Optimierung im Getreideanbau und Hochwasserschutz durch Integration der Mutterkuhhaltung

Lesedauer 11 Minuten
image_print

Auch für die meisten Landwirte dürfte  es überraschend sein, dass und wie man durch einen intelligenten Einsatz von Rinderherden und Deck- bzw. Zwischenfrüchten und Untersaaten den Ertrag von Getreidefeldern massiv steigern, den Hochwasserschutz und den Schutz vor Dürreschäden erheblich verbessern,  Bodenerosion vermeiden und die Kosten senken kann. Dabei handelt es sich nicht (nur) um eine Theorie, sondern vor allem um praktische Erfahrungen und harte Zahlen und Fakten:

Hier einige Zahlen und Fakten von Brown’s Ranch, dem Betrieb den ich hier als Referenz anführe:

  • Ackerbau und Viehzucht gemischt.
  • Seit 1993 “no Till” Betrieb. Also nur noch Decksaat.
  • Früher ein konventioneller Betrieb. Nach vier aufeinander folgenden Jahren, mit 100 bis 80% Ernteausfall durch Hagel bzw. Dürre in den 90er Jahren, Beschäftigung  mit  Allan Savorys  Holistic Managment   (siehe mein Artikel  Ganzheitliches Weidemanagement).
  • Gesamtbetriebsfläche: 2023 ha
  • Ackerfläche: 809 ha
  • In Grünland umgewandeltes Ackerland: 404 ha
  • Ursprüngliches, nie umgepflügtes Grünland (Prärie): 809 ha
  • Mutterkuhherde mit 350 Muttertieren
  • 400 – 800 Kälber/Rinder die nur mit Grass bis zur Schlachtreife gefüttert werden.
  • Eine Schafherde, Legehühner, Hähnchen, Weideschweine.
  • Die Vorbesitzer hatten wegen des kalten Klimas früher ein halbes Jahr Heu gefüttert. Die Browns füttern heute nur an 60 Tagen im Jahr,  also nur ca. 2 Monate  pro Jahr, Heu.
  • Hoher Wilddruck, der die Weiden und Äcker zusätzlich belastet. Teilweise kommen Hirsche  (Deer)  im Winter über 70 km herbeigewandert und es können mitunter hunderte Hirsche (Deer) auf  dem Gelände sein.
  • Ziel bei der Weidehaltung: 1/3 für die Tiere über der Erde (also hauptsächlich die Kühe, aber auch Wildtiere).  2/3  für die Tiere unter der Erde (Mikroben, Würmer usw.).

Aus dem Vortrag   DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health?

hier zunächst eine die Übersetzung der  Tabelle von Position [34:26]. Die Erträge sind in Bushel (dt. Scheffel) angegeben. Ich habe sie nicht umgegerechnet, weil es sich beim Bushel um ein Raummaß  handelt ( 1 Bushel = 36,3687 Liter), während Getreidemengen in Deutschland üblicherweise in Doppelzentner oder Tonnen, also in Gewichtseinheiten angegeben werden. Auch macht ein Vergleich von Nord Dakota (kontinentales Klima mit kurzen Sommern, letzter Frost ca. Mitte Mai, erster Frost Anfang September, sehr kalte Winter) mit Deutschland meines Erachtens wenig Sinn. Was hier wichtig ist, ist der lokale Vergleich der Ranch der Browns (mit Googel Earth suche: 3752 106th St NE,
Bismarck, ND 58503 ) mit dem Durchschnitt ihres Landkreises:

Erträge
Ertrag auf Bowns Ranch [Bushel] Durchschnittsertrag  im Landkreis (County) [Bushel] Browns Ranch über dem  Durchschnitt
Mais 127 98

30 %

Sommer Weizen 62 39 59 %
Hafer 112 62 81 %
Gerste 72 48 50 %

Gabe Brown sagt, es gäbe Landwirte im Landkreis, die höhere Erträge hätten als er, aber bei ihm sei  der Aufwand sehr viel geringer (und damit der Ertrag in Dollar größer), weil er nicht nur durch das “No Till” bzw. Direktsaatverfahren,  Energie und Maschineneinsätze spart, sondern  vor allem auch , weil  sein  Betrieb keinen Kunstsdünger, keine Pestizide,  keine Fungizide und nur noch selten   (alle 3-4 Jahre), und dann auch nur teilweise, Herbizide verwendet.

