wir können niemanden mit ins Boot holen. Trotz alledem. Es gibt keine Gespräche. Es gibt keine, verhandeln ist ein Schimpfwort geworden. Von [01:39:30] Diplomatie ist nirgends etwas zu finden. Und das ist überraschend, denn man sollte meinen, dass wir in einer solchen Situation etwas auf den Tisch legen könnten wie: Okay, wir gehen auf das ein, was Russland seit 30 Jahren gefordert hat, nämlich keinen NATO Expansionismus mehr. Wenn wir das bei den Verhandlungen in der Ukraine oder bei anderen Gelegenheiten nutzen könnten, wäre das eine gute Idee. Aber nichts, nichts liegt auf dem Tisch, auch wenn es jetzt nichts weiter bringt, wir setzen uns nicht einmal zusammen und reden. Das ist für mich einfach der [01:40:00] unterste Tiefpunkt der Staatskunst. Es ist schwer zu glauben, dass wir hier sind.

 ScottRitter: [01:40:07] Ja. Wissen Sie, das ist das ewige Problem. Ich habe es in dieser Diskussion und auch in anderen gesagt: Eines Tages wird dieser Krieg zu Ende sein. Ich meine, das ist einfach unvermeidlich. Dieser Krieg wird nicht ewig dauern. Es wird vorbei sein, ob es nun eine Frage von wenigen oder von vielen Monaten [01:40:30] er wird zu Ende gehen. Eine reife Nation, eine kultivierte Nation, eine verantwortungsbewusste Nation muss nach einem diplomatischen Ausweg aus dem Konflikt suchen. Wissen Sie, ich glaube, wenn es in Europa dieses Gefühl der Reife gäbe, würden die Leute ihren Chefs sagen: Hey, wir haben in der Ukraine verloren, wir haben die Ukraine verloren.

Wir werden in der Ukraine nicht gewinnen. Wenn wir weiterhin [01:41:00] alles auf die Ukraine setzen, werden wir für die Verhandlungen, die nach dem Konflikt geführt werden müssen, nichts mehr auf dem Tisch haben. Erinnern Sie sich daran, dass diesem Krieg Russlands Forderungen nach einem neuen europäischen Sicherheitsrahmen vorausgegangen sind. Nun, Russland hatte zwei Vertragsentwürfe vorgelegt, die der Westen abgelehnt hat. Als die Russen sie im Dezember letzten Jahres vorlegten, sagten viele Leute: Oh, welche Dreistigkeit [01:41:30] von Russland. Wie können sie es wagen zu glauben, sie könnten dem Westen diese Bedingungen diktieren?

Russland hat keine Bedingungen diktiert. Russland hat nur auf die Tatsache hingewiesen, dass es so sein muss. Russlands Hand ist durch den Sieg über die Ukraine nachweislich stärker geworden, und jeder verantwortungsbewusste, reife, adäquate geopolitische Stratege oder Analyst würde erkennen, dass Russland zunehmend in die Lage versetzt wird, die Bedingungen der Nachkriegsbeziehungen in einer Art und Weise zu diktieren, die Russland in jeder Hinsicht begünstigt, wenn wir nicht versuchen, [01:42:00] ein Akteur bei der Festlegung des Weges aus dem Krieg zu werden. Und das ist eine sehr gefährliche Situation, denn egal was passiert, am Ende des Tages ist die NATO immer noch ein nukleares Unternehmen, und ein Konflikt, ein militärischer Konflikt zwischen Russland und der NATO wird Atomwaffen ins Spiel bringen. Verzweifelte Menschen tun verzweifelte Dinge [01:42:30] und die NATO wird immer mehr zu einer verzweifelten Organisation. Um diese Verzweiflung zu mindern, wäre es also sehr verantwortungsbewusst von der NATO, zum jetzigen Zeitpunkt zu versuchen, den Schaden, der der Ukraine zugefügt wird, zu mindern, indem man versucht, diesen Krieg eher früher als später zu beenden und so viel von der Ukraine zu erhalten, wie man kann, nicht [01:43:00] weil man sie gegen Russland einsetzen will, sondern weil man das dem ukrainischen Volk schuldet. Mein Gott, wir sitzen hier mit diesem “Wir unterstützen die Ukraine”. Wir unterstützen die Ukraine nicht. Wir zerstören die Ukraine. Wir nehmen die Ukraine aus. Wir verwüsten die Ukraine. Wir müssen die Ukraine hassen. Wenn ich Ukrainer wäre, würde ich erkennen, dass die Ukrainer vom Westen verraten wurden. “Strebt den Beitritt zur NATO an” ist eine Selbstmordpille, eine Einwegmission. Man hätte das nie tun dürfen. Und jetzt, wo man es getan hat, obliegt es dem Westen zu sagen, okay, wir haben einen Fehler gemacht, lasst uns den Schaden [01:43:30] abmildern.

Notwendigkeit neuer Abrüstungsverträge

Aber was muss jetzt geschehen? Es muss eine Diskussion über die nukleare Abrüstung in Europa geben, über den INF-Vertrag, den die Vereinigten Staaten übrigens unter falschem Vorwand überstürzt aufgekündigt haben, indem sie eine russische Rakete geschaffen haben, die nicht gegen den Vertrag verstößt. Selbst wenn die Russen sie rausgebracht und gesagt haben: Hey, ich bin nur ein einfacher Marine, aber ich habe genug Raketeninspektionen gemacht, um zu wissen, dass, wenn ich mir [01: 44:00] eine Rakete anschaue und der Booster ist derselbe und der Booster ist derselbe, das heißt, es ist dieselbe Menge an Treibstoff. Und wenn man sich die Lenksektion und einen etwas größeren Gefechtskopf ansieht, wird die Rakete mit einer größeren Lenksektion nicht weiter fliegen als die Rakete mit demselben Booster und einem kleineren Kopf. Und dennoch versuchen wir so zu tun, als ob diese neue Rakete, die die Russen bauen, weiter reicht als die, die sie gebaut haben. Nein, das ist absurd.

Wir haben den INF-Vertrag verletzt, indem wir Aegis-Ashore-Systeme in Polen und Rumänien aufgestellt haben, die Mark 41, die mit [01:44:30] einem Knopfdruck vom Abfeuern von Abfangraketen auf das Abfeuern von bodengestützten Marschflugkörpern umgeschaltet werden können. Wir sagten: Oh, das würden wir nie tun. Einen Monat, nachdem wir den Vertrag verlassen hatten haben wir genau dieses System getestet. Jetzt geht es um den Einsatz einer neuen Rakete, Dark Eagle, einer Hypergeschwindigkeitsrakete. Wir haben eine Artilleriebrigade aus dem Kalten Krieg aktiviert, um sie damit auszustatten.

Damit muss jetzt Schluss sein, und Europa muss die Kontrolle über seine Sicherheit übernehmen und Druck auf die Vereinigten Staaten ausüben, damit sie [01:45:00] ernsthafte Verhandlungen mit Russland über die Wiederaufnahme des INF-Vertrages aufnehmen, auch wenn China nicht Teil dieser Verhandlungen ist. Es geht um die europäische Sicherheit.

Es geht nicht um die Beziehungen zwischen Amerika und China. Europa muss dies in die Hand nehmen. Europa muss auch Druck auf die Vereinigten Staaten ausüben, den Vertrag über den Schutz vor ballistischen Flugkörpern wieder in Kraft zu setzen, und sich von der dummen Vorstellung zu befreien, Raketen abschießen zu können und einen Raketenschild zu errichten. Das funktioniert nicht. Israels Iron Dome funktioniert gegen grobe [01:45:30] Hamas-Raketen, Flaschenraketen, die von der Hamas abgefeuert werden. Die Hisbollah wird den Eisernen Dom durchdringen wie ein heißes Messer die Butter. Der Iran würde sie ausweiden. Es ist ein falsches Gefühl der Sicherheit. Das kann man strategisch nicht nachbilden. Warum also überhaupt versuchen.

Schafft das System zur Abwehr ballistischer Raketen ab. Und damit machen Sie sich jetzt frei für eine stärkere strategische Rüstungsreduzierung, um diesen wahnsinnigen Wettlauf zur Modernisierung der schrecklichsten [01:46:00] Waffen der Welt zu stoppen. Russland hat bereits eine Modernisierungsrunde hinter sich. Sie haben die Sarmat-Rakete, sie haben die Avantgarde, sie haben andere. Die Vereinigten Staaten sprechen über den Einsatz der Sentinel-Rakete, des B 21 Raider-Bombers und der U-Boote der Columbia-Klasse. Hört auf, Billionen von Dollar für die nukleare Abrüstung auszugeben
Aufrüstung, für den Bau von Waffen, die man logischerweise niemals einsetzen kann, weil in dem Moment, in dem man sie einsetzt, die Welt untergeht. Und schließlich, sobald man [01:46:30] damit beginnt, die nukleare Bedrohung zu reduzieren, wäre Europa sehr klug – und das ist, wissen Sie … wenn ich ein Verhandlungsführer der US-Regierung wäre, würde ich das nicht laut aussprechen.

Aber hier ist die Quintessenz. Russland wird aus diesem Ukraine-Konflikt mit einer militärischen Überlegenheit gegenüber dem Westen hervorgehen, so wie der Westen am Ende des Kalten Krieges eine Überlegenheit gegenüber Russland hatte. Was wir heute in Europa mehr denn je brauchen, ist ein neuer [01:47:00] Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa, der genau das schafft, was Russland gefordert hat: einen Stabilitätspuffer zwischen der NATO und Russland. Das bedeutet nicht, dass die NATO aufgelöst wird. Es bedeutet nur, dass die Infrastruktur der NATO auf die Linien von 1997 zurückgeführt wird. Und wenn man es in den Kontext eines Vertrages stellt, dann muss dieses wunderbare, riesige, mächtige russische Militär, das sie in der Ukraine zusammengezogen haben, auf eine gleichwertige Entfernung zurückgezogen werden. Sie brauchen Inspektoren [01:47:30], die die Überwachung übernehmen. Sie müssen das Militärische in den Beziehungen zwischen Russland und Europa zurückdrängen. Dies ist die Ausfahrt aus dem Krieg, die absolut notwendig ist, wenn man Frieden und Stabilität bewahren will. Und nur so wird Europa die nötige Luft holen können, um sich wirtschaftlich zu erholen. Glauben Sie wirklich, dass die Deutschen in der Lage sein werden, die 100 Milliarden Euro aufzubringen, die Scholz für den Wiederaufbau der deutschen Armee bereitstellen will? Nein. Die deutsche [01:48:00] Wirtschaft kollabiert. Glauben Sie, dass Europa wirklich diese 300.000 Mann starke schnelle Eingreiftruppe aufbauen wird, die laut Stoltenberg die Zukunft sein soll? Nicht einmal annähernd. Sie kollabieren. Europa kann sich das nicht leisten. Und wenn sich Europa weiterhin in einen offenen wirtschaftlichen und quasi militärischen Konflikt mit Russland verstrickt, wird es nur noch mehr zusammenbrechen. Rüstungskontrolle ist der Weg in die Zukunft. Europa könnte ein Ergebnis diktieren, das besser für Europa ist, [01:48:30] nicht perfekt, aber besser für Europa, indem es bereit ist, an dieser Front mit den Russen zusammenzuarbeiten. Und das wird es auch.

Sie haben es angesprochen, Alexander, es wird viel dazu beitragen, dass ein Gefühl des Vertrauens zwischen den Nationen wieder aufleben kann. Im Moment gibt es kein Vertrauen zwischen den Nationen, aber wir müssen das tun, denn sonst wird Russland diesen Krieg beenden und dann dem Westen seinen Willen aufzwingen. Wir sprechen [01:49:00] über ein Europa, das grundlegend kaputt ist. Europa wird nicht in der Lage sein, die Herausforderung anzunehmen, und die Vereinigten Staaten werden mit ihrer eigenen Implosion konfrontiert sein, die gerade jetzt stattfindet, wirtschaftlich und politisch. Die Vereinigten Staaten sind im Moment eine sehr kranke Nation und werden noch kränker werden, wenn wir gezwungen sind, uns mit einem zusammengebrochenen Europa und einem wieder erstarkten Russland und übrigens auch mit einem China auseinanderzusetzen, das ebenfalls sprunghaft wächst. Verleihen Sie also Stabilität, indem Sie [01:49:30] stabil handeln. Rüstungskontrolle ist die Zukunft.

 AlexanderMercouris: [01:49:33] Ja. Scott, was Sie sagen, ist absolut richtig. Und ich kann nur sagen, das ist es, wovon Glenn gesprochen hat. Der Zusammenbruch der Staatskunst. Die Tragödie ist, wer hat die Diplomatie erfunden? Woher kommt der Begriff der Diplomatie? Sie wissen schon, die ganze Sprache der Diplomatie, Botschafter, all das, Sie wissen schon, Botschaften, all dies. Das ist europäisch. Es waren die Europäer, die die moderne Diplomatie erfunden haben. Tun sie etwas? Natürlich [01:50:00] tun sie nichts. Sie tun absolut nichts. Und, wissen Sie, wir alle drei können uns an die Friedensbewegungen in Europa erinnern, die ein äußerst nützlicher und wichtiger Teil der europäischen politischen Landschaft waren. Wo sind sie? Was ist geschehen? Wer sorgt sich noch um einen Atomkrieg? Wer macht sich noch Sorgen um Atomwaffen? Sie sprachen von Dark Eagle. Ich habe von dem Dark Eagle gehört, Glenn, wir alle drei. Wissen [01:50:30] die Menschen auf den Straßen in Europa überhaupt von diesem System, das in das Herz Europas gebracht werden soll? Nun, wir müssen in Europa eine gewisse politische Fähigkeit wiederentdecken, denn sonst driften wir in Konfrontationen ab, die uns nur enormen Schaden zufügen. Wie soll das gehen, angesichts [01:51:00] der Wüste, die die politische Landschaft in Europa im Moment darstellt. Das kann ich nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht. Aber alles, was ich sagen kann, ist, dass ich noch nie eine Periode in der Geschichte erlebt habe, in der die europäische Führung so schlecht, so bankrott und so moralisch inkompetent war, wie die, die wir heute erleben. Und ich denke an die Möglichkeiten, die es vor 30 Jahren gab, als [01:51:30] der Kalte Krieg zu Ende ging, und daran, wie diese von den Vereinigten Staaten und auch von Europa zu einem großen Teil weggeworfen wurden. Und wenn ich zu viel darüber nachdenke, macht mich das sehr verbittert.

GlennDiesen: [01:51:48] Nun, ich bin mir nicht sicher.

AlexanderMercouris: [01:51:55] Mm hmm. Nun, ich meine, was ich sagen will, ist dies. Lassen Sie uns einfach dort enden. Ich [01:52:00] meine, es ist erstaunlich. Wissen Sie, es gibt diese wunderbare Redewendung, die übrigens historisch gesehen wahr ist, dass die Zeit den Mann oder die Frau hervorbringt. Wissen Sie, es kann gut sein, dass dies die Krise ist, die Europa braucht. Vielleicht brauchen wir diese Krise, um uns selbst aus unserer Selbstgefälligkeit herauszuschütteln, die wir in diesem Kokon aus Selbstgefälligkeit, Arroganz und Dummheit um uns herum aufgebaut haben. Wenn die Leute, ich meine, wie [01:52:30] ich sagte, wir sprechen über die Streiks und solche Dinge. Ich meine, wir haben eine Wiederbelebung der Gewerkschaften erlebt, zum Beispiel in Großbritannien, wo die Gewerkschaften tot waren, aber plötzlich erwachen sie wieder zum Leben. Und es könnte sehr gut sein, dass als Folge dieser Krise Menschen, Kräfte, politische Kräfte in Europa wieder auftauchen, die die Dinge wieder in Gang bringen und umkehren werden. Das Potenzial dazu ist vorhanden. Wissen Sie, die heutige Führung [01:53:00] ist furchtbar. Sie ist schrecklich. …..

 ScottRitter: [01:53:13] Es gibt den amerikanischen Philosophen George Santayana, und er wird immer wieder zitiert. Diejenigen, die die Lehren aus der Geschichte nicht ziehen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen. Der Gedanke dabei ist, dass die Geschichte aus aufeinander folgenden [01:53:30] Beispielen des Scheiterns besteht. Aber es gibt diese lichten Momente in der Geschichte, in denen sich Erfolge einstellen. Einer der größten Erfolge war der 1987 unterzeichnete und 1988 in Kraft getretene Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen, der einen Rüstungswettlauf umkehrte, der im Begriff war, Europa und damit die Welt zu zerstören. Auf amerikanischer Seite war der Mann, der das möglich gemacht hat, ein [01:54:00] Schauspieler, ein Mann, der von der politischen Elite der Demokratischen Partei verachtet wurde. Selbst die Republikaner betrachteten ihn als eine Art Außenseiter. Dieser quasi konservative Leinwandstar, ein einfacher Mann, der das Schlimmste aus der amerikanischen Politik gemacht hat, indem er das sowjetische Problem grob vereinfacht hat, das böse Imperium, usw., usw.. Und er hat uns aus dem Abgrund geführt. Er hat uns [01:54:30] aus der Dunkelheit herausgeführt. Er unterzeichnete einen Vertrag, von dem niemand dachte, dass er jemals unterzeichnet werden könnte, und leitete damit einen Prozess der Verbesserung der Beziehungen ein. Leider war es ein sehr enges Zeitfenster. Und George Herbert Walker Bush war nicht in der Lage, die Aufgabe zu Ende zu führen. Es kam spät in Reagans Amtszeit, aber aus einer höchst unwahrscheinlichen Quelle tauchte eine Führungspersönlichkeit auf, die uns aus dieser Dunkelheit herausführte. Und wenn wir an die 1980er Jahre denken, dann vergessen die Leute [01:55:00], dass die Vereinigten Staaten in den 1980er Jahren in Afghanistan einen Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion führten, in den wir Milliarden von Dollar gesteckt haben, nur um sowjetische Soldaten zu töten. Das erinnert mich ein wenig an das, was gerade in der Ukraine passiert. Die Menschen vergessen, dass wir an der Verhängung von Sanktionen gegen russisches Gas beteiligt waren und Druck auf Europa ausgeübt haben, kein russisches Gas mehr zu kaufen. Und wir haben die russische Energie herausgegriffen und versucht, sie zu isolieren. Wir haben sogar ein Gerät eingebaut das künstlich den Messwert des Drucks einer [01:55:30] einer Explosion erzeugte. Wir haben die russische Energieinfrastruktur innerhalb Russlands physisch zerstört. Das wird heute nicht passieren. Im Moment ist die Verhaftung von Brittney Griner das große Thema, Wow, verhaftet. Arthur Nicholson wurde 1985 von einem sowjetischen Sergeanten in Ludwiglust, Ostdeutschland, erschossen. Ich meine, wir haben uns damals gegenseitig umgebracht. Wir stationierten Atomwaffen und sprachen nicht nur darüber. Wir haben die Pershing 2 nach [01:56:00] Europa geschickt, um die SS 20 zu bekämpfen. Europa stand bis zu einem gewissen Grad vor der nuklearen Auslöschung. Das ist nicht einmal annähernd das, was Ihnen heute bevorsteht. Und doch führte uns ein Mann hinaus. Ronald Wilson Reagan. Ich weiß, dass die Leute sagen werden, er sei ein schrecklicher Präsident gewesen. Schrecklich, ich werde das nicht diskutieren. Was ich sagen will: Er hat die Welt gerettet. Er hat die Welt gerettet. Und so schlimm die Dinge heute auch sind, vielleicht wird es keine amerikanische Führung sein, denn ich weiß nicht, wo die herkommen sollte. Ich weiß nicht einmal, wie diese beiden Wörter heute auf demselben Stück [01:56:30] Papier stehen können. Aber vielleicht wird Europa aus dieser totalen Katastrophe, mit der es heute konfrontiert ist, liefern. Vielleicht bekommt Europa einen Führer, der diesen Namen auch verdient. Nicht diese, nicht Stoltenberg, nicht Macron, nicht Scholtz, nicht diese Witzfiguren. Aber es wird jemand auftauchen, der sagt, dass wir uns wie rational denkende, liebende und fürsorgliche Menschen verhalten müssen. Und wenn man all diese Wörter zusammennimmt und sie zu [01:57:00] einer Person kombiniert, dann sind diese Dinge, über die wir sprechen, logisch. Ich meine, es ist ja nicht so, dass Glenn, Alexander und ich hier sitzen und versuchen, eine phantasievolle Welt zu malen. Es ist logisch zu sagen, dass wir danach streben sollten, keine Atomwaffen zu haben. Es ist logisch das zu sagen. Ich werde es dabei belassen, denn ich befinde mich gerade in einem Debattierwettbewerb mit meinen Hunden. Aber ich denke, ich habe meinen Standpunkt dargelegt, dass es möglich ist, sich eine Welt vorzustellen, in der eine Führungspersönlichkeit auftauchen kann, die [01:57:30] uns aus den Schwierigkeiten herausführt.

GlennDiesen: [01:57:36] Ich stimme zu. Nun, mit dieser viel positiveren Anmerkung können wir die Sache abschließen. So. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Scott, dass Sie sich zwei Stunden Zeit genommen haben, und natürlich auch bei Ihnen, Alexander, es war mir ein Vergnügen, und ja, ich hoffe, dass ich bald wieder mit Ihnen beiden sprechen kann.

ScottRitter: [01:58:00] Vielen Dank [01:58:00], dass Sie mich eingeladen haben. Ich danke Ihnen. Schön, dass Sie da sind.

 AlexanderMercouris: [01:58:03] Schön, Sie zu sehen. Und Glenn, ich danke Ihnen vielmals.

 ScottRitter: [01:58:06] Vielen Dank, Glenn.

Ende der Übersetzung.

