Sind Fruchtfolgen notwendig?

Wieder einmal eine Provokation von Dr. Elaine Ingham. In Lektion 8. der Life in the Soil Class erklärt sie, dass und warum  Fruchtfolgen, ebenso wie Pestizide und Fungizide, nicht nötig sind,  wenn die Mikrobiologie gut ist. 

Warum Fruchtfolgen?

Neulich hat mir noch ein konventioneller Bauer erklärt, dass und warum Fruchtfolgen und sogar Brachzeiten wichtig und gut wären. Tatsächlich hatte ich so etwas auch einmal in der Schule in Geschichte gelernt. Stichwort Dreifelderwirtschaft (de.wikipedia.org/wiki/Dreifelderwirtschaft).

Bei einer Suche mit  “ökologischer landbau fruchtfolge” zeigte mir Google unter anderem die folgenden Fundstellen:

Warum Fruchtfolgen nicht nötig sind

Pflanzenkrankheiten

Gesunde Pflanzen sind vollständig, von den Wurzeln bis zur obersten Blattspitze mit einem Film aus für die Pflanze vorteilhaften Bakterien, Fungi, Protozoen und Nematoden bedeckt.  Die Pflanze versorgt diese insbesondere mit zuckerhaltigen Exsudaten. Diese Schicht aus Mikroorganismen verhindert, dass Krankheitserreger mit der Pflanzenoberfläche in Kontakt kommen, die die Exsudate nutzen und z.B. in die Pflanze eindringen können. Wenn sich diese Schicht aus für die Pflanzen vorteilhaften Mikroorganismen nicht oder nur unvollständig bilden kann, oder wenn der Bauer diese Schicht mit seinen teuren Spritzmitteln zur Freude der Agrarchemieproduzenten zerstört, DANN fällt sozusagen das Immunsystem der Pflanzen aus und man versucht dann, in der Praxis üblicherweise mit immer mehr und immer teureren Spritzmitteln oder/und mit Fruchtfolgen und Brachzeiten die Schädlinge und Krankheiten in den Griff zu bekommen.

Wenn die Pflanzen diese Schutzschicht haben, werden Pflanzenkrankheiten in der Regel ausreichend unterdrückt und kurz gehalten, so dass sie keinen nennenswerten Schaden verursachen können. Pflanzenkrankheiten fallen damit als Begründung für Fruchtfolgen und Brachzeiten weg.

Nährstoffe

Eine offenbar verbreitete Vorstellung ist, dass Pflanzen den Boden auslaugen bzw. ihm Nährstoffe entziehen und dass er sich immer wieder “erholen” müsse.

Zumindest dann, wenn das Bodenleben gesund und umfangreich ist, sind die Nährstoffe kein Problem. Um die Wurzeln herum befindet sich im Idealfall eine Schicht aus Bakterien und Fungi, die alle Nährstoffe, die sich auf dem Weg zur Pflanze befinden, fressen und NICHT freigeben. Das heißt, vor allem zum Stickstoff hat man das gut untersucht. Was die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt, könnte zart besaitete Veganer und Vegetarier beunruhigen:

Die Pflanzen füttern also mit ihren zuckerhaltigen Exsudaten Bakterien und Fungi. Diese nehmen aus der Umgebung an Stickstoff auf, was sie bekommen können und sie produzieren Enzyme, mit deren Hilfe sie ihnen und den Pflanzen fehlende Nährstoffe aus dem umgebenden Gestein, Sand usw. lösen. Das Entscheidende ist nun, dass die Bakterien und Fungi von kleinen Raubtieren, nämlich von Bakterien und Fungi fressenden Nematoden und Protozoen gefressen werden. Diese kleinen Raubtiere scheiden dann die in den Bakterien und Fungi vorhandenen Nährstoffe in einer für die Aufnahme durch die Pflanzen geeigneten Form aus. Wenn die Bauern und Gärtner das Bodenleben nicht durch Bodenbearbeitung, Chemikalien, Bodenverdichtung und zu große Mengen anorganischer Dünger zerstören, dann produziert dieses genug Nährstoffe für die Pflanzen.  Der Grenzwert für anorganische Salze (wie z.B. Mineraldünger), bis zu dem es keine Problem gibt, liegt bei ca. 110 kg / ha.

Bodenstruktur

Insbesondere durch die Fungi, aber auch durch Würmer und Arthopoden bekommt und erhält der Boden eine gute Bodenstruktur.

Tonböden und das Calcium/Magnesium-Verhältnis

Eine gewisse Ausnahme sind schwere Tonböden (Heavy Clay), bei denen das Verhältnis von Calcium und Magnesium je nach Boden bei 5 bis 7 zu 1 liegen muss, damit der Aufbau einer guten Bodenstruktur möglich ist. In diesem Bereich flockt der Tonboden aus und wird damit für Bakterien und Fungi besiedelbar. Wenn zu wenig Calcium vorhanden ist, sind die Tonpartikel dicht gepackt und es ist keine Platz für Bakterien, Fungi und Luft.

Wer nun schwere Tonböden hat und gleich Calcium kaufen und streuen möchte, sollte sich erst das folgende Experiment von Dr.  Elaine Ingham ansehen:

Quelle: Dr. Elaine Ingham, Life in the Soil Class ( https://environmentcelebration.com/education/life-in-the-soil-class/ ) Lektion 7

In den Zylindern war ein steriles Sand-Lehmgemisch. Die kleinen weißen Rechtecke oben auf den Zylinder stellen Tütchen mit je 300 mg Calcium dar (Austerschalenmehl).  Darüber wurde eine bei allen 4 Zylindern gleich große Menge Wasser gegossen und es wurde gemessen, wie viel Calcium in dem unten aus den Zylindern herauskommenden Wasser enthalten war.

Die Ergebnisse:

  1. Nur steriles Sand-Lehmgemisch: Es wurde kein Calcium zurück gehalten. 100 % werden bei sterilem Boden weggeschwemmt.
  2. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit 5 % zuvor in einem Autoklaven sterilisierter, organischer Masse vermischt. 98 % des Calciums wurde weggeschwemmt.
  3. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit Bakterien infiziert, und diese wurden im Boden gut vermehrt. Nun wurden “nur” noch 95 % des Calciums weggeschwemmt.
  4. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit Fungi infiziert und diese wurden gut vermehrt. Nun wurde die gesamte Calcium-Menge im Boden zurück behalten.

Was lernen wir daraus?

Es ist ziemlich sinnlos, Calcium zur Verbesserung schwerer Tonböden auszubringen, wenn man keine oder zu wenige Fungi im Boden hat. Der kluge Gärtner oder Bauer sieht und zählt also erst einmal mit einem Mikroskop nach, was in seinem Boden so alles lebt, oder er beauftragt jemanden, der das für ihn tut. Dann wird er die Population der Fungi gezielt vermehren. Dazu braucht man entsprechenden Kompost oder Komposttee,  aber eben nicht irgend einen, sondern einen, der genug Fungi hat – was wieder mit einem Mikroskop zu kontrollieren und nachzuweisen ist. Damit die Fungi sich ordentlich vermehren, müssen sie natürlich auch das richtige Futter vorfinden und gut behandelt werden. Wenn die Ansiedlung einer genügend großen Menge Fungi gelingt, reicht das vielleicht schon, denn die Bakterien und Fungi lösen eben auch Calcium aus den mineralischen Bestandteilen des Bodens. Wenn dieses Calcium nun nicht mehr weggeschwemmt wird, weil man nun genug Fungi im Boden hat, dann wird der schwere Tonboden auch schön ausflocken, ohne dass man Calcium kauft und streut.

Wer bei schweren Tonböden  Fungizide einsetzt, hat keine Chance, weil dann selbst das, was an Calcium im Boden ist, ausgewaschen wird.

Kelberg, den 6. Juli 2018

Christoph Becker

 

 

 

 

 

 

 

 




Erster Eindruck von Elaine Inghams Kursen

Wie ich in Quorum Sensing und Komposttees geschildert habe, habe ich mir am 9.6.2018 spontan das Online-Kurs-Paket von Dr. Elaine Ingham geleistet.  Inzwischen habe ich alle Videos aller Vorlesungen mindestens einmal angesehen und ich habe jetzt auch den Test für die erste Lektion absolviert (und  mit 100 % Richtigen bestanden).

Erster Eindruck der Tests

Der Test der ersten Lektion war ein Multiple-Choice-Test mit 21 Fragen. Es war immer nur eine von zwei Möglichkeiten richtig. Also ja/nein. Die Test sind zeitlich unbegrenzt. Man kann den Test unterbrechen und man kann nebenher z.B. mit der Suchfunktion von Adobe Acrobat im Transkript der Lektion suchen. Man kann auch per google recherchieren wenn man sich nicht sicher ist.

Man muss natürlich sehr sorgfältig sein und gut auf passen und die Fragestellung im Detail beachten.

Man kann die Fragen beliebig oft und lange immer wieder durchgehen (ich habe erst alles beantwortet und bin dann noch einmal Frage für Frage alles durchgegangen um insbesondere Flüchtigkeitsfehler aus zu schließen).