Vergleich der Bodenproben von 4 benachbarten Betrieben

In Postion [55:19] erwähnt Gabe Brown, dass ein Team von Wissenschaftlern im letzten Herbst vier verschiedene Produktionssysteme verglichen habe. Eines davon war das von  Browns Betrieb. Für den Vergleich galten folgende Rahmenbedingungen:

  • Alle vier Betriebe in enger Nachbarschaft, im Umkreis von 1 Meile (1,6 km).
  • Gleiche Bodentypen.
  • Es wurden Fotos von Bodenproben gemacht und es wurden Bodentest nach/von  Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas.

Die vier Produzenten waren:

  1.  Ein “ökologischer” Betrieb, (Organic Producer oder auf Deutsch wohl “Biobauer”) der eine sehr hohe Vielfalt hatte (Mais, Bohnen, Erbsen,Weizen, Gerste, Hafer, Alfalfa, Tritikale, Roggen, Klee), eben ein sehr diversifizierter Betrieb, aber  mit  viel Bodenbearbeitung (heavy tillage). Die Bodenprobe sah nicht so gut aus.  Nach Browns Aussage geringe Wasserinfiltration bei Regen,  sowie  Probleme bzw. hohe Widerstände  für die Wurzeln.
  2. “No Till”-Betrieb, also Decksaatbetrieb, mit sehr geringer Diversität, der nur Flachs und Sommerweizen anbaut. Dieses Frühjahr  hatten sie ein Regenereignis, bei dem 8,39 cm ( 3  1/2 Inch bzw. ca. 84 Liter pro qm) Regen in 45 Minuten fielen. Dabei wurde sein Sommerweizen weggewaschen und er musste Sonnenblumen pflanzen.  Das Bild zeigt auch kompaktierten Boden. Das Bild zeigt  keine  Unterschied  zu dem  Boden des Biobauern.  “Man denkt  es ist der selbe Boden”.  Man sieht zudem kein Leben.
  3.  Seit langen “No Till”,  also Decksaat.  Ziemlich  gute Diversität. Er pflanzt Mais,  Gerste,  Sonnenblumen, Sommerweizen, Soja. Aber immer sehr, sehr hoher Verbrauch an synthetischem Dünger, Fungiziden, Pestiziden.  Das Bild zeigt auch eine  schlechte Bodenqualität.  Browns Fazit: Die Bilder der Bodenproben der Produzenten 1 bis 3 sind ähnlich: “No Till” ansich ist vielleicht ein Schritt in die Richtige Richtung, bringt aber für sich genommen keinen Unterschied.
  4.   Browns Ranch: “No Till”,  hohe  Diversität, weil er zu den Geld bringenden Früchten (Cash Crops) immer  auch Zwischenfrucht (cover corps) anbaut. Außerdem integriert er die Viehhaltung in den Ackerbau (Beispiel siehe unten).   Keine synthetischen Dünger, Pestizide, Fungizide (und nur selten Herbizide).  Das Bild der Bodenprobe ist beeindruckend: Lockerer Mutterboden mit sehr guter Wasserinfiltration,  Bodendeckung, Regenwürmer, Bodenleben.

Hier nun die Tabelle mit den Messwerten.

Management Vergleich
Managementmethode N P K OC
“Ökologisch” wirtschaftender Betrieb,  hohe Diversität, intensive Bodenbearbeitung 2 156 95 233
No Till, geringe Diversität 27 244 136 239
No Till, mittlere Diversität, viel Chemie (sythetische Dünger usw.) 37 217 199 262
Browns Ranch: No Till, große Diversität, keine Chemie,  Integration  von Tierhaltung 281 1006 1749 1095

N = Stickstoff, P = Phosphor, K = Kalium, OC = Organic Carbon

Man beachte das schlechte Abschneiden des konventionell “ökologisch” wirtschaftenden Betriebes.

