Nachdem ich in den letzten Tagen wieder einige Male mit Wärmebildkamera und Nachtsichtgerät zur Wildschadensbekämpfung im Bereich der Getreidefelder in „meinem“1 Jagdrevier unterwegs war, hatte ich nun das Handlungsprogramm zur Reduzierung überhöhter Schwarzwildbestände und zur Absenkung des Risikos einer Ausbreitung von Tierseuchen für das Jagdjahr 2016/2017 im E-Mail-Eingang.
Während wir bei der sogenannten Schwarzwildzählung vor einigen Wochen in unserem Revier überhaupt kein Schwarzwild (= Wildschweine) gesichtet hatten und damit dann auch null gesichtete Wildschweine gemeldet hatten, habe ich neulich alleine in einer Nacht, insgesamt 3 Rotten (=Gruppen) zusammen mit Frischlingen (so nennt man beim Schwarzwild die Ferkel), deutlich mehr als 40 Stück Schwarzwild in einer einzigen Nacht aus den Feldern getrieben. Ohne Wärmebildkamera hätte ich diese nicht entdeckt. In jener Nacht habe ich wegen der schlechten Sicht nur 2 Mal mit dem Gewehr in den Boden geschossen und in einem Getreidefeld bin ich lautlos gegen den leider nur sehr schwachen Wind, langsam durch das durch Wildschaden, und in diesem Fall wohl auch durch eine ausgebrochene Rinderherde vorher schon übel ramponierte, bzw. gelichtete Feld gewandert, und habe dabei das Schwarzwild langsam vor mir her getrieben und schließlich vertrieben, wobei ich die Frischlinge zum Teil nur 3 bis 4 Meter vor mir im Getreide mit der Wärmebildkamera sehen konnte. Ich konnte aber nicht schießen, weil ich mit meiner legalen Nachtjagdausrüstung (Nachtsichtgerät am Kopf montiert und dazu Nachtsichtgerätetaugliches Rotpunktzielgerät auf dem Gewehr) zu wenig Kontrast hatte und nicht sicher hätte treffen können. Ich hätte lediglich eines der größeren Wildschweine sicher treffen können, an die ich auch bis auf ca. 20 bis 30 m herankommen konnte, aber auf die zu schießen wäre unverantwortlich gewesen2, weil die kleinen Frischlinge darauf hingedeutet haben, dass es sich bei den größeren Tieren zumindest teilweise um, wie man sagt führende, also noch säugenden und anführende Muttertiere gehandelt hat. Diese dürfen bzw. sollten aus Tierschutzgründen, aber auch aus Gründen der Wildschadensbegrenzung nicht erlegt werden. Es ist nämlich so, dass die Schwarzwildrotten von erfahrenen Bachen (= Muttertiere) angeführt werden, die für einige Effekte sorgen, die auch für Wildschadensbekämpfung wichtig sind. Sie synchonisieren und beeinflussen zum einen die Fruchtbarkeit über Rauschzeit und, was am wichtigsten ist, sie beeinflussen das Verhalten der Rotten aufgrund ihrer Erfahrung. Diese erfahrenen Bachen merken sich nämlich Gefahren und Todesfälle und vermeiden entsprechende Risiken. Sie sorgen damit dafür, dass das von Prof. Paul Müller in seinem Buch Schwarzwild – Anpassungskünstler gegen jagdliche Intelligenz beschriebene Konzept der tödlichen Vergrämung funktioniert. Das heißt, wenn man irgendwo ein Stück Schwarzwild, oder auch nur einen Frischling aus einer Rotte schießt, dann sorgen diese führenden Bachen dafür dass diese Rotte dieses Feld oder diese Wiese für einige Zeit meidet.
Schließlich habe ich dann auf einer Wiese neben einem in der Milchreife stehenden Haferfeld, in fast sternklarer, mondloser Nacht, ein Stück Schwarzwild auf ca. 35 m Entfernung geschossen. Eine Gruppe mittelgroßer Wildschweine hatten eine Ausflug auf die Wiese unternommen und es waren auch nach einigen Minuten keine Frischlinge gefolgt. Ich hätte aber in jener Nacht, und auch in der Nacht davor, an verschiedenen Stellen je einen oder mehrere Frischlinge schießen können, wie ich das nach dem oben erwähnten Handlungsprogramm zur Wildschadensbekämpfung und Tierseuchenabwehr eigentlich hätte tun sollen, wenn der Gesetzgeber sich im wesentlichen an den Rat des gerade auch in Sachen Schwarzwildbejagung sehr erfahrenen Prof. Paul Müller gehalten hätte, den dieser in seinem Buch über das Schwarzwild gibt, nämlich Nachtzielgeräte für die Jagd auf Schwarzwild zuzulassen.
