Was ist ein Intellectual Yet Idiot (IYI) nach Taleb?

Lesedauer 8 Minuten
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Auf der Suche nach der Definition des Begriffes ‚Intellektuell Yet Idiot‘ (IYI), der mir erstmals im Rahmen von J.H. Kunstlers Blogbeitrag A Hole in the Head (dt. Ein Loch im Kopf), am 27. Februar 2017, begegnet ist,  habe ich im Internet einen Auszug aus Nassim Nicholas Talebs  für Oktober 2017 angekündigten Buch Skin in the Game: The Thrills and Logic of Risk Taking (dt: Haut im Spiel: Der Reiz und die Logik des Eingehens von Risiken), mit der Überschrift The  Intellectual-Yet-Idiot (IYI) (dt.:  Der Intellektuelle-dennoch-Idiot (IdI)) gefunden, auf den dieser Begriff zurückgeht. Das von Taleb beschriebene Phänomen ist ein auch in Deutschland und in der EU verbreitetes Problem, weshalb ich eine deutsche Übersetzung angefertigt habe. Die Diskussion über dieses Phänomens, seines psychologischen Hintergrundes und seiner Auswirkungen in Deutschland und Europa wäre hier zu umfangreich und ist daher mindestens einen weiteren, eigenen  Blogbeitrag wert, weshalb ich mich in diesem Beitrag hier auf die Übersetzung beschränkt habe.

Ein ausführliches Interview des deutschsprachigen Schweizer Rundfunks im Rahmen von dessen Sendereihe Sternstunden der Philosophie, mit Herrn Taleb, hatte ich in meinem Blogbeitrag Truthahn, schwarzer Schwan, Drachenkönig und Phönix eingebunden.

Die Adresse der Internetseite von Herrn Taleb lautet: http://fooledbyrandomness.com/. Er hat dort  eine eigene Seite für sein neues Buch Skin in the Game, wo man zur Zeit (3. März 2017) einige Kapitel vorab lesen und kommentieren kann: http://fooledbyrandomness.com/SITG.html

Hier nun meine vollständige Übersetzung von  Nassim Nicholas Talebs  englischsprachiger Definition  des Intellektuellen-dennoch-Idioten , vom 16. September 2016, einschließlich Talebs Nachbemerkungen, von denen er eine nach der Wahl  Donald Trumps   hinzugefügt hat. Viel Spaß und bitte beachten, dass es sich hier um eine Mischung von Satire und Realitätsbeschreibung handelt.

Der Intellektuelle-dennoch-Idiot (IdI)

Was wir weltweit von Indien bis zum vereinigten Königreich bis zu den USA gesehen haben, ist eine Rebellion gegen die inneren Kreise der no-skin-in-the-game, also der die eigene Haut nicht risikierenden, politikmachenden Schreiberlinge und  Insiderjournalisten, diese Klasse paternalistischer halbintellektueller Experten mit etwas Ivy League 1,  Oxford Cambridge, oder ähnlicher markengetriebener  Bildung, die dem Rest von uns erzählen 1) was wir tun sollen 2)  was wir essen sollen 3)  wie wir sprechen sollen 4)  wie wir denken sollen … und 5)  wen wir wählen sollen.

Aber das Problem ist das des Einäugigen, der dem Blinden folgt: diese selbstbeschreibenden Mitglieder der „Intelligenzija“ können keine Kokosnuss auf der Kokosnussinsel finden, was bedeutet, dass sie nicht intelligent genug sind, um Intelligenz zu definieren und daher in Zirkelschlüsse verfallen – ihre Hauptfertigkeit besteht in der Fähigkeit Examen zu bestehen, bei denen die Fragen von Leuten wie ihresgleichen gestellt werden. Mit psychologischen Studien, die weniger als 40 % replizieren,   Ernährungsratschlägen, die nach 30 Jahren Fettphobie in ihr Gegenteil umgewandelt werden, makroökonomischen Analysen, die schlechter funktionieren als Astrologie, die Ernennung von Bernanke, der im Bezug auf Risiken weniger als ahnungslos war, und pharmazeutische Versuche, die bestenfalls in einem Drittel der Fälle replizieren, sind die Leute perfekt berechtigt, sich auf ihren eigenen ererbten Instinkt zu verlassen und auf ihre Großmütter zu hören (oder auf Montaigne und solches gefiltertes klassisches Wissen), die eine bessere Erfolgsgeschichte haben als diese politikmachenden Trottel.

