Bürokratischer Wahnsinn, frei ab 18

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Vorhin hat meine Frau eine DVD über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer für mich in Empfang genommen, bei der der Fahrer des Paketdienstes süffisant grinsend das Alter des Empfängers dahingehend prüfen musste, dass dieser über 18 ist. Meine Frau meinte “was hast Du denn da bestellt ?” Der Titel dieser nach dem Gesetz nicht jugendfreien DVD lautet Holzer’sche Permakultur: Wüste oder Paradies? Über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer in aller Welt.. Amazon.de macht darauf aufmerksam, dass die DVD per   “Spezialversand für Artikel ohne Jugendfreigabe.” erfolgt.

Die Beschreibung der DVD bei Amazon:

Über die ökologische Renaturierungsarbeit von Sepp Holzer in aller Welt. Sepp Holzer, “Agrar-Rebell” und ökologischer Visionär aus den österreichischen Alpen, lernte schon als Kind von der Natur. Als er mit 19 Jahren den elterlichen Krameterhof übernahm, machte er aus dem kargen Bergbauernhof ein ertragreiches Naturparadies mit vielfältigen Wildniskulturen. Seit Jahren berät er Landbesitzer, Bauern, Professoren und Siedlungsprojekte in Russland, USA, Südeuropa und anderen Regionen bei der Renaturierung von Grundstücken mit “Holzer´scher Permakultur” und beim Aufbau essbarer Landschaften. Der Film zeigt vor allem die Arbeit mit Wasser und den Aufbau von Wasserlandschaften, Seen und Teichen. “Wenn der Wasserhaushalt in Ordnung gebracht ist, ist 70 % der Arbeit getan, denn die Erdoberfläche und auch der Mensch besteht zu 70% aus Wasser”, sagt Sepp Holzer.

Warum muss man beim Empfang dieser DVD nachweisen, dass man über 18 Jahre alt ist? Vermutlich weil Sepp Holzer die DVD selbst vertreibt und sich die Kosten für das Verfahren der Jugendfreigabe gespart hat.

Obwohl, nachdem ich mir die DVD angesehen habe, kann ich mir – spöttisch-ironisch betrachtet –  schon vorstellen, dass manch einer  diese DVD als “nicht hilfreich” einstufen könnte, etwa weil Kinder, Jugendliche und noch nicht perfekt angepasste Erwachsene “dumme” Fragen stellen könnten, wenn sie die DVD sehen.

Die DVD zeigt jedenfalls etliche Unerhörtheiten. Holzer läßt teilweise mit schweren Baumaschinen die Landschaft gezielt umgestalten.  Was er macht, oder machen lässt, ist  oft zunächst kreative Zerstörung des Bestehenden. Er lässt unter anderem gezielt Tümpel, Teiche, kleine Seen und Terrassen anlegen wo vorher keine waren. Er lässt tatsächlich, selbst in Afrika und Russland,  blühende und fruchtbare Landschaften und Artenvielfalt  entstehen, wo vorher keine waren.  Weil er dafür ganz selbstverständlich auch schwere Maschinen einsetzt, ist Sepp Holzer  auch einer, der fossile Energieträger nutzt um die Fruchtbarkeit des Bodens zu verbessern.

Wenn ich an die Bauernversammlung meines Landkreises denke, die ich im März 2015 besucht habe, dann dürfte das Prinzip und die Vielfalt der von Sepp Holzer empfohlenen Anpflanzungen der maximale Horror aller mit der Verwaltung und Verteilung landwirtschaftlicher Fördergelder befassten Bürokraten und Kontrolleure sein. Das fängt mit der Vermessung der unegalen, kurvenreichen Strukturen an und endet mit der notorischen Nichteinhaltung der Vorgabe, dass jeweils mindestens 300 qm mit der gleichen Pflanze bepflanzt werden müssen.  Auch kann ich mir vorstellen, dass manche “Naturschützer” in Deutschland  zunächst vor Wut schäumen, wenn jemand sich erdreistet, derart die Landschaft und Lebensräume zu “zerstören” – zumindest, wenn und solange sie Holzers Resultate nicht gesehen haben.

Als ich mich neulich mit einem Kleinbauern aus meiner Gegend über Sepp Holzers Empfehlung Teiche und Tümpel an zu legen unterhalten habe, war die Antwort, das könne man sich in unserer Gegend abschminken.  Neue Teiche und Tümpel würden nicht genehmigt. Einfach illegal welche anlegen ginge wegen der lückenlosen Luftaufklärung auch nicht. Damit die Angaben zum Erhalt von EU-Fördermitteln überprüft werden können, hat der Staat nämlich Karten im Maßstab 1:2500 die mit Luftbildern abgeglichen werden. Auf diesen Karten fällt selbst ein  kleiner Tümpel auf.