Wenn man mit dem Test fertig ist, muss man das über das Anklicken einer Schaltfläche (“Finish Quiz”) signalisieren. Man bekommt dann binnen weniger Sekunden das Ergebnis angezeigt. Eine Wiederholung des Test ist dann nicht mehr möglich.

An dem Test der nächsten Lektion kann man nur teilnehmen wenn man den der aktuellen Lektion abgeschlossen hat.

Falls man nach Abschluss aller Kursteile an der Zertifizierung als Bodenberater teilnehmen will, muss man bei den Tests im Mittel mindestens 90 % erreichen.

In der Anleitung zu den Tests steht auch:

Our goal is for students to learn the material in a way where students think beyond the classes themselves and integrate information in ways Dr. Ingham might not have done so in the classes directly. Please remember quizzes are cumulative and our expectation is that you build culumative knowledge. Your job is to take the information we give you and think beyond it. Your welcome to use Google if you need to.

Insgesamt ist das Kurspaket anspruchsvoll. Ich war erstmals wirklich froh über mein für Zahnärzte eigentlich viel zu gründliches und zu umfassendes  Grundstudium in anorganischer und organischer Chemie, Biochemie, Biologie und Mikrobiologie an der Universität Antwerpen (damals R.U.C.A.).

Ich kann mir heute nicht gut vorstellen, ob und wenn ja wie gut ich den Kurs von Elaine Ingham verstehen und folgen könnte, wenn ich heute auf dem Niveau wäre, auf dem ich z.B. nach dem Abschluss der Fachoberschule oder auch der Fachhochschule war.

Wer immer sich für diese schon etwas teuren Kurse von Elaine Ingham interessiert, wird vernünftiger Weise erst die auf Youtube frei verfügbaren Präsentationen und die Kursbeschreibungen von Elaine Ingham sorgfältig ansehen.

Mein Gesamteindruck von dem Kurspaket ist, dass es sich zumindest für mich auf jeden Fall lohnt und seinen Preis wert ist. D.h., ich hatte es mit 50 % Nachlass zum Aktionspreis bekommen, was 2191 Euro waren. Es werden wohl öfters Aktionspreise angeboten. Es kann sinnvoll sein dazu auf der Übersichtsseite nach zu sehen: environmentcelebration.com/education/classes-overview/.

Für mich als Zahnarzt ist es eine Umkehr dessen was ich bisher gewohnt bin. Statt Mikroorganismen zu vernichten und ihnen das Leben schwer oder unmöglich zu machen, geht es nun darum die Zusammenhänge zu verstehen um dann gezielt mit Hilfe von Kompost und Komposttee Pflanzen und Boden mit Mikroorganismen zu infizieren. Die Betonung liegt auf “gezielt”. Damit das mit dem Zielen und Treffen wirklich zuverlässig funktioniert, lernt man mit einem Lichtmikroskop Bodenproben zu untersuchen und die Untersuchungsergebnisse zu interpretieren.

Ein wenig erinnert mich das an meine Zeit als Ingenieurassistent und später als Schiffsingenieur.  Der Boden und das darin enthaltene Bodennahrungsnetzwerk,  ist ebenfalls ein faszinierendes, sehr komplexes System, das es zu verstehen, mit Hilfe von Messinstrumenten zu beurteilen, in stand zu halten und ggf. zu reparieren gilt.

Der praktisch wirtschaftliche Nutzen?

Die Grüne Revolution hat nur funktioniert, weil das Bodenleben bereits vorher durch die Methoden der konventionellen Landwirtschaft massiv geschädigt war.

Grundsätzlich sind, wie Frau Ingham erklärt, weltweit im Grundgestein, im Sand, im Ton und im Lehm des lokalen Standortes alle für das Wachstum der Pflanzen notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge enthalten. Das Problem ist nur, dass die Nährstoffe in der Regel nicht in der von den Pflanzen benötigten  wasserlöslichen Form vorhanden sind. Damit genug Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar werden, braucht man daher zunächst eine große Diversität und Menge aerober Bakterien und Fungi, die die Nährstoffe aus dem mineralischen Boden herauslösen können.  Damit diese Bakterien und Fungi überhaupt funktionieren können brauchen sie Energie. Diese Energie wird per Photosynthese von den Pflanzen gewonnen. Die Pflanzen geben einen großen Teil der durch Photosynthese gewonnen Energie in Form von organischem Kohlenstoff ab und ernähren damit die Bakterien und Fungi die dann die Nährstoffe aus dem Boden lösen. Die Energie wird von den Plfanzen in Form von Kohlenstoffketten, Zuckern, oder, wie Christine Jones es in “Liquid Carbon Pathway” ausdrückt “flüssigem Kohlenstoff”) abgegeben. Nur zum Teil liefern die Pflanzen den Bakterien und Fungi auch Energie auf dem Umweg über Pflanzenabfällen.

Die Bakterien sorgen auch noch dafür, dass sich sogenannte Aggregate bilden. D.h., die Bakterien sondern ein Art Klebstoff ab, mit dem sich feine mineralische Bodenpartikel zu größeren Klümpchen verbinden. Die Fungi geben dem ganzen Struktur.

Die aus dem Boden gelösten Nährstoffe, die nun in den Bakterien und Fungi stecken sind für die Pflanzen nun aber noch immer nicht nutzbar. Um auf natürliche Weise an für die Pflanzen nutzbare Nährstoffe zu kommen braucht man Bakterien und Fungi fressende Protozoa und Nematoden. Erst die Ausscheidungen dieser Protozoa und Nematoden haben die von den Pflanzen benötigte wasserlösliche Form.

Dadurch, dass die von Bakterien und Fungi aus den mineralischen Bodenbestandteilen, oder soweit vorhanden auch auch aus organischen Abfällen gewonnen Nährstoffe in Bakterien und Fungi gespeichert sind, sind sie vor Wegschwemmen geschützt und bleiben dem Bauern auch bei einem starkem Regen erhalten.

Damit die Bakterien und Fungi fressenden Protozoa und Nematoden nicht überhand nehmen und die Nährstoffe gewinnenden Bakterien und Fungi zu sehr  dezimieren, braucht man Nematoden, Artropoden und Würmer, die die Bakterien und Fungi fressenden Protozoa und Nematoden fressen. Damit auch auf dieser Ebene ein Gleichgewicht geschaffen wird, braucht es noch höherer Tiere und schließlich den Menschen.

Das folgend Bild zeigt dieses ganze Bodenfutternetzwerk schematisch:

Das Boden-Nahrungs-Netzwerk. Diese Grafik ist aus dem Kursmaterial der ersten Lektion von Dr. Elaine Inghams “Life in the Soil”-Kurses: https://environmentcelebration.com/products/life-in-the-soil-class/ . Die Grafik wird aber auch frei verfügbaren Vorträgen auf Youtube gezeigt (z.B. https://youtu.be/PMikVOrE7LI?t=16m35s ).

Der praktisch wirtschaftliche Nutzen den ich in alledem sehe ist, dass man hier das geistige Rüstzeug erwirbt, mit dem man im Grunde überall auf der Welt die Kosten der Landwirte senken und die Betriebsergebnisse drastisch verbessern kann. Ich denke da z.B. an die großen Düngemittelberge und die riesigen gepflügten Felder, die ich im Frühjahr bei meiner Reise durch Lettland gesehen habe. Elaine Ingham erwähnt zudem verschiedene praktische Beispiele. In einem Fall in Australien konnten z.B. die Betriebskosten von Milchviehbetrieben um jeweils ca. 200.000 Dollar pro Betrieb gesenkt und die Betriebe rentabel gemacht werden. Bei einem Versuch auf einem Milchviehbetrieb in Neuseeland konnte man hohe Tierarztkosten und den Mineraldünger einsparen und dabei die Milchproduktion steigern.

Sauerstoff im Boden

Was mir bisher auch nicht oder nicht richtig klar war, ist, dass die für die Gesundheit der Pflanzen und für ein gesundes Bodenleben nötigen Organismen Sauerstoff benötigen. Die für die Bodenfruchtbarkeit guten Mikroorganismen sind sogenannte Aerober, d.h., Sauerstoff benötigend Organismen.  Damit genug Sauerstoff in den Boden gelangen kann müssen irgend wie Kanälchen, Tunnel, Spalte usw. geschaffen werden. Hier wird auch verständlich, warum die Bodenverdichtung durch schwere Maschinen ein Problem ist. Anderseits sind alle Tierchen und Tiere die irgendwie dafür sorgen, dass Luft in den Boden gelangen kann hilfreich (solange sie nicht überhand nehmen).

Was man bei dem Kurs auch lernt, ist die auf Sauerstoffmangel hinweisenden Veränderungen mit Hilfe des Mikroskops zu erkennen.

Dünger können natürliche Nährstoffproduktion abschalten

Chemische Dünger, aber auch Pestizide, Fungizide und  Herbizide können die natürliche Nährstoffproduktion ganz oder teilweise abschalten. Der Bauer gibt dann also zur Freude der Mitarbeiter und Aktionäre von BAYER viel Geld aus um seinen eigene Gelddruckmaschine zu ruinieren.

Warum hat die Grüne Revolution funktioniert?