Zahlenangaben, zumindest für   N,K und P in Pfund pro acre. Wichtig ist hier der relative Vergleich.   Die Messungen wurden von Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas durchgeführt. Es handelt daher um Angaben des nach ihm benannten Haney  Tests. Siehe  z.B. auch  Haney/Soil Health Test Information.    Mit Bodentests habe ich mich nie befasst. Wie der  im Folgenden eingebunde Vortrag von  Dr.  Rick Haney zeigt, ist Test offenbar nicht gleich Test.  Der Haney Test ist ein relativ kompliziertes Verfahren, um die aus Sicht der für die Pflanzen tatsächlich verfügbaren Nährstoffe möglichst realistisch zu erfassen. Ziel ist es, die Empfehlungen für die Landwirte zu optimieren und so unnötige Düngung zu vermeiden.

Gabe Browns Kombination aus Zwischenfrucht und Rindereinsatz  beim Getreideanbau

Hier ist zunächst anzumerken, dass Gabe Brown nicht wie  oft  üblich, nur ein bis zwei verschiedene Zwischenfrüchte aussät, sondern Mischungen mit oft 15 bis 20 und mehr Arten.  Insgesamt habe er im letzten Jahr (2015) über 70 verschieden Arten gesät. Das  Zusammenstellen der Mischungen richtet sich nach den lokalen Verhältnissen,  den Hauptfrüchten  und  der Jahreszeit  und ist, wie ich seinem Vorträgen entnehme,  eine Mischung aus Erfahrung, Kunst und Wissenschaft.

Ich habe hier “cover crops” mit Zwischenfrucht übersetzt. Aber in der Realität von Gabe Browns Betriebsweise passt diese Übersetzung zumindest nicht so, wie sich das deutsche Landwirte in der Regel vorstellen. Was Gabe Brown mit “Cover Crops” meint, sind Pflanzen, die nicht die Hauptfrucht darstellen und die vor, neben und nach einer Hauptfrucht gesät werden und auch wachsen können. Während ich hier in der Eifel in den Mais- und Getreidefeldern, die ich mir näher angesehen habe, neben dem Mais oder Getreide der Boden zwischen den Pflanzen der Hauptfrucht  fast immer blank ist und wenn dann nur vereinzelt und unregelmäßig vielleicht etwas Gras oder “Unkraut” wächst,    hat Gabe Brown systematisch und gezielt weitere Arten dazwischen gesät. Das “Zwischen” in Zwischensaat ist hier also nicht nur  zeitlich   sondern auch  räumlich zu verstehen.

Interessant ist an dieser Stelle, vielleicht auch, dass der reine Gründlandbetrieb der Salatins, die   Polyface Farm , ebenfalls eine “No Till”-Sämaschine angeschafft hat und damit experimentiert, die Leistung  der Viehweiden durch das Einsäen von einjährigen Ackerpflanzen wie Erbsen und bestimmten Getreidearten zu verbessern. Das habe ich jedenfalls dem als Interview mit Joel Salatins Sohn David, das sich auf der dem Salatin Semester beiliegenden CD befindet, entnommen. Die Steigerung der Weideleistung bei  diesen Versuchen war offenbar extrem  gut, sofern die Bodenfruchtbarkeit und das Wasserangebot gut waren.

Die  Brown Ranch  von Gabe Browns Familie und die   Polyface Farm der Salatins ähneln sich insgesamt, auch wenn die Lage, das Klima, und  die Betriebsgröße sich sehr unterscheiden.   Beide Betriebe  haben  ihre  Wirtschaftsweise offenbar unabhängig von einander entwickelt und sind zumindest aus westdeutscher Sicht Großbetriebe. Der größte  Unterschied  zwischen beiden Betrieben ist,  dass   die  Browns  in erster   Linie Getreideproduzenten waren und mit ihren 809 ha Ackerland ,  von denen jedes Jahr  90 %  für  den Getreideanbau genutzt werden, auch noch sind. Das für mich bisher fehlende Mosaiksteinchen, das  Gabe Brown liefert, ist die Einsicht, dass und wie auch der Getreideanbau nachhaltig und zugleich wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden kann und dass der Einsatz von Mutterkuhherden dabei ein für den Erfolg und die Effizienz wertvolles Hilfsmittel sein kann.