Anderseits erfüllt Holzers Art der Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung die grundlegenden Zielvorgaben, der  Naturschutzgesetze und auch der Agrarförderung. Der tiefere Sinn der neuen EU-Agrarförderung kam auf der oben erwähnten Bauernversammlung vor lauter bürokratischem und formalistischem Gestrüpp zwar nicht zur Sprache, aber je mehr ich darüber nachdenke und je mehr ich die Art der Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung von Sepp Holzer verstehe, um so mehr meine ich, dass Holzers  Methode das, was die EU-Beamten und auch die Naturschützer eigentlich wollen – oder zu wollen vorgeben – maximal verwirklicht. Und doch kann man ziemlich sicher sein, dass die mit dem Naturschutz, der Landwirtschaft  und dem Wasserrecht befassten Behörden und Verbände  in der Praxis von den meisten Landwirten, die vielleicht Holzers Methoden umsetzen wollen, als  unüberwindliche Hindernisse wahrgenommen werden. Eigentlich meinen es alle gut und wollen nur das Beste. Aber es funktioniert nicht. Oft wird in der das Gegenteil von dem bewirkt, was  bezweckt wurde.

Wenn Kinder und Jugendliche diese DVD sehen und dann ihre Eltern und Lehrer fragen und wahre  Antworten bekommen, könnten sie  daher zu der Meinung kommen, dass unser Staat und unsere Demokratie versagen und, dass die Politiker und Beamten der EU und auch der Bundesrepublik keinen Respekt verdienen, weil sie in für das Überleben und die Zukunftsfähigkeit des Landes essentiellen Dingen versagen und das Falsche tun. Tatsächlich sagt Holzer gegen Ende seiner DVD, dass vom Staat und von den Politikern vorerst keine Hilfe zu erwarten sei.  In seinem Buch “Der Agrar-Rebell” kann man nachlesen, wie und warum er zu dieser Meinung gekommen ist. Insofern ist es vielleicht schon korrekt, dass diese DVD über Sepp Holzers Permakultur nur an Personen über 18 Jahre verkauft werden darf.  Anderseits kann diese DVD zum Nachdenken anregen und vielleicht zu dem einen oder anderen sinnvollen Projekt führen.

Nachtrag:

Im Internet kursiert auch heftige Kritik an Sepp Holzer. Siehe dazu den Wikipediaeintrag über Sepp Holzer und das Buch Bittere Ernte von Frau Gertrud Barrada sowie deren Internetseite jena-hof.at.  Das Buch habe ich noch nicht gelesen, wohl aber habe ich mir die Internetseite von Frau Barrada gut angesehen. Mein Fazit: Da hat mal wieder eine “erfolgreiche” [Geschäfts]Frau” “Madame” gespielt und ist dabei grandios gescheitert, weil sie keine Ahnung von den technischen Details und der handwerklichen Praxis hatte. Mir fallen dazu auch andere Beispiele aus anderen Bereichen ein. Insofern kann man auch zu dem Schluss kommen, dass die Bücher und DVDs von Sepp Holzer tatsächlich nur etwas für Erwachsene sind. Ich selber lese die Bücher von Sepp Holzer – soweit ich sie nicht schon gelesen habe -, aber ich lese  auch eine ganze Reihe andere Bücher bzw. habe diese gelesen, wie z.B. auch How to Grow More Vegetables von John Jeavons, Building Soils for Better Crops von Fred Magdoff und Harold von Es, Restoration Agriculture von Mark Shepard,  Water for Every Farm – Yeomans Keyline Plan von P.A. Yeomans, 4000 Jahre Landbau in China, Korea und Japan von F.H. King, und  Tree Crops: A Permanent Agriculture (Conservation Classics) von von J. Russell Smith. Dazu sehe ich mir verschiedene reale Projekte, wie auch den Holzerschen Krameterhof an, und dann, mit dem theoretischen Hintergrund und den praktischen Vorbildern im Kopf, denke ich selbst nach, mache selbst gezielte Versuche  und setze dann selbst ein Projekt mit einem konkreten Ziel um1  Sepp Holzers Bücher, Erfahrungen und DVDs sind dabei also nur eine Quelle von vielen. Vor einem breiteren Hintergrund ist Sepp Holzers Werks sicherlich ein sehr wertvoller Beitrag.