Die Grüne Revolution hat funktioniert, weil das oben kurz erklärte und gezeigte Bodenfutternetzwerk durch die Bodenbarbeitung regelmäßig  zerstört wurde.

Anstelle der natürlichen Nährstoffgewinnung hat man bei der “Grünen Revolution” von den Pflanzen benötigte, wichtige Nährstoffe in Form von wasserlöslichen, also für die Pflanzen verfügbaren, anorganischen Verbindungen zugefügt. Ein Problem dabei ist neben dem Preis für die Chemikalien und ihre Ausbringung, das begrenzte Nährstoffspektrum, dass der Bauer oder Gärtner seinen Pflanzen zur Freude der Chemieindustrie als Ersatz für die Nährstoffe liefert, deren natürliche Verfügbarmachung er zur Freude der Landmaschinenindustrie für viel Geld und mit viel Arbeit und Energieverbrauch regelmäßig ruiniert, indem er die Bodenstruktur stört und zum Teil auch indem er die Böden verdichtet.

Dr. Elaine Ingham erklärt dazu, dass man zur Zeit ihrer Kindheit noch glaubte,  dass die Pflanzen nur drei essentielle Nährstoffe bräuchten, nämlich Stickstoff, Phosphor und Kali ( daher der Begriff NPK-Dünger). Im Laufe der Zeit wie die Zahl der als für die Pflanzen  notwendig angesehenen Nährstoffe immer größer. Heute ist man bei  42 verschiedenen essentiellen Nährstoffen angelangt. Dazu nennt sie dann noch ein von den meisten nicht vermutetes chemisches Element, nämlich Arsen. Das Arsen ein tödliches Gift sein kann ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist,  dass Arsen zugleich auch ein essentieller Nährstoff ist, ohne den unsere Nerven nicht funktionieren würden. Die Menge entscheidet darüber ob etwas zum Erhalt der Gesundheit notwendig oder sogar eine wichtige Medizin ist, oder ob es ein tödliches Gift ist.

Warum die Nährstoffgehalte seit dem 2. Weltkrieg sinken

An dieser Stelle wird nun verständlicher, dass und warum die Nährstoffgehalte der Lebensmittel seit dem 2. Weltkrieg sinken,  wie ich in Nährstoffgehalt der Lebensmittel sinkt seit dem 2. Weltkrieg gezeigt habe:

Die Bauern und Gärtner üben sich fleißig in der Torheit der Pflügenden (siehe dazu auch meinen Artikel Die Torheit der Pflügenden und die Geschichte) und stören oder zerstören damit viel Geld und Fleiß zur Freude der Chemieindustrie die natürliche Nährstoffproduktion im Boden, die die Natur eigentlich als als kostenlose Dienstleistung anbietet. Da die Bauern und Gärtner aber ganz sicher nicht alle benötigten essentiellen Nährstoffe in den nötigen Mengen als Dünger ausbringen, fehlen den Pflanzen und damit auch denen die Pflanzen verzehrenden Tieren und Menschen wichtige Nährstoffe.

Das Fehlen wichtiger Nährstoffe  macht dann die Pflanzen und auch die die Pflanzen verzehrenden Tiere und die Menschen  anfällig für Krankheiten, was aber zumindest gut für das Geschäft der chemischen Industrie und für das Wirtschaftswachstum ist.

Warum Biobauern oft geringere Erträge haben

Die Erklärung für das Funktionieren der grünen Revolution erklärt zugleich auch warum Biobauern oft ziemlich geringe Erträge und schlechte Böden haben: Sie investieren viel in Bodenbearbeitung und stören damit das Bodenleben, und damit eben auch die natürliche Verfügbarmachung von Nährstoffen.

Sehr krass zeigte sich das in dem Vergleich der Böden, den ich in bereits in Optimierung im Getreideanbau und Hochwasserschutz durch Integration der Mutterkuhhaltung im Abschnitt Vergleich der Bodenproben von 4 benachbarten Betrieben gezeigt und erklärt hatte. Hier nur die Tabelle:

Management Vergleich

Managementmethode N P K OC
“Ökologisch” wirtschaftender Betrieb,  hohe Diversität, intensive Bodenbearbeitung 2 156 95 233
No Till, geringe Diversität 27 244 136 239
No Till, mittlere Diversität, viel Chemie (sythetische Dünger usw.) 37 217 199 262
Browns Ranch: No Till, große Diversität, keine Chemie,  Integration  von Tierhaltung 281 1006 1749 1095

N = Stickstoff, P = Phosphor, K = Kalium, OC = Organic Carbon

Fazit

  1. Ich finde den Kurs von Dr. Elaine Ingham ist wirklich sehr empfehlenswert und sein Geld wert.
  2. Weltweit sind überall genug Nährstoffe im Boden vorhanden um Pflanzen wachsen zu lassen. Das Problem ist nur, dass sie für die Pflanzen nicht verfügbar sind. Damit die Pflanzen an die in der Natur genug vorhandenen Nährstoffe gelangen könnten sind mehrere Zwischenschritte eines komplexen Bodenlebens  erforderlich.
  3. Die Grüne Revolution hat nur funktioniert, weil die Landwirte und Gärtner die natürliche Nährstoffgewinnung schon vorher per Bodenbearbeitung gestört oder zerstört haben. Das erklärt auch die geringen Erträge und die schlechte Bodenqualität konventioneller Biobauern.
  4. Man kann lernen das Bodenleben mit ziemlich einfachen und preiswerten Methoden gezielt zu analysieren, zu reparieren und zu optimieren.

Für die deutsche Industrie und Wirtschaft sind das alles sehr schlechte Nachrichten. Für die Welt, für die Gesundheit, für die Wasserqualität, die Lebensqualität und auch für die Überlebenschancen bei und nach dem Ende der Verfügbarkeit billiger fossiler Energieträger sind das sehr gute Nachrichten.

Kelberg, den 30.06.2018

Christoph Becker




Nährstoffgehalt der Lebensmittel sinkt seit dem 2. Weltkrieg

Seit den 30er Jahren gibt es Messungen der Nährstoffgehalte vieler Lebensmittel, u.a. durch das britische Landwirtschaftsministerium, die eine erschreckende Tendenz zeigen und die viele Krankheiten und Beschwerden  zumindest teilweise erklären. Es gibt aber auch in der Praxis erprobte wissenschaftliche Erkenntnisse, mit denen dieser Trend umgekehrt werden kann und mit denen Landwirte und Gärtner sehr viel Geld sparen können.

Im Folgenden habe ich den für das Thema Nährstoffrückgang in Lebensmitteln, Ursachen, Gegenmaßnahmen und Düngemittel relevanten Teil des Vortrages der australischen Wissenschaftlerin Dr. Christine Jones, teilweise übersetzt und  teilweise zusammengefasst. Auch habe ich (fast)  alle mir relevant erscheinenden Folien übersetzt.

Die übersetzten Teile sind durch kursiv kenntlich gemacht.

Die Folien sind gerahmt und dadurch als solche erkennbar.

Der Vortrag wurde im Sommer 2015 im Rahmen der “Fuller Field School” gehalten. Auch die anderen Vorträge dort sind, finde ich sehr empfehlenswert. Frau Christine Jones wird von Gabe Brown,  in dessen Vortrag als eine überragende Kapazität in Sachen Bodengesundheit gelobt und empfohlen. Gabe Brown selbst dürfte einer der besten Farmer sein, wenn es um moderne, zukunftsorientierte und wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft in größerem Stil geht. Auf ihn und seine Farm hatte ich u.a. in Optimierung im Getreideanbau und Hochwasserschutz durch Integration der Mutterkuhhaltung und in Bodenerosion durch Starkregen in Weinbergen hingewiesen.

Ich denke, Gabe Browns Einschätzung und Empfehlung des Vortrages von Dr. Christine Jones kann man uneingeschränkt zustimmen. Ihre Webseite ist: www.amazingcarbon.com

Der Link auf das Original des Vortrages bei Vimeo:

Dr. Christine JonesPart 1_ “Soil Carbon_ the Mycorrhizal Connection.” 2015 Fuller Field School.

Ab hier zu dem Vortrag, wobei ich bei Minute 20 beginne. Was nicht eingerahmt oder kursiv ist, ist eine Zusammenfassung oder ein Kommentar von mir.

[20:07]

Bei der Landwirtschaft geht es hauptsächlich um

Lebensmittel.

Aber da läuft etwas fundamental falsch.

 

[20:10]

Der Nährwert der heutigen Lebensmittel ist niedriger als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte.

 

[20:16,5]

Man müsste zweimal so viel Fleisch, 3 mal soviel Obst und 4 bis 5 mal soviel Gemüse essen, um dieselbe Menge Mineralien zu sich zu nehmen, wie in denselben Lebensmitteln im Jahre 1940 enthalten war.

Es gibt dazu eine ganze Menge Daten. Im Folgenden werden Daten aus dem Vereinigten Königreich gezeigt. Der Artikel, aus dem die Daten entnommen wurden, zeigt auch was diese Nährstoffe für die menschliche Gesundheit bedeuten.

