Auf dem Michael-Mannheimer-Blog findet sich am 16.1.2016 ein Artikel mit der Überschrift: Deutsche Parteien stehen bei ihrer EU-Euphorie in der Tradition Hitlers. De facto sind sie dessen ideologische Nachfolger.
Der, wie ich meine sehr lesenswerte Artikel von Michael Mannheimer sollte die bisherigen Wähler von CDU, SPD und Grünen, nachdenklich stimmen.
Als Schäuble Ende 2015 eine europäische Armee vorgeschlagen hat, kamen mir auch gleich Assoziationen von Napoleons Grande Armée, mit der er 1812 Russland überfallen hat, und von der Waffen-SS, die anders als die Wehrmacht, letztlich auch eine internationale, europäische Truppe war. Ich habe zu diesen beiden Beispielen für europäische Streitkräfte gerade einmal etwas gründlicher recherchiert und staune. Das Ausmaß der Internationalität dieser beiden Streitkräfte war mir so bisher nicht bewusst. Hier einige Links
Ausländische Freiwillige der Waffen-SS
Es gab sogar ein französische SS-Division, nämlich die 33. Waffen-Grenadier-Division der SS „Charlemagne“.
Es gab zwei niederländische SS-Divisionen, nämlich die 23. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division „Nederland“ und die 34. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division „Landstorm Nederland“.
Es gab eine belgisch-wallonische SS-Division, nämlich die 28. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division „Wallonien“
Eine belgisch-flämische SS-Divisonen, nämlich die 27. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division „Langemarck“. Bei diesem Wikipedia-Artikel sind unten auf der Seite auch eine ganze Reihe anderer europäischer SS-Einheiten aufgeführt, es gab demnach z.B. eine ungarisch, lettische, estnische, galizische (= Ukrainische!), italienische, russische und eine weißrussische SS-Division.
Zur flämischen Waffen-SS siehe auch den Wikipedia-Artikel über die Flämische Legion.
Die andere große europäische Streitkraft, die auch in einem Angriffskrieg von einem Diktator eingesetzt wurde, war Napoleons Grande Armée:
- Kontingente der Rheinbundstaaten und „Fremdenregimenter“ der Grand Armée
- Truppen der Verbündeten der Grand Armée
Diese beiden großen historischen Beispiele für europäische Streitkräfte hatten gemeinsam, dass sie für Angriffskriege genutzt wurden, dass die Anführer die Lage falsch eingeschätzt haben und dass diese Streitkräfte und die europäischen Einigungsphantasien ihrer obersten Führer schrecklich gescheitert sind. Der Preis für die kleinen Leute, die gezwungenermaßen oder freiwillig bei diesen Unternehmen mitgemacht haben, war hoch und bitter.
Zum Thema Nazis und Muslimen: NS-Geschichte – Wie die Nazis den Islam vereinnahmen wollten.
Ein Problem, an dem die EU ebenso, wie ein mancher vielleicht heute vorschwebender europäisch-arabischer Superstaat ( Eurabien ), ganz grundsätzlich scheitern wird, bzw. würde, sind die steigenden Komplexitätskosten, die zusätzliche Energie kosten, die zunehmend teurer und knapper werden wird. Siehe das von mir übersetzte Interview mit Joseph Tainter über den Kollaps komplexer Gesellschaften und den Artikel Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen.
Jeremy Rifkin
Ein interessanter Ansatz, der dieses Dilemma auszuhebeln versucht, ist der von dem „Zukunftsökonom“ Jeremy Rifkin in dem Focus-Artikel über die dritte industrielle Revolution, vom 17.1.2016 geschilderte. Was diesen Artikel ganz besonders interessant macht ist der Umstand, dass Rifkin darin erzählt, dass Angela Merkel ihn gleich nach der Bundestagswahl 2005 eingeladen habe, weil sie nach Wegen gesucht habe, um mehr Jobs zu schaffen (schafft sie jetzt, indem sie uns diese „Bereicherungen“ massenhaft ins Land holt, die immerhin Arbeit machen, weil sie mehr kosten als sie leisten ). Rifkin gibt an, auch Manager sowie die EU-Kommission und die chinesische Regierung zu beraten.
Mir selbst erschienen die Argumente und das Weltbild von Jeremy Rifkins in dem Focus-Artikel ziemlich weltfremd, um nicht zu sagen irre. Er sagte z.B., vom Focus unwidersprochen:
Die USA hängen dagegen immer noch an fossilen Brennstoffen. Das Fracking hat diesen Trend sogar verstärkt. Deutschland ist längst auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbaren Energien. Das bedeutet null Grenzkosten – wie sollen die USA damit konkurrieren?