Wenn ich mir die massiven Erdarbeiten ansehe, die Sepp Holzer auf der DVD im Rahmen seiner Projekte zeigt  und die Geschichte von  Frau Barrada lese, dann frage ich mich allerdings auch nach der Rolle der Ingenieure. Wer mit Baggern an Hängen große Erdarbeiten durchführt oder Dämme für Teiche und Seen baut, sollte schon mit den lokalen geologischen Verhältnissen, Witterungseinflüssen und der Bodenmechanik sehr gut vertraut sein, oder/und einen oder bei potentiell sehr gefährlichen Projekten auch mehrere entsprechend spezialisierte Ingenieure zu Rate ziehen. Auch sollte es im Voraus von solchen Ingenieuren abgesegnete Pläne der durchzuführenden Erdarbeiten geben,  an die sich der Bauunternehmer bzw. die Baumaschinenführer strikt zu halten haben, und deren Einhaltung überwacht wird. Wenn die Pläne warum auch immer nicht eingehalten wurden, müssen entsprechende Untersuchungen und Berechnungen durchführt und ggf. nachgebessert werden.  Wenn man, wie Frau Berada, von Tiefbau keine Ahnung hat, dann muss man eben ein Ingenieurbüro beauftragen, das über die nötige Qualifikation und auch über eine entsprechende Haftpflichtversicherung verfügt, um die geplanten Erdarbeiten prüfen und ggf. optimieren zu lassen.

Ich finde, dass die schlechte Erfahrung dieser Frau Barada mit Herrn Holzer keinesfalls den grundsätzlichen Wert seiner Erfahrung, seiner Bücher und DVDs schmälert, sondern nur einmal mehr zu dem ermahnt was Holzer selber predigt, und was eben nicht nur für Pflanzen und Tierhaltung in der  Landwirtschaft, sondern auch für das Denken und Informieren gilt: Monokultur vermeiden und die Vorteile der Vielfalt nutzen2

Kelberg, den 29. 4. 2015 Christoph Becker

 


  1. Bei mir ist das Ziel:  Herausfinden und zeigen, wie man auch in einer früher, und wenn man nichts tut auch in Zukunft wieder, sehr armen, relativ unfruchtbaren Gegend wie der Eifel nach dem Ende des Ölzeitalters und selbst bei einem langfristigen Totalausfall der Stromversorgung und Elektronik, wie er bei einem EMP-Angriff oder einem schweren Sonnensturm zu erwarten ist,  genug Lebensmittel produzieren und eine gute Bodenqualität erreichen und erhalten und dabei nebenher auch auch die Menge des im Boden und in Pflanzen gespeicherten Kohlenstoffes steigern kann.  

  2. Vielfalt,  Diversität und Buntheit sind heute leider auch Begriffe, die oft gedankenlos von Leuten benutzt und missbraucht werden, die selber eine extreme intellektuelle Monokultur pflegen, in der nur noch gedacht und gesagt werden und wahr sein darf, was gerade als und politisch korrekt gilt.   

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3Westbach51
3Westbach51
24. September 2015 11:03

Ein anderer bürokratischer Wahnsinn, der sich real im Sommer 2015 zugetragen hat:
Ein erfahrener Jäger wird in einem deutschen Bundesland beim jagdsportlichen Schießen Landesmeister und gewinnt damit den 1. Preis , der in diesem Fall das Recht einen Hirsch (im Staatsforst?) zu schießen war. Damit er den Hirsch aber auch wirklich schießen darf, hat die Dienststelle in die den Abschuss in eben diesem Bundesland, freigeben muss dann aber einen Schießnachweis verlangt. D.h. da verlangt ein Beamter von dem gerade als den von allen schießsportlich interessierten Jägern dieses Bundeslandes nachweislich am besten schießenden Jäger den Nachweis, dass er mindestens ausreichend gut schießen kann, damit er den Preis den er mit seinem praktischen Schießnachweis gewonnen hat auch einlösen kann.
Auf der anderen Seite ist ebenfalls im Sommer 2015 die staatlichen Verwaltung Deutschlands derart zusammengebrochen, dass man massenhaft “Flüchtlinge” ohne jede Grenzkontrolle und Registrierung, oder auch welche mit falschen Pässen ins Land gelassen hat, obwohl es sich dabei durchaus auch um einsickernde Terroristen oder auch um reguläre, feindliche Soldaten und Spione in Zivil handeln könnte (siehe “Operation Troja, Fall Grün in http://www.freizahn.de/2015/09/offener-brief-an-klagemauer-tv/ )