In der Tat kann man sehen, dass diese akademischen Bürokraten, die sich berechtigt fühlen unsere Leben zu steuern, nicht einmal gründlich sind, weder im Umgang mit medizinischer Statistik noch wenn sie Politik machen. Sie können Wissenschaft nicht von Szientismus2 unterscheiden – faktisch sieht Szientismus in ihren bildorientierten Geistern  mehr wie Wissenschaft aus als die reale Wissenschaft. (Zum Beispiel ist es trivial, das Folgende zu zeigen: Vieles von dem, was die Cass-Sunstein-Richard-Thaler-Typen – diejenigen, die uns zu bestimmten Verhaltensweisen  bringen wollen  (engl. nudge, siehe dazu den Wikipediaeintrag zu „nudge“: https://de.wikipedia.org/wiki/Nudge)  – vieles von dem, was sie als „rational“ oder „irrational“ klassifizieren (oder einige Kategorien, die Abweichungen von einem erwünschten oder vorgeschriebenen Protokoll indizieren) hat seine Ursache in deren Missverständnis der Wahrscheinlichkeitstheorie und in kosmetischer Benutzung von Modellen der ersten Ordnung.) Sie sind ebenfalls anfällig dafür, das Ganze für eine lineare Ansammlung seiner Komponenten zu halten, wie wir in dem Kapitel über die Ausdehnung der Minderheitenregel sehen werden.

Der Intellektuelle-dennoch-Idiot ist ein Produkt der Modernität. Daher hat sich sein Auftreten seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beschleunigt, um sein lokales Maximum heute zu erreichen, zusammen mit einer breiten Kategorie von Menschen „ohne-Haut-im-Spiel“, die in viele Bereiche des Lebens eingedrungen sind. Warum? Ganz einfach, weil die Rolle der Regierung in den meisten Ländern das fünf- bis zehnfache dessen ist, was sie vor hundert Jahren war (Ausgedrückt in Prozent des Bruttoinlandsproduktes). Der Intellektuelle-dennoch-Idiot scheint allgegenwärtig in unserem Leben zu sein, aber es ist nur eine kleine Minderheit und man sieht ihn selten außerhalb spezieller Outlets, Denkfabriken, Medien und Universitäten – die meisten Leute haben anständige Jobs und es gibt nicht viele offene Stellen für Intellektuelle-Trotzdem-Idioten.

Man hüte sich vor Halbgebildeten, die meinen sie wären Gebildete. Sie  schaffen es von Natur aus nicht, Trugschlüsse zu erkennen.

Der IdI pathologisiert andere, weil sie Dinge tun, die er nicht versteht ohne sich jemals zu realisieren, dass es sein Verständnis ist, das begrenzt sein könnte. Er denkt, Leute sollten nach ihren besten Interessen handeln und er kennt ihre Interessen, besonders wenn sie „red Necks“3 sind oder Engländer, die die Vokale nicht klar aussprechen und für den Brexit gestimmt haben. Wenn einfache Leute etwas tun, was für sie Sinn macht, aber nicht für ihn, dann benutzt der IdI den Begriff „ungebildet“. Was wir generell als Teilnahme am politischen Prozess bezeichnen, das unterscheidet er in zwei bestimmte Begriffe „Demokratie“ wenn es dem IdI passt, und „Populismus“ wenn die einfachen Leute es wagen, auf eine Weise zu wählen, die seinen Vorlieben nicht entspricht. Während reiche Leute an „ein Dollar, eine Stimme glauben“, mehr humanistischere an „ein Mann eine Stimme“, Monsanto an „ein Lobbyist eine Stimme“, glaubt der IdI an „ein Ivy League Diplom eine Stimme“, mit einigen Äquivalenten für ausländische Eliteschulen und Doktortitel soweit diese im Club gebraucht werden.

Mehr gesellschaftlich, der IdI  abonniert The New Yorker. Er flucht nie auf Twitter. Er spricht über „Rassengleichheit“ und „wirtschaftliche Gleichheit“ aber er geht nie aus, um mit einem Taxifahrer, der einer Minderheit angehört zu trinken (noch einmal, keine echte Haut im Spiel als Konzept ist für den IdI fremd). Die IdIs im vereinigten Königreich haben eine Tour mit Tony Blair genommen. Der moderne IdI hat mehr als einem TEDx Talk persönlich beigewohnt oder mehr als zwei TED Talks auf YouTube gesehen. Er stimmte nur für Hillary Monsanto-Malmaison,4  weil sie wählbar scheint und einige solcher Zirkelschlussüberlegungen, aber er hält jeden für geistig krank, der nicht genauso wählt wie er.