Das ist schlicht und ergreifend Blödsinn, wie die Fakten und Zahlen in meinem Artikel Energielage 2015/2016 zeigen. Deutschland hat 2015 gerade einmal 12,6 % seines Primärenergiebedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt. Wie ich dargelegt habe müssen, um diese 12,6 % überhaupt erzeugen zu können, erhebliche Mengen nicht erneuerbare fossile Energien für die Entwicklung, Herstellung, den Transport, die Installation, den Betrieb und später für den Rückbau der Einrichtungen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien aufgewendet werden. Außerdem ist der Primärenergieverbrauch in Deutschland in den 25 Jahren von 1990 bis 2015 nur um 7,8 %, also um 0,31 % pro Jahr zurückgegangen UND er steigt nun wieder dank der Flüchtlinge. Wenn vor diesem Hintergrund ein Berater der Bundeskanzlerin, des EU-Kommissionspräsidenten und der chinesischen Regierung behauptet, Deutschland sei längst auf dem Weg zu 100 % erneuerbaren Energien, dann ist das ein sehr beunruhigender Indikator für den von diesen Institutionen zu erwartenden Realitätssinn und damit auch für die Qualität von deren Politik.
Zu Jeremy Rifkin habe ich dann noch etwas gegoogelt, um herauszufinden wie andere das mit Rifkins Null-Grenzkosten und der ihm vorschwebenden 3. industriellen Revolution sehen. Dabei habe ich unter anderem den Artikel Zero Marginal Thinking: Jeremy Rifkin gets it all wrong [dt.: Null Grenzen Denkten: Jeremy Rifkin versteht es alles falsch] von Eric Raymond, vom 3.4.2014 gefunden. Raymond ist einer der führenden Autoren und Entwickler der Open Source Szene. Raymond verreisst darin Rifikins Buch The Zero Marginal Cost Society [dt. Die Null Grenzkostengesellschaft]. Dieser Artikel ist übrigens auch für jene interessant und vielleicht ernüchternd, die von dem sogenannten Commons-Konzept träumen.
James Howard Kunstler über Jeremy Rifkin in Piketty Dikitty Rikitty am 28.4.2014:
The techno-narcissist Jeremy Rifkins and Ray Kurzweils among us propound magical something-for-nothing workarounds for our predicament, but they are just blowing smoke up the collective fundament of a credulous ruling plutocracy. In fact, we’re faced with an unprecedented contraction of wealth, and a shocking loss of ability to produce new wealth. That‘s the real “game-changer,” not the delusions about shale oil and the robotic “industrial renaissance” and all the related fantasies circulating among a leadership that checked its brains at the Microsoft window.
Ein anderer irreführende Artikel des Focus, heute, am 17.1.2015, war Wegen des Iran-DealsÖlpreis im freien Fall: Benzin könnte bald nur noch einen Euro kosten. Ich habe mir gestern das schon im Nachtrag zu meinem Artikel Energielage 2015/2016 erwähnte Interview von Chris Martenson mit Arthur Berman: Why The Price Of Oil Must Rise – Why a supply shock is inevitable noch einmal angehört. Das Interview wäre als Lehrstück für Journalisten, die über Öl, Fracking usw. seriös berichten und nicht nur Werbebroschüren und Propaganda nachplappern wollen, gut geeignet. Davon abgesehen, es mag schon sein, dass der Ölpreis kurzzeitig noch weiter fällt. Aber Peak [cheap] Oil bleibt ein zentrales Problem, das dafür sorgen wird, dass die Zukunft der Menschen in den Industriestaaten nicht die sein wird, die diese sich in der Regel erhoffen und vorstellen. Der Ölpreis wird sehr sicher steigen, weil der derzeitige Preis für viele Unternehmen nicht kostendeckend ist. Um die nötige Fördermenge zu erhalten, muss ständig neu nach Öl gesucht werden und es müssen ständig neue Brunnen gebohrt und mit der nötigen Infrastruktur für den Abtransport des Öls versehen werden, um das Nachlassen der Fördermenge der bestehenden Anlagen auszugleichen. Momentan passiert das alles nicht mehr in der nötigen Menge. Wenn der Ölpreis steigt, weil das Öl-Angebot wieder knapper wird, dann wird es einige Zeit dauern, bis wieder genug neue Brunnen liefern. Außerdem ist es schon ganz real so, dass es immer schwieriger und teurer wird, neue Ölvorkommen zu finden und zu nutzen.