Während Zwischenfrüchte oder Bodendecker, sofern sie überhaupt gesät wurden, hier in Deutschland (immer soweit ich das selbst gesehen habe)  vor der Aussaat der Hauptfrucht, untergepflügt oder sonst wie untergearbeitet werden, werden diese auf der Brown Ranch drei Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht von Rindern    abgeweidet und  zertrampelt.   Dabei wird eine ziemlich extreme Flächendichte, von bis über 100 kg Lebendgewicht pro m2 angewendet. Das heißt, dass eine Kuh von 500 kg nur ca. 5  m2  Weide zugeteilt bekommt .  Die Tiere werden dabei  mehrmals  täglich  auf ein neues Stück Weide umgetrieben.   Gabe Browns Faustformel bei der Beweidung mit Mutterkühen lautet im Allgemeinen “1/3 des Futters für die Tiere über dem Boden und 2/3 für die Tiere unter der Erdoberfläche”. Bei der extremen Form des Mob-Weidens   auf mit Zwischenfrüchten bewachsenen Ackerflächen, 3 Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht,  ist das Verhältnis vielleicht sogar noch besser zu Gunsten des Bodenlebens. Die Kühe sorgen bei diesem extremen Beweiden jedenfalls dafür, dass  der nicht von ihnen gefressene Teil der Zwischenfrucht zertreten und zum Teil, durch das Gewicht der Tiere und durch den lokal hohen Flächendruck und die Kanten der Hufe, in den Boden gedrückt wird.

Die Aussaat der Hauptfrucht – ggf. zusammen mit einer neuen Zwischenfruchtmischung – erfolgt dann drei Tage später mit einer “No Till”-Sämaschine.  Dabei schneidet eine Scheibe einen Schlitz in den Boden und das darüber  liegende  organische Deckmaterial.  Danach  kommt eine  Vorrichtung, die  den Schlitz etwas aufweitet und die Samen in den Schlitz legt und dann wird der Schlitz wieder zugedrückt.

Diese extreme Form des Beweidens der Zwischenfrucht  hat eine Reihe  von Vorteilen:

  • Der Boden wird vor Austrockung geschützt. Feuchtigkeit ist aber auch für das Bodenleben gut und natürlich auch für das eingebrachte Saatgut.
  • Die Mikroorganismen im Boden werden vor UV-Strahlen und Hitze geschützt. Gabe Brown zeigt, dass blanker Mutterboden leicht 20 Grad wärmer ist als die im Schatten gemessene Umgebungstemperatur.  Die Temperatur auf der Oberfläche von mit organischem Material abgedeckten Mutterboden entspricht dagegen ungefähr der Umgebungstemperatur. In praller Sommersonne blank liegender Mutterboden kann außerdem Temperaturen erreichen, die für Mikroorganismen tödlich sind.
  • Die von den Rindern hinterlassenen, zertrampelten Zwischenfuchtreste sowie der Mist und Urin der Tiere liefern Nahrung für Mikroorganismen, Würmer, Pilze, Insekten usw. .
  • Schäden bei Starkregen werden verhindert.  Regentropfen, die auf  das zertrampelte organische  Material  auftreffen  werden abgebremst und  treffen nur  langsam  und schonend auf den Boden auf.  Auch   hält die Schicht organischen Materials  auf dem Boden selbst  Wasser zurück.  Die Bodenerosion wird verhindert.
  • Die Zwischenfrucht dient teilweise als Nahrung für die Mutterkuhherde.

Eine andere  Nutzung der Zwischenfruchtmischungen  besteht darin, dass sie im Herbst oder Winter  abgeweidet wird. Im Spätherbst oder Winter kann dadurch Heu eingespart werden.