Der IdI hat ein Exemplar der ersten gebundenen Ausgabe von Der schwarze Schwan in seinem Bücherregal, aber verwechselt Abwesenheit von Evidenz mit Evidenz für Abwesenheit. Er glaubt dass genmanipulierte Organismen „Wissenschaft“ sind, und dass die „Technologie“ sich nicht von konventioneller Zucht unterscheidet, was an seiner Bereitschaft liegt, Wissenschaft mit Szientismus zu verwechseln.

Typischerweise versteht der IdI  die Logik der ersten Ordnung richtig, nicht aber die Auswirkungen der zweiten oder einer höheren Ordnung,  was ihn für komplexe Bereiche völlig inkompetent macht.  Im Komfort seines Vorstadthauses mit Garage für zwei Autos hat er die „Beseitigung“ von Gaddafi empfohlen, weil dieser ein „Diktator“ war,  wobei er nicht realisiert hat, dass Beseitigungen Konsequenzen haben (man erinnere sich dass er keine  Haut im Spiel hat und nicht für die Resultate bezahlt).

Der IdI  hat sich historisch geirrt im Bezug auf den  Stalinismus, Maoismus,  genmanipulierte Organismen, Irak, Libyen, Syrien, Lobotomien, Stadtplanung, Diäten mit wenig Kohlenhydraten, Fettsäuren, Freudianismus,  Portfoliotheorie, lineare Regression, Gaussianismus, Salafismus, dynamisch-stochastischer Gleichgewichtsmodelierung, Wohnprojekten, Selbstsüchtigen Genen, Wahlvorhersagemodellen, Bernie Madoff (bevor er hochging) und p-Werten. Aber er ist überzeugt, dass seine gegenwärtige Position richtig ist.

Der IdI  ist Mitglied in einem Club um Reiseprivilegien zu bekommen; wenn er Sozialwissenschaftler ist, benutzt er Statistiken ohne zu wissen, wie sie abgeleitet wurden (Wie Steven Pinker und Psycholophaster  im allgemeinen) ; wenn er im vereinigten Königreich ist, besucht der Literaturfestivals;  er trinkt roten  Wein zu Steak (niemals Weißen); er glaubte, dass Fett schädlich war und hat seine Meinung diesbezüglich nun in das Gegenteil verwandelt; er nimmt Statin,  (Cholesterinsynthesehemmer) weil sein Arzt ihm gesagt hat er soll es tun, es gelingt ihm nicht  Ergodizität zu verstehen und wenn sie ihm erklärt wird, vergisst er es wenig später; er benutzt keine Jiddischen Wörter, selbst wenn er es ernst meint; er studiert Grammatik, bevor er eine Sprache lernt; er hat einen Cousin, der mit jemandem arbeitet, der die Königin kennt; er hat nie Frederic Dart, Libanius Antiochus, Michael Oakshot, John Gray, Aminanus Marcellinus, Ibn Battuta, Saadiah Gaon oder Joseph De Maistre gelesen; er hat sich nie zusammen mit Russen  besoffen; er hat sich nie bis zu dem Punkt betrunken wo man anfängt, Gläser zu zerbrechen (oder, vorzugsweise, Stühle); erkennt nicht einmal den Unterschied zwischen Hecate und Hecuba (was auf Brooklynesisch „kann Sch…e nicht von Schuhcreme unterscheiden“ heißt); er weiß nicht was der Unterschied zwischen „pseudointellektuell“ und „intellektuell“   in der Abwesenheit von eigener Haut im Spiel ist; er hat Quantenmechanik in den letzten fünf Jahren mindestens zweimal in Konversationen gebraucht, die nichts mit Physik zu tun haben.

Er weiß zu jeder Zeit was seine Worte oder Aktionen für seine Reputation tun.

Aber es gibt ein sehr viel einfacheres Erkennungszeichen: Er macht nicht einmal Gewichtheben.