[20:39]

Sinken der Mineralgehalte in Gemüsen von 1940 – 1991

Durchschnittswerte von 27 Gemüsesorten …

  • Kupfer (Cu)  minus 76 %
  • Kalzium (Ca)  minus  46 %
  • Eisen (Fe) minus 27 %
  • Magnesium (Mg) minus 24 %
  • Kalium (K) minus 16 %

Quelle: David Thomas ‘A study on the mineral depletion of the foods available to us as a nation over the period 1940 – 1991’. Nutrition and Health 2003; 17: 85 – 115

Der Artikel von David Thomas ist kostenlos als pdf-Datei verfügbar:

www.mineralresourcesint.co.uk/pdf/mineral_deplet.pdf

[23:13,9]

Sinken des Mineralgehaltes in Fleisch von 1940 – 1991

Mittelwert von 10 Sorten Fleisch

  • Kupfer (Cu) minus 24 %
  • Kalzium (Ca) minus 41 %
  • Eisen (Fe) minus 54 %
  • Magnesium (Mg) minus 10 %
  • Kalium (K) minus 16 %

Quelle: David Thomas ‘A study on the mineral depletion of the foods available to us as a nation over the period 1940 – 1991’. Nutrition and Health 2003; 17: 85 – 115

Suchen mit “Spurenelemente Mangel” und “Mineralstoffmangel” listen verschiedene Seiten mit Informationen zu Krankheiten und Beschwerden. Dabei ist zu bedenken, dass das Wissen in der Medizin auch heute zwar groß, aber dennoch unvollständig und hier und da sicher auch falsch ist. Als sicher ist aber davon auszugehen, dass die verschiedenen Spurenelemente und Mineralien für die Gesundheit  eine große Rolle spielen. Als sicher kann auch gelten, dass verschiedene Personen unterschiedlich empfindlich auf Mangelerscheinungen reagieren und dass Krankheiten und Beschwerden zugrunde liegende Mangelerscheinungen nicht immer (oder oft nicht?) als solche erkannt werden. Jedenfalls kann man als sicher ansehen, dass eine allgemeine Verschlechterung der der Nährstoffgehalte der Nahrung sich negativ auf die Gesundheit vieler Menschen auswirkt. Viele “unerklärliche” oder “zufällig” auftretende Krankheiten, Beschwerden und Mangelerscheinungen dürften vor diesem Hintergrund auf die Verschlechterung der Qualität der Lebensmittel zurückzuführen sein.

[23:52]

Doppelschlag

Rückgang des Nährstoffgehaltes ist mit einer Zunahme chemischer Rückstände verbunden ……

Sie berichtet dann von einer amerikanischen Studie mit Schulkindern, bei der man die Kinder eine Woche lang genau hat aufschreiben lassen, was sie gegessen haben. Am Ende der Woche hat man eine Blutprobe bei den Kindern entnommen. Die Kinder, die in dieser Woche das meiste Obst und das meiste Gemüse gegessen hatten, hatten die meisten chemischen Rückstände im Blut.

Der Apfel anstelle von Zuckerzeug in der Schulverpflegung ist damit für die allgemeine Gesundheit durchaus nicht so gut wie die meisten denken. An dieser Stelle muss ich allerdings an den Vortrag des damals führenden belgischen Toxikologen  denken, den dieser während meiner Studienzeit in Belgien über Lebensmittel gehalten hat. Aus diesem Vortrag habe ich hauptsächlich fogende Information mitgenommen:

  1. Äpfel, von denen man nicht ganz sicher weiß, ob sie mit irgendwelchen Chemikalien gespritzt wurden, sollte man unbedingt vor dem Verzehr schälen.
  2. Apfelsinen, die in Belgien auf den Markt kommen sind immer chemisch behandelt und sollten daher immer  geschält werden.
  3. Obst und Gemüse von “Biobauern” hatte  damals (ca 1981), warum auch immer, bei toxikologischen Untersuchungen in Belgien, oft keinesfalls besser abgeschnitten als solches aus dem Supermarkt.

[25:21]

Wie ist es möglich, dass wir in der “konventionellen Landwirtschaft” mehr und mehr chemische Dünger einsetzen und immer weniger Nährstoffe in unseren Lebensmitteln haben?

(Im Orginal heißt es “anlaysis fertilizer”. Das bezieht sich offenbar auf sogenannten NPK-Dünger. Wobei N für Stickstoff, P für Phosphat und K für Kalium steht.)

[25:39,5]

Die offizielle Erklärung ist der “Verdünnungseffekt”.

Das heißt, wenn der Ertrag (oder die Fruchtgröße) steigt, dann sinkt theoretisch der Mineralstoffanteil.

[26:15,8]

Aber wir sehen bei hoch ertragreichen Ernten in biologisch aktivem Boden  NICHT dieselben Rückgänge der Nährstoffgehalte.

Stattdessen sehen wir das Gegenteil.

Bei biologisch aktivem Böden findet man keinen Rückgang der Nährstoffinhalte und die Produkte schmecken phantastisch.

Damit hat John Denver mit seinem Loblied auf die im eigenen Garten selbst angebauten Tomaten,   Home Grown Tomatoes , wohl recht – sofern man die weiter unten erklärten Prinzipien beachtet.

[26:50,9]

Wissenschaftler haben ein Problem zu erklären, warum die Eiweißgehalte in Getreide fallen,  während sich die Menge des pro Flächeneinheit verbrauchten Stickstoffdüngers in den letzten Jahrzehnten vervielfacht hat ….

Es gibt Gebiete wo man, wenn man Weideland umpflügt und dort erst mal Getreide anbaut, Proteingehalte von 18 bis 19 % erzielt und dann, obwohl man sehr viel Stickstoffdünger einsetzt, große Schwierigkeit hat, einen Eiweißgehalt von mehr als 10 % zu erzielen.

Der Stickstoff kommt einfach nicht in die Pflanzen.

85 bis 90 % der Nährstoffe gelangen über Mikroorganismen, wie über eine Brücke, in die Wurzeln der Pflanzen.  Wenn diese Mikrobenbrücke nicht oder nicht in ausreichendem Maße gegeben ist,  dann können die im Boden vorhandenen Nährstoffe nicht in die Pflanzen gelangen.

[27:48,9]

…. und warum die Gehalte an Kalzium und Eisen in den Lebensmitteln deutlich gefallen sind – während diese Mineralien in den meisten Böden im Überfluss vorhanden sind, ( obwohl sie in der Abwesenheit mikrobieller Vermittler nicht zwingend verfügbar sind).

Bei dieser Gelegenheit erklärt sie, dass die Leute fast überall auf der Welt, wo sie hinkomme sagen würden, dass sie Kalk ausbringen müssten, weil das einen wichtigen Effekt auf das Wachstum der Pflanzen und die Bodengesundheit habe. In Wahrheit seien Kalzium und Eisen aber weltweit in fast allen Böden im Überfluss vorhanden.

Man könne sogar Kalzium-Mangel auf Böden feststellen, die sich aus Kalkstein gebildet haben, wenn der Boden nicht biologisch aktiv ist.

Kalkmangel sei also keine Frage des Vorhandenseins von Kalzium sondern eine Frage der biologischen Aktivtät.

[29:00,7]

Verdünnung und Erschöpfung sind NICHT der Grund.

Das Problem ist, dass die Pflanzen nicht länger in der Lage sind, die Mineralien und Spurenelemente, die sie benötigen aufzunehmen.

Warum ist das so??

Also Verdünnung ist nicht der Grund, Erschöpfung ist nicht der Grund. Es gibt reichlich Mineralien in ihrem Boden. Die Pflanzen sind nur nicht mehr in der Lage, diese aufzunehmen. Warum ist das so?

[29:20,7]

Um diese Frage zu beantworten müssen wir erst fragen …..

“was ist Mutterboden?”

Die offizielle Definition von Mutterboden lautet:

[29:31]

Was ist Mutterboden?

Mutterboden ist verwittertes Gestein (Sand, Lehm, Ton) das mit Pflanzenwurzeln in Kontakt war oder ist.

Also warum sind Pflanzenwurzeln wichtig?

[29:37,6]

Warum Pflanzenwurzeln?

[29:40]

Grüne Pflanzen nehmen Sonnenlicht und Kohlendioxid (CO2)  auf …

….. und verwandeln verwitterte Gesteinsmineralien in Mutterboden.

Wenn wir irgendwo auf der Welt sehen, dass es keine grünen Pflanzen gibt, dann ist es dort zu heiß, zu trocken, zu kalt oder zu was immer.

Es wird dann dort kein Mutterboden sein. Es wird irgend eine Art verwittertes Gesteinsmaterial dort sein.

Beispiele Sahara oder Gebirge oberhalb der Vegetationsgrenze.

Und man sieht diese ebenfalls in Landwirtschaftlichen Betrieben.

Wie viele Systeme auf der ganzen Welt haben Sommerbrache? Ich sehe immer noch Sommerbrache in einigen Teilen der USA und Kanadas. Noch immer ist der Boden den ganzen Sommer blank.

Denn wo es keine Pflanzen gibt, verschlechtert sich der Boden.