Was ich, aus Rücksicht auf die Gesetzeslage, bisher nur verwende ist im Grunde kein Nachtzielgerät, sondern nur ein das Restlicht (Sternenlicht, Streulicht von Ortschaften usw) aufhellendes Nachtsichtgerät , mit dem ich durch ein spezielles, bis in den mit bloßem Auge nicht sichtbaren Bereich herunterregelbares Rotpunktvisier sehe. Das Problem dieser legalen Nachtjagdmöglichkeit ist, dass die Gläser des Rotpunktvisiers Licht schlucken , so dass man mit dieser Lösung deutlich weniger sieht, als mit den in anderen Ländern zugelassenen, vor dem Zielfernrohr montierten Nachtsichtgeräten.
In einer Hand habe ich dabei immer die Wärmebildkamera, mit der auf 30 m sogar noch Mäuse und kleine Vögel auch in finsterster Nacht zu erkennen sind . Zum einen ermöglicht es die Wärmebildkamera große Gebiete nach Wild ab zu suchen und auch mit etwas Erfahrung aus auch vielen hundert Metern Entfernung noch zu erkennen ob sich etwas irgendwo Schwarzwild auf einer Wiese oder in einem Feld befinden. Extrem wichtig finde ich dabei, dass mit der Wärmebildkamera erkannt werden können, sofern das Gras oder Getreide nicht zu dicht sind. Außerdem kann man mit der Wärmebildkamera auch Menschen auf bis zu 1,2 km Entfernung erkennen und damit die Umgebung in einer Weise zur Sicherheit absuchen, die mit einem Restlichtverstärker in dieser Qualität nicht möglich ist. Die Wärmebildkamera dient daher auch dem Unfallschutz.
Die in dem Handlungsprogramm zur Reduzierung überhöhter Schwarzwildbestände gemachten Vorschläge und Empfehlungen finde ich ehrlich gesagt teilweise etwas Praxisfremd und nicht ausreichend zielführend. Über die dort empfohlenen Bewegungsjagden möchte ich mir einer Meinung enthalten, und nur darauf hinweisen, dass alleine schon die in dem Papier aufgestellte Forderung nach genügend gut ausgebildeten Jagdhunden und die zumindest der NRW neuerdings geforderte Schießnachweis darauf hinweisen. Auch scheint es so zu sein, die Fleischqualität von bei Drückjagden erlegtem Schwarzwild schlechter ist als bei Schwarzwild das vom Ansitz aus oder bei der Pirsch stressfrei erlegt wird. 3
Bevor ich meinen Vorschlag zur Optimierung der Schwarzwildbejagung mache, möchte ich hier ein Zitat aus William Cattons Buch Overshoot: The Ecological Basis of Revolutionary Change wiedergeben, dass ich im Rahmen meines Artikels Die Grundlagen der westlichen Werte, übersetzt und schon einmal wiedergegeben hatte:
Doktrinen können eine schreckliche Last sein, sagte Sumner, weil sie mit dem Prestige der Antiquität und Tradition der lebenden Generation die Kapazität zu einer unvoreingenommenen Sichtweise auf die Fakten nehmen können.
Meines Erachtens haben wir es auch bei dem Schwarzwildproblem mit einer Doktrin und mit uns behindernden Traditionen zu tun, die dazu führen, dass der Gesetzgeber, der zwar die Wildschäden in Grenzen halten und zugleich eine weitgehende Vernichtung Schwarzwildbestände (und möglicherweise auch der Hausschweinbestände!) durch die weitere Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest verhindern möchte, zugleich auch das Erreichen dieser Ziele behindert oder sogar verhindert.