Postscript
Aus den Reaktionen zu diesem Stück habe ich entdeckt, dass der IdI,  wenn er liest, Schwierigkeiten damit hat, zwischen Satire und buchstäblich zu unterscheiden.

PostPostscript
Der IdI denkt, dass diese Kritik der IdIs  „jedermann ist ein Idiot“  bedeutet. Er realisiert dabei nicht,  dass seine Gruppe, wie wir gesagt haben, eine winzige Minderheit ist – aber sie mögen es nicht,  wenn ihr Gefühl der Berechtigung angegriffen wird.  Obwohl sie den Rest der Menschen als minderwertig behandeln, mögen sie es nicht, wenn der Wasserschlauch in die entgegengesetzte Richtung gedreht wird ( was die Franzosen arroseur arrosé nennen). ( zum Beispiel, Richard Thaler, Partner des gefährlichen GMO-Advokaten Übernudger Cass Sunstein,  interpretierte dieses Stück in dem er sagte „es gibt nicht viele Nichtidioten die nicht Taleb heißen“, wobei er nicht realisierte, dass Leute wie er weniger als ein Prozent oder sogar nur 0,1 Prozent der Bevölkerung ausmachen )

Post-Post Postscript
(geschrieben nach der Überraschungswahl 2016, das Kapitel oben wurde mehrere Monate vor diesem Ereignis geschrieben worden). Die Wahl Trumps war so absurd für sie und passte in einem so hohen Maße nicht in ihr Weltbild, dass es ihnen nicht gelang, in ihren Lehrbüchern Anweisungen zu finden, wie sie darauf reagieren sollten. Es war genau wie bei „Mit versteckter Kamera“. Man stelle sich den typischen Ausdruck von jemandes Gesicht vor, mit dem sie einen Schabernack getrieben haben, wenn die Person nicht weiß, wie sie reagieren soll.

Oder, noch interessanter, man stelle sich den Ausdruck und die Reaktion von jemandem vor, der dachte, dass er glücklich verheiratet sei und außerplanmäßig nach Hause kommt und seine Frau im Bett mit einem in (sehr großen) Türsteher kreischen hört.

So ziemlich alles was Vorhersager, Untervorhersager, Supervorhersager, politische „Wissenschaftler“, Psychologen, Intellektuelle, Wahlkämpfer, „Berater“, Big Data Wissenschaftler wussten, wurde schlagartig als Falschmeldung vorgeführt. So wurde mein boshafter Traum jemandem eine Ratte ins Hemd zu setzen ( wie ich es in Der Schwarze Schwan ausgedrückt habe) plötzlich wahr.

Anmerkung: dieses Stück kann von jedermann reproduziert übersetzt und publiziert werden, vorausgesetzt es wird es in seiner Gesamtheit und es wird erwähnt dass es aus Skin in the Game entnommen wurde.

Publikationen, die meine Arbeiten nicht ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung publizieren dürfen: Huffington Post (alle Sprachen).

Deutsche Übersetzung:

Kelberg, den 2. März 2017

Christoph Becker, www.freizahn.de

 


  1. Gruppe von acht Universitäten: Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth, Harvard, Princeton, Pennsylvania und Yale. Die acht Ivy-League-Universitäten werden als einige der prestigeträchtigsten Universitäten der Welt angesehen  

  2. Anm. d. Übers.: das Englische Wort ist ’scientism‘. Der  deutsche Wikipediaeintrag zu Szientismus scheint mir zu positiv.  Taleb meint wohl den bornierten ’scientism‘, den Austin L. Huges, Prof. f. biologische Wissenschaften an der Universitität South Carolina, im Herbst 2012 in seinem Artikel The Folly of Scientism  veröffentlicht hat.  Zitat aus dem Fazit von Huges, zusammenfassend:

    Im Gegensatz zur rationalen Vernunft ist die Charakteristik des Aberglaubens das sture Bestehen darauf, dass etwas  – ein Fetisch, ein Amulett, ein Haufen Tarotkarten – Kräfte hat, die durch keine Evidenz unterstützt werden. Aus dieser Perspektive scheint der Szientismus  soviel mit dem Aberglauben gemeinsam zu haben, wie er mit korrekt durchgeführter wissenschaftlicher Forschung gemeinsam hat. Szientismus behauptet, dass die Wissenschaft bereits Fragen gelöst hat, die von Natur aus jenseits ihrer Fähigkeit eine Antwort zu finden, liegen. 