 




Dem Selbstmord Europas zusehen

Zusätzlich zu der sich als Folge der “Impfungen” gegen Covid abzeichnenden Katastrophe begehen die EU-Staaten nun auch wirtschaftlichen und energiepolitischen Selbstmord.  Die russische Denkfabrik Valdai-Diskussions-Club, hat am 5. April 2022 eine Expertendiskussion mit dem Thema Gas gegen Rubel: Kaufen Sie es wenn Sie es können, veranstaltet zu der am 7. April 2022 auf TheCradle.co und TheSaker.is ein Kommentar von Pepe Escobar erschienen ist, den ich hier übersetzt habe.

Die Diskussion im Valdai-Forum wurde auf Russisch geführt und simultan ins Englische übersetzt (Link auf die englische Version). Soweit die Vortragenden Englisch gesprochen haben, wurde simultan ins Russische übersetzt. Ich erwähne das, weil diese Diskussion vor allem auch für die Zukunftsplanung von Russlanddeutschen, die kein oder nur wenig Englisch können, hochinteressant sein dürfte.  Für Leser, die zwar gut Russisch aber nur wenig oder kein Englisch verstehen, verlinke ich die russischsprachige Version hier: Газ за рубли: купи, если сможешь. Дискуссия. Vor allem auch die im Kommentar von Pepe Escobar nur sehr leichte gestreiften Ausführungen von Alexander Losev, Generaldirektor, Sputnik Asset Management, Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik (SVOP), dessen Vortrag bei Minute 8:00 mit allgemeinen Bemerkungen für das Thema Energie beginnt, sind sehr empfehlenswert wenn man die Zukunftsaussichten der BRD und der EU abschätzen möchte.

Links auf das englische Original von Pete Escobars Artikel:

Beginn der Übersetzung:

Lehnen Sie sich zurück und sehen Sie zu, wie Europa Selbstmord begeht

Wenn es das Ziel der USA ist, Russlands Wirtschaft durch Sanktionen und Isolation zu zerstören, warum befindet sich Europa dann im freien Fall?

Von Pepe Escobar 07. April 2022

Der Wettbewerb Washingtons mit der aufstrebenden Macht Russland ist so hart, dass es bereit ist, Europa zu opfern. Photo Credit: The Cradle. Link auf den Originalartikel https://thecradle.co/Article/columns/8853

Das atemberaubende Spektakel der Europäischen Union (EU), die in Zeitlupe Harakiri begeht, ist etwas für die Ewigkeit. Wie ein billiges Kurosawa-Remake handelt der Film in Wirklichkeit von der von den USA betriebenen Zerschlagung der EU, einschließlich der Umleitung einiger wichtiger russischer Rohstoffexporte in die USA auf Kosten der Europäer.

Es ist hilfreich, eine strategisch gut platzierte Schauspielerin der 5. Kolonne zu haben – in diesem Fall die erstaunlich inkompetente Leiterin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen – mit ihrer lautstarken Ankündigung eines erdrückenden neuen Sanktionspakets: Russische Schiffe dürfen nicht mehr in EU-Häfen einlaufen; Straßentransportunternehmen aus Russland und Weißrussland dürfen nicht mehr in die EU einreisen; keine Kohleimporte mehr (über 4,4 Milliarden Euro pro Jahr).

In der Praxis bedeutet das, dass Washington seine wohlhabendsten westlichen Klienten/Lakaien ausschaltet. Russland ist natürlich zu mächtig, um es direkt militärisch herauszufordern, und die USA benötigen dringend einige seiner wichtigsten Exportgüter, insbesondere Mineralien. Deshalb werden die Amerikaner die EU dazu drängen, immer höhere Sanktionen zu verhängen, die ihre Volkswirtschaften mutwillig zum Einsturz bringen und es den USA ermöglichen, sich alles unter den Nagel zu reißen.

Ein Hinweis auf die kommenden katastrophalen wirtschaftlichen Folgen, die die Europäer in ihrem täglichen Leben spüren (nicht aber die reichsten fünf Prozent): Die Inflation frisst Gehälter und Ersparnisse auf; die Energierechnungen des nächsten Winters sind ein gemeiner Tiefschlag; Produkte verschwinden aus den Supermärkten; Urlaubsbuchungen sind fast eingefroren. Frankreichs kleiner König Emmanuel Macron – der vielleicht eine böse Wahlüberraschung erlebt – hat sogar angekündigt: “Lebensmittelmarken wie im Zweiten Weltkrieg sind möglich.”

Wir haben es in Deutschland mit dem wiederkehrenden Gespenst der Weimarer Hyperinflation zu tun. Der Präsident von BlackRock, Rob Kapito, sagte in Texas: “Zum ersten Mal wird diese Generation in ein Geschäft gehen und nicht bekommen können, was sie will.” Die afrikanischen Landwirte können sich in diesem Jahr überhaupt keinen Dünger leisten, was die landwirtschaftliche Produktion um eine Menge reduziert, mit der 100 Millionen Menschen ernährt werden könnten.

Zoltan Poszar, ehemaliger Guru der New Yorker Fed und des US-Finanzministeriums und jetziger Großwesir der Credit Suisse, betont immer wieder, dass Rohstoffreserven – und hier ist Russland konkurrenzlos – ein wesentliches Merkmal dessen sein werden, was er als Bretton Woods III bezeichnet (obwohl das, was von Russland, China, dem Iran und der Eurasischen Wirtschaftsunion geplant wird, ein Post-Bretton Woods ist).

Poszar merkt an, dass Kriege historisch gesehen von demjenigen gewonnen werden, der über mehr Nahrungsmittel und Energievorräte verfügt – früher, um Pferde und Soldaten zu versorgen, heute, um Soldaten zu ernähren und Panzer und Kampfflugzeuge zu betanken. China hat im Übrigen große Vorräte an praktisch allem angehäuft.

Poszar stellt fest, dass unser gegenwärtiges Bretton-Woods-II-System einen deflationären Impuls (Globalisierung, offener Handel, Just-in-time-Lieferketten) hat, während Bretton Woods III einen inflationären Impuls (De-Globalisierung, Autarkie, Horten von Rohstoffen) von Lieferketten und zusätzlichen Militärausgaben liefern wird, um das zu schützen, was vom Überseehandel übrig bleiben wird.

Die Auswirkungen sind natürlich überwältigend. Bedenklich ist, dass dieser Zustand sogar zum Dritten Weltkrieg führen kann.

Rubelgas oder amerikanisches LNG?

Der russische runde Tisch Valdai Club hat eine wichtige Expertendiskussion (Link auf engl. Version) über das geführt, was wir bei The Cradle als Rublegas (Link auf engl. Artikel von Pepe Escobar) definiert haben – der wahre geoökonomische Spielveränderer im Herzen der Post-Petrodollar-Ära. Alexander Losev, Mitglied des Russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, erläuterte die Konturen des großen Bildes. Aber es war an Alexey Gromov, dem leitenden Energiedirektor des Instituts für Energie und Finanzen, sich mit entscheidenden Details zu befassen.

Bislang verkaufte Russland jährlich 155 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa. Die EU verspricht rhetorisch, bis 2027 darauf zu verzichten und den Verbrauch von russischem Gas bis Ende 2022 um 100 Milliarden Kubikmeter zu reduzieren. Gromov fragte nach dem “Wie” und bemerkte, dass “kein Experte eine Antwort darauf hat“. Der Großteil des russischen Erdgases wird über Pipelines transportiert. Dies kann nicht einfach durch verflüssigtes Erdgas (LNG) ersetzt werden.

Die lächerliche europäische Antwort lautet: “Fangen Sie an zu sparen”, d. h. “bereiten Sie sich darauf vor, dass es Ihnen schlechter geht” und “senken Sie die Temperatur in den Haushalten.” Gromov stellte fest, dass in Russland “22 bis 25 Grad im Winter die Norm sind. Europa propagiert 16 Grad als ‘gesund’ und das Tragen von Pullovern in der Nacht”.

Die EU wird nicht in der Lage sein, das von ihr benötigte Gas aus Norwegen oder Algerien (das die Deckung des Binnenverbrauchs bevorzugt) zu beziehen. Aserbaidschan wäre in der Lage, bestenfalls 10 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu liefern, aber “das wird noch 2 bis 3 Jahre dauern”.

Gromov betonte, dass es “heute keinen Überschuss auf dem Markt für LNG aus den USA und Katar gibt” und dass die Preise für asiatische Kunden immer höher sind. Das Fazit ist, dass Europa bis Ende 2022 nicht in der Lage sein wird, seine Käufe aus Russland erheblich zu reduzieren: “Sie könnten maximal 50 Milliarden Kubikmeter einsparen.” Und die Preise auf dem Spotmarkt werden höher sein – mindestens 1.300 Dollar pro 1000 Kubikmeter.

Eine wichtige Entwicklung ist, dass “Russland die logistischen Lieferketten nach Asien bereits verändert hat”. Das gelte auch für Gas und Öl:  “Man kann Sanktionen verhängen, wenn es einen Überschuss auf dem Markt gibt. Jetzt fehlt es aber an mindestens 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag. Wir werden unsere Lieferungen nach Asien schicken – mit einem Rabatt. Schon jetzt zahlt Asien einen Aufschlag von 3 bis 5 Dollar pro Barrel Öl.”

Zum Thema Öltransporte äußerte sich Gromov auch zu dem wichtigen Thema der Versicherung: “Die Versicherungsprämien sind höher. Vor der Ukraine basierte alles auf dem Free on Board (FOB)-System. Jetzt sagen die Käufer: “Wir wollen nicht das Risiko eingehen, Ihre Ladung in unsere Häfen zu bringen”. Daher wenden sie das CIF-System (Cost, Insurance and Freight) an, bei dem der Verkäufer die Fracht versichern und transportieren muss. Das wirkt sich natürlich auf die Einnahmen aus.”

Eine absolute Schlüsselfrage für Russland ist, wie der Übergang zu China als wichtigstem Gaskunden gelingen kann. Es geht um Power of Siberia 2, eine neue, 2600 km lange Pipeline, die ihren Ursprung in den russischen Gasfeldern Bovanenkovo und Kharasavey in Yamal, im Nordwesten Sibiriens, hat und erst 2024 ihre volle Kapazität erreichen wird. Und zuerst muss die Verbindungsleitung durch die Mongolei gebaut werden – “wir brauchen 3 Jahre für den Bau dieser Pipeline” -, so dass alles erst gegen 2025 fertig sein wird.

“Was die Jamal-Pipeline betrifft, so geht der größte Teil des Gases nach Asien. Wenn die Europäer nicht mehr kaufen, können wir umlenken.” Und dann ist da noch das Projekt Arctic LNG 2 – das noch größer ist als Yamal: “Die erste Phase sollte bald fertig sein, sie ist zu 80 Prozent fertig.” Ein zusätzliches Problem könnten die gegenüber Russland “unfreundlichen” Länder in Asien darstellen: Japan und Südkorea. Die in Russland produzierte LNG-Infrastruktur hängt immer noch von ausländischen Technologien ab.

Das veranlasst Gromov zu der Feststellung, dass “das Modell der mobilisierungsbasierten Wirtschaft nicht so gut ist”. Aber das ist es, womit Russland zumindest kurz- bis mittelfristig zurechtkommen muss.

Positiv ist, dass das neue Paradigma “mehr Zusammenarbeit innerhalb der BRICS (die aufstrebenden Volkswirtschaften Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas, die sich seit 2009 jährlich treffen)”, den Ausbau des Internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridors (INSTC) und mehr Interaktion und Integration mit “Pakistan, Indien, Afghanistan und dem Iran” ermöglichen wird.

Lediglich im Hinblick auf den Iran und Russland sind Tauschgeschäfte im Kaspischen Meer bereits in Arbeit, da der Iran mehr produziert, als er benötigt, und die Zusammenarbeit mit Russland im Rahmen ihrer verstärkten strategischen Partnerschaft ausbauen will.

Hyperschall-Geo-Ökonomie

Es war die Aufgabe des chinesischen Energieexperten Fu Chengyu, kurz und bündig zu erklären, warum das Bestreben der EU, russisches Gas durch amerikanisches Flüssiggas zu ersetzen, ein Hirngespinst ist. Im Wesentlichen ist das US-Angebot “zu begrenzt und zu kostspielig”.

Fu Chengyu zeigte, warum es ein langwieriger, komplizierter Prozess ist, der von vier Verträgen abhängt: zwischen dem Gasentwickler und dem LNG-Unternehmen, zwischen dem LNG-Unternehmen und dem Käuferunternehmen, zwischen dem LNG-Käufer und dem Frachtunternehmen (das die Schiffe baut) und zwischen dem Käufer und dem Endverbraucher.

“Jeder Vertrag”, betonte er, “braucht eine lange Zeit bis zur Fertigstellung. Ohne all diese unterzeichneten Verträge wird keine Partei investieren – weder in die Infrastruktur noch in die Erschließung von Gasfeldern. Die tatsächliche Lieferung von amerikanischem LNG nach Europa setzt also voraus, dass alle diese miteinander verbundenen Ressourcen verfügbar sind – und wie ein Uhrwerk funktionieren.”

Das Urteil von Fu Chengyu ist eindeutig: Die Besessenheit der EU, das russische Gas loszuwerden, wird “Auswirkungen auf das globale Wirtschaftswachstum und eine Rezession nach sich ziehen. Sie bedrängen ihr eigenes Volk – und die Welt. Im Energiesektor werden wir alle geschädigt werden”.

Es war recht aufschlussreich, die bevorstehenden geoökonomischen Turbulenzen – die Besessenheit der EU, russisches Gas zu umgehen, und das Aufkommen des Rublegases – den wahren Gründen für die Operation Z in der Ukraine gegenüberzustellen, die von den westlichen Medien und Analysten völlig verschwiegen werden.

Ein alter Profi des US-Deep-State, der inzwischen im Ruhestand ist und mit den inneren Abläufen der alten OSS, dem Vorläufer der CIA, bis hin zum heutigen Neocon-Wahn bestens vertraut ist, lieferte einige ernüchternde Erkenntnisse:

“Bei der ganzen Ukraine-Frage geht es um Hyperschallraketen, die Moskau in weniger als vier Minuten erreichen können. Die USA wollen sie dort, in Polen, Rumänien, den baltischen Staaten, Schweden und Finnland. Dies ist ein direkter Verstoß gegen die Vereinbarungen von 1991, dass die NATO nicht nach Osteuropa expandieren wird. Die USA verfügen derzeit noch nicht über Hyperschallraketen, werden dies aber in ein oder zwei Jahren tun. Dies ist eine existenzielle Bedrohung für Russland. Also mussten sie in die Ukraine gehen, um das zu verhindern. Als nächstes werden Polen und Rumänien an der Reihe sein, wo Trägersysteme in Rumänien installiert worden sind und in Polen noch installiert werden.”

Aus einer völlig anderen geopolitischen Perspektive ist es sehr aufschlussreich, dass sich seine Analyse mit den geoökonomischen Überlegungen von Zoltan Poszar deckt: “Die USA und die NATO sind äußerst kriegslüstern. Dies stellt eine echte Gefahr für Russland dar. Die Vorstellung, dass ein Atomkrieg undenkbar ist, ist ein Mythos. Wenn man die Brandbomben auf Tokio mit  Hiroshima und Nagasaki vergleicht, starben in Tokio mehr Menschen als in Hiroshima und Nagasaki. Diese Städte wurden wiederaufgebaut. Die Strahlung verschwindet und das Leben kann wieder beginnen. Der Unterschied zwischen Brandbomben und Atombomben ist nur die Effizienz. Die Provokationen der NATO sind so extrem, dass Russland seine Atomraketen in Alarmbereitschaft versetzen musste. Dies ist eine sehr ernste Angelegenheit. Aber die USA haben es ignoriert.”

Ende der Übersetzung

Siehe dazu unter anderem auch meine Blogbeiträge:

 




Ukrainekrieg, Energie und neue Weltordnung

Gail Tverberg hat auf ihrem Blog Ourfiniteworld.com am 2. März 2022 einen sehr bemerkenswerten Artikel zu den energie- und wirtschaftspolitischen Hintergründen des Ukrainekrieges veröffentlicht, den ich hier übersetzt habe.

Titel und Link des Originals: Russia’s attack on Ukraine represents a demand for a new world order

Sehr interessant sind auch die Kommentare zu diesem Artikel.

Im Anschluß an die Übersetzung füge ich eine Liste mit Artikel auf Freizahn.de und LimitsToGrowth.de an, die zu dem Artikel von Gail Tverberg passen.

Beginn der Übersetzung:

Russlands Angriff auf die Ukraine ist eine Forderung nach einer neuen Weltordnung

Geschrieben am 2. März 2022 von Gail Tverberg

Russlands Angriff auf die Ukraine steht für die Forderung nach einer neuen Weltordnung, die langfristig höhere Preise für fossile Brennstoffe, insbesondere für Öl, zur Folge haben wird. Eine solche Wirtschaft würde sich wahrscheinlich auf Russland und China konzentrieren. Die übrige Weltwirtschaft, soweit sie weiterhin Bestand haben wird, wird weitgehend ohne fossile Brennstoffe auskommen müssen, abgesehen von den fossilen Brennstoffen, die die Länder weiterhin für sich selbst produzieren. Die Bevölkerung und der Lebensstandard werden in den meisten Teilen der Welt sinken.

Wenn sich eine auf Russland und China zentrierte Wirtschaft entwickeln kann, wird der US-Dollar nicht mehr die Weltreservewährung sein. Der Handel wird in der Währung des neuen Russland-China-Blocks abgewickelt. Außerhalb dieses Blocks werden die lokalen Währungen eine dominierende Rolle spielen. Die meisten der heutigen Schulden werden letztendlich nicht mehr bedient werden können; soweit diese Schulden ersetzt werden, werden sie durch Schulden in lokalen Währungen ersetzt werden.

Meiner Meinung nach besteht das eigentliche Problem darin, dass der Pro-Kopf-Energieverbrauch weltweit zurückgeht. Der Energieverbrauch ist für die Herstellung von Waren und Dienstleistungen unerlässlich.

Abbildung 1. Für die Umwandlung von Rohstoffen (d. h. Ressourcen) in Fertigerzeugnisse wird Energie in unterschiedlicher Form eingesetzt.

Das Schrumpfen der pro Person zur Verfügung stehenden Energiemenge bedeutet, dass im Durchschnitt immer weniger Fertigwaren und Dienstleistungen für jede Person produziert werden können. Einige Länder schneiden besser als der Durchschnitt ab, andere wiederum schlechter. Mit den niedrigen Preisen für fossile Brennstoffe hat Russland überdurchschnittlich schlecht abgeschnitten; es will die Situation mit langfristig höheren Energiepreisen verbessern. Wenn Russland damit beginnen kann, seine Energieexporte nach China zu verlagern, kann es sich die neue russisch-chinesische Wirtschaft mit begrenzter Unterstützung durch den Rest der Welt vielleicht leisten, Russland die hohen Preise für fossile Brennstoffe zu zahlen, die Russland zur Aufrechterhaltung seiner Wirtschaft benötigt.

In diesem Beitrag werde ich versuchen zu erklären, was meiner Meinung nach geschieht.

[1] Es hat den Anschein, dass Russland nun befürchtet, kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen, der sich nicht allzu sehr vom Zusammenbruch der Zentralregierung der Sowjetunion im Jahr 1991 unterscheidet. Ein solcher Zusammenbruch würde zu einem enormen Rückgang des Lebensstandards in Russland führen, selbst gegenüber dem heutigen relativ niedrigen Niveau.

Ein Blick zurück auf den Energieverbrauch der Sowjetunion zeigt ein seltsames Muster. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Energieverbrauch der Sowjetunion rapide an. Das Land wurde zu einem militärischen Konkurrenten der USA, während sein Energieverbrauch in der Zeit von 1965 bis 1985 anstieg. Vor dem Zusammenbruch der Zentralregierung im Jahr 1991 stagnierte der Energieverbrauch. In der Tat hat der Energieverbrauch nie wieder das Niveau der späten 1980er Jahre erreicht.

Abbildung 2. Energieverbrauch der ehemaligen Sowjetunion (FSU, eng. Former Soviet Union) nach Brennstoffen, basierend auf Daten des Statistical Review of World Energy 2018 von BP.

[2] Der Grund für den Zusammenbruch von 1991 scheint derselbe zu sein, der auch hinter der derzeitigen Angst Russlands vor einem Zusammenbruch steht: die anhaltend niedrigen Ölpreise.

Ein Blick zurück auf die inflationsbereinigten Ölpreise zeigt, dass diesem Einbruch eine lange Phase niedriger Preise vorausging. Diese niedrigen Preise waren in vielerlei Hinsicht schädlich. Sie reduzierten die Mittel für Reinvestitionen, was zum Zusammenbruch der Ölversorgung führte. Sie verringerten die für die Lohnzahlung verfügbaren Mittel. Sie verringerten auch die Steuereinnahmen, die die Sowjetunion erzielen konnte.

Abbildung 3. Ölproduktion und -preis der ehemaligen Sowjetunion (FSU), basierend auf dem Statistical Review of World Energy 2015 von BP.

Ich glaube, dass diese chronisch niedrigen Ölpreise letztlich die oberste Schicht der Regierung der Sowjetunion zu Fall brachten. Das liegt an der Physik der Situation. Es braucht Energie, um die Dienstleistungen der obersten Regierungsebene zu erbringen. Da die Gesamtenergiemenge, die durch das System erworben werden konnte, aufgrund der niedrigen Exportpreise sank, wurde es unmöglich, dieses hohe Niveau an staatlichen Dienstleistungen zu unterstützen. Diese oberste Ebene war weniger wichtig als die unteren Regierungsebenen und fiel daher weg.

In jüngster Zeit gab es auch eine lange Phase niedriger Preise, etwa seit 2013:

Abbildung 4. Inflationsbereinigte Brent-Ölpreise in 2020$, basierend auf Daten der US Energy Information Administration.

Wenn es nicht gelingt, dieses Muster niedriger Preise schnell umzukehren, könnte Russland als politische Einheit zusammenbrechen. Die Exporte aller Waren, die es jetzt produziert, würden wahrscheinlich zurückgehen.