Viele enthusiastisch als Rettung unseres ölabhängigen Lebensstils gefeierte Ölvorkommen sind im Übrigen nicht oder nur mit sehr hohen Kosten nutzbar zu machen.
Kelberg, den 17.1.2015 Christoph Becker
Leider haben, wie ich gleich erläutern werde, aus meiner Sicht weder Herr Rifkin noch du das Konzept der Genzkosten voll durchdrungen.
Wenn Herr Rifkin über die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften spricht, dann geht es um die Gesamtkosten der im Produkt enthaltenen Energie. Letztendlich müssen die Verbraucher in der Volkswirtschaft irgendwie alle Stromgestehungskosten (Investition, Unterhalt, Rückbau) decken, über welche konkreten Preis- oder Umlagenmodelle dies geschieht, ist egal. Daher sind Erneuerbare in einer Vollkostenrechung nicht per se günstiger oder teurer.
Die Grenzkosten hingegen sind die Kosten für das Herstellen einer weiteren Einheit. Wer eine Solarzelle auf dem Dach hat oder aber ein Kohlekraftwerk besitzt muss permanent überlegen, ob zu einem gegebenen Zeitpunkt dieses eingeschaltet wird um Strom zu generieren. Alle Kosten für Solarzellen (Investition, Wartung etc.) sind unabhängig davon ob diese läuft. Eine Solarzelle wird bei Sonne immer genutzt, weil sie nicht zu nutzen keine Kosten sparen würde. Ein Kohlekraft nicht zu nutzen spart hingegen Brennstoffkosten usw.
Daher gehen die Grenzkosten von Erneuerbaren tatsächlich gegen Null. Trotzdem muss der Strompreis an genügend vielen Tagen ausreichend hoch sein, damit der Strommüller oder Solarzeller in einer Mischkalkulation insgesamt Gewinn erwirtschaftet. Sie werden also die geringen Grenzkosten nicht an den Verbraucher weiterreichen, sondern dafür nutzen, ihre Investition zu refinanzieren. Die Grenzkosten spielen eine Rolle, wenn man nicht Volkswirtschaften betrachtet sondern verschiedene Erzeuger von Elektrizität im gleichen Netz. Dort wird immer der Hersteller mit geringeren Grenzkosten seinen Wettbewerber aus dem Markt drängen (Merit-Order-Effekt). Dies ist am deutschen Strommarkt seit einiger Zeit auch zu beobachten.
Herr Rifkin zieht also die Grenzkosten für etwas zur Rate, für das eigentlich die Gesamtkosten relevant sind während du zwar richtig argumentierst, dass die Gesamtkosten für Erneuerbare nicht gegen Null gehen können, dies aber eben nicht für die Grenzkosten gilt. Daher meine obige Behauptung, dass Sie beide da Grenzkostenkonzept nicht voll durchdrungen haben und stattdessen diese mit den Gesamtkosten vermischen. Richtig ist indes ihr Schluss, dass die Gesamtkosten nun mal entstehen und Strom nicht dauerhaft verschenkt wird.
Zwei entscheidende Vorteile im internationalen Wettbewerb bieten die erneuerbaren Energien Deutschland jedoch, der nichts mit den absoluten Stromgestehungskosten zu tun haben: Preisstabilität und Versorgungssicherheit. Der größte Kostenanteil bei Wind und Sonne sind die Anfangsinvestitionen. Es gibt – im Gegensatz zu Kohle oder Öl – keine Abhängigkeiten von schwankenden Weltmarkpreisen. Eine Volkswirtschaft, die ihren Energiebedarf zu großen Teilen aus Erneuerbaren innerhalb der eigenen Landesfläche decken kann, immunisiert sich sowohl gegen Preisvolatilitäten am Weltmarkt als auch gegen Versorgungsengpässe aufgrund von geopolitischen Ereignissen. Beides erhöht die Resilienz eines Landes enorm. Ob auf dieses Weise unser gewohnter Energiekonsum langfristig aufrechterhalten werden kann, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.
Zum Preisverfall bei Erneuerbaren habe ich in meinem Blog etwas geschrieben.
https://deedlsblog.wordpress.com/2014/03/14/tipping-points-17963969/
Was die fehlende Betrachtung des Themas Stromerzeugung vs. Gesamtenergieverbrauch angeht bin ich im Wesentlichen Ihrer Meinung,
https://deedlsblog.wordpress.com/2013/05/19/halbe-energiewende-16021030/
genauso beim Thema Energieintensität von jeglicher wirtschaftlicher Aktivität.
https://deedlsblog.wordpress.com/2013/08/15/endlichkeit-welt-16314014/