    Von allen Ticks und Eigenheiten in der langen Geschichte menschlicher Leichtgläubigkeit ist der Szientismus unter den gefährlicheren, sowohl weil er behauptet, etwas sehr viel anderes zu sein als  er wirklich ist, als auch weil er eine weit verbreitete unkritische Anhängerschaft gefunden hat. Weiteres Bestehen auf der universellen Kompetenz der Wissenschaft wird nur dazu dienen, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft insgesamt zu unterminieren.   

  3. amerikanische Arbeiterklasse oder in Deutschland auch das Pack 

  4. Malmaison heißt schlechtes Haus, siehe aber auch https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Malmaison 

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christoph
christoph
15. Januar 2019 16:13

Nun, was hier beschrieben wird ist, einfach ausgedrückt, der Unterschied zwischen Intelligenz, Wissen und Verstand beim Menschen.

Die meisten verwenden diese Worte synonym. Das ist jedoch falsch.

Intelligenz ist das geistige Potenzial in einer gewissen kognitiven Disziplin, d.h. Kombinationsfähigkeit, Merkfähigkeit, Auffasungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Kreativität, Planungsvermögen, etc. .

Wissen (Fachwissen oder Allgemeinwissen) ist schlicht der Fundus an Informationen und Erfahrungeswerten, welche ein Mensch gesammelt hat und Ihm zur Verfügung steht.

Verstand ist die Fähigkeit zu verstehen, Schlussfolgerungen zu ziehen, zu urteilen oder – salopp gesagt – einfach richtig und logisch (objektiv) zu denken und sich dabei selbst von Subjektivitäten möglichst frei zu machen. Wohl die wichtigste aber auch seltendste Fähigkeit´unter diesen drei.

Zweifellos beeinflussen sich alle drei in gewisser Weise untereinander. Mit Viel Wissen kann ich sicher auch besser urteilen als ohne Wissen über die zu beurteilenden Zustände. Dennoch ist es zu unterscheiden.

Die IYI’s haben zwar in Ihrem Fachgebiet durch Studium o.ä. hohes Fachwissen erworben, entweder dank einer hohen Intelligenzleistung und/oder schlicht durch hohe Arbeitsleistung (fleißes Lernen), jedoch bedeutet dies oftmals nicht, dass diese Leute grundsätzlich die Vernünftigeren (Handelnde mit mehr Verstand) im Leben sind. Viele sind auf Ihrem Fachgebiet die Allergrößten, sind jedoch im Leben die absoluten Versager auf allen sonstigen Ebenen. … Der Intellektuelle Idiot eben. Erzählt dir souverän etwas vom weltfernen abgehobenen Diskurs in der Wissenschaft über den Kosmos, kann aber nichtmal einen Nagel gerade in die Wand hauen oder ohne Hilfe sein eigenes Leben führen…

3Westbach51
3Westbach51
15. Januar 2019 21:06

Zu diesem Thema gehört meines Erachtens auch „Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed“ von James C. Scott. Das Buch wird im Internet kostenlos als pdf-Datei zum Download angeboten.
Ebenfalls zu diesem Thema passend finde ich die folgenden Zitate von Daniel Boorstin, die Prof. Tim Noaks am Ende seines Vortages über „Statine und Herzkreislauferkrankungen“ (im Rahmen der Onlinefortbildung der Noakes Foundation) verwendet. Entnommen hat er die Zitate dem Dia zur Folge aus Boorstins Buch „The Discoverers: A History of Man’s Search to Know His World and Himself“. Die Zitate übersetze ich hier:
“Das größte Hindernis für Entdeckungen ist nicht Ignoranz – sondern viel mehr die Illusion zu Wissen. … Ich habe beobachtet, dass die Welt viel weniger unter Ignoranz leidet, als unter der Anmaßung zu Wissen.
Es sind nicht die Skeptiker oder Entdecker, die Anstand und Fortschritt bedrohen, sondern Fanatiker und Ideologen. Kein Agnostiker hat jemals jemanden auf einem Scheiterhaufen verbrannt.“

Klaus-P. Kurz
Klaus-P. Kurz
21. Januar 2019 3:36

Zur Definition von Intelligenz:
„I. ist die Fähigkeit, sich optimal in der eigenen Umwelt einzurichten.“
Dazu gehört unbedingt die Berücksichtigung des Kant’schen „Kategorischen Imperativs.“