Die 5 Grundsätze von Gabe Browns Methode:
  1. Der Boden muss eine “Panzerung” (armour) oder Schutzschicht aus organischem Material haben.
  2. Diversität muss gegeben sein(viele Pflanzenarten, viele Tierarten, ein umfassendes Bodenleben)
  3. Es müssen möglichst immer viele lebende Wurzeln im Boden vorhanden sein.
  4. Die Bodenstruktur soll nicht gestört werden. Die Bodenstruktur ist sehr viel komplexer als man gemeinhin denkt und es gibt jede Menge für das Wachstum der Pflanzen hilfreiche Symbiosen, die man mit der Bodenbearbeitung stört oder auch zerstört.
  5. Integration von Großtieren, wie ich es schon in dem Artikel Ganzheitliches Weidesystem zu erklären versucht habe.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir noch einmal das 4. Kapitel, The Living Soil (dt. Der  lebende Mutterboden)  in  dem  Buch  Building Soils vor  Better Crops –  Sustainable Soil Management, durchgelesen. Das Buch hatte ich schon in  meinem Artikel  Nachhaltige Bodenverbesserung schon im März 2015 vorgestellt. Gabe Browns Methode und auch der bei ihm übliche Einsatz der Rinder zur Optimierung des Getreideanbaus macht vor diesem Hintergrund sehr viel Sinn und  seine  guten Ergebnisse werden verständlich. Ein interessanter,  auch von Brown  besonders hervorgehobener Aspekt  ist dabei, dass nützliche Pilze (Fungi) eine Chance zur Ausbreitung haben.  Die übliche Bodenberarbeitung durch Pflügen, Grubbern usw. zerstört die oft sehr weitläufigen Netzwerke der Pilze. Manche Pilze dehnen ihre unterirdischen Netzwerke über viele Quadratkilometer aus.   Viele Pilze leben in  einer Symbiose mit  Pflanzen und  können  eine  Reihe von nützlichen  Funktionen haben.  Ein  bekanntes Beispiel  für den Nutzen von  Pilzen  ist , dass Pilze z.B. Penicillin produzieren können.  In dem Buch Mycelium Running: How Mushrooms Can Help Save the World  von Paul Stamets wird von einen Beispiel berichtet, wo der Autor sein Haus von Riesenarmeisen befreit hat, indem er diesen eine bestimmte Pilzart angeboten hat, die die Ameisen wie ein Trojanisches Pferd akzeptiert und gerne aufgenommen hat, um dann von diesen Pilzen getötet zu werden.

Die Anwesenheit von Pilzen kann  aber offenbar auch dabei helfen, Nährstoffe aus dem Boden zu lösen oder zu transportieren. Für die Gesundheit und Qualität des Mutterbodens ist jedenfalls auch das Vorhandensein von Pilzen wichtig. Intensive Bodenbearbeitung führt aber dazu, dass Bakterien bevorzugt und Pilze zurückgedrängt werden.

Wasserinfiltrationsrate

Als Gabe Brown und seine Frau die Farm 1991 von seinen Schwiegereltern gekauft haben, hat man Bodenproben genommen und auch gemessen, wie schnell Wasser im Boden versickert. Damals betrug die Wasserinfiltrationsrate 1/2 Zoll, das sind 12,5 mm pro Stunde, oder 12,5 Liter Wasser pro qm und Stunde.

2015 betrug die Infiltratioinsgeschwindigkeit 15 Zoll pro Stunde ( 38,1 cm bzw. 381 Liter Wasser pro qm und Stunde).  Die Position  in dem anfangs eingebunden Vortag, DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health? von Gabe Brown ist  [1:01:23].  Die Wasserinfiltrationsrate hat sich also in ca. 25 Jahren  um das 30-Fache verbessert.  Einige Sekunden später in dem Vortrag zeigt er wie die Infiltration gemessen wird und wie rasant ein Zoll Wasser, also 25 Liter pro Quadratmeter, versickern. Bei seinem Boden dauert das heute nur noch 9 Sekunden. Zwei Zoll, also insgesamt 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, versickert in nur 16 Sekunden. Demnach würde ein Sturzregen von 50 Litern in nur 25 Sekunden problemlos aufgenommen. Die bei den Browns auch auf den Getreidefeldern vorhandene Deckung des Bodens mit organischem Material würde den Aufschlag der Regentropfen zudem dämpfen. Die Fließgewässer in der Umgebung würden weder durch eine plötzlich abfließende Wassermenge noch durch damit weg gespülte Nährstoffe belastet.

Für die Ranch der Browns ist dabei von besonderer Wichtigkeit, dass der durchschnittliche Niederschlag nur ca. 400 mm pro Jahr beträgt. Durch die gute Bodenqualität wird so gut wie immer der gesamte Niederschlag auf dem Boden der Ranch gehalten, was Verluste durch Dürreschäden reduziert.