[3] Während die Ölpreise von “Angebot und Nachfrage” abhängen, ist die Nachfrage in der Praxis stark von den Zinssätzen und der Verschuldung abhängig. Je höher der Verschuldungsgrad und je niedriger der Zinssatz, desto höher kann der Ölpreis steigen.

Ein Blick auf Abbildung 4 zeigt, dass die inflationsbereinigten Ölpreise vor dem Platzen der US-Subprime-Immobilienblase im Jahr 2008 auf 157 US-Dollar pro Barrel steigen konnten, angepasst an das Preisniveau von 2020. Als die Schuldenblase platzte  fielen die inflationsbereinigten Ölpreise auf 49 Dollar pro Barrel. An diesem Tiefpunkt (und entsprechend niedrigen Preisen für viele andere Rohstoffe) begannen die USA ihr Programm der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE), um die Zinssätze zu senken.

Nach zwei Jahren QE lagen die Ölpreise inflationsbereinigt wieder über 140 Dollar pro Barrel, begannen aber bald wieder zu fallen. Als die Ölpreise auf 120 Dollar pro Barrel fielen, begannen die Ölgesellschaften zu klagen, dass die Preise zu niedrig seien, um alle ihre Bedürfnisse zu befriedigen, einschließlich der Notwendigkeit, in immer weniger produktiven Gebieten zu bohren. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Zinssätze so niedrig sind, wie sie nur sein können. Die kurzfristigen Zinssätze liegen nahe Null, was dem Stand der späten 1930er Jahre entspricht.

Abbildung 5. 3-Monats- und 10-Jahres-Zinssätze der US-Staatsanleihen bis zum 28. Februar 2022. Grafik von FRED der St. Louis Federal Reserve.

Auch die Höhe der Guthaben auf den Giro- und Sparkonten der Bürger ist außerordentlich hoch. Dies ist zum Teil auf die Verfügbarkeit von Schulden zu diesen niedrigen Zinssätzen zurückzuführen.

Abbildung 6. M2 Reale (inflationsbereinigte) Geldmenge in der Grafik von FRED der St. Louis Federal Reserve.

So wurden die Ölpreise schon vor dem Einmarsch in der Ukraine durch niedrige Zinsen und eine großzügige Verschuldung so weit wie möglich in die Höhe getrieben. Mit all diesen Impulsen lagen die Brent-Spot-Ölpreise im Januar 2022 bei durchschnittlich 86,51 $. Selbst jetzt, wo der russische Angriff auf die Ukraine für Unruhe sorgt, liegen die Ölpreise unter der 120-Dollar-Schwelle, die die Erzeuger anscheinend brauchen. Dieses Preisthema, zusammen mit den entsprechenden Niedrigpreisen für Erdgas und Kohle, ist das Problem, das Russland beschäftigt.

Die Preise für Importkohle und Erdgas sind in den letzten Monaten sehr stark angestiegen, aber niemand erwartet, dass diese hohen Preise von Dauer sind. Zum einen sind sie zu hoch, damit die europäischen Hersteller, die importierte Kohle oder Erdgas verwenden, im Geschäft bleiben können. Hersteller, die Stickstoffdünger mit Erdgas herstellen, stellen beispielsweise fest, dass der Preis für den so hergestellten Dünger für die Landwirte viel zu hoch ist. Zum anderen ist der Strom, der durch die Verbrennung von hochpreisigem Erdgas oder Kohle erzeugt wird, für die europäischen Haushalte in der Regel zu teuer.

[4] Das Grundproblem, das sich hinter den niedrigen Ölpreisen der letzten Zeit verbirgt, ist die Tatsache, dass sich die Verbraucher die Waren und Dienstleistungen nicht leisten können, die mit den hohen Ölpreisen produziert werden, die Produzenten wie Russland benötigen, um die Förderung aufrechtzuerhalten, um ausreichend hohe Löhne zu zahlen und um angemessene Reinvestitionen zu tätigen.

Als der Ölpreis vor 1970 sehr niedrig war (siehe Abbildung 3), war es für die Verbraucher relativ einfach, sich mit Öl hergestellte Waren und Dienstleistungen zu leisten. Zu dieser Zeit wuchs die Weltwirtschaft rasch, und viele Menschen konnten sich den Kauf von Autos und die für deren Betrieb erforderlichen Erdölprodukte leisten.

Als die Kosten für die Ölförderung aufgrund der zunehmenden Erschöpfung zu steigen begannen, wurde es immer schwieriger, die Preise zu halten:

  1. Hoch genug für die Ölproduzenten, wie z.B. Russland, und
  2. niedrig genug, um den Verbrauchern erschwingliche Waren anzubieten, wie es vor 1970 möglich war.

Um das zunehmend schwierige Problem zu verbergen, die Preise sowohl hoch genug für die Produzenten als auch niedrig genug für die Verbraucher zu halten, haben die Zentralbanken die Zinssätze gesenkt und die Verwendung von mehr Schulden gefördert. Der Gedanke dahinter ist, dass der Kauf eines verbrauchsarmen Fahrzeugs zu einem ausreichend niedrigen Zinssatz und mit einer ausreichend langen Laufzeit das Fahrzeug erschwinglicher machen könnte. Auch die Zinssätze für Hypothekenkredite sind auf ein sehr niedriges Niveau gesunken. All dies und die Tatsache, dass Schulden zur Finanzierung neuer Fabriken und Bergwerke verwendet werden, führt zu der in Abbildung 4 dargestellten Beziehung zwischen den Ölpreisen und der Verfügbarkeit von Schulden in Verbindung mit den Zinssätzen.

[5] Niemand weiß genau, wie viel Erdöl, Kohle und Erdgas gefördert werden können, denn die Menge, die gefördert werden kann, hängt davon ab, wie hoch der Preisanstieg sein darf, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen.

Wenn die Preise für diese fossilen Brennstoffe sehr hoch ansteigen können (z. B. 300 Dollar pro Barrel Öl und entsprechend hohe Preise für andere fossile Brennstoffe), können riesige Mengen fossiler Brennstoffe gefördert werden. Umgekehrt, wenn sich die Energiepreise nicht sehr lange über dem Gegenwert von 80 Dollar pro Barrel Öl halten können, ohne dass es zu einer ernsthaften Rezession kommt, dann sind wir vielleicht schon sehr nahe am Ende der Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen. Es ist zu erwarten, dass sowohl die Öl- und Gasproduzenten als auch die Kohleproduzenten ihr Geschäft aufgeben werden, weil die Preise keinen ausreichenden Spielraum für die erforderlichen Investitionen in neue Felder lassen, um die Erschöpfung der bestehenden Felder auszugleichen. Auch die erneuerbaren Energien werden ins Stocken geraten, denn sowohl für den Bau als auch für die Wartung der erneuerbaren Energien werden fossile Brennstoffe benötigt.

Die Menge an Ressourcen jeglicher Art (fossile Brennstoffe und Mineralien wie Lithium, Uran, Kupfer und Zink), die abgebaut werden kann, hängt davon ab, wie viel Erschöpfung die Wirtschaft verkraften kann. Die Erschöpfung jeder Ressource bedeutet, dass ein größerer Aufwand (mehr Arbeitskräfte, mehr Maschinen, mehr Energieprodukte) erforderlich ist, um eine bestimmte Menge der jeweiligen Ressource zu gewinnen. Es liegt auf der Hand, dass nicht die gesamte Wirtschaft auf die Gewinnung von fossilen Brennstoffen und Bodenschätzen umgestellt werden kann. So werden beispielsweise einige Arbeitskräfte und Ressourcen für den Anbau und den Transport von Lebensmitteln benötigt. Dies setzt eine Grenze dafür, wie viel Erschöpfung toleriert werden kann.

Was Russland (wie auch alle anderen Ölproduzenten) gerne hätte, ist eine Möglichkeit, den erträglichen Ölpreis deutlich nach oben zu treiben, zum Beispiel auf 150 Dollar pro Barrel, damit mehr Öl gefördert werden kann. Es besteht die Hoffnung, dass eine auf Russland und China ausgerichtete Wirtschaft dazu in der Lage sein könnte. Im Idealfall würde auch der tolerierbare Höchstpreis für Kohle und Erdgas steigen.

[6] Vor allem Europa kann sich hohe Ölpreise nicht leisten. Eine baldige Erhöhung der Zinssätze wird das Problem noch verschärfen. China scheint als Wirtschaftspartner eindeutige Vorteile zu haben.

Europa hat bereits Schwierigkeiten, sehr hohe Preise für importiertes Erdgas und Kohle zu verkraften. Steigende Ölpreise werden den Druck noch verstärken. Die Zentralbanken planen eine Anhebung der Zinssätze. Diese höheren Zinssätze verteuern die Kreditrückzahlungen. Diese höheren Zinssätze werden die europäische Wirtschaft tendenziell weiter in die Rezession treiben.

Angesichts der Probleme mit Europa als Energieimporteur scheint China ein besserer Kunde zu sein, der vielleicht höhere Preise tolerieren kann. Zum einen ist China bei der Nutzung von Energieprodukten effizienter als Europa. So werden zum Beispiel viele Häuser in der südlichen Hälfte Chinas im Winter nicht beheizt. Stattdessen ziehen sich die Menschen im Winter in ihren Häusern warm an. Außerdem werden Haushalte und Unternehmen in Nordchina manchmal mit Abwärme aus nahe gelegenen Kohlekraftwerken beheizt. Dies ist ein sehr effizienter Ansatz zum Heizen.

China verwendet in seinem Energiemix auch mehr Kohle als Europa. In der Vergangenheit war Kohle viel preiswerter als Öl. Was wir brauchen, ist ein niedriger Durchschnittspreis für Energie. In einer Wirtschaft, deren Energiemix überwiegend aus Kohle besteht, kann eine geringe Menge an hochpreisigem Öl toleriert werden. Wenn man alle Kosten zusammenrechnet, sind Wind- und Solarenergie sehr teure Energiequellen, was zu den Problemen Europas beiträgt.

In den letzten Jahren ist der Verbrauch von Energieprodukten in China sehr schnell gestiegen. Vielleicht kann China nach Ansicht Russlands die hochpreisigen fossilen Brennstoffe besser nutzen als andere Teile der Welt.

Abbildung 7. Pro-Kopf-Energieverbrauch für die Welt, den asiatisch-pazifischen Raum und China auf der Grundlage von Daten aus dem Statistical Review of World Energy 2021 von BP.

[7] Russland hat erkannt, dass der Rest der Welt völlig abhängig von seinen Exporten fossiler Brennstoffe ist. Aufgrund dieser Abhängigkeit sowie der physikalisch begründeten Verbindung zwischen der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Herstellung von Fertigwaren und Dienstleistungen hat Russland großen Einfluss auf die Weltwirtschaft.

Die Weltwirtschaft hätte seit einer Rede von Konteradmiral Hyman Rickover im Jahr 1957 über die Bedeutung fossiler Brennstoffe und über die Wahrscheinlichkeit von deren Erschöpfung in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts, informiert sein müssen. In seiner Rede sagte Rickover,

Wir leben in einer Zeit, die Historiker eines Tages als das Zeitalter der fossilen Brennstoffe bezeichnen werden. Ein hoher Energieverbrauch geht mit einem hohen Lebensstandard einher. . . Eine Verringerung des Pro-Kopf-Energieverbrauchs hat in der Vergangenheit immer zu einem Rückgang der Zivilisation und einem Rückfall in eine primitivere Lebensweise geführt.

Die aktuellen Schätzungen der Reserven fossiler Brennstoffe variieren in erstaunlichem Maße.  Dies liegt zum Teil daran, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen, wenn die Kosten für die Gewinnung außer Acht gelassen werden oder wenn bei der Berechnung, wie lange die Reserven noch reichen, das Bevölkerungswachstum nicht berücksichtigt wird; oder, was ebenso wichtig ist, der erhöhte Brennstoffverbrauch, der für die Verarbeitung von minderwertigen Erzen oder Ersatzmetallen erforderlich ist, wird nicht genügend berücksichtigt. Wir nähern uns rasch dem Zeitpunkt, an dem die besseren Metalle erschöpft sein werden und wir gezwungen sein werden, auf minderwertige Erze auszuweichen, die in den meisten Fällen einen höheren Energieaufwand pro Metalleinheit erfordern.

…. Wir nähern uns rasch dem Zeitpunkt, an dem die besseren Erzlagerstätten erschöpft sein werden und wir gezwungen sein werden, auf minderwertige Erze auszuweichen, die in den meisten Fällen einen höheren Energieaufwand pro Metalleinheit erfordern.

Ich schlage vor, dass dies ein guter Zeitpunkt ist, um nüchtern über unsere Verantwortung gegenüber unseren Nachkommen nachzudenken – denjenigen, die das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ausklingen lassen werden. Unsere größte Verantwortung als Eltern und als Bürger besteht darin, Amerikas Jugendlichen die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen [einschließlich der Energieproblematik in einer Welt mit endlichen Ressourcen].

Viele Menschen würden heute zu dem Schluss kommen, dass die führenden Politiker der Welt ihr Bestes getan haben, um diesen Rat zu ignorieren. Das wahrscheinliche Problem mit den fossilen Brennstoffen wurde hinter der phantasievollen, aber falschen Darstellung versteckt, dass unser größtes Problem der Klimawandel ist, der in erster Linie durch die Förderung fossiler Brennstoffe verursacht wird und voraussichtlich bis mindestens 2100 andauern wird, wenn keine positiven Schritte unternommen werden, um diese Förderung einzudämmen.

Nach dieser falschen Darstellung braucht die Welt nur auf Wind- und Sonnenenergie umzusteigen, um ihren Energiebedarf zu decken. Wie ich in meinem jüngsten Beitrag mit dem Titel Limits to Green Energy Are Becoming Much Clearer (dt.: Die Grenzen der grünen Energie werden immer deutlicher) dargelegt habe, ist diese Erfolgsgeschichte völlig falsch. Stattdessen scheinen wir aufgrund der chronisch niedrigen Preise in naher Zukunft an die Grenzen der Verfügbarkeit von Energie zu stoßen. Wind- und Sonnenenergie tragen nur wenig dazu bei, weil man sich nicht auf sie verlassen kann, wenn sie gebraucht werden. Außerdem sind die verfügbaren Mengen an Wind- und Sonnenenergie viel zu gering, um fossile Brennstoffe zu ersetzen.

Nur wenigen Menschen in Amerika und Europa ist bewusst, dass die Weltwirtschaft vollständig von Russlands Exporten von Öl, Kohle und Erdgas abhängig ist. Diese Abhängigkeit lässt sich in vielerlei Hinsicht erkennen. Im Jahr 2020 kamen beispielsweise 41 % der weltweiten Erdgasexporte aus Russland. Erdgas ist für den Ausgleich von Strom aus Wind- und Sonnenenergie besonders wichtig.

Nordamerika hat in der Vergangenheit nur eine sehr geringe Rolle bei den Erdgasexporten gespielt; es ist fraglich, ob Nordamerika seine gesamte Erdgasproduktion in Zukunft steigern kann, da es bei der Förderung von Erdöl und dem damit verbundenen Erdgas aus Schieferformationen zu Erschöpfungsproblemen kommt. Kontinuierlich hohe Ölpreise sind notwendig, um eine Ausweitung der Produktion außerhalb der Sweet Spots zu rechtfertigen. Wenn die Bohrunternehmen die langfristigen Aussichten für die Ölpreise als zu niedrig einschätzen, wird das damit verbundene Erdgas nicht gefördert werden.

Abbildung 8. Erdgasexporte nach Teilen der Welt, wobei nur Exporte außerhalb einer bestimmten Region berücksichtigt werden. Auf der Grundlage von Daten aus dem Statistical Review of World Energy 2021 von BP.

Europa ist besonders stark von Erdgasimporten abhängig (Abbildung 9). Seine Erdgaseinfuhren übersteigen die Ausfuhren Russlands und der ihm angeschlossenen Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (in den Abbildungen 8 und 9 als Russia+ bezeichnet).

Abbildung 9. Erdgaseinfuhren nach Teilen der Welt, wobei nur Ausfuhren außerhalb einer bestimmten Region berücksichtigt werden. Auf der Grundlage von Daten aus dem Statistical Review of World Energy 2021 von BP.

Ohne die Erdgasexporte Russlands und der mit ihm eng verbundenen Länder gibt es keine Möglichkeit, den Rest der Welt mit ausreichenden Erdgasexporten zu versorgen.

Dieselkraftstoff, der durch die Raffination von Erdöl gewonnen wird, ist ein weiteres Energieprodukt, das vor allem in Europa sehr knapp ist. Dieselkraftstoff wird für den Antrieb von Lastkraftwagen und landwirtschaftlichen Traktoren sowie für viele europäische Autos verwendet. Einem Bericht von Argus Media zufolge entfallen auf russische Lieferungen 50 bis 60 % der europäischen Seeimporte von Diesel und anderem Gasöl, d. h. 4 bis 6 Millionen Tonnen Kraftstoff pro Monat. Es wäre wahrscheinlich unmöglich, diese Importe durch Lieferungen aus anderen Ländern zu ersetzen, ohne die Preise für diese importierten Brennstoffe auf ein viel höheres Niveau als heute zu treiben. Selbst dann würden die außereuropäischen Länder mit einer unzureichenden Dieselversorgung dastehen.

[8] Der Angriff Russlands auf die Ukraine scheint aus vielen Gründen erfolgt zu sein.

Russland war eindeutig frustriert über die derzeitige Situation, da die NATO in der Ukraine selbst (Anm. Übers.: um Objektivität bemühte deutschsprachige Quellen insbesondere auch auf anti-spiegel.ru)  immer stärker auftritt, obwohl die Ukraine selbst kein NATO-Mitglied ist. Russland ist sich auch bewusst, dass es in gewissem Sinne weit mehr Macht über die Weltwirtschaft hat, als den meisten Menschen bewusst ist, da die Weltwirtschaft vollständig von Russlands Exporten fossiler Brennstoffe abhängig ist (Abschnitt 7). Sanktionen gegen Russland werden wahrscheinlich den Ländern, die sie verhängen, genauso viel oder mehr schaden als Russland.

Es gab auch einige spezifisch ukrainische Bedenken, die zu dem Angriff auf die Ukraine führten. Es gab seit langem Konflikte über Erdgaspipelines. Hat die Ukraine zu viel Erdgas als Transitgebühr entnommen? Hat sie die korrekte Gebühr für das verbrauchte Erdgas bezahlt? Auch scheint die Ukraine im Laufe der Jahre einige russischsprachige Ukrainer schlecht behandelt zu haben.

Russland ist zunehmend frustriert über den geringen Anteil an der weltweiten Produktion von Waren und Dienstleistungen, den es erhält. So wie das Wirtschaftssystem heute funktioniert, scheinen diejenigen, die “Dienstleistungen” erbringen, einen unverhältnismäßig hohen Anteil an der weltweiten Produktion von Waren und Dienstleistungen zu erhalten. Für den großen Reichtum, den Russland mit seinem Abbau von Mineralien aller Art, einschließlich fossiler Brennstoffe, für die ganze Welt erbringt, hat es keinen angemessenen Ausgleich erhalten.

Im Laufe der Jahre war Russlands große Stärke sein Militär. Vielleicht wäre die Ukraine kein zu großes Land, um es zu bekämpfen. Russland könnte in der Lage sein, einige seiner Irritationen bezüglich der Ukraine zu eliminieren. Gleichzeitig könnte sie Änderungen vornehmen, die dazu beitragen würden, die chronisch niedrigen Preise für fossile Brennstoffe zu erhöhen. Die Sanktionen, die andere Länder verhängen würden, würden die erforderlichen Änderungen tendenziell schneller vorantreiben.

Wenn die Sanktionen Russland wirklich zu Fall bringen, würde das Ergebnis die gesamte Weltwirtschaft in den Zusammenbruch treiben, da der Rest der Welt extrem von Russlands Exporten fossiler Brennstoffe abhängig ist. In Abbildung 1 besagen die Gesetze der Physik, dass es eine proportionale Reaktion auf die Menge an “abgeführter” Energie gibt; wenn ein größerer Output an Gütern und Dienstleistungen gewünscht wird, ist ein höherer Energieeinsatz erforderlich. Effizienzsteigerungen können in gewissem Maße helfen, aber die Einsparungen werden in der Regel durch den höheren Energiebedarf des komplexeren Systems, das zur Erzielung dieser Einsparungen erforderlich ist, wieder ausgeglichen.

Wenn die Energiepreise nicht hoch genug steigen, werden wir irgendwie mit sehr wenig oder sogar ohne fossile Brennstoffe auskommen müssen. Es ist zweifelhaft, dass die erneuerbaren Energien sehr lange halten werden, da sie für ihre Wartung und Reparatur auf fossile Brennstoffe angewiesen sind.

[9] Wenn höhere Energiepreise nicht erreicht werden können, besteht eine große Chance, dass sich die Weltordnung in Richtung eines Zusammenbruchs der Weltwirtschaft verändert.

Wir leben heute in einer Welt, in der die Energieressourcen pro Kopf der Bevölkerung abnehmen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass wir die Grenzen der fossilen Brennstoffe und anderer Mineralien, die wir fördern können, erreichen, es sei denn, wir finden einen Weg, die Wirtschaft dazu zu bringen, höhere Preise zu tolerieren.

Die Gefahr, auf die wir zusteuern, besteht darin, dass die obersten Ebenen der Regierungen überall auf der Welt entweder zusammenbrechen oder von ihren unzufriedenen Bürgern gestürzt werden. Die geringeren verfügbaren Energiemengen werden die Regierungen in diese Richtung drängen. Gleichzeitig werden Programme wie die staatlich finanzierten Renten- und Arbeitslosenversicherungen verschwinden. Es ist wahrscheinlich, dass die Stromversorgung unregelmäßig wird und dann ganz ausfällt. Der internationale Handel wird schrumpfen, die Wirtschaften werden viel lokaler werden.