Auf der anderen Seite ist es so, dass je mehr Pflanzen wir haben und je länger wir Pflanzen haben, je mehr gesunden Boden können wir aufbauen. Es funktioniert in beide Richtungen. Sie nehmen die Pflanze heraus und verlieren Mutterboden. Sie nehmen Pflanzenvielfalt weg, der Boden verschlechtert sich. Sie tun mehr Pflanzen hinein, der Boden verbessert sich. Mehr Pflanzenvielfalt und längere Perioden mit Pflanzenbedeckung. Also das ist es, was grüne Pflanzen tun.

[31:01,8]

Fruchtbarer Boden ist ein Produkt aus Photosynthese und mikrobieller Aktivität (Resynthese)

Photosynthese alleine ist nicht genug.

[31:10,4]

Es ist die Photosynthese und nicht der Mutterboden, die die  Basis für die Pyramide des Lebens bildet

Die Photosynthese grüner Pflanzen, mit dem für deren Funktion benötigen Licht, Wasser und CO2 produziert die energiereichen Verbindungen, die an den Wurzeln an Mikroben abgeben werden, die Nährstoffe lösen und in eine zur Aufnahmen durch die Wurzeln der Pflanzen geeignete Form bringen. Wurzeln und Mikroorganismen bilden den Mutterboden.

Wenn man die Photosynthese halbiert, etwa in dem man den Boden während der Hälfte der Vegetationsperiode blank liegen lässt, dann halbiert sich auch die zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit verfügbare Leistung.

Das Wort Photosnysthese hat zwei Teile. Photo = Licht, und Synthese = Zusammensetzen. Grundsätzlich bedeutet das ‘Leben aus Licht machen’.

[32:08]

Photo: Licht

Synthese: zusammensetzen

Photosynsthese:

‘Leben aus Licht machen’

Ohne Leben kann man keinen guten aggregierten Boden haben.

Unglücherweise übersieht man das heutzutage. Vor 1940, als man mit den Aufzeichungen für diese Tabellen der Nährstoffgehalte der Lebenmittel begann, wurde die  Wichtigkeit des Bodenlebens klar erkannt.

Vor 1940, wurde die Wichtigkeit des Bodenlebens klar erkannt.

 

[32:28.9]

In den 1890er Jahren beschäftigten sich Wissenschaftler mit der Erforschung der Mycorrhiza (Pilzwurzeln) und frei lebender, Stickstoff fixierender Bakterien.

Weil das so lange her ist, fehlt es der [modernen] Literatur.

[32:48,3]

Diese Mikroorganismen sind beide pflanzenabhängig. In der Tat sind die meisten Mikroben im Mutterboden pflanzenabhängig. Sie bekommen ihre Nahrungsmittel von den Pflanzen.

 

[32:54,6]

“Es kann ohne Mutterboden kein Leben geben und keinen Mutterboden ohne Leben; sie haben sich zusammen entwickelt.” (Charles E. Kellogg, USDA Yearbook of Agriculture, 1938)

Kein Mutterboden ohne Leben. Ich denke das ist der wichtige Punkt.

Also, wir müssen soviel Leben wie möglich in den den Mutterboden bekommen. Und das schließt auch ein, dass wir unsere Grass fressenden Tiere dazu einsetzen. – worauf wir in den nächsten beiden Tagen näher eingehen.

[22:15,2]

Nach dem 2. Weltkrieg verließen wir uns auf Chemikalien und vergaßen, dass Mutterböden leben müssen, damit sie effektiv funktionieren können.

Nach dem 2. Weltkrieg verließen wir und auf Chemikalien und vergaßen, dass Mutterböden leben müssen, damit sie effektiv funktionieren können.

Daraus resultierte sehr vereinfacht das Schema, das man in vielen Lehrbüchern über Mütterböden sieht: Die Basis ist der Mutterboden, in dem Pflanzen wachsen von denen sich Tiere ernähren. (Folie der vereinfachten Pyramide an [33:35.4]

Das ist es, was man den Studenten an den Universitäten erzählt: ‘Man hat einen Boden und was immer das für eine Sorte ist, man hat ihn für immer, weil man Böden nicht verändern kann’.

Wie oft habe ich insbesondere von Boden-Physiologen gehört:  Dass der Boden durch den Typ bestimmt und dass man den nicht ändern kann, dass man die Bodenstruktur (Texture) nicht ändern kann – sagen sie, man kann den Bodenhorizont nicht ändern – sagen sie. Wir haben sehr, sehr schnelle Veränderungen in all diesen Punkten gesehen.

Weil wir dieses Konstrukt haben, gehen wir dann, wenn etwas nicht so funktioniert wie wir es gerne hätten, hin und fügen etwas [Dünger, Kalk, Herbizide, Pestizide] hinzu, um es zu reparieren.

[34:22,8]

Wenn Feldfrüchte und Weiden nicht die Leistung erbringen, die wir gerne hätten,

….. dann wünschen wir etwas hinzuzugeben, um den Mutterboden zu reparieren.

Also was tun wir?  Wir nehmen eine Bodenprobe und schicken sie in ein Labor. Da wird der Boden Chemikalien ausgesetzt, die er nie zuvor in seinem Leben gesehen hat. Und der ganze Bodentest hat nichts damit zu tun, wie der Mutterboden funktioniert. Und dann kommt dabei eine Zahl heraus, die sagt ‘Sie müssen soundsoviel Stickstoff oder soundsoviel Phosphor, oder Kalzium oder was auch immer ausbringen, damit Ihr Boden funktioniert.’ Aber die Chemikalien, die man für solche Tests benutzt, sind nicht die Chemikalien, die Pflanzen nutzen. Die Chemikalien, die wir benutzen, um aus dem Boden Mineralien zu extrahieren sind nicht die, die die Mikroben benutzen. Also welche Relevanz hat ein Bodentest zu irgend etwas, was biologisch in ihrem Mutterboden vor sich geht? Das kann nicht sehr viel sein. Der Bodentest wurde im Wesentlichen dazu entworfen, Ihnen etwas zu verkaufen. Und wenn sie das auf ihren Boden aufbringen, machen sie alles nur schlimmer.

[35:14.2]

Aber …..

85 – 90 %  der Nährstoffaufnahme der Pflanzen ist mikrobiell vermittelt.

Aber, was das Labor Ihnen nicht gesagt hat, ist dass 85 – 90 % der Nährstoffaufnahme des Bodens von Mikroben vermittelt wird. Mit anderen Worten, selbst wenn sie Sachen auf den Boden aufbringen, müssen die immer noch durch Mikroben gehen, damit die Pflanzen die aufnehmen können.

Wenn wir uns die zwei am häufigsten aufgebrachen Nährstoffe ansehen, über die wir morgen mehr sprechen können, …. das sind Stickstoff, von dem maximal 10 bis 40 % von dem, was Sie aufbringen von den Pflanzen aufgenommen wird. Mit anderen Worten, 60 bis 90 % werden nicht aufgenommen. 60 bis 90% des Stickstoffs, den Sie ausbringen wird nie von Pflanzen aufgenommen. Wo geht er hin? Er verflüchtigt sich oder er leckt durch ins Grundwasser oder fließt in ein Gewässer. Endet in einem Grundwasserleiter. An wie vielen Orten in den USA kann man heute das Wasser nicht mehr trinken? An einer wachsenden Anzahl Orten kann man das Wasser nicht mehr trinken, weil es wegen der Nitrate giftig ist, die durchgesickert sind.

Und wenn wir uns Phosphor ansehen, ist die Situation wahrscheinlich sogar noch schlimmer, was die von den Pflanzen aufgenommene Menge angeht. Maximal 10 bis 15 % des Phosphors, den man ausbringt wird im Jahr der Ausbringung aufgenommen.  Das bedeutet, dass zwischen 85 und 90 % nicht aufgenommen werden. Wo geht das hin? Wenn man Mutterboden durch Erosion verliert, landet das in den Flüssen und verursacht Algenblühen usw.. Aber selbst, wenn man keinen Boden durch Erosion verliert, wird er an die anderen Mineralien im Boden gebunden, weil Phosphor ein sehr reaktives Element ist. Er bleibt nicht einfach als Phosphor  im Boden. Manchmal ist er innerhalb von Stunden entweder als Kalziumphosphat, oder Aluminiumphosphat oder Eisenphosphat gebunden. Wenn er erst einmal in dieser Form gebunden ist, ist er für Pflanzen vollständig unverfügbar. Sie können ihn nicht zurück bekommen. Aber ist  etwas in dem Boden was diesen so gebundenen Phosphor zurückgewinnen kann? …. Phosphatase. Also Bakterien können Phosphor aus Kalziumposphat oder Eisenphosphat oder Aluminiumphosphat leicht gewinnen. Und raten Sie, was Bakterien ebenfalls tun können. Sie können Stickstoff binden. Es gibt tausende von Bakterien, die Stickstoff fixieren können.  ….

Nicht nur die mit Leguminosen verbundenen Bakterien können Stickstoff fixieren.  Diese kann man leicht im Labor züchten. Mit den heute verfügbaren, hochentwickelten biochemischen Techniken, mit denen man sehen kann, was im Boden ist, hat man herausgefunden, dass es tausende Bakterien gibt die Stickstoff fixieren können. Die meisten davon kann man nicht im Labor züchten und studieren, aber man kann sehen, dass sie die  DNA haben um Stickstoff zu fixieren.