An dieser Stelle möchte ich auch auf die Präsentation “Maintaining a Healthy Watercycle” (dt.  Einen gesunden Wasserkreislauf  erhalten” ) von Jim Gerrish hinweisen und diesen einbinden. Die Präsentation dauert nur gut 12 Minuten und ist wie ich meine sehr gut gemacht. Das Englisch ist leicht verständlich.:

Speicherkapazität durch Kohlenstoff

1 % organisches Material (Soil Organic Matter) in den obersten 15 cm des Bodens kann über 185 qbm Wasser im Boden halten. Als die Browns ihre Farm 1991 übernommen haben, hatten sie 1,7 bis 1,9 % organisches Material im Boden. Heute haben sie über 6 %.  Vor Beginn des Ackerbaus in jener Gegend, vor über 200 Jahren, waren es über 7 %. Damit haben die Browns zunächst eine  erhebliche Menge klimaschädliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen, dabei haben sie den darin enthaltenen Kohlenstoff als die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserretention verbesserndes organische Material im Boden gespeichert und den enthaltenen Sauerstoff haben sie in die Atmosphäre zurückgegeben.

Relevanz für Deutschland

Hochwasserschutz

Man stelle sich vor, wir würden in Deutschland unsere Böden ähnlich gut verbessern, wie Gabe Brown auf seiner Farm – und wie die Salatins auf ihrer Farm. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Überschwemmungen und Hochwasser kommt, würde drastisch vermindert. Soweit  es  dennoch  Hochwasserereignisse  gäbe, würden diese sehr gemildert.   Dabei wäre das nur ein Nebenprodukt einer selbstständig wirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethode.

Schutz gegen Dürreschäden

Schäden durch auch in Deutschland vorkommende Trockenperioden könnten verhindert oder zumindest vermindert werden.

Wirtschaftliche Vorteile für die Landwirte

Die Landwirte könnten mehr verdienen. Weder die Ranch der Browns noch die Polyface Farm der Salatins erhalten  öffentliche Zuschüsse und Förderungen und erwirtschaften trotzdem systematisch erhebliche Gewinne. Gabe Brown sagt, dass er heute jedes Jahr Gewinn macht.

Was ist mit dem ökologischen Landbau?

Erstaunlich fand ich das schlechte Abschneiden des ökologischen Landbaubetriebes in der Nachbarschaft von  Gabe Browns Ranch.  Was ich bisher an ökologischem Landbau in Deutschland gesehen habe, lässt mich vermuten,  dass die Betriebe in in Deutschland auch nicht besser abschneiden würden als der Betrieb in der Nachbarschaft von Gabe Brown Ranch.

Die Wirtschaftsweisen der Betriebe von Gabe Brown  und Joel Salatin könnten und sollten meines Erachtens als Referenz für ökologischen Landbau in Deutschland und Europa diskutiert werden.

Aus verschiedenen Gründen wäre es sicher sehr vorteilhaft, die EU-Agrarförderung und die Bezuschussung der landwirtschaftlichen Unternehmen möglichst bald vor diesem Hintergrund zu hinterfragen, zu diskutieren und ggf. neu ändern.

Warum sind diese Wirtschaftsweisen so wenig bekannt?

Warum ist das alles in Deutschland so wenig bekannt? Warum wird es nicht umgesetzt? Ich denke die Antwort ist sehr vielschichtig. Einige Stichworte die mir dazu einfallen sind:

  • Psychologie und Herdentrieb des Menschen:  Was denken die anderen? Angst vor Neuem. “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht” usw..
  • Bürokratie,  Gesetze und Agrarförderung.  Eine gute Lektüre dazu ist Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed  (dt.: Mit den Augen des Staates: Wie bestimmte Schemas zur Verbesserung der Lage der Menschen versagt haben)von James C. Scott.
  • Der meines Erachtens sehr naive und einer nüchternen Analyse nicht standhaltende Glaube an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, an den Fortbestand des Friedens und an die Unendlichkeit der Ressourcen, auf den man in Deutschland sehr häufig, um nicht zu sagen fast überall, trifft.
  • Interessen der Großindustrie und ihrer Lobby.
Andere deutsche Hinweise auf  Gabe Browns Betrieb