Wir wurden gewarnt, dass wir jetzt in eine Zeit mit ernsten Energieproblemen kommen würden. Das erste Mal geschah dies in der in Abschnitt 7 besprochenen Rickover-Rede von 1957. Die zweite Warnung stammte aus dem Buch “Die Grenzen des Wachstums” [Link engl. pdf-Datei] von Donella Meadows und anderen aus dem Jahr 1972, in dem ein Computermodell zur Lösung des Problems der Grenzen einer endlichen Welt vorgestellt wurde. Die Invasion in der Ukraine könnte ein Vorstoß in Richtung ernsthafterer Energieprobleme sein, die vor allem dadurch entstehen, dass andere Länder Russland bestrafen wollen. Nur wenige werden erkennen, dass die Bestrafung Russlands ein gefährlicher Weg ist; eine ernsthafte Sorge ist, dass die heutige Wirtschaft ohne Russlands Exporte fossiler Brennstoffe nicht in ihrer jetzigen Form fortbestehen kann.

Ende der Übersetzung

Einige der zu obiger Übersetzung passenden Artikel auf Freizahn.de und LimitsToGrowth.de



2021: Absehbar mehr Probleme

Der folgende Text ist eine eine Übersetzung des Gail Tverbergs am 12. Januar 2021 auf Ourfiniteworld.com veröffentlichten Artikel “2021: More Troubles likely”.  Der Artikel ist eine gute Übersicht über die zu ewartenden Probleme.Link auf den Orginalartikel:  ourfiniteworld.com/2021/01/12/2021-more-troubles-likely/

2021: Mehr Probleme wahrscheinlich

Geschrieben am 12. Januar 2021 von Gail Tverberg

Einleitung

Die meisten Menschen erwarten, dass die Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2021, im Vergleich zu 2020 besser sein wird. Das glaube ich nicht. Vielleicht wird COVID-19 etwas besser sein, aber andere Aspekte der Wirtschaft werden wahrscheinlich schlechter sein.

Bereits im November 2020 habe ich ein Diagramm gezeigt, das den Weg illustriert, auf dem sich der Energieverbrauch zu befinden scheint. Der starke Rückgang des Energieverbrauchs ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Kosten für die Förderung von Öl, Gas und Kohle tendenziell steigen, da der Teil, der am günstigsten zu fördern und zu transportieren ist, in der Regel zuerst abgebaut wird.

Gleichzeitig steigen die Preise, die die Energieerzeuger ihren Kunden in Rechnung stellen können, nicht genug, um die höheren Kosten auszugleichen. Die Endkunden sind normale Lohnempfänger, und ihre Löhne steigen nicht so schnell wie die Kosten für die Produktion und Lieferung fossiler Brennstoffe. Es ist der niedrige Verkaufspreis der fossilen Brennstoffe im Verhältnis zu den steigenden Produktionskosten, der einen Einbruch der Produktion fossiler Brennstoffe verursacht. Das ist die Krise, mit der wir jetzt konfrontiert werden.

Abbildung 1. Schätzung des Weltenergieverbrauchs von 1820 bis 2050 durch Gail Tverberg. Die Beträge für die früheren Jahre basieren auf Schätzungen in Vaclav Smils Buch Energy Transitions: History, Requirements and Prospects und dem 2020 Statistical Review of World Energy von BP für die Jahre 1965 bis 2019. Der Energieverbrauch für 2020 wird auf 5 % unter dem des Jahres 2019 geschätzt. Für die Jahre nach 2020 wird angenommen, dass die Energiemenge um 6,6 % pro Jahr sinkt, so dass sie bis 2050 ein Niveau erreicht, dass sie nur noch derjenigen der erneuerbaren Energien entspricht. Die ausgewiesenen Beträge beinhalten einen höheren Einsatz lokaler Energieprodukte (Holz und Tierdung) als von BP angegeben. Quelle des engl.Orginals: https://ourfiniteworld.com/2021/01/12/2021-more-troubles-likely/

Bei geringerem Energieverbrauch läuft vieles auf einmal schief: Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Proteste und Aufstände werden immer häufiger. Die ärmeren Bürger und diejenigen, die bereits einen schlechten Gesundheitszustand haben, werden anfälliger für übertragbare Krankheiten. Die Regierungen haben das Bedürfnis, ihre Bevölkerung zu kontrollieren, teils um Proteste einzudämmen, teils um die weitere Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.

Betrachtet man die in Abbildung 1 dargestellte Situation auf Pro-Kopf-Basis, so sieht die Kurve nicht ganz so steil aus, da ein geringerer Energieverbrauch tendenziell zu einem Rückgang der Bevölkerung führt. Dieser Bevölkerungsrückgang kann viele verschiedene Ursachen haben, darunter Krankheiten, weniger geborene Kinder, weniger Zugang zu medizinischer Versorgung, unzureichend sauberes Wasser und Hunger.

Abbildung 2. Die Zahlen in Abbildung 1 basieren auf den von Angus Maddison für die ersten Jahre geschätzten Bevölkerungszahlen und den von der UNO 2019 geschätzten Bevölkerungszahlen für die Jahre bis 2020. Die künftige Bevölkerung nimmt schätzungsweise halb so schnell ab wie das Energieangebot (Abbildung 1). Die Weltbevölkerung sinkt bis 2050 auf 2,8 Milliarden. Quelle des engl. Orginals: https://ourfiniteworld.com/2021/01/12/2021-more-troubles-likely/

Was steht 2021 an?

In vielerlei Hinsicht ist es gut, dass wir nicht wirklich wissen, was 2021 auf uns zukommt. Alle Aspekte der Produktion des Bruttosozialproduktes erfordern einen Energieverbrauch. Ein enormer Rückgang des Energieverbrauchs wird wahrscheinlich noch viele Jahre lang Störungen unterschiedlicher Art in der Weltwirtschaft bedeuten. Wenn die zu erwartende Entwicklung wahrscheinlich schlecht sein wird, dann wollen viele von uns nicht wirklich wissen, wie schlecht.

Wir wissen, dass viele Zivilisationen das gleiche Problem hatten, das die Welt heute hat. Es wird meist als “Kollaps” oder ” Überschießen und Zusammenbruch” bezeichnet. Das Problem ist, dass die Bevölkerung zu groß für die Ressourcenbasis wird. Gleichzeitig können sich die verfügbaren Ressourcen verschlechtern (Böden erodieren oder verlieren ihre Fruchtbarkeit, Bodenschätze werden weniger), fossile Brennstoffe werden schwieriger zu fördern. Schließlich wird die Wirtschaft so geschwächt, dass jede noch so kleine Störung – ein Angriff einer Armee von außen, eine Veränderung des Wetters oder eine übertragbare Krankheit, die die Sterblichkeitsrate ein wenig erhöht – das ganze System zu Fall zu bringen droht.  Ich sehe unser derzeitiges wirtschaftliches Problem viel mehr als ein Energieproblem denn als ein COVID-19-Problem.

Wir wissen, dass, wenn frühere Zivilisationen zusammenbrachen, der Untergang in der Regel nicht auf einmal geschah. Basierend auf einer Analyse von Peter Turchin und Sergey Nefedov in ihrem Buch “Secular Cycles” (Säkulare Zyklen) neigten Volkswirtschaften dazu, zunächst eine Periode der Stagflation zu durchlaufen, vielleicht 40 oder 50 Jahre lang. In gewisser Weise befindet sich die heutige Wirtschaft seit den 1970er Jahren in einer Stagflation, als sich abzeichnete, dass die Ölförderung schwieriger wurde. Um das Problem zu verbergen, wurden immer mehr Schulden zu immer niedrigeren Zinssätzen aufgenommen.

Nach Turchin und Nefedov geht die Stagflationsphase schließlich in eine steilere “Krisen”-Phase über, die durch gestürzte Regierungen, Schuldenausfälle und einen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet ist. In den von Turchin und Nefedov analysierten Beispielen dauerte dieser Krisenteil des Zyklus 20 bis 50 Jahre. Mir scheint, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2020 den Beginn der Krisenphase erreicht hat, als die Abschottung als Reaktion auf den neuartigen Coronavirus die geschwächte Weltwirtschaft weiter nach unten drückte.

Die von Turchin und Nefedov untersuchten Beispiele fielen in die Zeit, als die Nutzung fossiler Brennstoffe noch nicht weit verbreitet war. Es kann sehr gut sein, dass der aktuelle Zusammenbruch aufgrund der Abhängigkeit von internationalen Versorgungslinien und einem internationalen Bankensystem schneller erfolgt als die Zusammenbrüche in der Vergangenheit. Die Weltwirtschaft ist auch sehr abhängig von Elektrizität – etwas, das vielleicht nicht von Dauer ist. Es ist also durchaus möglich, dass die Krisenphase weniger als 20 bis 50 Jahre dauert. Sie wird aber wahrscheinlich nicht nur ein oder zwei Jahre andauern. Es ist zu erwarten, dass die Wirtschaft zusammenbricht, wenn auch nur etwas langsam. Die großen Fragen sind: “Wie langsam?” und “Können einige Teile über Jahre hinweg bestehen, während andere schnell verschwinden?”

Einige Dinge, die im Jahr 2021 (und darüber hinaus) zu erwarten sind.
[1] Weitere gestürzte Regierungen und Versuche, Regierungen zu stürzen.

Mit zunehmender Lohnspreizung gibt es tendenziell immer mehr unzufriedene Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnverteilung. Gleichzeitig wird es wahrscheinlich Menschen geben, die mit der Notwendigkeit hoher Steuern unzufrieden sind, mit denen versucht wird, die Probleme der Menschen am unteren Ende der Lohnverteilung zu lösen. Jede dieser Gruppen kann versuchen, ihre Regierung zu stürzen, wenn der Umgang der Regierung mit aktuellen Problemen nicht nach dem Geschmack der Gruppe ist.

[2] Mehr Zahlungsausfälle.

Während der Stagflation, die die Weltwirtschaft durchlaufen hat, wurden immer mehr Schulden zu immer niedrigeren Zinssätzen aufgenommen. Ein großer Teil dieser enormen Verschuldung bezieht sich auf Immobilien, die nicht mehr von großem Nutzen sind (Flugzeuge ohne Passagiere; Bürogebäude, die nicht mehr benötigt werden, weil die Menschen jetzt zu Hause arbeiten; Restaurants ohne genügend Gäste; Fabriken ohne genügend Aufträge). Die Regierungen werden versuchen, Zahlungsausfälle so lange wie möglich zu vermeiden, aber irgendwann wird die Unzumutbarkeit dieser Situation die Oberhand gewinnen. Es ist zu erwarten, dass die Auswirkungen von Zahlungsausfällen viele Teile der Wirtschaft betreffen werden, darunter Banken, Versicherungen und Pensionspläne.

[3] Außerordentlich langsamer Fortschritt beim Besiegen von COVID-19.

Es scheint eine große Wahrscheinlichkeit zu bestehen, dass COVID-19 im Labor hergestellt wurde. In der Tat können die vielen Varianten von COVID-19 auch im Labor hergestellt worden sein. Forscher auf der ganzen Welt untersuchen seit mehr als 20 Jahren “Funktionsgewinne” von Viren, was es den Forschern ermöglicht, Viren in jeder gewünschten Weise zu “optimieren”. Es scheint inzwischen mehrere Variationen des ursprünglichen Virus zu geben. Ein suizidaler/homizidaler Forscher könnte beschließen, so viele andere Menschen wie möglich “auszuschalten”, indem er eine weitere Variante von COVID-19 erstellt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Immunität gegen Coronaviren im Allgemeinen nicht sehr langlebig zu sein scheint. Ein Artikel vom Oktober 2020 besagt, dass eine 35-jährige Studie darauf hinweist, dass die Immunität gegen Coronaviren nicht lange anhält. Die Analyse anderer Coronaviren ergab, dass die Immunität tendenziell recht schnell verschwindet, was zu einem jährlichen Zyklus von Krankheiten wie Erkältungen führt. Es scheint eine beträchtliche Chance zu bestehen, dass COVID-19 jährlich wiederkehren wird. Wenn Impfstoffe ein ähnliches Immunitätsmuster erzeugen, stehen wir vor dem Problem, dass wir jedes Jahr neue Impfstoffe brauchen, so wie wir es bei der Grippe tun.

[4] Kürzungen im Bildungsbereich in vielerlei Hinsicht.

Viele Menschen, die einen höheren Abschluss machen, stellen fest, dass der Zeit- und Kostenaufwand danach nicht zu einer angemessenen finanziellen Belohnung geführt hat. Gleichzeitig stellen die Universitäten fest, dass es nicht viele Stipendien zur Unterstützung der Fakultät außerhalb der MINT-Bereiche (Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen oder Mathematik) gibt. Bei dieser Kombination von Problemen treffen Universitäten mit begrenzten Budgets die finanzielle Entscheidung, Programme zu reduzieren oder zu streichen, wenn das Interesse der Studenten nachlässt und keine Drittmittel zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig können sich lokale Schulbezirke, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, für den Einsatz von Fernunterricht entscheiden, einfach um Geld zu sparen. Diese Art der Kürzung könnte Grundschulkinder betreffen, besonders in armen Gegenden.

[5] Zunehmender Verlust der obersten Regierungsebenen.

Es kostet Geld/Energie, zusätzliche Regierungsebenen zu unterstützen. Das Vereinigte Königreich ist nun vollständig aus der Europäischen Union ausgetreten. Es ist zu erwarten, dass es weitere Änderungen dieser Art geben wird. Das Vereinigte Königreich könnte sich in kleinere Regionen auflösen. Andere Teile der EU können austreten. Dieses Problem könnte viele Länder auf der Welt betreffen, z. B. China oder Länder des Nahen Ostens.

[6] Weniger Globalisierung; mehr Wettbewerb zwischen den Ländern.

Jedes Land kämpft mit dem Problem, dass es nicht genügend gut bezahlte Arbeitsplätze gibt. Dies ist wirklich ein energiebezogenes Problem. Anstatt zu kooperieren, werden die Länder dazu neigen, zunehmend zu konkurrieren, in der Hoffnung, dass ihr Land irgendwie einen größeren Anteil an den besser bezahlten Arbeitsplätzen bekommen kann. Zölle werden weiterhin beliebt sein.

[7] Mehr leere Regale in den Geschäften.

Im Jahr 2020 haben wir festgestellt, dass die Versorgungswege unterbrochen werden können, so dass es unmöglich ist, die erwarteten Produkte zu kaufen. In der Tat können neue staatliche Vorschriften die gleiche Wirkung haben, wenn z. B. ein Land Reisen in sein Land verbietet. Im Jahr 2021 und in den kommenden Jahren sollten wir mehr davon erwarten.

[8] Mehr Stromausfälle, insbesondere an Standorten, an denen die Abhängigkeit von intermittierendem Wind- und Solarstrom hoch ist.

An den meisten Orten der Welt waren Erdölprodukte vor der Elektrizität verfügbar. Auf dem Weg nach unten sollten wir die Umkehrung dieses Musters erwarten: Elektrizität wird zuerst verschwinden, weil es am schwierigsten ist, eine konstante Versorgung aufrechtzuerhalten. Öl wird mindestens so lange verfügbar sein, wie es Strom geben wird.

Es gibt einen weit verbreiteten Glauben, dass uns “das Öl ausgehen wird” und dass erneuerbare Elektrizität eine Lösung sein kann. Ich glaube nicht, dass intermittierender Strom eine Lösung für irgendetwas sein kann. Es funktioniert schlecht. Er dient allenfalls als temporäre Ergänzung zu fossil erzeugtem Strom.

[9] Mögliche Hyperinflation, da die Länder immer mehr Schulden machen und sich gegenseitig nicht mehr vertrauen.

Ich sage oft, dass ich erwarte, dass die Öl- und Energiepreise niedrig bleiben, aber das gilt nicht wirklich, wenn viele Länder auf der ganzen Welt immer mehr Staatsanleihen ausgeben, um zu versuchen, Unternehmen vor dem Scheitern, Schulden vor dem Ausfall und aufgeblasene Börsenkurse zu bewahren. Es besteht die Gefahr, dass sich alle Preise aufblähen und die Verkäufer von Produkten die hyperinflationären Währungen nicht mehr akzeptieren, die die Länder auf der ganzen Welt bereitstellen wollen.

Meine Sorge ist, dass der internationale Handel in erheblichem Maße zusammenbricht, wenn die Hyperinflation aller Währungen zum Problem wird. Die höheren Preise für Öl und andere Energieprodukte werden nicht wirklich zu mehr Produktion führen, da die Preise für alle Waren und Dienstleistungen gleichzeitig steigen werden; die Produzenten fossiler Brennstoffe werden keinen besonderen Nutzen aus diesen höheren Preisen ziehen.

Wenn es zu einem signifikanten Rückgang des Handels kommt, wird es noch mehr leere Regale geben, weil jedes Land alleine nur sehr wenig herstellen kann. Ohne entsprechende Güter kann der Bevölkerungsverlust sehr hoch sein.

[10] Neue Methoden, mit denen Länder versuchen, sich gegenseitig zu bekämpfen.

Wenn nicht genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, werden historisch gesehen Kriege geführt. Ich erwarte, dass weiterhin Kriege geführt werden, aber die Herangehensweise wird “anders” aussehen als in der Vergangenheit. Sie können Zölle auf importierte Waren beinhalten. Sie können die Verwendung von im Labor hergestellten Viren beinhalten. Es kann sich dabei um Angriffe auf das Internet eines anderen Landes oder dessen Stromverteilungssystem handeln. Es gibt möglicherweise keinen offiziell erklärten Krieg. Es können einfach seltsame Dinge geschehen, die niemand versteht, ohne zu bemerken, dass das Land angegriffen wird.

Fazit

Wir scheinen in den kommenden Jahren, einschließlich 2021, auf sehr unruhiges Fahrwasser zuzusteuern. Unser eigentliches Problem ist ein Energieproblem, für das wir keine Lösung haben.

Die Webseite von Gail Tverberg ist www.ourfiniteworld.com

Übersetzt von Christoph Becker, Kelberg, den 17.1.2021




Schrumpfung der Wirtschaft und Stadtentwicklung

James Howard Kunstler hat im Dezember 2020 auf der Webseite von The American Conservative einen Artikel über die Schrumpfung der Wirtschaft und die daraus resultierenden Folgen für die Stadtentwicklung veröffentlicht, den ich hier übersetzt habe.

Link auf das Origional https://www.theamericanconservative.com/urbs/de-growth-will-define-how-we-live-in-the-future/

Die Schrumpfung der Wirtschaft wird bestimmen, wie wir in Zukunft leben werden

Dies ist keine Depression, sondern eine permanente Schrumpfung des Umfangs und der Komplexität der Dinge. Und es könnte uns helfen, Dankbarkeit zu kultivieren.

2. Dezember 2020 12:01 Uhr James Howard Kunstler

Sie haben vielleicht bemerkt, dass die Nation nach dem Wahltag in eine politische Krise geraten ist. Wie auch immer das alles ausgeht und wer auch immer das Weiße Haus besetzt, eine Büchse der Pandora voller drängender Probleme und Fragen liegt jenseits dieses Kampfes, und sie werden bestimmen, wie wir das tägliche Leben in diesem Land gestalten, insbesondere die Frage, wie unsere Städte und Gemeinden aussehen und wie sie funktionieren werden, was im vergangenen Jahr der Schwerpunkt dieser monatlichen Kolumne war.

Aufgrund des unaufhörlichen Geschwätzes von Ökonomen, die nur die Bewegungen des Geldes verfolgen, verstehen die meisten Amerikaner nicht, was unsere techno-industrielle Wirtschaft und all die damit verbundenen Annehmlichkeiten trägt. Es wird durch Öl getragen und das schon seit 100 Jahren und es macht all unsere fabelhaften Annehmlichkeiten möglich. Die Ölproduktion steuert schon seit einigen Jahrzehnten auf Probleme zu und ist nun am Krisenpunkt angekommen. Unsere Versorgung mit Öl schwindet, weil es zu viel kostet, es aus dem Boden zu holen. So einfach ist es. Unser grundlegendes Geschäftsmodell ist gescheitert.

Das Schieferöl-“Wunder” ist ein Pleitegeschäft. Es war ein großartiger Effekt, solange er anhielt. Es steigerte die US-Ölproduktion von unter fünf Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2008 auf 13 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2019, aber es konnte nie profitabel arbeiten und die beteiligten Unternehmen steigen aus und gehen in Konkurs. Die US-Ölproduktion ist seit März um zwei Millionen Barrel pro Tag gesunken und informierte Beobachter sagen voraus, dass sie bis 2021 auf sechs Millionen Barrel sinken wird – die Hälfte dessen, was wir 2019 produziert haben.

Gleichzeitig haben die wegen Covid-19 angeordneten Einschränkungen und Lockdowns so viele Betriebe ruiniert, dass die Nachfrage nach Öl niedrig bleibt und mit der niedrigen Nachfrage kommen niedrige Preise, die unter den Ölproduzenten weiteren Schaden anrichten und sie in den Bankrott treiben. Diese Entwicklung wird sich mit zunehmender Geschwindigkeit fortsetzen. In einem Jahrzehnt könnten es mit dem Öl für uns ganz vorbei  sein.

Entwicklung der Ölproduktion der USA,
Quelle https://www.theamericanconservative.com/urbs/de-growth-will-define-how-we-live-in-the-future/ , deutsch angepasst

Das werden wir nicht mit Solar- und Windenergie oder anderen sogenannten erneuerbaren Energiequellen, über die in den Nachrichten viel fantasiert wird, wettmachen – zumindest nicht im Hightech-Sinne. All diese Windturbinen, Solaranlagen und die Elektronik, mit der sie betrieben werden, benötigen Öl (oder Kohle oder Erdgas) zur Herstellung und Wartung, und diese Unterstützung wird es nicht geben. Dasselbe gilt für die Kernkraft, die fossile Brennstoffe benötigt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Es sind keine anderen Mittel zur Energierettung bekannt. Natürlich wird die Sonne immer noch scheinen und der Wind wird immer noch wehen, und sie produzieren Energie, die wir nutzen können, aber in einem viel kleineren und geringeren Umfang, als wir es gewohnt sind. Was direkt darauf hindeutet, wohin wir gehen: zu einer viel niedrigeren, weniger technologisch komplexen Lebensweise. Das hat übrigens wenig mit dem Klimawandel zu tun, der, wenn überhaupt, nur ein Nebenschauplatz des größeren Dilemmas der wirtschaftlichen Schrumpfung ist, und der, anders als die Depression, ein Dauerzustand sein wird.