Vorausgesetzt wir unterstützen die Photosynthese genug und sorgen für genug Pflanzenvielfalt, dann können die Pflanzen alles an Stickstoff und Phosphat aus dem Boden bekommen.

Die produktivsten Ökosysteme der Welt hatten niemanden, der dort Stickstoffdünger ausgebracht hat.

Zusammenfassung

Die Entwicklung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg ist ein ökologisches und gesundheitspolitisches Desaster. Die Vorstellung vom immer währenden Fortschritt und insbesondere auch vom angeblichen Fortschritt unsere Zivilisation seit 1940 ist damit im wichtigsten Bereich, nämlich der Nahrungsmittelversorgung, sehr grundlegend falsch.

Der Rückgang der Nährstoffgehalte der Lebensmittel und auch die Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Düngemittel (insbesondere Nitrate und Phosphate), Pestizide und Pflanzenschutzmittel seit 1945 waren und sind weitgehend vermeidbar.

Es ist grundsätzlich möglich, die Qualität und die Nährstoffgehalte der Lebensmittel binnen weniger Jahre wieder auf das Niveau von vor 1945 zu verbessern. Dabei können die Umweltbelastung durch Düngemittel, insbesondere auch die Entstehung klimaschädlicher Gase durch die Stickstoffdüngung weitgehend beseitigt werden.

Übersetzung/Zusammenfassung/Kommentar

P.S.: Man beachte auch den kurz vor diesem Artikel frei geschalteten Blogbeitrag Gleicher Boden, verschiedenes Management über ein praktische Beispiel aus dem 2. Teil der Präsentation von Frau Dr. Christine Jones.

Kelberg, den 6. Juni 2017

Christoph Becker

 




Optimierung im Getreideanbau und Hochwasserschutz durch Integration der Mutterkuhhaltung

Auch für die meisten Landwirte dürfte  es überraschend sein, dass und wie man durch einen intelligenten Einsatz von Rinderherden und Deck- bzw. Zwischenfrüchten und Untersaaten den Ertrag von Getreidefeldern massiv steigern, den Hochwasserschutz und den Schutz vor Dürreschäden erheblich verbessern,  Bodenerosion vermeiden und die Kosten senken kann. Dabei handelt es sich nicht (nur) um eine Theorie, sondern vor allem um praktische Erfahrungen und harte Zahlen und Fakten:

Hier einige Zahlen und Fakten von Brown’s Ranch, dem Betrieb den ich hier als Referenz anführe:

  • Ackerbau und Viehzucht gemischt.
  • Seit 1993 “no Till” Betrieb. Also nur noch Decksaat.
  • Früher ein konventioneller Betrieb. Nach vier aufeinander folgenden Jahren, mit 100 bis 80% Ernteausfall durch Hagel bzw. Dürre in den 90er Jahren, Beschäftigung  mit  Allan Savorys  Holistic Managment   (siehe mein Artikel  Ganzheitliches Weidemanagement).
  • Gesamtbetriebsfläche: 2023 ha
  • Ackerfläche: 809 ha
  • In Grünland umgewandeltes Ackerland: 404 ha
  • Ursprüngliches, nie umgepflügtes Grünland (Prärie): 809 ha
  • Mutterkuhherde mit 350 Muttertieren
  • 400 – 800 Kälber/Rinder die nur mit Grass bis zur Schlachtreife gefüttert werden.
  • Eine Schafherde, Legehühner, Hähnchen, Weideschweine.
  • Die Vorbesitzer hatten wegen des kalten Klimas früher ein halbes Jahr Heu gefüttert. Die Browns füttern heute nur an 60 Tagen im Jahr,  also nur ca. 2 Monate  pro Jahr, Heu.
  • Hoher Wilddruck, der die Weiden und Äcker zusätzlich belastet. Teilweise kommen Hirsche  (Deer)  im Winter über 70 km herbeigewandert und es können mitunter hunderte Hirsche (Deer) auf  dem Gelände sein.
  • Ziel bei der Weidehaltung: 1/3 für die Tiere über der Erde (also hauptsächlich die Kühe, aber auch Wildtiere).  2/3  für die Tiere unter der Erde (Mikroben, Würmer usw.).

Aus dem Vortrag   DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health?

hier zunächst eine die Übersetzung der  Tabelle von Position [34:26]. Die Erträge sind in Bushel (dt. Scheffel) angegeben. Ich habe sie nicht umgegerechnet, weil es sich beim Bushel um ein Raummaß  handelt ( 1 Bushel = 36,3687 Liter), während Getreidemengen in Deutschland üblicherweise in Doppelzentner oder Tonnen, also in Gewichtseinheiten angegeben werden. Auch macht ein Vergleich von Nord Dakota (kontinentales Klima mit kurzen Sommern, letzter Frost ca. Mitte Mai, erster Frost Anfang September, sehr kalte Winter) mit Deutschland meines Erachtens wenig Sinn. Was hier wichtig ist, ist der lokale Vergleich der Ranch der Browns (mit Googel Earth suche: 3752 106th St NE,
Bismarck, ND 58503 ) mit dem Durchschnitt ihres Landkreises:

Erträge
Ertrag auf Bowns Ranch [Bushel] Durchschnittsertrag  im Landkreis (County) [Bushel] Browns Ranch über dem  Durchschnitt
Mais 127 98

30 %

Sommer Weizen 62 39 59 %
Hafer 112 62 81 %
Gerste 72 48 50 %

Gabe Brown sagt, es gäbe Landwirte im Landkreis, die höhere Erträge hätten als er, aber bei ihm sei  der Aufwand sehr viel geringer (und damit der Ertrag in Dollar größer), weil er nicht nur durch das “No Till” bzw. Direktsaatverfahren,  Energie und Maschineneinsätze spart, sondern  vor allem auch , weil  sein  Betrieb keinen Kunstsdünger, keine Pestizide,  keine Fungizide und nur noch selten   (alle 3-4 Jahre), und dann auch nur teilweise, Herbizide verwendet.

Vergleich der Bodenproben von 4 benachbarten Betrieben

In Postion [55:19] erwähnt Gabe Brown, dass ein Team von Wissenschaftlern im letzten Herbst vier verschiedene Produktionssysteme verglichen habe. Eines davon war das von  Browns Betrieb. Für den Vergleich galten folgende Rahmenbedingungen:

  • Alle vier Betriebe in enger Nachbarschaft, im Umkreis von 1 Meile (1,6 km).
  • Gleiche Bodentypen.
  • Es wurden Fotos von Bodenproben gemacht und es wurden Bodentest nach/von  Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas.

Die vier Produzenten waren:

  1.  Ein “ökologischer” Betrieb, (Organic Producer oder auf Deutsch wohl “Biobauer”) der eine sehr hohe Vielfalt hatte (Mais, Bohnen, Erbsen,Weizen, Gerste, Hafer, Alfalfa, Tritikale, Roggen, Klee), eben ein sehr diversifizierter Betrieb, aber  mit  viel Bodenbearbeitung (heavy tillage). Die Bodenprobe sah nicht so gut aus.  Nach Browns Aussage geringe Wasserinfiltration bei Regen,  sowie  Probleme bzw. hohe Widerstände  für die Wurzeln.
  2. “No Till”-Betrieb, also Decksaatbetrieb, mit sehr geringer Diversität, der nur Flachs und Sommerweizen anbaut. Dieses Frühjahr  hatten sie ein Regenereignis, bei dem 8,39 cm ( 3  1/2 Inch bzw. ca. 84 Liter pro qm) Regen in 45 Minuten fielen. Dabei wurde sein Sommerweizen weggewaschen und er musste Sonnenblumen pflanzen.  Das Bild zeigt auch kompaktierten Boden. Das Bild zeigt  keine  Unterschied  zu dem  Boden des Biobauern.  “Man denkt  es ist der selbe Boden”.  Man sieht zudem kein Leben.
  3.  Seit langen “No Till”,  also Decksaat.  Ziemlich  gute Diversität. Er pflanzt Mais,  Gerste,  Sonnenblumen, Sommerweizen, Soja. Aber immer sehr, sehr hoher Verbrauch an synthetischem Dünger, Fungiziden, Pestiziden.  Das Bild zeigt auch eine  schlechte Bodenqualität.  Browns Fazit: Die Bilder der Bodenproben der Produzenten 1 bis 3 sind ähnlich: “No Till” ansich ist vielleicht ein Schritt in die Richtige Richtung, bringt aber für sich genommen keinen Unterschied.
  4.   Browns Ranch: “No Till”,  hohe  Diversität, weil er zu den Geld bringenden Früchten (Cash Crops) immer  auch Zwischenfrucht (cover corps) anbaut. Außerdem integriert er die Viehhaltung in den Ackerbau (Beispiel siehe unten).   Keine synthetischen Dünger, Pestizide, Fungizide (und nur selten Herbizide).  Das Bild der Bodenprobe ist beeindruckend: Lockerer Mutterboden mit sehr guter Wasserinfiltration,  Bodendeckung, Regenwürmer, Bodenleben.

Hier nun die Tabelle mit den Messwerten.