3Westbach51
3Westbach51
23. Januar 2019 19:26
Reply to  Klaus-P. Kurz

Ist das wirklich so? Zu dem „kategorische Imperativ“ muss man immer auch die Rahmenbedingungen sehen. Er gilt immer nur im Bezug auf die Gruppe „aller Menschen“, die man auch als Menschen betrachtet. Wer zu dieser Gruppe gehört entscheiden die Umstände. Zu dem Umständen gehören die Menge der gefühlt pro Kopf vorhandenen Ressourcen, wie Land, Rohstoffe, Energie, Nahrung, Umweltbelastbarkeit usw., die Empfindung der Gerechtigkeit und die strukturelle Ordnung. Siehe auch https://www.freizahn.de/2017/04/dehumanisierung-und-empathie/ und https://www.freizahn.de/2016/04/landhunger/ .
Die Gruppe Menschen, die man überhaupt als Menschen betrachtet, kann sich jedenfalls von Situation zu Situation und mit der Zeit verändern. Eines der krassesten Beispiele dürfte der Kampf um Stalingrad und das dortige Gefangenenlager der Deutschen für die Russen gewesen sein: https://en.wikipedia.org/wiki/Dulag-205 und zum Hintergrund auch „6th Army’s Rations at Stalingrad“ ( https://youtu.be/occOOTk6OKY ). Solche Zeiten können und werden wieder kommen – wenn man es versäumt die Rahmenbedingungen (Ressourcen, Energie, Ernährungslage, Gerechtigkeit, Erwartungshaltungen, Bevölkerungsdichte, Bodenfruchtbarkeit usw.) rechtzeitig auf sozial verträgliche Weise zu optimieren.

Wenn man Intelligenz als die Fähigkeit definiert, sich in der eigenen Umgebung optimal ein zu richten, dann sehe ich das Problem, dass die eigene Umgebung sich dynamisch ändern kann und oft auch ändern wird. So gesehen kann dann jemand wie Hitler im Sommer 1940, oder Erich Honecker noch im Sommer 1989, extrem intelligent erscheinen, und weniger Jahre später kann die selbe Person als ziemlich dumm erscheinen.

Go Ear
25. Januar 2019 8:48

Nun, was hier beschrieben wird ist, einfach ausgedrückt, der Unterschied zwischen Intelligenz, Wissen und Verstand beim Menschen.
Die meisten verwenden diese Worte synonym. Das ist jedoch falsch.
Intelligenz ist das geistige Potenzial in einer gewissen kognitiven Disziplin, d.h. Kombinationsfähigkeit, Merkfähigkeit, Auffasungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Kreativität, Planungsvermögen, etc. .
Wissen (Fachwissen oder Allgemeinwissen) ist schlicht der Fundus an Informationen und Erfahrungeswerten, welche ein Mensch gesammelt hat und Ihm zur Verfügung steht.
Verstand ist die Fähigkeit zu verstehen, Schlussfolgerungen zu ziehen, zu urteilen oder – salopp gesagt – einfach richtig und logisch (objektiv) zu denken und sich dabei selbst von Subjektivitäten möglichst frei zu machen. Wohl die wichtigste aber auch seltendste Fähigkeit´unter diesen drei.
Zweifellos beeinflussen sich alle drei in gewisser Weise untereinander. Mit Viel Wissen kann ich sicher auch besser urteilen als ohne Wissen über die zu beurteilenden Zustände. Dennoch ist es zu unterscheiden.
Die IYI’s haben zwar in Ihrem Fachgebiet durch Studium o.ä. hohes Fachwissen erworben, entweder dank einer hohen Intelligenzleistung und/oder schlicht durch hohe Arbeitsleistung (fleißes Lernen), jedoch bedeutet dies oftmals nicht, dass diese Leute grundsätzlich die Vernünftigeren (Handelnde mit mehr Verstand) im Leben sind. Viele sind auf Ihrem Fachgebiet die Allergrößten, sind jedoch im Leben die absoluten Versager auf allen sonstigen Ebenen. … Der Intellektuelle Idiot eben. Erzählt dir souverän etwas vom weltfernen abgehobenen Diskurs in der Wissenschaft über den Kosmos, kann aber nichtmal einen Nagel gerade in die Wand hauen oder ohne Hilfe sein eigenes Leben führen…

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