Unser Tagesablauf wird sich ändern müssen, um all dem Rechnung zu tragen, und zwar nicht in einem abstrusen theoretischen Sinn, sondern physisch, auf dem Boden, in direkter Beziehung zu Wind, Wasser, Boden und Feuer. Es ist erschreckend, wie viele aktuelle Pläne für die zukünftige Entwicklung von Stadtreformern verschiedener Couleur vorgestellt werden. Sie scheinen davon auszugehen, dass die meisten der heute vorherrschenden Arrangements einfach weiterbestehen werden und dass alles, was wir zu tun haben, ist, ein paar Bebauungsrichtlinien zu ändern, ein paar Zuschüsse und Regierungsausgaben herbeizuzaubern und unsere kulturellen Einstellungen anzupassen, um mehr “Vielfalt und Inklusion” zuzulassen, um die Ware namens “Wohnraum” bereitzustellen (man beachte, dass das eine Abstraktion ist, nebenbei gesagt).

Die Selbstverständlichkeiten, die wir beim Bau von Gebäuden voraussetzen, gehen zu Ende. Architekten, Planer und Bauherren von Sozialwohnungen gehen davon aus, dass die vorgefertigten, modularen, zusammensteckbaren Baumaterialien von heute auch noch in zehn Jahren vom Band laufen werden: Stahlträger, Aluminiumträger, Glasplatten, Zement, Gipskartonplatten, Sperrholz, Glasfaser- und Schaumstoffisolierung, Asphaltdachschindeln, Kupferrohre, PVC-Kunststoffrohre … und so weiter. Ohne erschwingliche fossile Brennstoffe werden wir nur sehr wenige dieser Dinge herstellen, zumindest nicht im Maßstab der Massenproduktion oder in den Mengen, die wir gewohnt sind.

Die Wiederverwendung wird einer der führenden Wirtschaftszweige des 21. Jahrhunderts sein, bei dem Gebäude demontiert und die Teile für die Wiederverwendung aussortiert werden. Der Mensch ist darin sehr gut. Wenn Sie einem Arbeitsteam ein verlassenes Einkaufszentrum präsentieren und ihnen ein paar rudimentäre Werkzeuge geben (von denen viele vielleicht auch recycelt sind), können Sie drei Tage später zurückkommen und alle Zementblöcke in einem Haufen finden, die Stahlträger in einem anderen, die Holzständer in einem dritten und so weiter. Davon wird es eine Menge geben. Wiederverwendete Materialien müssen in Kombination mit in der Natur vorkommenden Materialien, hauptsächlich Holz und Stein, für den Neubau verwendet werden. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir bescheidene Mengen an Betonmörtel (ein sehr energiereiches Verfahren) für den Bau von Gemäuern herstellen können. Wir wissen noch nicht, ob die fast acht Milliarden Menschen auf dem Planeten die verbleibenden Wälder in ihren Bemühungen, im Warmen zu bleiben, zerstören werden.

Die harte Wahrheit könnte sein, dass die Störungen, die mit schrumpfenden Volkswirtschaften und unterbrochenen Ressourcenversorgungslinien einhergehen, die Bevölkerungszahlen schockierend schnell reduzieren werden. Dies wird sich auf das Geschäftsmodell des Hightech-Agrarbusiness auswirken, das es ermöglicht hat, so viele Menschen durch das zwanzigste Jahrhundert hindurch bis in die Gegenwart zu ernähren. Wir haben keine Ahnung, welche Art von geopolitischen Streitigkeiten damit einhergehen werden, aber historisch gesehen ist es das, was passiert, wenn Königreiche und Nationen sich in einem verzweifelten Wettbewerb um Ressourcen befinden. Eine Berechnung von Deagel, dem regierungsnahen Beratungsunternehmen für Militärtechnologie und Nachrichtendienste, prognostiziert einen weltweiten Bevölkerungsrückgang von 50 bis 80 Prozent bis 2025, wobei die Bevölkerung der USA von derzeit 330 Millionen auf 100 Millionen sinken würde. Ich weiß, das klingt hart, aber so ist es (Anm. d. Übers.: Siehe dazu auch www.freizahn.de/2018/07/updates-der-deagel-liste/ )

Selbst ein weniger drastischer Bevölkerungsrückgang würde das Bild für die Umgestaltung einer Menge Dinge in der amerikanischen Landschaft verändern. Die Gebäude in den Weiten der Vorstädte waren nie gute Kandidaten für eine adaptive Wiederverwendung. In der Zersiedelung ist alles so weit voneinander entfernt, dass man nicht mehr zu Fuß gehen kann und der gute grüne Riese wird die Dinge für uns nicht näher zusammenrücken. Diese Orte zu verdichten, sie zu urbanen Knotenpunkten zu machen, wie es viele befürworten, die die “Vorstadtreparatur” vorantreiben, macht nicht viel Sinn, wenn die Bevölkerung und damit das BIP sinkt. Vielmehr sollten wir unser schwindendes Kapital darauf verwenden, die alten Zentren der bestehenden Städte zu reparieren, die fast immer aus einem guten geografischen Grund existieren – ein Fluss, ein Hafen, eine strategische Lage an einer Handelsroute. In jedem Fall werden unsere Städte am Ende kleiner und kompakter sein als sie es seit vielen Generationen waren.

Ein weiteres Problem bei der adaptiven Wiederverwendung bestehender Gebäude ist, dass sie mit Materialien gebaut wurden, die nicht für eine lange Lebensdauer ausgelegt sind. Viele dieser in den letzten Jahrzehnten weit verbreiteten Materialien waren eigentlich Marketingexperimente an “Verbrauchern”, d.h. Bauherren und Käufern von massenproduzierten “Häusern”. Sperrholz delaminiert, sobald Wasser in es eindringt. Sogenannte Strangpressplatten, die aus Holzabfällen und Polymerleim hergestellt werden, sind noch weniger stabil. Vinylverkleidungen werden spröde und brechen nach ein paar Jahrzehnten Einwirkung von ultraviolettem Licht. Aufgesprühter Kunststoffputz wird zu Pulver. Kunststofffensterrahmen verziehen sich und bekommen mit der Zeit leicht Risse. Alle Kunststoffbaustoffe und Asphaltdachschindeln sind Produkte der Mineralölindustrie. Wohin führt das? Werden wir überhaupt die Energie haben, um auch nur kleine Scheiben zum Einsetzen in Holzfensterflügel herzustellen? Das fragt man sich.

Die Reformer der Gegenwart machen sich über all das keine Gedanken. Eines der wenigen erkennbaren Themen des jüngsten Wahlkampfes war ein Kampf über den Vorschlag der Demokratischen Partei, neue Bundesgesetze zu schreiben, die lokale Bebauungsvorschriften überwinden würden, um Wohnraum für die Armen in den Vorstädten zu bauen. Egal, wie man es betrachtet – ob es um soziale Gerechtigkeit geht oder um einen Angriff auf die Eigentumsrechte – niemand hat unsere Fähigkeit in Frage gestellt, das umzusetzen. Vielmehr glaube ich, dass sich die Regierung zwangsläufig aus dem Wohnungsbau zurückziehen wird, wenn wir ins Jahr 2021 und darüber hinaus gehen, weil das Land mehr als pleite ist.

♦♦♦

Das oben erwähnte Dilemma mit unserer Ölversorgung bedeutet, dass wir in das Zeitalter der Wirtschaftschrumpfung eingetreten sind. Wir sind nicht mehr in der Lage, so viele Qualitätsgüter zu produzieren wie früher, so dass unser gesamter Wohlstand abnimmt. Ein perverser Nebeneffekt ist, dass der Wohlstand, den wir generieren, tendenziell unfairerweise bei denjenigen konzentriert ist, die bereits wohlhabend sind, denn das sind die Menschen, die in den finanzialisierten Aktivitäten arbeiten und davon profitieren, die die industrielle Produktion ersetzt haben. Jeder, der die Welt um sich herum aufmerksam beobachtet, kann nicht umhin zu bemerken, wie die Mittelschicht von der unteren Arbeiterbasis bis hinauf in die höheren Berufsschichten ausgeweidet wird. Damit ist das Geschäftsmodell der sogenannten “Konsumwirtschaft” am Ende, aber eigentlich hängt es schon seit langem in den Seilen. Rücksichtslose Kreditaufnahme ist das, was es über Wasser gehalten hat.

In der Tat hat das Schuldenmachen auf der Makroebene die schrecklichen Folgen des Wachstumsrückgangs seit dem Großen Finanzcrash (GFC) von 2008-2009 in Schach gehalten. Damals war die Ölindustrie gerade in einen langsamen Niedergang eingetreten, und das war genug, um eine epische finanzielle Instabilität auszulösen. Jetzt, wo die Ölindustrie rund um das Schieferöl endgültig in Konkurs geht, steht das globale Bankensystem vor etwas Schlimmerem als Instabilität. Seit dem GFC haben wir monumentale Schulden gemacht, nur um unsere Netzwerke komplexer Systeme am Laufen zu halten. Schulden funktionieren nur, wenn es eine plausible Aussicht gibt, dass sie zurückbezahlt werden können. Eine Gesellschaft muss Überschussvermögen produzieren, um ihre Schulden zurückzuzahlen oder zumindest die fälligen Zinsen zu bedienen. In Abwesenheit von realem Überschussvermögen verflüchtigt sich die Plausibilität. Was heutzutage als überschüssiger Reichtum durchgeht, sind nur Spiele, die in der Arena der Finanzwirtschaft mit nebulösen Instrumenten gespielt werden, die vorgeben, Geld zu repräsentieren, und Geld selbst ist jetzt mehr und mehr eine Täuschung. Man kann sagen, dass Finanzialisierung Geld ist, bei dem der Wert entfernt wurde.

Der sogenannte “Aufschwung” von 2009 bis 2019 war eine Illusion, die durch 10 Jahre Schieferöl-Orgie in Kombination mit all den neuen Schulden (die auch das Schieferöl finanziert haben), die niemals zurückgezahlt werden, geschaffen wurde. Sie manifestierte sich als Blase in den Anleihe-, Aktien- und Derivatemärkten, mit einigen zusätzlichen Neuerungen wie Bitcoin. Der Covid-19-Virus schien die Blase im Spätwinter 2020 zu zerstechen, aber die Probleme, die er verursachte, provozierten nur größere neue Wellen von Zentralbank-“Geld”, die auf die Szene losgelassen wurden, um “eine Depression zu verhindern”.

Die Märkte “erholten” sich, sobald der “Stimulus” angeboten wurde, denn Geld sitzt nicht still; es wandert dorthin, wo es sich theoretisch vermehren könnte, auch wenn das “Investitions”-Modell ein selbstverstärkender Betrug ist. Die Märkte stiegen und stiegen und stiegen bis zum November 2020, als der Dow-Jones-Index die 30.000er-Marke durchbrach – während zigtausende von kleinen Unternehmen, die 44 Prozent der gesamten amerikanischen Wirtschaft ausmachen, in den Monaten der Covid-19-Lockdowns scheiterten und Familien und Haushalte in den Ruin getrieben wurden. Der Finanzsektor hatte sich schließlich von der Wirtschaft abgekoppelt wie eine Raumkapsel, die ihre Triebwerke abwirft, mit dem Haken, dass die Kapsel dem Gravitationsfeld nicht wirklich entkommen ist.

♦♦♦

Wenn in einigen Wochen das neue Jahr um die Ecke kommt, wird, wer auch immer der Präsident sein wirt, mit einer neuen und gruseligen Lage der Dinge konfrontiert. Schrumpfung der Wirtschaft, mit all ihren furchtbaren Folgen steht uns bevor. Es wird für die gleiche Anzahl von Menschen, die vor zehn Monaten hier waren, weniger von allem geben, weniger Unternehmen, die genug erwirtschaften können, um zu überleben, weniger Mitarbeiter, weniger Kunden für alles. Es wird wie eine Depression aussehen, aber es wird eine Schrumpfung sein, der Zusammenbruch komplexer Systeme, ein langer Notfall. [Anm. d. Übers.: Der Titel von Kunstlers bekanntestem Sachbuch lautet “The Long Emergency”, d.h., der lange Notfall)

Die Hypothekenstundungen sowie Miet- und Darlehensstundungen laufen nach Weihnachten aus. Die Regierung wird nicht zulassen, dass diese Menschen obdachlos werden, da können Sie sicher sein, aber was können sie tun, außer noch mehr “Geld” in diese Zwickmühle zu schaufeln? Das ist alles, was sie können. Es wird nicht funktionieren. Es wird nur zerstören, was vom Wert des Dollars noch übrig ist. Der Nettoeffekt wird ein Abstieg in die Zerrüttung sein – sowohl im zivilen als auch im wirtschaftlichen Bereich – wo viele Dinge einfach nicht mehr funktionieren. Große Unternehmen werden den kleinen Unternehmen in die Pleite folgen, wenn ihre Lieferketten wanken und ihre Kunden pleite gehen. Wenn der Dollar signifikant an Wert verliert, sagen wir 30 Prozent im Jahr 2021, werden die gigantischen Regierungsapparate auf Bundes- und Landesebene mit Sicherheit ineffektiv, unfähig, ihre Aufgaben zu erfüllen oder Dinge zu reparieren oder den kämpfenden Massen irgendeine Art von Beruhigung zu bieten. Generell gilt, dass alles, was auf einer riesigen Dimension operiert, zum Scheitern verurteilt ist. Die kleinen und wendigen werden eher gedeihen. Die Unordnung könnte noch eine ganze Weile weitergehen, bis die Menschen den eingetretenen Paradigmenwechsel richtig begreifen.

Irgendwann wird diese Gesellschaft – oder die Agglomeration von Gesellschaften in Nordamerika – das nächste Kapitel der Geschichte aufschlagen, in dem wir lernen, mit viel weniger auszukommen. Es wird nicht das Ende der Welt sein; es wird das Ende einer Ära sein: das Zeitalter der fossilen Energieorgie. Wir werden tun, was die Umstände erfordern und was zu tun sie uns befehlen. Die ideologischen Frivolitäten der Jahre vor dem Zusammenbruch werden vorbei sein, und die Menschen werden sich mit den grundlegenden Dingen beschäftigen, wie genug zu essen zu bekommen, sich selbst zu versorgen und echte Notwendigkeiten für das tägliche Leben zu produzieren, und das alles in einem sehr lokalen Maßstab. Unsere Großstädte werden viel kleiner sein, obwohl viele verlassene Megastrukturen und Wolkenkratzer als unheimliche Erinnerung an eine schwindende, wundersame Vergangenheit stehen bleiben werden, so wie das Kolosseum in Rom jahrhundertelang stehen blieb, als die Bevölkerung von einer Million auf 11.000 schrumpfte. Sie werden auch Baumaterial liefern, so wie das flavische Amphitheater seine Marmorverkleidungen für die Kirchen, Paläste und Krankenhäuser späterer Zeiten lieferte.

Lebendige Stadtteile und Nachbarschaften werden sich selbst reorganisieren, viele davon in Stadtteilen, die vor dem langen Notfall lebendig und geschäftig waren. Stabile Nachbarschaften überdauern, eine Lehre aus den europäischen Städten (und Europa wird eine ähnliche Erschütterung des Wachstums und der Unordnung durchgemacht haben). In unseren Städten der Zukunft wird man auf den Straßen keine Autos mehr sehen. Das ist vorbei. Es bleibt abzuwarten, ob die Eisenbahn die Städte und Gemeinden wieder verbinden wird. Vielleicht haben wir die Gelegenheit dazu verpasst, weil wir den Wiederaufbau unserer Netze um die Jahrtausendwende verschmäht haben, als es noch viel Geld, Öl und Stahl gab, um den Job zu erledigen.

Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe hat dem menschlichen Streben eine so spektakuläre Kraft verliehen, dass wir der Illusion erlegen sind, dass nichts den immer fantastischeren technologischen Fortschritt aufhalten könnte – und wenn irgendeine Bedrohung auftaucht, selbst eine große wie der Klimawandel, könnten wir einen Weg finden, sie mit unserem menschlichen Innovationsgenie zu überwinden und einfach vorwärts zu stürmen. Hybris ist ein strenger Meister. Wir gehen, unerwartet, zu einem anderen Ziel, einem viel bescheideneren Ort, und niemand weiß, für wie lange. Aber bedenken Sie Folgendes: Es wird ein realer Ort sein, kein virtueller Ort, und wir werden diesen Ort unser Zuhause nennen, viele solcher Orte sogar, und wir werden uns in ihnen wohler fühlen als in den kolossalen entfremdenden Umgebungen, die wir in der jetzt vergehenden Ära geschaffen haben. Wir werden ein Verständnis für unsere Beziehungen zu diesem Planeten wiedererlangen und wahrscheinlich auch ein Gefühl der Dankbarkeit dafür, hier zu sein.

James Howard Kunstler ist der New Urbanism Fellow von The American Conservative. Er ist Autor zahlreicher Bücher über Stadtgeographie und Wirtschaft, darunter sein jüngstes Werk “Living in the Long Emergency: Global Crisis, the Failure of the Futurists, and the Early Adapters Who Are Showing Us the Way Forward.”

Die Adresse der Webseite von James Howard Kunstler ist www.kunstler.com.

Übersetzung von Christoph Becker, Kelberg den 17.1.2021




2021: Eisberge voraus

Ich habe hier zunächst den am 23.12.2020 auf ourfiniteworld.com erschienenen Artikel 2020: The Year Things Started Going Badly Wrong (dt. 2020: Das Jahr, in dem die Dinge anfingen, gründlich schief zu laufen) von Gail Tverberg übersetzt. Dazu habe ich im Anschluss an die Übersetzung erklärt, warum ich einige Punkte, im Bereich Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Klimaschutz etwas anders sehe.

Über Gail Tverberg?

Hier die Übersetzung ihrer von der ersten in die dritte Person umgesetzten  Selbstbeschreibung:

Gail Tverberg ist Versicherungsmathematikerin und interessiert sich für die Probleme der Endlichkeit der Welt – die Verknappung von Öl und Erdgas, die Wasserknappheit und den Klimawandel. Die Grenzen des Erdöls sehen ganz anders aus, als die meisten erwarten. Hohe Preise führen zu einer Rezession und niedrige Preise zu finanziellen Problemen für die Ölproduzenten und die ölexportierenden Länder. Wir haben es wirklich mit einem physikalischen Problem zu tun, das viele Teile der Wirtschaft auf einmal betrifft, einschließlich der Löhne und des Finanzsystems. Sie versucht, das Gesamtproblem zu betrachten.

Link auf den Originalartikel: https://ourfiniteworld.com/2020/12/23/2020-the-year-things-started-going-badly-wrong/

2020: Das Jahr, in dem die Dinge anfingen, gründlich schief zu laufen

Veröffentlicht am 23. Dezember 2020 von Gail Tverberg

Wie sich das heutige Energieproblem von Peak Oil unterscheidet

Viele Menschen glauben, dass die Wirtschaft anfangen wird, schlecht zu laufen, wenn uns “das Öl ausgeht”. Das Problem, das wir heute haben, ist tatsächlich ein Energieproblem, aber es ist ein anderes Energieproblem. Lassen Sie es mich mit einer Rolltreppen-Analogie erklären.

Abbildung 1. Holborn Tube Station Rolltreppe. Foto von renaissancechambara, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons.

Die Wirtschaft ist wie eine Rolltreppe nach unten, auf der die Bürger der Welt versuchen, nach oben zu gehen. Die Abwärtsbewegung der Rolltreppe ist zunächst kaum wahrnehmbar, wird aber nach und nach immer größer. Schließlich wird die Abwärtsbewegung fast unerträglich. Viele Bürger sehnen sich danach, sich hinzusetzen und eine Pause einzulegen.

In der Tat, eine Pause, wie die Pandemie, kommt fast wie eine Erleichterung. Plötzlich gibt es die Chance, es ruhig angehen zu lassen; nicht zur Arbeit zu fahren; keine Verwandten zu besuchen; nicht vor Freunden den Schein zu wahren. Regierungsbeamte sind vielleicht auch nicht unglücklich. Möglicherweise gab es Demonstrationen von Gruppen, die höhere Löhne forderten. Den Leuten zu sagen, sie sollen zu Hause bleiben, ist ein bequemer Weg, diese Demonstrationen zu beenden und die Ordnung wiederherzustellen.

 Aber dann funktioniert der Neustart nicht. Es gibt zu viele defekte Teile in der Wirtschaft. Zu viele bankrotte Unternehmen; zu viele Arbeitslose; zu viele Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können. Und, ein Virus, das nicht wirklich weggeht und die Menschen beunruhigt und unwillig zurück lässt, wenn sie versuchen, ihre normalen Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Manch einer mag die Energiegeschichte als eine ” Geschichte der abnehmenden Erträge” bezeichnen, aber sie ist wirklich umfangreicher als das. Es ist eine Geschichte von Leistungen, von denen wir erwarten, dass sie weiterhin erbracht werden, die aber ohne weitere Investitionen in die Energiewirtschaft nicht fortgesetzt werden können. Es ist auch eine Geschichte über den Verlust von “Grössenvorteilen”, die einst dazu beitrugen, die Wirtschaft voranzutreiben.

In diesem Beitrag werde ich einige der Probleme erläutern, die ich heute in der Wirtschaft sehe. Sie neigen dazu, die Wirtschaft nach unten zu befördern, wie eine Rolltreppe nach unten. Sie erschweren auch das Wirtschaftswachstum.