Zum Schluß sollte und möchte ich nicht verschweigen, dass z.B.  Gabe Brown  auch anderen Deutschen außer mir bekannt ist, und dass ich erst von anderen Deutschen von ihm erfahren habe. Zuletzt hatte mich der Kommentar von “Florian” zu meinen Artikel Ganzheitliches Weidemanagement motiviert,   mich doch  etwas mehr mit  Gabe Brown zu befassen und mir einige seiner Vorträge anzuhören. Das war der passende Baustein zur passenden Zeit, weil ich damit auch gelernt und gesehen habe, dass und wie Rinderherden und das Mob Grazing auch für den Getreideanbau in interessantes Werkzeug sind.

Schließlich war/ist da der Artikel Ich mache Boden gut – Vom Segen der Humusvermehrung  –  Das Beispiel von Gabe Brown aus Bismarck in North Dakota .

Außerdem wurde  Gabe Brown in dem deutschen  Forum  www.selbstversorg.org  mehrfach erwähnt .

Christoph Becker

Kelberg, den 14. September 2016

 

 

 

Share
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
2 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Marie Melnitzky-Ekhator
14. Juni 2020 13:41

Hallo,
Danke für die Zusammenstellung.
Ich arbeite für eine Farm in Nigeria und möcht die neuen Erkenntnisse über Bodengesundheit, Humusaufbau… dem Management vorstellen. Gibt es gelungene Beispiele für Westafrika? Unsere Situation (3000ha Mischbetrieb), besonders die technische Ausrüstung betreffend, ist ja doch mit den USA nicht vergleichbar. Auch das Projekt von Allan Savory (Ernährungssicherheit von Communities) paßt nicht auf unseren Betrieb.
Außerdem möchte ich auf die Ökoregion Kaindorf und die Forschungsarbeit von Gerald Dunst hinweisen. Durch die dort gewonnenen Erkenntnisse schließt sich das Verständnis.
Liebe Grüße
Marie

3Westbach51
3Westbach51
14. Juni 2020 14:19

Zu Westafrika fällt mir zuerst Dr. Kofi Boa ein. Hier einige Links:

https://youtu.be/1F6lkLee5x8 (Ein Vortrag von Kofi Boa bei “No Till on the Plains”, wahrscheinlich aus dem Jahr 2015.)
https://www.greenamerica.org/healthy-soil-cool-climate/slash-and-burn-regeneration-ghana

Für afrikanische Kleinbetriebe und sicher auch für die Angestellten und das soziale Umfeld einer 3000 ha Farm, könnte das GROW BIOINTENSIVE AGRICULTURAL CENTER OF KENYA ( http://www.g-biack.org ) interessant sein. Die wenden das “Grow Biointensive”-System von John Jeavons in der Praxis an ( http://www.growbiointensive.org ).

Wegen des Breitengrades würde ich mir auch Indien ansehen: https://www.freizahn.de/2019/12/natuerliche-null-budget-landwirtschaft/
Zu Allan Savory fand ich u.a. auch das Bespiel in Simbabwe interessant, auf das ich in https://www.freizahn.de/2018/09/von-simbabwe-lernen/ hingewiesen habe.

Ganz grundsätzlich würde ich jedem der eine Farm, egal wo auf der Welt, führen oder beraten soll, das Absolvieren des vollen Programms von Dr. Elaine Ingham auf https://www.soilfoodweb.com empfehlen – ergänzt mit einer ganzen Reihe anderer Quellen. Das ist in mehrfacher Hinsicht eine Revolution in der Landwirtschaft. Das Prinzip funktioniert weltweit, auf allen Böden und in jedem Klima, auch wenn man sich natürlich überall an die lokalen Gegebenheiten anpassen und dafür optimierte Lösungen entwickeln muss. Im Wesentlichen geht es darum 1. das System Bodenleben und Pflanzenernährung zu verstehen und 2. Dieses System systematisch mit Hilfe mikroskopgestützter Analysen des Bodenlebens zu untersuchen und sozusagen ingenieurmäßig gezielt zu optimieren und zu nutzen.