Management Vergleich
Managementmethode N P K OC
“Ökologisch” wirtschaftender Betrieb,  hohe Diversität, intensive Bodenbearbeitung 2 156 95 233
No Till, geringe Diversität 27 244 136 239
No Till, mittlere Diversität, viel Chemie (sythetische Dünger usw.) 37 217 199 262
Browns Ranch: No Till, große Diversität, keine Chemie,  Integration  von Tierhaltung 281 1006 1749 1095

N = Stickstoff, P = Phosphor, K = Kalium, OC = Organic Carbon

Man beachte das schlechte Abschneiden des konventionell “ökologisch” wirtschaftenden Betriebes.

Zahlenangaben, zumindest für   N,K und P in Pfund pro acre. Wichtig ist hier der relative Vergleich.   Die Messungen wurden von Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas durchgeführt. Es handelt daher um Angaben des nach ihm benannten Haney  Tests. Siehe  z.B. auch  Haney/Soil Health Test Information.    Mit Bodentests habe ich mich nie befasst. Wie der  im Folgenden eingebunde Vortrag von  Dr.  Rick Haney zeigt, ist Test offenbar nicht gleich Test.  Der Haney Test ist ein relativ kompliziertes Verfahren, um die aus Sicht der für die Pflanzen tatsächlich verfügbaren Nährstoffe möglichst realistisch zu erfassen. Ziel ist es, die Empfehlungen für die Landwirte zu optimieren und so unnötige Düngung zu vermeiden.

Gabe Browns Kombination aus Zwischenfrucht und Rindereinsatz  beim Getreideanbau

Hier ist zunächst anzumerken, dass Gabe Brown nicht wie  oft  üblich, nur ein bis zwei verschiedene Zwischenfrüchte aussät, sondern Mischungen mit oft 15 bis 20 und mehr Arten.  Insgesamt habe er im letzten Jahr (2015) über 70 verschieden Arten gesät. Das  Zusammenstellen der Mischungen richtet sich nach den lokalen Verhältnissen,  den Hauptfrüchten  und  der Jahreszeit  und ist, wie ich seinem Vorträgen entnehme,  eine Mischung aus Erfahrung, Kunst und Wissenschaft.

Ich habe hier “cover crops” mit Zwischenfrucht übersetzt. Aber in der Realität von Gabe Browns Betriebsweise passt diese Übersetzung zumindest nicht so, wie sich das deutsche Landwirte in der Regel vorstellen. Was Gabe Brown mit “Cover Crops” meint, sind Pflanzen, die nicht die Hauptfrucht darstellen und die vor, neben und nach einer Hauptfrucht gesät werden und auch wachsen können. Während ich hier in der Eifel in den Mais- und Getreidefeldern, die ich mir näher angesehen habe, neben dem Mais oder Getreide der Boden zwischen den Pflanzen der Hauptfrucht  fast immer blank ist und wenn dann nur vereinzelt und unregelmäßig vielleicht etwas Gras oder “Unkraut” wächst,    hat Gabe Brown systematisch und gezielt weitere Arten dazwischen gesät. Das “Zwischen” in Zwischensaat ist hier also nicht nur  zeitlich   sondern auch  räumlich zu verstehen.

Interessant ist an dieser Stelle, vielleicht auch, dass der reine Gründlandbetrieb der Salatins, die   Polyface Farm , ebenfalls eine “No Till”-Sämaschine angeschafft hat und damit experimentiert, die Leistung  der Viehweiden durch das Einsäen von einjährigen Ackerpflanzen wie Erbsen und bestimmten Getreidearten zu verbessern. Das habe ich jedenfalls dem als Interview mit Joel Salatins Sohn David, das sich auf der dem Salatin Semester beiliegenden CD befindet, entnommen. Die Steigerung der Weideleistung bei  diesen Versuchen war offenbar extrem  gut, sofern die Bodenfruchtbarkeit und das Wasserangebot gut waren.

Die  Brown Ranch  von Gabe Browns Familie und die   Polyface Farm der Salatins ähneln sich insgesamt, auch wenn die Lage, das Klima, und  die Betriebsgröße sich sehr unterscheiden.   Beide Betriebe  haben  ihre  Wirtschaftsweise offenbar unabhängig von einander entwickelt und sind zumindest aus westdeutscher Sicht Großbetriebe. Der größte  Unterschied  zwischen beiden Betrieben ist,  dass   die  Browns  in erster   Linie Getreideproduzenten waren und mit ihren 809 ha Ackerland ,  von denen jedes Jahr  90 %  für  den Getreideanbau genutzt werden, auch noch sind. Das für mich bisher fehlende Mosaiksteinchen, das  Gabe Brown liefert, ist die Einsicht, dass und wie auch der Getreideanbau nachhaltig und zugleich wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden kann und dass der Einsatz von Mutterkuhherden dabei ein für den Erfolg und die Effizienz wertvolles Hilfsmittel sein kann.

Während Zwischenfrüchte oder Bodendecker, sofern sie überhaupt gesät wurden, hier in Deutschland (immer soweit ich das selbst gesehen habe)  vor der Aussaat der Hauptfrucht, untergepflügt oder sonst wie untergearbeitet werden, werden diese auf der Brown Ranch drei Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht von Rindern    abgeweidet und  zertrampelt.   Dabei wird eine ziemlich extreme Flächendichte, von bis über 100 kg Lebendgewicht pro m2 angewendet. Das heißt, dass eine Kuh von 500 kg nur ca. 5  m2  Weide zugeteilt bekommt .  Die Tiere werden dabei  mehrmals  täglich  auf ein neues Stück Weide umgetrieben.   Gabe Browns Faustformel bei der Beweidung mit Mutterkühen lautet im Allgemeinen “1/3 des Futters für die Tiere über dem Boden und 2/3 für die Tiere unter der Erdoberfläche”. Bei der extremen Form des Mob-Weidens   auf mit Zwischenfrüchten bewachsenen Ackerflächen, 3 Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht,  ist das Verhältnis vielleicht sogar noch besser zu Gunsten des Bodenlebens. Die Kühe sorgen bei diesem extremen Beweiden jedenfalls dafür, dass  der nicht von ihnen gefressene Teil der Zwischenfrucht zertreten und zum Teil, durch das Gewicht der Tiere und durch den lokal hohen Flächendruck und die Kanten der Hufe, in den Boden gedrückt wird.

Die Aussaat der Hauptfrucht – ggf. zusammen mit einer neuen Zwischenfruchtmischung – erfolgt dann drei Tage später mit einer “No Till”-Sämaschine.  Dabei schneidet eine Scheibe einen Schlitz in den Boden und das darüber  liegende  organische Deckmaterial.  Danach  kommt eine  Vorrichtung, die  den Schlitz etwas aufweitet und die Samen in den Schlitz legt und dann wird der Schlitz wieder zugedrückt.

Diese extreme Form des Beweidens der Zwischenfrucht  hat eine Reihe  von Vorteilen:

  • Der Boden wird vor Austrockung geschützt. Feuchtigkeit ist aber auch für das Bodenleben gut und natürlich auch für das eingebrachte Saatgut.
  • Die Mikroorganismen im Boden werden vor UV-Strahlen und Hitze geschützt. Gabe Brown zeigt, dass blanker Mutterboden leicht 20 Grad wärmer ist als die im Schatten gemessene Umgebungstemperatur.  Die Temperatur auf der Oberfläche von mit organischem Material abgedeckten Mutterboden entspricht dagegen ungefähr der Umgebungstemperatur. In praller Sommersonne blank liegender Mutterboden kann außerdem Temperaturen erreichen, die für Mikroorganismen tödlich sind.
  • Die von den Rindern hinterlassenen, zertrampelten Zwischenfuchtreste sowie der Mist und Urin der Tiere liefern Nahrung für Mikroorganismen, Würmer, Pilze, Insekten usw. .
  • Schäden bei Starkregen werden verhindert.  Regentropfen, die auf  das zertrampelte organische  Material  auftreffen  werden abgebremst und  treffen nur  langsam  und schonend auf den Boden auf.  Auch   hält die Schicht organischen Materials  auf dem Boden selbst  Wasser zurück.  Die Bodenerosion wird verhindert.
  • Die Zwischenfrucht dient teilweise als Nahrung für die Mutterkuhherde.

Eine andere  Nutzung der Zwischenfruchtmischungen  besteht darin, dass sie im Herbst oder Winter  abgeweidet wird. Im Spätherbst oder Winter kann dadurch Heu eingespart werden.