[1] Viele Ressourcen erfordern einen zunehmenden Aufwand, um sie zu beschaffen oder zu extrahieren, da wir die am einfachsten zu beschaffenden zuerst verwenden. Viele Menschen würden dies als Problem des abnehmenden Ertrags bezeichnen.

Schauen wir uns ein paar Beispiele an:

(a) Wasser. Als es nur relativ wenige Menschen auf der Erde gab, war das Trinken von Wasser aus einem nahegelegenen Bach ein vernünftiger Ansatz. Dies ist der Ansatz, der von Tieren verwendet wird; Menschen könnten ihn ebenfalls verwenden. Als die Zahl der Menschen stieg, stellten wir fest, dass wir zusätzliche Methoden brauchten, um genügend Trinkwasser zu gewinnen: Zunächst wurden flache Brunnen gegraben. Dann stellten wir fest, dass wir tiefere Brunnen graben mussten. Wir fanden heraus, dass Wasser aus einem See verwendet werden konnte, aber wir mussten es zuerst filtern und aufbereiten. An manchen Orten stellen wir nun fest, dass eine Entsalzung notwendig ist. Tatsächlich müssen wir nach der Entsalzung die richtigen Mineralien wieder in das Wasser geben und es dorthin pumpen, wo es benötigt wird.

Alle diese Ansätze können in der Tat angewendet werden. Theoretisch wird das Wasser nie ausgehen. Das Problem ist, dass mit dem Aufsteigen in der Verarbeitungskette immer mehr Energie in irgendeiner Form benötigt wird. Zunächst konnten die Menschen einen Teil ihrer Freizeit (und Energie) nutzen, um Brunnen zu graben. Je mehr fortschrittliche Ansätze gewählt wurden, desto größer wurde neben der menschlichen Energie der Bedarf an zusätzlicher Energie. Wir alle können das Wasser, das wir benötigen, nicht selbst produzieren, sondern müssen direkt oder indirekt für dieses Wasser bezahlen. Die Tatsache, dass wir dieses Wasser mit einem Teil unseres Lohns bezahlen müssen, reduziert den für andere Güter verfügbaren Teil unseres Lohns.

(b) Metalle. Wenn eine Gruppe beschließt, ein Metallerz abzubauen, wird in der Regel zuerst ein leicht zugängliches Erz von hoher Qualität genommen, das sich in der Nähe des Ortes befindet, an dem es verwendet werden soll. Die Umstellung auf weniger optimale Abbaustellen erfordert mehr Energie. Ein Teil dieser zusätzlichen Energie könnte menschliche Energie sein, aber ein Teil der Energie würde von fossilen Brennstoffen geliefert werden, die Maschinen betreiben, um die menschliche Arbeit zu ergänzen. Der Bedarf an zusätzlicher Energie wird mit zunehmender Erschöpfung der Lagerstätten immer größer. Mit dem technischen Fortschritt steigt der Energiebedarf, denn einige der Hightech-Geräte benötigen Materialien, die nur bei sehr hohen Temperaturen geformt werden können.

(c) Wildtiere einschließlich Fische. Als die Vormenschen Afrika verließen, töteten sie die größten Wildtiere auf jedem Kontinent, auf den sie zogen. In diesen Gebieten war es weiterhin noch möglich, Wild zu jagen, aber die Tiere waren kleiner. Die Rendite für die investierte menschliche Arbeit wurde geringer. Heute wird das meiste Fleisch, das wir essen, in landwirtschaftlichen Betrieben produziert. Das gleiche Muster existiert in der Fischerei. Der meiste Fisch, der heute weltweit gegessen wird, wird in Fischfarmen produziert. Wir brauchen heute ganze Industrien, um Nahrungsmittel bereitzustellen, die die frühen Menschen selbst beschaffen konnten. Diese Betriebe verbrauchen direkt und indirekt fossile Energie. Faktisch wird mehr Energie verbraucht, da mehr Tiere/Fische produziert werden.

(d) Fossile Brennstoffe. Wir hören immer wieder von der Möglichkeit, dass uns das Öl “ausgeht”, aber das ist beim Öl nicht das Problem. In der Tat ist es auch nicht das Problem mit Kohle oder Erdgas. Das Problem ist der abnehmende Ertrag. Wie es aussieht, gibt es noch reichlich davon (und wird es immer geben). Das Problem ist, dass der Prozess der Förderung immer mehr Ressourcen verbraucht, da tiefere, komplexere Öl- oder Gasquellen erschlossen werden müssen und auch Kohlebergwerke, die weiter von den Nutzern der Kohle entfernt sind, erschlossen werden. Viele Menschen haben vorschnell gefolgert, dass dies bedeutet, dass der Preis, den die Käufer fossiler Brennstoffe zahlen werden, steigen wird. Dies ist nicht wirklich wahr. Es bedeutet, dass die Produktionskosten steigen, was zu einer geringeren Rentabilität führt. Die geringere Rentabilität wird sich wahrscheinlich auf viele Weise verteilen: niedrigere gezahlte Steuern, Kürzungen bei Löhnen und Pensionsplänen und vielleicht ein Verkauf an einen neuen Eigentümer, zu einem niedrigeren Preis. Schließlich werden niedrige Energiepreise zu einem Produktionsstopp führen. Ohne eine ausreichende Versorgung mit fossilen Brennstoffen wird das gesamte Wirtschaftssystem aus den Fugen geraten, und das Ergebnis wird eine schwere Rezession oder Depression sein. Es werden wahrscheinlich auch viele Arbeitsplätze verloren gehen.

In den Punkten (a) bis (d) sehen wir, dass ein zunehmender Anteil der Wirtschaftsleistung auf immer unwirtschaftlichere Weise verwendet wird: bei der Schaffung tieferer Wasserbrunnen und Entsalzungsanlagen; bei der Bohrung von Ölquellen an schwierigeren Stellen; bei der Gewinnung von Metallerzen, die meist Abfallprodukte sind. Das Ausmaß dieser Unwirtschaftlichkeit nimmt mit der Zeit tendenziell zu. Das führt zu dem Effekt, dass die Rolltreppe immer schneller abwärts fährt, während wir Menschen versuchen, sie hinaufzugehen.

Die Menschen arbeiten für einen Lohn, aber sie stellen fest, dass, wenn sie eine Schachtel Cornflakes kaufen, nur sehr wenig des Preises tatsächlich an den Bauern geht, der den Mais anbaut. Stattdessen werden alle dazwischen liegenden Teile des Systems übermäßig groß. Der Käufer kann sich die Endprodukte nicht leisten, und der Produzent fühlt sich durch die niedrigen Großhandelspreise, die ihm gezahlt werden, betrogen. Das System als Ganzes wird in Richtung Kollaps getrieben.

[2] Zunehmende Komplexität kann helfen, das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, aber auch sie führt zu abnehmendem Ertrag.

Komplexität nimmt viele Formen an, darunter eine hierarchischere Organisation, mehr Spezialisierung, längere Lieferketten und die Entwicklung neuer Technologien. Komplexität kann in der Tat dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum zu erhalten. Wenn z. B. die Wasserversorgung unregelmäßig ist, kann sich ein Land für den Bau eines Staudamms entscheiden, um den Wasserfluss zu kontrollieren und Strom zu erzeugen. Komplexität neigt dazu, abnehmende Erträge zu erreichen, wie Joseph Tainter in The Collapse of Complex Societies (Anm. .d Übers.: Siehe dazu auch das Interview mit Joseph Tainter über den Kollaps komplexer Gesellschaften auf Freizahn.de) feststellt. Zum Beispiel baut die Wirtschaft zuerst Dämme an den besten Standorten und erst später an weniger vorteilhaften Stellen. Dies sind ein paar weitere Beispiele:

(a) Bildung. Jedem das Lesen und Schreiben beizubringen, hat erhebliche Vorteile, weil es die Verwendung von Büchern und anderen schriftlichen Materialien zur Verbreitung von Informationen und Wissen ermöglicht.  Aber ab einem bestimmten Punkt ist der Bedarf an zusätzlichen Personen, die ein Fach wie Kunstgeschichte studieren, gering. Ein paar Leute können das Thema lehren, aber mehr Forschung zu diesem Thema zu betreiben, wird das weltweite BIP wahrscheinlich nicht sehr steigern. Wenn wir uns Daten aus der Zeit um 1970 ansehen stellen wir fest, dass Menschen mit höherer Bildung ein viel höheres Einkommen erzielten als Menschen ohne höhere Abschlüsse.

 Aber während wir einen immer größeren Anteil von Menschen mit diesen höheren Abschlüssen hinzufügen, sind Jobs, die diese Abschlüsse wirklich brauchen, nicht so zahlreich wie die neuen Absolventen.  Nicht wenige Menschen mit höheren Abschlüssen enden in schlecht bezahlten Jobs. Einige Studenten sind nicht in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen, die sie aufgenommen haben, um ihre Ausbildung zu bezahlen.

(b) Medikamente und Impfstoffe. Im Laufe der Jahre wurden Medikamente und Impfstoffe entwickelt, um viele häufige Krankheiten und Leiden zu behandeln. Nach einiger Zeit sind die leicht zu findenden Medikamente für die häufigsten unerwünschten Erkrankungen (wie Diabetes, Bluthochdruck und Entzündungen) bereits gefunden. Es gibt Medikamente für seltene Krankheiten, die noch nicht gefunden wurden, aber diese werden nie einen sehr großen Gesamtumsatz haben, was vor Investitionen abschreckt. Es gibt auch Erkrankungen, die in besonders armen Ländern üblich sind. Es könnten zwar teure Medikamente für diese Erkrankungen entwickelt werden, aber wahrscheinlich könnten sich nur wenige Menschen diese Medikamente leisten, so dass auch dies weniger attraktiv wird.

Wenn die Forschung weitergehen soll, ist es wichtig, die Arbeit an teuren neuen Medikamenten weiter auszubauen, auch wenn das bedeutet, dass alte preiswerte Medikamente, die genauso gut wirken könnten, komplett ignoriert werden. Ein zynischer Mensch könnte denken, dass dies der Grund ist, warum Vitamin D und Ivermectin bei der Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 generell ignoriert werden. Ohne eine wachsende Gruppe von hochpreisigen neuen Medikamenten ist es schwer, Kapital und junge Arbeitskräfte für das Feld zu gewinnen.

Abbildung 2. Geschätzter realer Kraftstoffverbrauch, Pferdestärken und Gewicht seit dem Modelljahr 1975, in einer von der US Environmental Protection Agency erstellten Tabelle. Quelle: https://www.epa.gov/automotive-trends/highlights-automotive-trends-report.

(c) Automobileffizienz. In den USA fand die große Veränderung der Kraftstoffeffizienz zwischen 1975 und 1983 statt, als auf kleinere, leichtere Fahrzeuge umgestellt wurde, ähnlich denen, die in Japan und Europa bereits im Einsatz waren.

Der Anstieg der Kraftstoffeffizienz zwischen 2008 und 2019 (ein Zeitraum von 11 Jahren) betrug nur 22 %, verglichen mit dem Anstieg der Kraftstoffeffizienz um 60 % zwischen 1975 und 1983 (ein Zeitraum von 8 Jahren). Dies ist ein weiteres Beispiel für die abnehmende Rentabilität von Investitionen in die Komplexität.

[3] Den heutigen Bürgern wurde nie gesagt, dass viele der Dienstleistungen, die wir heute als selbstverständlich ansehen, wie z. B. die Bekämpfung von Waldbränden, in Wirklichkeit Dienstleistungen sind, die durch fossile Brennstoffe erbracht werden.

Tatsächlich steigt die Energiemenge, die benötigt wird, um diese Dienstleistungen zu erbringen, jedes Jahr an. Wir erwarten, dass diese Leistungen auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass sie nicht sehr lange fortgesetzt werden können, es sei denn, die der gesamten Wirtschaft zur Verfügung stehende Energie steigt sehr schnell.

(a) Unterdrückung von Waldbränden. Waldbrände sind ein Teil der Natur. Viele Bäume benötigen Feuer, damit ihre Samen keimen können. In der Nachbarschaft von Wäldern lebende Menschen mögen keine Waldbrände; sie fordern die örtlichen Behörden oft auf, jeden entstehenden Waldbrand zu löschen. Durch diese Unterdrückung kann sich immer mehr trockenes Gestrüpp ansammeln. Infolgedessen können sich zukünftige Brände leichter ausbreiten und größer werden.

Gleichzeitig bauen die Menschen wegen der angenehmen Landschaft zunehmend Häuser in bewaldeten Gebieten. Da die Bevölkerung wächst und sich Brände immer leichter ausbreiten, erfordert die Bekämpfung von Waldbränden immer mehr Ressourcen, einschließlich fossiler Brennstoffe für den Antrieb von Hubschraubern, die bei den Einsätzen eingesetzt werden. Wenn keine fossilen Brennstoffe mehr zur Verfügung stehen, müsste diese Art von Service eingestellt werden. Der Versuch, Waldbrände zu unterdrücken, vorausgesetzt, dass fossile Brennstoffe für diesen Zweck zur Verfügung stehen, wird Jahr für Jahr höhere Steuern erfordern. Das ist ein Teil dessen, was den Anschein erweckt, dass wir versuchen, unsere Wirtschaft auf einer abwärts fahrenden Rolltreppe nach oben zu bewegen.

(b) Unterdrückung von Krankheiten. Krankheiten sind Teil des Kreislaufs der Natur; sie töten überproportional die Alten und Schwachen. Natürlich mögen wir Menschen das nicht wirklich; die Alten und Schwachen sind unsere Verwandten und engen Freunde. In der Tat könnten einige von uns alt und schwach sein.

In den letzten 100 Jahren haben Forscher (unter Verwendung fossiler Brennstoffe) eine große Anzahl von Antibiotika, antiviralen Mitteln und Impfstoffen entwickelt, um zu versuchen, Krankheiten zu unterdrücken. Wir stellen fest, dass Mikroben schnell auf neue Weise mutieren und unsere Versuche, Krankheiten zu unterdrücken, zunichte machen. So haben wir immer mehr antibiotikaresistente Bakterien. Die Kosten des heutigen US-Gesundheitssystems sind sehr hoch und übersteigen das, was sich viele arme Menschen leisten können. Die Einführung neuer Impfstoffe ist mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Die Abschaltung des Systems, um zu versuchen, einen Virus zu stoppen, bringt enorme neue Kosten mit sich, die unverhältnismäßig stark von den armen Menschen der Welt getragen werden. Wenn wir dem Gesundheitssystem mehr Geld/fossile Brennstoffe zur Verfügung stellen, kann es vielleicht ein wenig länger funktionieren. Niemand sagt uns, dass die Krankheitsbekämpfung eine Leistung der fossilen Brennstoffe ist; wenn wir eine steigende Menge an fossilen Brennstoffen pro Kopf haben, können wir vielleicht die Leistungen der Krankheitsbekämpfung erhöhen.

(c) Unterdrückung von Unkraut und unerwünschten Insekten. Forscher entwickeln ständig neue chemische Behandlungen (auf Basis fossiler Brennstoffe) zur Unterdrückung von Unkraut und unerwünschten Insekten. Leider mutieren die Unkräuter und unerwünschten Insekten immer wieder auf eine Art und Weise, die die Wirksamkeit der Chemikalien verringert. Die einfachen Lösungen wurden zuerst gefunden; Lösungen zu finden, die wirklich funktionieren und den Menschen nicht schaden, scheint schwierig zu sein. Die frühen Lösungen waren relativ billig, aber spätere sind immer teurer geworden. Dieses Problem wirkt in vielerlei Hinsicht wie ein abnehmender Ertrag.

(d) Recycling (und indirekt der Rücktransport von leeren Schiffscontainern aus aller Welt). Bei hohen Ölpreisen ist das Recycling von gebrauchten Gegenständen für deren Inhalt wirtschaftlich sinnvoll. Bei niedrigen Ölpreisen ist für das Recycling oft eine Subventionierung erforderlich. Mit dieser Subvention werden indirekt die fossilen Brennstoffe bezahlt, die zur Durchführung des Recyclings verwendet werden. Oft wird damit der Transport in ein Land bezahlt, das das Recycling übernimmt.

Als die Ölpreise hoch waren (vor 2014), konnte ein Teil der Einnahmen aus dem Recycling für den Transport von gemischten Abfallprodukten nach China und Indien zur Wiederverwertung verwendet werden. Aufgrund der niedrigen Ölpreise haben China und Indien die Annahme der meisten Recyclingprodukte eingestellt. Stattdessen muss man für die Rückreise eines Schiffscontainers tatsächliche “Ware” auftreiben oder alternativ dafür bezahlen, dass der Container leer zurückgeschickt wird. Europa scheint nun Schwierigkeiten zu haben, Schiffscontainer für die Rückreise nach Asien zu füllen. Aus diesem Grund scheinen die Kosten für die Beschaffung von Schiffscontainern zur Verschiffung von Waren nach Europa drastisch zu steigen. Diese höheren Kosten wirken wie abnehmende Erträge in Bezug auf den Transport von Waren aus Asien nach Europa. Dies ist ein weiterer Teil dessen, was wie eine Abwärtsrolltreppe für die Weltwirtschaft wirkt.

[4] Ein weiterer, immer höherer Kostenfaktor ist die Kontrolle der Umweltverschmutzung. Diese höheren Kosten wirken sich auch negativ auf die Weltwirtschaft aus, da sie wie weitere Zwischenkosten wirken.

Da wir immer größere Mengen an fossilen Brennstoffen verbrennen, müssen immer größere Mengen an Feinstaub aufgefangen und entsorgt werden. Das Auffangen dieses Materials ist nur ein Teil des Problems; ein Teil des Abfallmaterials kann radioaktiv sein oder Quecksilber enthalten. Sobald das Material aufgefangen ist, muss es auf irgendeine Weise “eingeschlossen” werden, damit es nicht das Wasser und die Luft verschmutzt. Unabhängig davon, welcher Ansatz verwendet wird, werden Energieprodukte verschiedener Art benötigt. Denn je mehr fossile Brennstoffe verbrannt werden, desto größer ist tendenziell das Entsorgungsproblem.

Die Verbrennung von mehr fossilen Brennstoffen führt auch zu mehr CO2. Leider haben wir keine geeigneten Alternativen. Die Kernkraft ist wahrscheinlich so gut wie alle anderen und sie hat ernsthafte Sicherheitsprobleme. Die Ansicht, dass intermittierende Wind- und Solarenergie ein geeigneter Ersatz für fossile Brennstoffe sind, ist meiner Meinung nach Wunschdenken. Wind und Sonne können aufgrund ihrer Unbeständigkeit die zur Stromerzeugung verbrannte Kohle oder das Erdgas nur teilweise ersetzen. Sie können nicht für eine 24/7/365-Erzeugung eingesetzt werden. Die nicht subventionierten Kosten für die Erzeugung von intermittierendem Wind- und Solarstrom müssen mit dem Preis für Kohle und Erdgas verglichen werden, nicht mit den Großhandelspreisen für Strom. Es werden viele Vergleiche zwischen Äpfeln und Birnen angestellt.

[5] Das Wachstum der Wirtschaft hängt unter anderem von “Größenvorteilen” ab, da die Anzahl der Teilnehmer an der Wirtschaft allmählich wächst. Die Reaktion auf COVID-19 war extrem nachteilig für die Größenvorteile.

Die Wirtschaft vieler Länder hat sich mit der anfänglichen Verbreitung von COVID-19 dramatisch verändert. Leider können wir nicht erwarten, dass diese Veränderungen in absehbarer Zeit vollständig rückgängig gemacht werden. Ein Teil des Grundes ist die neue Virusmutation aus Großbritannien, die nun Anlass zur Sorge gibt. Ein weiterer Grund ist, dass selbst mit dem Impfstoff niemand wirklich weiß, wie lange die Immunität anhält. Bis das Virus eindeutig verschwunden ist, werden die Spuren der Kürzungen wahrscheinlich bestehen bleiben.

Im Allgemeinen geht es den Unternehmen finanziell gut, wenn die Zahl der Käufer der von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen steigt. Dies geschieht, weil Gemeinkosten, wie Hypothekenzahlungen, auf mehr Käufer verteilt werden können. Auch das Fachwissen der Geschäftsinhaber kann breiter genutzt werden.

Ein großes Problem ist der Rückgang des Tourismus, von dem fast alle Länder der Welt betroffen sind. Diese Kürzung betrifft sowohl Unternehmen, die direkt mit dem Tourismus verbunden sind, als auch Unternehmen, die indirekt mit dem Tourismus verbunden sind, wie Restaurants und Hotels.

Ein weiteres großes Problem sind soziale Abstandsregeln, die dazu führen, dass Bürogebäude und Restaurants weniger intensiv genutzt werden. Unternehmen stellen fest, dass sie eher weniger als mehr Kunden haben. Auch verwandte Unternehmen, wie Taxis und Reinigungen, haben weniger Kunden. Alten- und Pflegeheime verzeichnen eine geringere Auslastung, weil niemand monatelang eingesperrt sein möchte, ohne andere Familienmitglieder sehen zu können.

[6] Mit all den in den Punkten [1] bis [5] aufgeführten Schwierigkeiten funktioniert die Finanzierung mit Fremdkapital immer weniger gut. Es ist damit zu rechnen, dass große Schuldenausfälle Banken, Versicherungen und Pensionspläne beeinträchtigen werden.

Viele Unternehmen sind bereits kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Diese Unternehmen können mit einer stark reduzierten Anzahl von Kunden keinen Gewinn erzielen. Wenn keine Änderung möglich ist, wird sich dies irgendwie bemerkbar machen müssen. Der Ausfall von Schulden wird wahrscheinlich zu einem Zusammenbruch von Banken und Pensionskassen führen. In der Tat können Regierungen, die von Steuern abhängig sind, auch scheitern.