Meine Vorschläge, nachdem ich zunächst u.a. das oben erwähnte Buch von Prof. Paul Müller über das Schwarzwild gelesen und dann auch mit einer Wärmebildkamera, einen Nachtsichtgerät und der derzeit in Deutschland einzig legalen Nachtjagdausrüstung einige Erfahrung gesammelt habe, wären:
- Die Zulassung von Wärmebildzielfernrohren (engl. Thermal Rifle Scope) für die Nachtjagd. Ich denke das wäre einfach sicherer und es wäre tierschutzgerechter. Prof. Müller hatte in seinem Buch über das Schwarzwild nur über Erfahrungen mit Nachtsichtgeräten, geschrieben und deren Zulassung für die Schwarzwildbejagung gerade auch aus Gründen des Tierschutzes und der Effizienz gefordert. Möglicherweise gab es damals noch keine bezahlbaren Wärmebildgeräte in ausreichender Qualität. Restlichtverstärker die vor der Zieloptik montiert und vielleicht noch mit derzeit ebenfalls verbotenen Infrarotstrahlern kombiniert werden wären natürlich auch eine Lösung, auch wenn ich einem Wärmbildzielfernrohr sehr klar den Vorzug geben würde, weil man damit z.B. das Vorhandensein von Frischlingen auch in Fällen erkennt, in denen man sonst nichts sieht. Ich habe schon bei Tageslicht Rehe im Gebüsch stehen sehen, die ich mit dem Fernglas beim auch nach längerem Suchen einfach nicht sehen konnte.
- Zulassung von Waffen mit rehwildtauglichen Kalibern (ab 222 bzw. 223 Remington ) für die Jagd auf Frischlinge bis z.B. 15 kg.
- Bei Selbstladegewehren im Kaliber 223 könnte es dann sehr hilfreich sein, wenn man bei der Jagd, statt der sonst für solche Gewehre zulässigen, nur 3 Schuss, bis zu 10 Schuss in der Waffe zulassen würde. Das Problem ist nämlich, dass der die oben erwähnte tödliche Vergrämung dafür sorgt, dass man nach dem Abschuss eines Frischlings in diesem Bereich des Reviers so schnell keine zweite Gelegenheit bekommt. Wenn man nur lokal in einem bestimmten Feld oder auf einer bestimmten Wiese den Wildschaden gering halten will geht das auch mit einem Repetiergewehr. Wenn man aber aus Gründen des Seuchenschutzes möglichst schnell, möglichst viele Frischlinge, erlegen sollte, wäre eine Selbstladebüchse , am besten im Kaliber 223 (Typischerweise Gewehre vom Typ AR15 oder MR223) , ohne die derzeit auf nur 3 Schuss begrenzte Kapazität, ein sehr großer Vorteil. Mit 10 Schuss im Magazin könnte man hin und wieder gleich eine Reihe Frischlinge erlegen und man hätte noch eine Sicherheitsreserve. Es wäre auch mit Blick auf die Beunruhigung des Wildes insgesamt besser, wenn man, wenn sie die Gelegenheit ergibt, dank Selbstladebüchse mit genügend Patronen im Magazin, gleich mehrere Frischlinge hintereinander erlegen könnte und nicht immer nur einen.
Mit einer entsprechenden Änderungen des Jagdgesetzes könnte man meines Erachtens die Schwarzwildbestände erhalten, in dem man sie so reduziert, wie es zur Eindämmung der sich weiter ausbreitenden afrikanischen Schweinepest erforderlich ist.
Es ist zu bedenken, dass die hohe Schwarzwilddichte, die wir heute haben, und die möglicherweise noch viel größer ist als die Schwarzwildzählungen vermuten lassen, am Ende dazu führen kann, dass nahezu der gesamte Schwarzwildbestand von den für die afrikanischen Schweinepest verantwortlichen Viren vernichtet wird, und dass dabei dann außerdem noch die Hausschweinebestände dezimiert werden. Auch ist das Sterben der Wildschweine durch so eine Seuche meines Erachtens grausamer als durch präzises, überraschendes Einzelfeuer mit einer halbautomatischen Büchse.
Eine Weidehaltung von Hausschweinen wiederum könnte aus ökologischen Gründen für die Landwirtschaft und für die Ernährung in Zukunft eine wachsende Rolle spielen, wenn man dazu die Argumente und Methoden von Sepp Holzer und Joel Salatins Pigaerator Pork bedenkt. Das funktioniert aber nur wenn man das Schwarzwild so effizient bejagt werden kann, dass man die Ausbreitung von Tierseuchen wie die afrikanische Schweinepest hinreichend eindämmen und unter Kontrolle bringen kann.
Abschließend ein Youtube-Beitrag zur Nachtjagd mit Nachtsichtgeräten und Wärmebildgeräten auf Schwarzwild.