Die 5 Grundsätze von Gabe Browns Methode:
  1. Der Boden muss eine “Panzerung” (armour) oder Schutzschicht aus organischem Material haben.
  2. Diversität muss gegeben sein(viele Pflanzenarten, viele Tierarten, ein umfassendes Bodenleben)
  3. Es müssen möglichst immer viele lebende Wurzeln im Boden vorhanden sein.
  4. Die Bodenstruktur soll nicht gestört werden. Die Bodenstruktur ist sehr viel komplexer als man gemeinhin denkt und es gibt jede Menge für das Wachstum der Pflanzen hilfreiche Symbiosen, die man mit der Bodenbearbeitung stört oder auch zerstört.
  5. Integration von Großtieren, wie ich es schon in dem Artikel Ganzheitliches Weidesystem zu erklären versucht habe.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir noch einmal das 4. Kapitel, The Living Soil (dt. Der  lebende Mutterboden)  in  dem  Buch  Building Soils vor  Better Crops –  Sustainable Soil Management, durchgelesen. Das Buch hatte ich schon in  meinem Artikel  Nachhaltige Bodenverbesserung schon im März 2015 vorgestellt. Gabe Browns Methode und auch der bei ihm übliche Einsatz der Rinder zur Optimierung des Getreideanbaus macht vor diesem Hintergrund sehr viel Sinn und  seine  guten Ergebnisse werden verständlich. Ein interessanter,  auch von Brown  besonders hervorgehobener Aspekt  ist dabei, dass nützliche Pilze (Fungi) eine Chance zur Ausbreitung haben.  Die übliche Bodenberarbeitung durch Pflügen, Grubbern usw. zerstört die oft sehr weitläufigen Netzwerke der Pilze. Manche Pilze dehnen ihre unterirdischen Netzwerke über viele Quadratkilometer aus.   Viele Pilze leben in  einer Symbiose mit  Pflanzen und  können  eine  Reihe von nützlichen  Funktionen haben.  Ein  bekanntes Beispiel  für den Nutzen von  Pilzen  ist , dass Pilze z.B. Penicillin produzieren können.  In dem Buch Mycelium Running: How Mushrooms Can Help Save the World  von Paul Stamets wird von einen Beispiel berichtet, wo der Autor sein Haus von Riesenarmeisen befreit hat, indem er diesen eine bestimmte Pilzart angeboten hat, die die Ameisen wie ein Trojanisches Pferd akzeptiert und gerne aufgenommen hat, um dann von diesen Pilzen getötet zu werden.

Die Anwesenheit von Pilzen kann  aber offenbar auch dabei helfen, Nährstoffe aus dem Boden zu lösen oder zu transportieren. Für die Gesundheit und Qualität des Mutterbodens ist jedenfalls auch das Vorhandensein von Pilzen wichtig. Intensive Bodenbearbeitung führt aber dazu, dass Bakterien bevorzugt und Pilze zurückgedrängt werden.

Wasserinfiltrationsrate

Als Gabe Brown und seine Frau die Farm 1991 von seinen Schwiegereltern gekauft haben, hat man Bodenproben genommen und auch gemessen, wie schnell Wasser im Boden versickert. Damals betrug die Wasserinfiltrationsrate 1/2 Zoll, das sind 12,5 mm pro Stunde, oder 12,5 Liter Wasser pro qm und Stunde.

2015 betrug die Infiltratioinsgeschwindigkeit 15 Zoll pro Stunde ( 38,1 cm bzw. 381 Liter Wasser pro qm und Stunde).  Die Position  in dem anfangs eingebunden Vortag, DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health? von Gabe Brown ist  [1:01:23].  Die Wasserinfiltrationsrate hat sich also in ca. 25 Jahren  um das 30-Fache verbessert.  Einige Sekunden später in dem Vortrag zeigt er wie die Infiltration gemessen wird und wie rasant ein Zoll Wasser, also 25 Liter pro Quadratmeter, versickern. Bei seinem Boden dauert das heute nur noch 9 Sekunden. Zwei Zoll, also insgesamt 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, versickert in nur 16 Sekunden. Demnach würde ein Sturzregen von 50 Litern in nur 25 Sekunden problemlos aufgenommen. Die bei den Browns auch auf den Getreidefeldern vorhandene Deckung des Bodens mit organischem Material würde den Aufschlag der Regentropfen zudem dämpfen. Die Fließgewässer in der Umgebung würden weder durch eine plötzlich abfließende Wassermenge noch durch damit weg gespülte Nährstoffe belastet.

Für die Ranch der Browns ist dabei von besonderer Wichtigkeit, dass der durchschnittliche Niederschlag nur ca. 400 mm pro Jahr beträgt. Durch die gute Bodenqualität wird so gut wie immer der gesamte Niederschlag auf dem Boden der Ranch gehalten, was Verluste durch Dürreschäden reduziert.

An dieser Stelle möchte ich auch auf die Präsentation “Maintaining a Healthy Watercycle” (dt.  Einen gesunden Wasserkreislauf  erhalten” ) von Jim Gerrish hinweisen und diesen einbinden. Die Präsentation dauert nur gut 12 Minuten und ist wie ich meine sehr gut gemacht. Das Englisch ist leicht verständlich.:

Speicherkapazität durch Kohlenstoff

1 % organisches Material (Soil Organic Matter) in den obersten 15 cm des Bodens kann über 185 qbm Wasser im Boden halten. Als die Browns ihre Farm 1991 übernommen haben, hatten sie 1,7 bis 1,9 % organisches Material im Boden. Heute haben sie über 6 %.  Vor Beginn des Ackerbaus in jener Gegend, vor über 200 Jahren, waren es über 7 %. Damit haben die Browns zunächst eine  erhebliche Menge klimaschädliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen, dabei haben sie den darin enthaltenen Kohlenstoff als die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserretention verbesserndes organische Material im Boden gespeichert und den enthaltenen Sauerstoff haben sie in die Atmosphäre zurückgegeben.

Relevanz für Deutschland

Hochwasserschutz

Man stelle sich vor, wir würden in Deutschland unsere Böden ähnlich gut verbessern, wie Gabe Brown auf seiner Farm – und wie die Salatins auf ihrer Farm. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Überschwemmungen und Hochwasser kommt, würde drastisch vermindert. Soweit  es  dennoch  Hochwasserereignisse  gäbe, würden diese sehr gemildert.   Dabei wäre das nur ein Nebenprodukt einer selbstständig wirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethode.

Schutz gegen Dürreschäden

Schäden durch auch in Deutschland vorkommende Trockenperioden könnten verhindert oder zumindest vermindert werden.

Wirtschaftliche Vorteile für die Landwirte

Die Landwirte könnten mehr verdienen. Weder die Ranch der Browns noch die Polyface Farm der Salatins erhalten  öffentliche Zuschüsse und Förderungen und erwirtschaften trotzdem systematisch erhebliche Gewinne. Gabe Brown sagt, dass er heute jedes Jahr Gewinn macht.

Was ist mit dem ökologischen Landbau?

Erstaunlich fand ich das schlechte Abschneiden des ökologischen Landbaubetriebes in der Nachbarschaft von  Gabe Browns Ranch.  Was ich bisher an ökologischem Landbau in Deutschland gesehen habe, lässt mich vermuten,  dass die Betriebe in in Deutschland auch nicht besser abschneiden würden als der Betrieb in der Nachbarschaft von Gabe Brown Ranch.

Die Wirtschaftsweisen der Betriebe von Gabe Brown  und Joel Salatin könnten und sollten meines Erachtens als Referenz für ökologischen Landbau in Deutschland und Europa diskutiert werden.

Aus verschiedenen Gründen wäre es sicher sehr vorteilhaft, die EU-Agrarförderung und die Bezuschussung der landwirtschaftlichen Unternehmen möglichst bald vor diesem Hintergrund zu hinterfragen, zu diskutieren und ggf. neu ändern.

Warum sind diese Wirtschaftsweisen so wenig bekannt?

Warum ist das alles in Deutschland so wenig bekannt? Warum wird es nicht umgesetzt? Ich denke die Antwort ist sehr vielschichtig. Einige Stichworte die mir dazu einfallen sind:

  • Psychologie und Herdentrieb des Menschen:  Was denken die anderen? Angst vor Neuem. “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht” usw..
  • Bürokratie,  Gesetze und Agrarförderung.  Eine gute Lektüre dazu ist Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed  (dt.: Mit den Augen des Staates: Wie bestimmte Schemas zur Verbesserung der Lage der Menschen versagt haben)von James C. Scott.
  • Der meines Erachtens sehr naive und einer nüchternen Analyse nicht standhaltende Glaube an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, an den Fortbestand des Friedens und an die Unendlichkeit der Ressourcen, auf den man in Deutschland sehr häufig, um nicht zu sagen fast überall, trifft.
  • Interessen der Großindustrie und ihrer Lobby.
Andere deutsche Hinweise auf  Gabe Browns Betrieb

Zum Schluß sollte und möchte ich nicht verschweigen, dass z.B.  Gabe Brown  auch anderen Deutschen außer mir bekannt ist, und dass ich erst von anderen Deutschen von ihm erfahren habe. Zuletzt hatte mich der Kommentar von “Florian” zu meinen Artikel Ganzheitliches Weidemanagement motiviert,   mich doch  etwas mehr mit  Gabe Brown zu befassen und mir einige seiner Vorträge anzuhören. Das war der passende Baustein zur passenden Zeit, weil ich damit auch gelernt und gesehen habe, dass und wie Rinderherden und das Mob Grazing auch für den Getreideanbau in interessantes Werkzeug sind.

Schließlich war/ist da der Artikel Ich mache Boden gut – Vom Segen der Humusvermehrung  –  Das Beispiel von Gabe Brown aus Bismarck in North Dakota .

Außerdem wurde  Gabe Brown in dem deutschen  Forum  www.selbstversorg.org  mehrfach erwähnt .

Christoph Becker

Kelberg, den 14. September 2016