Die Abschaltungen oder Lockdowns, die die Volkswirtschaften zu Beginn dieses Jahres vorgenommen haben, waren sehr nachteilig, sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer. Eine Hauptlösung bestand bisher darin, mehr Staatsschulden zu machen, um zu versuchen, Bürger und Unternehmen zu retten. Diese zusätzliche Verschuldung macht es noch schwieriger, versprochene Schuldenzahlungen einzuhalten. Dies ist eine weitere Belastung, die es den Volkswirtschaften schwer macht, auf der Wachstumsrolltreppe nach oben zu kommen.

[7] Die Situation, auf die wir zusteuern, ähnelt den Zusammenbrüchen früherer Zivilisationen.

Da die Erträge überall sinken und es keine ausreichenden Quellen für sehr billige Energie gibt, um das System am Laufen zu halten, scheinen große Teile des Weltwirtschaftssystems auf einen Zusammenbruch zu zusteuern. Es scheint keine Möglichkeit zu geben, die Weltwirtschaft schnell genug wachsen zu lassen, um den Abwärtsrolltreppeneffekt auszugleichen.

Den Bürgern war nicht bewusst, wie “nah am Abgrund” wir uns befanden. Die niedrigen Energiepreise waren trügerisch, aber das ist es, was wir bei einem Zusammenbruch erwarten sollten. (Siehe z. B. Offenbarung 18: 11-13, die vom Mangel an Nachfrage nach Gütern aller Art erzählt, als das alte Babylon zusammenbrach.) Niedrige Preise neigen dazu, fossile Brennstoffe im Boden zu halten. Sie schrecken auch eher vor hochpreisigen Alternativen ab. Leider ändert all das Wunschdenken des Weltwirtschaftsforums und anderer, die für einen Green New Deal plädieren, nichts an der Realität der Situation.

Ende der Übersetzung von Gail Tverbergs Artikel

Mein Kommentar zu Gail Tverbergs Artikel

Ich finde den Artikel sehr gut. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich einen Artikel von Gail Tverberg übersetzt habe, obwohl ich schon sehr viele Artikel von ihr gelesen habe.

Dennoch habe ich zu einigen Punkten eine andere Meinung. Wie John Michael Greer es schon in seinem von mir in Zeitenwende übersetzten Horoskop für die nächsten 199 Jahre sieht, sehe auch ich verschiedene, eher einfache Möglichkeiten, um mit einem sehr viel geringeren Aufwand an Energie, Ressourcen und Komplexität genauso viel oder sogar sehr viel mehr zu erreichen als heute. Im Folgenden einige Beispiele ,die mir dazu einfallen:

Gesundheitswesen

Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten

Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten kann insbesondere mit Hilfe von in Wasser bzw. physiologischer Kochsalzlösung gelöstem Chlordioxid extrem verbessert werden. Negative gesundheitliche Nebenwirkungen, wie man sie bei Impfungen, bei Antibiokita, Cortison und den meisten anderen Medikamenten für normal hält, gibt es sie bei fachgerechter Anwendung von Chlordioxidlösung offenbar nicht oder nur sehr selten. Gleichzeitig sind die Kosten und der Energieaufwand für die Herstellung extrem niedrig.  Weil man mit Chlordioxidlösungen auch Gelenkentzündungen wie Arthritis, sowie Amputationen und andere Folgeschäden verhindern kann, kann man damit auch den Energieaufwand und die  Kosten im Pflegebereich senken. Insgesamt kann man alleine schon mit diesem einfachen, preiswert herzustellenden Mittel große Teile des Gesundheits- und Pflegesektors entlasten, während die Gesundheit und damit die Lebensqualität der Bevölkerung – also das Hauptprodukt des Gesundheits- und Pflegesektors zunimmt. Meine Artikel zum Thema Chlordioxid in chronologischer Reihenfolge. Man findet darin auch viele Links und Hinweise zu weiteren Informationsquellen:

Weitere zukunftsträchtige Möglichkeiten zur Senkung der Kosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Produktion finden sich in

  • Rückenschmerzen: Ein Ratgeber aus ganzheitlicher Sicht von John Tanner. Das ist das Buch, mit dem ich bei mir selbst einige Male ziemlich heftige Rückenschmerzen erfolgreich behandelt habe. Ich habe noch nie wegen Rückenschmerzen einen Arzt aufgesucht. Obwohl ich einige Male sehr heftige Rückenschmerzen hatte,  die ich immer selbst erfolgreich mit Übungen und Selbstmassage behandelt habe.
  • Handbuch der Muskel-Triggerpunkte, von Janet G Travell (Autor), David G Simons (Autor). Mit Hilfe der amerikanischen Originalausgabe, Massage, Bettruhe und einem Tensgerät  habe ich bei mir noch im Frühjahr 2020 selbst heftige Schmerzen in einem Oberschenkel ziemlich schnell und erfolgreich behandelt. Aufmerksam geworden bin ich auf dieses Buch durch die Vorträge von Prof. Dr. Jeffrey Okeson ( jeffokeson.net ), die ich besucht habe weil ich einige Fälle erlebt habe, in denen die Lokalanästhesie  versagt hat und vor allem auch eine ganze Reihe Fälle mit Zahnschmerzen, für die keine Ursache an den Zähnen zu finden war. Mit Hilfe der Vorträge und Bücher von Prof. Okeson, und dem auch ihm als Grundlage dienenden Werk von Travell und Simons über die Muskeltriggerpunkte waren diese Fälle dann zu erklären und oft auch mit einfachen Mitteln wie Wärme, Massage oder einen Tensgerät und einer Beratung zu den Ursachen,  erfolgreich zu behandeln.
  • https://medizinzumselbermachen.de/ . Ich habe neben dem DMSO-Handbuch von dem diese Webseite betreibenden Dr. Hartmut Fischer auch die beiden dort angebotenen e-Books medizinzumselbermachen.de/e-books/ .  Den Online-Kurs auf https://www.dmsoundcoonlineacademy.com/dein-gesundheitswerkzeugkasten-fur-privat-und-praxis habe ich mir 2020 auch geleistet und  finde ihn ebenfalls auch für Laien empfehlenswert.
Zahnmedizin

In der Zahnmedizin kann man auch für verschiedene Zwecke Chlordioxidlösungen einsetzen. Gegebenen falls kann man dies hier, wie auch in der Medizin z.B. mit DMSO kombinieren. Forschung und Weiterentwicklungen dazu können sehr preiswert sein.

Eine effiziente, Putzschäden vermeidende Anwendung einer Kombination von Zahnbürste und Zahnseide ist meines Erachtens nach wie vor das Beste, was die Zahnmedizin empfehlen, zeigen und zur Erhaltung der Gesundheit und Lebensqualität beitragen kann. Dabei ist auch das etwas, was jeder zu Hause machen kann oder wie ich zum Thema “Professionelle Zahnreinigung” zu sagen pflege: Meine Praxis bietet das auch an, aber mein Ziel, und für Zahngesundheit der Patienten am Besten ist, dass möglichst viele ihre Zähne selbst zuhause professionell mit Zahnbürste, Zahnseide und ggf. auch mit anderen Hilfsmitteln reinigen.

Die sehr schwach bleichend wirkende, im Gegensatz zu Chlorhexidindigluconat die Zähne nicht verfärbende, soweit bekannt keine negativen Nebenwirkungen verursachende Chlordioxidlösung von vielleicht 30 bis 80 ppm, könnte bei vielen Patienten Mängel bei der mechanischen Reinigung der Zähne ausgleichen – und würde dabei gleichzeitig auch zur Prävention von Erkältungskrankheiten und Virusinfektionen beitragen.

Man könnte damit die Lebensdauer von Zahnersatz und Füllungen vergrößern und die Notwendigkeit von zahnärztlichen Arbeiten und selbstverständlich auch von “professionellen Zahnreinigungen” in den Zahnarztpraxen senken.

Was mich aktuell auch interessiert ,ist die Möglichkeit Parodontose mit Chlordioxidlösung, ggf. in Kombination mit DMSO zu behandeln oder die klassische Behandlung damit so zu unterstützen und deren Erfolg zu steigern.

Landwirtschaft, Pflanzenschutz, Ernährung

Auch in diesen Bereichen sehe ich ein großes Potential für einfache, die Komplexität reduzierende, weniger Energie und Ressourcen kostende Lösungen.

Ich verweise dazu auf meine Artikel

Mit den Möglichkeiten der modernen Bodenmikrobiologie, wie sie z.B. Dr. Elaine Ingham in ihren auf www.soilfoodweb.com angebotenen Kursen und Ausbildungsprogrammen vermittelt, kann man in erstaunlich kurzer Zeit:

  1. Den Energie- und Kostenaufwand in der Landwirtschaft drastisch reduzieren.
  2. Pflanzenkrankheiten und schädliche Insekten kann man auch ohne Agrarchemie gut beherrschen.
  3. Die Fruchtbarkeit auch von angeblich schlechten Böden sehr verbessern.
  4. Die Notwendigkeit künstlicher Dünger stark reduzieren oder diese auch ganz eliminieren.
  5. Sehr erfolgreich Klimaschutz betreiben, indem man einerseits die lokale Wasseraufnahmefähigkeit der Böden steigert und gleichzeitig große Mengen CO2 aus der Luft entnimmt und in den Böden einlagert. Wie ich im Nachtrag zu meinem Artikel  Klimaschutz durch Landwirtschaft erklärt habe, könnte man nach der Berechnung von Dr. Elaine Ingham mit Hilfe der Möglichkeiten der Bodenmikrobiologie  die CO2-Konzentration der Atmosphäre von derzeit ca. 420 ppm auf ein voraussichtlich sichere Niveau von 350 ppm absenken. Dazu kommt, dass dabei unter anderem als Nebenprodukt auch die Qualität des Trinkwassers, die Qualität bzw. Fruchtbarkeit der Böden, der Starkregen- und Hochwasserschutz und die Qualität der Nahrungsmittel verbessert würden. Und das alles mit ziemlich einfachen, mit der bestehenden Technik, sofort umsetzbaren Methoden.

Auf viele angestrebte Maßnahmen könnte man verzichten, wenn man die schon heute bekannten Möglichkeiten der Landwirtschaft und der Bodenmikrobiologie mehr bekanntmachen und besser nutzen würde. Zu Berichten über die Planungen der Bevölkerungsreduzierung per Impfung siehe:

Alles in allem sind die Zukunftsaussichten also durchaus ziemlich gut, sofern man bereit und in der Lage ist, die zu Kollaps und zur Katastrophe führenden Paradigmen aufzugeben und die notwendigen Reformen einzuleiten. Wenn die Regierungen und Parteien das nicht wollen oder nicht können, dann könnten die Leute zumindest lokal, auf der Ebene der Gemeinden und vielleicht auch der Landkreise das eine oder andere tun, um ihre Zukunftschancen zu verbessern.

Die Zeiten werden sich ändern

Zum Schluss, weil ich es hier sehr passend finde, möchte ich “The Times They are a Changing”  (dt. Die Zeiten sind ein sich Verändern) von Bob Dylan einbinden und dazu darunter für diejenigen die nicht genug Englisch können hier auch die deutsche Übersetzung des Textes, die ich auf www.songtexte.com/uebersetzung/bob-dylan/the-times-they-are-a-changin-deutsch-2bd69c4a.html gefunden habe einfügen:

Kommt versammelt euch Leute, wo immer ihr euch rumtreibt
und gebt zu, dass das Wasser um euch gestiegen ist.
Und akzeptiert, dass ihr bald bis auf die Knochen durchnässt seid.
Wenn euch eure Zeit etwas wert ist,
dann fangt ihr besser an zu schwimmen, oder ihr sinkt wie ein Stein,
denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Schriftsteller und Kritiker, die ihr mit dem Stift prophezeit.
Und haltet eure Augen auf, die Chance wird nicht wieder kommen.
Und sprecht nicht zu früh, denn das Rad dreht sich noch,
und es ist nicht abzusehen, wer genannt wird.
Denn der jetzige Verlierer wird später gewinnen,
denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Senatoren, Kongressabgeordnete, bitte beachtet den Aufruf,
bleibt nicht in der Tür stehen, blockiert nicht die Halle.
Denn der, der verletzt wird, wird der sein, der alles aufhält.
Die Schlacht, die draußen tobt,
wird bald an den Fenstern rütteln und die Wände erschüttern.
Denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Mütter und Väter im ganzen Land
und kritisiert nicht, was ihr nicht verstehen könnt.
Eure Söhne und Töchter sind jenseits eurer Kontrolle.
Eure alte Straße altert rapide.
Bitte geht runter von der neuen, wenn ihr nicht zur Hand gehen könnt,
denn die Zeiten ändern sich.

Die Linie ist gezogen, der Fluch ist gesprochen.
Der jetzt Langsame wird später schnell sein,
wie die Gegenwart später Vergangenheit sein wird.
Die [bisherige] Ordnung löst sich rasch auf.
Und der Erste jetzt wird später der Letzte sein,
denn die Zeiten ändern sich.

Kelberg, den 27. Dezember 2020

Christoph Becker




Mario Draghis Wunschdenken

Auf Focus-Money findet sich heute, den 23.6.2019, ein Gastbeitrag von Marc Friedrich und Matthias Weik mit dem Titel Wettrüsten für den Währungskrieg: Die Notenbanken greifen jetzt zu äußersten Mitteln.

Einer der Untertitel lautet “[EZB-Chef] Draghi: „Bereit, alle Instrumente zu nutzen, die notwendig sind“.

Ich mag das nicht kommentieren, aber ich möchte hier dazu einige Grafiken aus dem neuesten Vortrag von Nate Hagens zeigen, den er am 22. April in Stockholm Wisconsin, anlässlich des Earth Day gehalten hat ( youtu.be/oVdGqKMBcHw ). Nate Hagens hat übrigens einen Master in Finanzwissenschaften von der Business School der Universität Chicago und einen  PhD  über natürliche Ressourcen von der Universität Vermont.

Die Ursprünge der Wirtschaftswissenschaften

Die Ursprünge der Wirtschaftswissenschaften sind in einer Zeit entstanden, in der Geld, die Produktion nicht erneuerbare fossile Energieträger und die Produktion der “erneuerbaren” Energie, damals in Form von Land, noch in einem engen Zusammenhang gesehen werden konnten. Die Landwirtschaft war damals noch ein Wirtschaftsbereich der selber Energie produzierte – während die heutige Landwirtschaft für jede von ihr  produzierte Kalorie 10 Kalorien an fossilen Energieträgern verbraucht.

Die damalige Zeit ist in der untenstehenden Grafik durch die hellblaue Ellipse markiert. Die schwarze Linie (Money) markiert das Wachstum der Geldmenge über die Zeitachse. Die rote Linie ist die produzierte Menge nicht erneuerbarer Energien und die grüne Linie ist der Fluss der erneuerbaren Energien.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Die frühen Wirtschaftstheorien entstanden in der Situation, die mit der hellblauen Ellipse markiert ist.

Die Zeit von Karl Marx bis ca. 1970

Die Zeit von Karl Karl Marx, als dieser  seine Theorie über das Kapital und die Arbeit formuliert hat, war eine Zeit, in der die Nutzung fossiler Energieträger rasant stieg und in ihrer Wirkung die Rolle  erneuerbaren Energien und damit auch des Landbesitzes zunehmend unwichtig erscheinen ließ. Das Problem mit Karl Marx war, dass er nicht gesehen hat,  dass die menschliche Arbeit nur eine Funktion der Verfügbarkeit billiger, hauptsächlich fossiler, Energie war (und auch heute noch ist). Wie die Grafik zeigt, hielt die Energieproduktion damals noch mit der Entwicklung der Geldmenge schritt.

Auch die Entwicklung der meisten heutigen Wirtschaftstheorien fällt in diesen, bis etwa 1970 reichende Zeitabschnitt.

Dieser Zeitabschnitt wird in der Grafik als hellblaue Ellipse markiert

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Die Wirtschaftstheorien des 19. Jahrhunderts entstanden in der Situation, die mit der hellblauen Ellipse markiert ist.

Die Zeit nach der Ölkrise

Ungefähr seit der Ölkrise von 1973 kann die Energieproduktion nicht mehr mit der Entwicklung der Geldmenge Schritt halten. Um weiter genügend Energie und andere Ressourcen gewinnen zu können wird zunehmend auf Kredite zurückgegriffen.

Dabei ist Geld, wie ich schon in Energie und Geld zu zeigen versucht habe,  ein symbolisches Versprechen auf zukünftige Energielieferungen. Seit den  70er Jahren steigen die Versprechen auf künftige Energielieferungen zunehmend schneller als die tatsächlichen Energielieferungen. Dabei ist auch zu bedenken, dass Energie die Grundlage der Produktivität menschlicher Arbeit ist. Wenn die tatsächlich verfügbare Energie schwindet, sinkt auch die Produktivität menschlicher Arbeit. Die Fähigkeit, Versprechen auf künftige Lieferungen von Produkten menschlicher Arbeit tatsächlich einzulösen, und damit Kredite tatsächlich tilgen zu können wird immer geringer.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Die mit der hellblauen Ellipse markiert etwa die Zeit nach der Energiekrise am Anfang der 70er Jahre.

Unsere heutige Gesellschaft

Das Wachstum der Geldmenge und damit auch der Schulden ist von der Produktion der realen Energie und Ressourcen vollständig abgekoppelt. Das ist die Situation, in der der EZB-Chef Mario Draghi “alle Instrumente” nutzen will, “die notwendig sind”, um die Lage in den Griff zu bekommen. Das einzige Instrument, das er hat und nutzen will ist aber nur die Steigerung der Geldmenge per Kreditvergabe.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Die mit der hellblauen Ellipse markiert die heutige Situation. Das Geld ist völlig von der realen Wertschöpfung und der dafür nötigen Energie- und Ressourcenversorgung abgekoppelt.

Die schwarzen Pfeile in der folgenden Grafik stellen das Instrument der Geldmengensteigerung dar, das Draghi zu nutzen gedenkt. Der rote Pfeil und die gestrichelte rote Linen zeigen was man damit letztlich versucht, nämlich die Menge der verfügbare Energie und Ressourcen zu steigern.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw.

Der Effekt des Helikoptergeldes

Der Nate Hagens zeigt dann ein Bild von einem Hubschrauber, aus dem Geld abgeworfen wird.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Energieförderung mit Hilfe von Krediten ist wie wenn man mit einem Hubschrauber Milliarden über einer großen Menschenmenge abwirft. Die Leute haben mehr Geld, aber durch den Abwurf des Geldes entsteht keine neuen Produkte und Rohstoffe, und vor allem keine neue Energie

Ursprung der Idee ist das Helikoptergeld (de.wikipedia.org/wiki/Helikoptergeld). Das Problem damit ist, dass die, die es bekommen, damit zwar scheinbar reich sind, aber es kommen damit keine zusätzlichen Produkte und Ressourcen in die Welt.  Wirklich? Was ist der Effekt?

Hagens erklärt dann anhand der folgenden Grafik die Wirkung des Helikopergeldes – bzw. der “Instrumente”, die Mario Draghi  nutzen will und die man in zunehmendem Maße schon seit den 70er Jahren genutzt hat. Debt steht für Kreditschulden. Die senkrechte blaue Linie symbolisiert unseren aktuelle Zeitpunkt. Die verschiedenen Grautöne symbolisieren die Zugänglichkeit der Ressourcen. Je heller das Grau, je leichter und kostengünstiger ist die Gewinnung der Ressourcen. Je schwärzer, je schwerer und teurer ist die Ressourcengewinnung. Links ist der Verlauf der Ressourcenausbeutung ohne die Verfügbarkeit von Krediten gezeigt. Rechts wird gezeigt, wie die Ressourcen genutzt werden wenn Kredite zur Verfügung stehen: Es können schneller, mehr Ressourcen produziert und verbraucht werden. Man beachte auch den tief schwarzen Bereich am Boden, der die Ressourcen symbolisiert, die überhaupt nur mit Hilfe von Krediten (die natürlich nie getilgt werden können) erschlossen werden können. Der Preis für dank der Kredite zunächst schnelleren Steigerung der Ressourcennutzung ist das wesentlich schnellere Versiegen der Ressourcen nach der Überschreitung des Gipfels des Ressourcenverbrauchs.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw. Kredite (debt) für die Energieproduktion erschließen Energiequellen, die sonst nicht erschlossen würden (der schwarze Bereich rechts) und sie steigern auch die Förderung insgesamt. Aber das ist ein Vorziehen der Förderung.

Aktuelle Symptome der Ressourcenerschöpfung

Sinkende Produktivität

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw.

Hagens zeigt dann die folgende Grafik, wonach die Produktivität der Arbeit in den USA nun schon seit längerem so niedrig wie vor ungefähr 40 Jahren ist. Der technische und wissenschaftliche Fortschritt von 40 Jahren bringt also nichts mehr.

Für Deutschland hatte ich in Über Rückzüge, im Abschnitt Die deutsche Abstiegsgesellschaft Grafiken von Prof. Oliver Nachtwey gezeigt, die eine ähnliche Entwicklung in Deutschland zeigen.

Als weitere Ursache für das Sinken der Produktivität kann man aber auch die zunehmenden Komplexitätskosten der Gesellschaft und die wegen der zunehmenden Komplexität ebenfalls sinkende Produktivität von Forschung und Entwicklung sehen. Siehe dazu meine Übersetzung Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter.

Zunehmende Einkommensungleichheit

in von Nate Hagens in seinem Vortrag, aber auch von Gail Tverberg in verschiedenen Artikeln auf ihrem Blog Ourfiniteworld.com erwähntes Symptom der zunehmenden Probleme der Energieproduktion ist die Zunahme der Einkommensungleichheit.  Wie die Folgende Grafik aus dem Vortrag von Nate Hagen zeigt, ist das Bruttosozialprodukt in den USA seit der Jahrtausendwende zwar weiter gewachsen, profitiert haben davon aber fast nur die reichsten 5 % der Haushalte.

Quelle: Earth vs. The Amoeba. Vortrag von Nate Hagens beim Earth Day 2019, in Stockholm, Wisconsin, https://youtu.be/oVdGqKMBcHw.