Kelberg, den 29.07.2016
Christoph Becker
Nachtrag 30.7.2016:
Es würde vielleicht auch schon reichen, oder wäre zumindest schon einmal eine enorme Verbesserung, wenn man zu der oben erwähnten, derzeit schon legalen Nachtjagdausrüstung am Gewehr einen Infrarotstrahler montieren (und natürlich benutzen) dürfte. Derzeit grundsätzlich verboten das Ziel bei der Jagd, womit auch immer anzuleuchten. Nicht verboten – weil aus praktischen Gründen nicht verbietbar – ist natürlich die Nutzung des Lichtes von Mond und Sonne, des Lichtes von Sternen und Ortschaften, des Lichtes von Fahrzeugen, die zufällig oder erwartungsgemäß irgendwo vorbeifahren (Prof. Müller berichtet z.B. in seinem Buch über das Schwarzwild, dass er teilweise das Fahrlicht von auf einer nahen Straße vorbeifahrenden Autos geschickt nutzen konnte). Wenn man so einen Infrarotscheinwerfer am Gewehr montieren dürfte, könnte man damit den Lichtverlust in der Visiervorrichtung kompensieren und man könnte das Schussfeld ausleuchten. Gerade für das Erlegen von Frischlingen, die nach dem Handlungsprogramm zur Reduzierung überhöhter Schwarzwildbestände und zur Absenkung des Risikos einer Ausbreitung von Tierseuchen für das Jagdjahr 2016/2017 insbesondere auch zu bejagen sind, wäre die Erlaubnis, einen Infrarotscheinwerfer am Gewehr führen zu dürfen, eine große Hilfe. Es wäre aber zu prüfen, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen solche Geräte eine Gefahr für die Augen von Tieren darstellen. Ich benutze beim Gießen von Metall jedenfalls eine getönte Schutzbrille, weil die Infrarotstrahlung des flüssigen Metalls , des Tiegels und der Muffel (=Form) für die Augen gefährlich sein soll. Zur Beobachtung von Tieren, also wenn man keine Waffe dabei hat, sind solche Scheinwerfer allerdings derzeit in Deutschland erlaubt.
Bei all diesen Dingen ist es im Übrigen, wie so oft im Leben in Deutschland so, dass nur diejenigen, die sich an das Gesetz halten von diesem benachteiligt und behindert werden und dass das Gesetz auch kontraproduktiv ist und den Erreichen seines Zieles selbst im Weg steht. Zu den Zielen des Jagdgesetze gehört die Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestandes, die Begrenzung der Wildschäden in Land- und Forstwirtschaft auf ein erträgliches Maß und eine dem Grundgedanken des Tierschutzes möglichst gut entsprechende Tötung der zu jagenden Tiere. Vor diesem Hintergrund schadet es, dass Zielvorrichtungen und Zielhilfen verboten sind, deren Nutzung das Erreichen der Ziele des Jagdgesetzes dienen würde.
Ich habe nur einen sogenannten Begehungsschein, und in dem Vertrag dazu habe ich mich insbesondere auch zur Mithilfe bei der Wildschadensbekämpfung verpflichtet ↩
das Geräusch wenn so eine ganze Rotte mit einen großen Zahl von Frischlingen gleichzeitig in einem Getreidefeld frisst ist ziemlich eigenartig. ↩
Test der Zeitschrift JÄGER über den Geschmack von Gefrorendem und gehetztem Wild und http://forum.fleischbranche.de/forum/fachbereich/sonstiges/2097-fleischqualit%C3%A3%C2%A4t-vom-schwarzwild ↩
Bei der Jagd nutze ich meist das Pulsar Helion XQ50F. Ein Wärmebildgerät ist in der Nacht für die Jagd meiner Meinung nach unerlässlich. Wie Sie bereits sagen, sollten führende und besonders noch säugende Muttertiere keinesfalls erlegt werden.
Das Helion XQ50F scheint das Nachfolgemodell meines QUANTUM HD50S zu sein. Es ist schon erstaunlich, wie der Preis gefallen ist, während sich die Ausstattung und Leistung deutlich verbessert zu haben scheinen.
..ich bin kein Jäger, ich kann nur ein bischen Jägerlatein anfügen, das ich von einem Jägersmann gehört hatte: nachdem er zwar ein Nachtsichtgerät am Kopf trug, konnte er zwar das Wild gut sehen…aber durch das Zielfernrohr eben nicht, weil die Optik eben viel Licht schluckt….eigentlich aus Spaß habe er das Gewehr aufgelegt in Richtung des Wildes, nahm seine kleine Maglite aus der Tasche und hielt sie an das Zielfernrohr. Im Nachtsichtgerät sah er das Absehen sehr gut auf dem Tier, fast genauso gut wie ein Laser…..
Nun, wir wissen ja, daß Jägerlatein mindestens genauso lehrreich – oder leer-reich – ist wie das berühmte Seemannsgarn und ich weder Jäger noch Seemann bin, gebe ich das alles wertefrei weiter mit einem großen Fragezeichen.