Wenn man eine Extremwertbetrachtung durchführt und sich überlegt was passiert, wenn Energie wirklich extrem knapp und teuer wird, dann ist das Ergebnis das Bild einer vorindustriellen europäischen Gesellschaft, das man gewinnt, wenn man Schloss Versailles oder Schloss Rundale besichtigt und sich dann in Freiluftmuseen ansieht, wie die einfachen Leute damals gelebt und gearbeitet haben.

Ich meine schon, dass man mit einer klugen, die grundlegenden Probleme unserer Zeit erkennenden und offen diskutierenden Politik den absehbaren Absturz unserer Gesellschaft dämpfen und auch gekonnt abfedern könnte. Ich glaube und sehe aber hier in Deutschland nicht mehr, dass man dazu bereit und wirklich in der Lage ist.

Es ging hier aber mehr um den Hintergrund der von EZB-Präsident Mario Draghi angekündigten Notenbankpolitik. Das zentrale Problem ist die Abkopplung der Geldpolitik von der Entwicklung im Bereich der realen Ressourcen. Die Abkopplung von der Entwicklung im Bereich der realen Ressourcen ist aber auch das Problem der politischen Führungen und Parteien.

Man ist in der Geldpolitik, aber auch Sachen Klimaschutz und Umweltschutz, im Bildungswesen und in vielen anderen Bereichen  bildlich gesprochen mit falschen Straßenkarten unterwegs. Dadurch werden knappe Zeit und knappe Ressourcen, die dann für wirkliche Problemlösungen fehlen, sinnlos verbraucht.

Kelberg, den 24. Juni 2019

Christoph Becker




Donald Trump und die Straße von Hormus

Reuters titelte am 24.6.2019: Trump – China & Co sollen Tanker in der Straße von Hormus selbst schützen.  Das ist ein genialer Schachzug, mit dem Trump einmal mehr zeigt, wie sehr ihn die meisten unterschätzen.

Mit der Forderung, dass gefälligst andere den Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus sichern sollen, separiert Trump Amerikas Interesse an einer Beendigung des iranischen Atomprogramms von der Sicherheit des Schiffsverkehrs.

Das heißt, die USA können damit in Zukunft den Iran angreifen und dessen Atomanlagen zerstören, aber wenn der Iran dann wie angekündigt zurückschlägt, indem er die Straße von Hormus blockiert, dann schadet er damit nicht den USA, sondern China, Japan und Europa. Bei einer Blockade der Straße von Hormus würden die USA nämlich kaum betroffen sein, weil sie selbst genug Energie produzieren. Aber die Weltmarktpreise für Energie würden explodieren. Das könnte die Wirtschaft und damit auch die innere Stabilität in China, Japan und Europa zusammenbrechen lassen. Durch einen Angriff auf den Iran könnten die USA damit nicht nur die Atomanlagen des Iran zerstören, sondern gleichzeitig insbesondere China, aber auch die Staaten des ihn verachtenden, dem Iran besser gesinnten  Europas kollabieren lassen. Der Iran wird das eher nicht wollen. Der Iran wird folglich sein Atomprogramm aufgeben, weil seine wichtigste Waffe, nämlich die  Blockade der Straße von Hormus, den USA sogar nützen und den Gegnern der USA  schwer schaden würde. Wenn die Führung des Irans das wider Erwarten nicht einsehen sollte,  dann läuft die Verteidigungsstrategie des Iran nun faktisch darauf hinaus, Amerika stärker zu machen und die Feinde Amerikas wirtschaftlich an die Wand zu fahren und zu destabilisieren.

Kelberg, den 24. Juni 2019

Christoph Becker




Zum Thema CO2-Bepreisung

Auf der Webseite der FAZ fand ich am 5.5.2019 den Kommentar KAMPF GEGEN CO2-AUSSTOSS: Die Zeit des „Dagegen“ ist vorbei von Konrad Schuller. Danach sind sich alle etablierten Parteien nun darüber einig, dass CO2-Ausstoß entweder durch eine CO2-Steuer oder durch CO2-Zertifikate zusätzlich belastet werden soll.  Ich möchte hier daher auf ein Problem und auf Zusammenhänge aufmerksam machen, die unsere “Eliten” offenbar übersehen:

Wirkung des Energiepreises beim Kühemelken

Die folgenden beiden Grafiken über den Energieeinsatz und die Auswirkung von Energiepreissteigerungen beim Melken von Kühen hat Nate Hagens in verschiedenen seiner Vorträge verwendet. Sie zeigen auf einfache, (hoffentlich) verständliche Weise, was passiert, wenn man den Preis der Energie erhöht.  In beiden Grafiken werden die folgenden drei Melkverfahren verglichen:

  1. Melken von Hand.  Der Melker generiert eine Kaufkraft von 5 US-Dollar pro Stunde. Er benötigt 30 Minuten pro Kuh. Die dabei vom Melker in Form von Muskelarbeit aufgewendete mechanische Energie wurde bei diesem Beispiel gleich 1 gesetzt.
  2. Melken mit halbautomatischem Melkstand: Der Melker generiert  ca. 18 US-Dollar Kaufkraft pro Stunde.  Der mechanische Energieaufwand ist 180 mal so groß wie beim Melken von Hand.
  3. Melken  mit vollautomatischem Melkstand: Der Melker generiert mit 25 Dollar fünf mal soviel Kaufkraft wie beim Melken von Hand.  Pro Kuh sind nur noch 1 bis 3 Minuten menschliche Arbeitszeit nötig. Der mechanische Energieaufwand ist aber 400 mal so groß wie beim Melken von Hand sowie mehr als doppelt so groß wie beim Melken mit einer einfacheren, halbautomatischen Melkanlage.

Quelle: Nate Hagens, Earth-week speaker series at UW-Stevens Point 2016. “A Guide to Being Human in the 21st Century”, ( https://youtu.be/-EMlDuNH59c ) Pos: 11:25. Die für das Melken von Hand benötigte mechanische Energie wurde mit dem Faktor 1 angesetzt. Beim maschinellen Melken wurde 180, bzw. 400 mal soviel mechanischer Energie benötigt wie beim Melken von Hand.

Bei der generierten Kaufkraft handelt es sich um den Betrag, aus dem sich der Lohn des Arbeiters und der Gewinn des Unternehmers zusammensetzen. Wenn man große Mengen sehr billiger Energie zur Verfügung hat, dann kann man damit also, durch Einsatz von Maschinen, die Produktion eines Arbeiters vervielfachen.

Was passiert, wenn der Energiepreis steigt?

Die nächste Grafik zeigt, was in dem oben beschriebenen Beispiel mit den drei Melkverfahren aus betriebswirtschaftlicher Sicht passiert, wenn der Energiepreis steigt.

Quelle: Nate Hagens: Earth-week speaker series at UW-Stevens Point 2016. “A Guide to Being Human in the 21st Century” ( https://youtu.be/-EMlDuNH59c ) Pos 13:20

Wenn sich der Energiepreis von 5 US-Dollar Cent / KWh auf 10 Cent verdoppelt oder auf 15 Cent verdreifacht, bleibt der wirtschaftliche Ertrag des Melkens von Hand weiterhin  bei 5 Dollar pro Stunde.

Eine Verdopplung des Energiepreises auf 10 Cent / KWh senkt den Ertrag der halbautomatischen Anlage etwas. Bei der Anlage, mit der bei dem niedrigen Energiepreis von 5 Cent, der mit 25 Dollar höchste Ertrag pro Stunde  erzielt wurde, wird nun aber nur noch ein Ertrag von ca. 4 Dollar pro Stunde erzielt. Die Verdoppelung des Energiepreises führt in diesem Beispiel also bereits dazu, dass die teure vollautomatische Melkanlage für den Melker und den Unternehmer zusammen weniger einbringt als das keine Investitionen in Maschinen kostende Melken von Hand.

Die Verdreifachung des Energiepreises, auf für heutige deutsche Verhältnisse noch immer sehr günstige 15 Cent / KWh führt in diesem Beispiel dazu, dass das Melken mit der energieaufwendigen, vollautomatischen Maschine pro Stunden einen Verlust von c.a 17 Dollar verursacht.

Dieses Beispiel mit den drei Methoden des  Kühemelkens kann man auch ganz allgemein auf die Wirtschaft anwenden, um zu verstehen und abschätzen zu lernen, wie sich Energiepreisveränderungen auswirken.

Wie Nate Hagens erwähnt, werden heute weltweit ca. 99,5 % aller Arbeit durch externe, meist fossile Energieträger erledigt. Auf das Konto menschlicher Muskelkraft geht nach Hagens nur mickriges halbes Prozent. Vor diesem Hintergrund ist es sehr sinnvoll über die möglichen Auswirkungen von Energiepreissteigerungen auf die Wirtschaftsleistung und auch auf die Entwicklung des Wohlstandes und des sozialen Friedens gründlich nach zu denken und die mutwillige Herbeiführung von Preissteigerungen am Energiemarkt sorgfältig ab zu wägen.

Energiepreis und Einkommensungleichheit

Wie man an dem obigen Beispiel mit den drei Methoden des Kühemelkens sehen kann, wirken sich Steigerungen des Energiepreises sehr unterschiedlich aus.

Es gibt viele Tätigkeiten, wie z.B. die eines Arztes, Ingenieurs, Rechtsanwaltes, Geschäftsmannes,  Bankiers oder Politikers, die vergleichsweise nur sehr wenig externe Energie benötigen. Ganz allgemein kann man sagen, dass bei Tätigkeiten, die besondere Begabungen oder schwierige und lange Ausbildungen erfordern, der Anteil der aktuellen Energiekosten sehr gering sein. Auf die Einkommen aus diesen Tätigkeiten werden Energiepreissteigerungen sich daher zunächst nicht oder nur sehr unwesentlich bemerkbar machen. Es kann sogar sein, dass bestimmte durch besonderes Wissen und Können definierten Tätigkeiten die Einkommen bei steigenden Energiepreisen besonders schnell ansteigen. Die allgemeinen Folgen steigender Energiepreise können nämlich den Wert von bestimmtem Wissen und Können steigern, wenn damit die Folgen der allgemeinen Produktivitätsrückgänge kompensiert oder gedämpft werden können – oder wenn die Produktivität trotz steigender Energiekosten durch intelligente Problemlösungen hier und da sogar verbessert werden kann.

Die durch steigende Energiepreise zunächst nicht betroffenen oder sogar besser gestellten Berufe und Personen werden aber irgendwann dann doch negativ von den Energiepreissteigerungen getroffen. Wenn die Energiepreise steigen und dadurch die Kaufkraft der Massen sinkt, sinkt nämlich auch die Nachfrage und es kommt schließlich auch zu sozialen Unruhen oder auch zu Krieg.

Historische Entwicklungen

Pro-Kopf-Einkommen von 1800 bis 2015

Die folgenden Grafik zeigt die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens in den USA von 1800 bis 2015.

Quelle: Vortrag von Nate Hagens: WEP2018 TV: Energy, Money and Technology – From the Lens of the Superorganism ( https://youtu.be/2DpfsqjQbP0 )

Wie in der Grafik angegeben, stieg das Pro-Kopf-Einkommen in dieser Zeit in den USA um das 24,6-fache. Das globale Pro-Kopf-Einkommen stieg in dieser Zeit um das 13,7-fache. Das Pro-Kopf-Einkommen in den USA war 2015 sogar 49 mal höher als globale Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 1800.

Relativer Aufwand der Energieproduktion

Die folgende Grafik hatte ich schon mehrfach an anderer Stelle verwendet. Sie zeigt den relativen Anteil des Aufwandes für die Energieproduktion am Bruttosozialprodukt Englands von 1500 bis 2000. England war die erste Industriemacht. Abgesehen von der enormen Steigerung der Produktivität im Energiesektor im 16. Jahrhundert und den teilweise heftigen kurzzeitigen Schwankungen fällt auf, dass der Anteil des Aufwandes für die Energieproduktion in England von ca. 1840 an ziemlich gleichmäßig bis zum Ende des 20. Jahrhunderts von zuerst noch gut 20 % auf deutlich unter 5 % gefallen ist.

Nicht häusliche Energieaufwendungen, relativ zum Bruttosozialprodukt, in England von 1500 bis 2000.
Quelle: Kapitel 4, “Depletion vs. innovation The fundamental question of sustainability” von Joseph A. Tainter, Deborah Strumsky, Temis G. Taylor, Michelle Arnold, and José Lobo in
Physical Limits to Economic Growth: Perspectives of Economic, Social, and Complexity Science (Routledge Studies in Ecological Economics) (S. 71).

Energie und globales Wirtschaftswachstum

Die folgenden Grafik von Gail Tverberg (ourfiniteworld.com) zeigt den klaren Zusammenhang zwischen globalem Bruttosozialprodukt und Energieverbrauch.

Wenn man in Deutschland und einigen anderen Staaten zu anderen Ergebnissen kommt, dann liegt das vielleicht auch daran, dass energieintensive Produktionen in andere Länder verlagert worden sind. Das Beispiel mit den drei Melkverfahren ist auch hier wieder  für das Verständnis wichtig: Durch Auslagerung einer Produktion in ein Land mit geringeren Arbeitskosten kann man zunächst trotz steigender Energiekosten noch Gewinne machen. Problematisch wird das, wenn die durch die Auslagerung entstehenden Transportkosten durch weitere Energiepreissteigerungen und Umweltschutzauflagen weiter steigen oder wenn die für den Transport notwendigen Treibstoffe knapper werden.

Die auf den ersten Blick vielleicht nicht nachvollziehbare Diskussion um die Dieselfahrverbote in Deutschland macht schon Sinn, wenn man bedenkt, dass es in Wirklichkeit wohl darum geht, dass die Grundstoffe für die Herstellung von Diesel und dem damit verwandten Kerosin, für die Luftfahrt  allmählich knapp werden (Diesel und Fracking ). Auch wird die Seeschifffahrt ab  2020 wegen neuer Umweltschutzauflagen vermehrt besseren Dieseltreibstoff nachfragen und jeden Fall erheblich mehr für Treibstoff ausgeben müssen ( Wie die neuen Kraftstoffregularien die gesamte Schifffahrt verändern ). Energiepreissteigerungen werden damit auch aus dieser Richtung Druck die Wirtschaft ausüben und den Wohlstand und damit auch den Energieverbrauch der Massen reduzieren.

Europas schrumpfende Energieproduktion

Quelle: https://ourfiniteworld.com/2019/04/30/the-climate-change-story-is-half-true/

Die obige Grafik zeigt die Energieproduktion und den Energieverbrauch in der EU. Wie man sieht, kann die europäische Energieproduktion kaum die Hälfte des Energieverbrauchs decken. Der Rest muss importiert werden. Dabei kann man als sicher ansehen, dass es sich bei allen Energieimporten um fossile Energieträger handelt. Atomkraft (hellblau) und “andere erneuerbare”, also hauptsächlich Wind- und Solarstrom, decken nur einen kleinen Teil des Gesamtverbrauchs. In Deutschland soll der Anteil des  Atomstroms bald gegen null gehen. Auch zeigt die Grafik,, dass die Produktion fossiler Energieträger in Europa seit ca. 20 Jahren sinkt.

Falls sich ein Leser nun fragt, was angesichts der in der EU sinkenden Energieproduktion mit der Energieproduktion in den für die EU relevanten Lieferländern tut, empfehle ich die leider nur in Englischer Sprache erschienene Analyse von Michael Dittmar,  die ich in Der aufziehende Sturm am Ölhimmel vorgestellt habe. Daraus hier noch einmal einige Grafiken:

Zunächst die voraussichtliche Entwicklung der Ölversorgung Europas bis 2035:

Teil 2 – Figur 6: Die gesamten Öläquivalente der Produktion, des Verbrauchs und der Importe für Westeuropa. Die modellierte Produktion folgt den Annahmen dieser Analyse und dem Szenario der “Neuen Politik” (NP) des IEA Welt Engerie Ausblicks 2016 (WEO 2016). Sie ist durch die gepunktete Linien für 2015 to 2035 dargestellt.

Dazu aus meinem Artikel über Dr. Dittmars Analyse: Das zu erwartende Hauptproblem Europas ist neben der geringen und dazu auch noch sinkenden Eigenproduktion das voraussichtlich schnelle Sinken der aus Russland, Westsibirien, Kasachstan und Aserbaidschan kommenden Importe.  Ein Ausweichen auf Importe aus anderen Regionen wird in der Praxis so gut wie nicht möglich sein, wie die anderen Grafiken zeigen. Zunächst nun aber die Grafik für die für Europa und vor allem Deutschlands Öllieferanten besonders wichtigen Staaten der ehemaligen UdSSR.

Und hier die Grafik über Russland und die anderen wichtigsten Lieferländer Deutschlands:

Figure 3: Combined oil equivalent production, consumption and exports from three FSU countries,
Russia, Kazakhstan and Azerbaijan. Their modelled production, consumption and exports following
the assumptions from the present analysis, and from the New policies (NP) scenario given in the IEA
World Energy Outlook 2016 (WEO 2016 [10]), are indicated once again by dotted and dashed lines
respectively from 2015 to 2035.
become negligible around 2030. Can W
Die Russen und die anderen Länder im Osten werden ihre Ölexporte nach Deutschland und in den Rest der EU drosseln müssen, weil die Liefermengen ihrer Ölfelder nachlassen, während zugleich der Energieverbrauch für die Energieproduktion und auch für die von dieser zu versorgende Heimische Wirtschaft wachsen wird.

Was bringen zusätzliche Abgaben auf CO2?

Zusätzliche Abgaben auf  CO2-Emissionen bedeuten zunächst, dass die Energie verteuert wird, ohne dass die Energieproduzenten damit höhere Preise erzielen. So gesehen wirken zusätzliche Abgaben auf  die CO2-Emissionen wie eine zusätzliche Verteuerung der Förderung von Gas, Öl und Kohle.

Da die fossilen Energieträger aber den mit sehr weitem Abstand größten Teil des gesamten Energieverbrauchs ausmachen, werden zusätzliche Abgaben auf CO2-Emissionen die Produktivität und den Wohlstand reduzieren, wie ich das mit dem Beispiel vom Kühemelken zu erklären versucht habe.

Wenn man die über die zusätzlichen CO2-Abgaben generierten Einnahmen an die ärmeren Teile der Bevölkerung verteilt, wird das diesen nichts nützen, weil vorher das Angebot an Waren und Dienstleistungen und auch die Produktivität gerade auch dieser Teile der Bevölkerung durch die zusätzlichen CO2-Abgaben reduziert wurde. Man betrachte auch dazu das Beispiel mit den drei Methoden des Kühemelkens.

Steigerung der Komplexität durch CO2-Bepreisung

Eine Bepreisung der CO2-Emissionen führt zu einer Steigerung der Komplexität und damit auch der Komplexitätskosten der Gesellschaft. Zu diesem Thema siehe Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen und Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter. Kann und will man sich das wirklich leisten, angesichts der in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts insbesondere auch aus deutscher und westeuropäischer Sicht zu erwartenden Veränderungen am Energiemarkt?

China und Indien, die Elefanten im Energieraum

Beim Thema CO2-Emissionen sollte man insbesondere auch an China und Indien denken. Auf Achgut.com ist dazu heute, am 11.5.2019,  eine sehr interessanter Artikel von Heinz Horeis erschienen: Die Halluzination vom Klima-Verbündeten China.

Zusammenfassung

Wirtschaftsleistung und Energieverbrauch sind in der Praxis, wenn man die Weltwirtschaft als Ganzes betrachtet, linear von einander abhängig. Der Energieverbrauch steigt und fällt ziemlich linear mit der Wirtschaftsleistung.

Wenn man konkrete Einzelfälle, wie die drei verschiedenen Systeme zum Kühemelken betrachtet, dann kann das Verhältnis von Geld und Energie für Überraschungen sorgen: Der Einsatz eines Melkautomaten, der 400 mal soviel mechanische Energie verbraucht wie das Melken von Hand führt bei einem bestimmten, niedrigen Energiepreis von 5 Cent /KWh  im obigen Beispiel  “nur” zu einer Verfünffachung des Ertrages. Bei einer Verdoppelung des Energiepreises auf 10 Cent ist der Ertrag des Melkens mit dieser teuren Maschine aber bereits geringer als beim keine Investitionen erfordernden Melken von Hand. Bei einer Verdreifachung des Energiepreises auf, für heutige deutsche Verhältnisse immer noch niedrige, 15 Cent / KWh ist der teure Melkautomat des obigen Beispiels nur noch Schrott, weil sein Betrieb pro Stunde mehr Verlust verursacht, wie beim Melken von Hand in 3 Stunden an Ertrag erwirtschaftet werden kann.

Die zur Zeit in Deutschland diskutierte  CO2-Bepreisung und auch die von der “Energiewende” verursachten Energiepreissteigerungen werden ähnlich wirken wie eine Energiepreissteigerung in dem Beispiel mit den drei Melkmethoden: Sie senken die Produktivität der Wirtschaft und damit auch die Kaufkraft der Bevölkerung. Eine Umverteilung der Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung kann diesen Effekt nicht verhindern.

Die in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu erwartenden Entwicklungen am Energiemarkt werden voraussichtlich zu einer massiven Schrumpfung der Wirtschaft in Deutschland und auch in den meisten anderen EU-Staaten führen. Dabei werden auch die CO2-Emissionen entsprechend sinken.  Die politische Diskussion würde sich besser auf die Suche nach Lösungen der wirklichen Probleme fokussieren, anstatt zum Beispiel mit einer CO2-Bepreisung die Zukunftschancen Deutschlands und Europas weiter zu ruinieren.

Auf www.freizahn.de kann man es übrigens auch eine ganze Reihe Problemlösungen zum Thema Klimaschutz finden. Als Einstieg könnte Wirksamer Klimaschutz ist Gemeinde- und Ländersache oder auch Anmerkungen zu einer grünen Wahlkampfveranstaltung für Landwirte dienen.

Kelberg, den 11. Mai 2019

Christoph Becker