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Ganzheitliches Weidemanagement

Lesedauer 17 Minuten
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Holistic grazing managment (dt. Ganzheitliches Weidemanagement) Mob-Grazing   und Rational Grazing meinen im Wesentlichen dasselbe.  Es handelt sich dabei  um  eine in Deutschland weitgehend unbekannte, hocheffiziente und ökologisch vorteilhafte, die Böden verbessernde und dem Klimaschutz dienende Weideform für Wiederkäuer. Keine der in Deutschland bekannten und angewendeten Nutzungsformen für Weiden  entspricht der Beschreibung dieser  Form des Weidemanagements .

Weil die Überschrift für diesen Artikel ursprünglich Das Mob-Weidessystem lauteten  sollte, habe  ich im Folgenden meist den von nordamerikanischen Landwirten verwendeten Ausdruck Mob Grazing oder des deutsche Übersetzung Mob-Weidesystem, verwendet. Das  nebenstehende Bild,MobGrazingBeispiel [2] von der Webseite www.americangrazinglands.com   [3]  ,1 [4]  , vermittelt einen Eindruck von der für das Mob-grazing typischen, hohen Anzahl von Tieren pro Flächeneinheit.

Auf der Suche nach einer vielleicht schon existierenden, korrekten Übersetzung  für  den amerikanischen Ausdruck  Mob Grazing 2 [5] bin ich zunächst auf den deutschen Ausdruck Portionsweide [6]gestoßen.    Die Beschreibung auf Wikipedia und auf verschiedenen deutschsprachigen, die Weidewirtschaft betreffenden Internetseiten zeigt aber, dass  man in Deutschland mit  Portionsweide nur  einen Teilaspekt des Mob Grazing   meint und dass man dessen ökologischen Wert nicht zu kennen scheint. Auf der Webseite www.oekolandbau.de [7] findet man auf deren Unterseite für die Weidesysteme für die Mutterkuhhaltung   [8] sogar indirekt-offensichtlich den Hinweis, dass das Portions-Weidesystem für die Mutterkuhhaltung im ökologischen Landbau ungeeignet ist, während Mob-Grazing  aber die für den ökologischen Landbau das mit weitem Abstand beste Beweidungssystem sein dürfte – sofern man es versteht und zu nutzen lernt.

Zwei Filmtrailer über ein praktisches Beispiel

Hier zunächst zwei Trailer zum Film Polyfaces [9], der über die das Ganzheitliche Weidesystem (und dazu jede Menge Verstand, Geschick, Weltoffenheit und  Kreativität)  seit langem anwendende Polyface Farm [10] handelt. Der erste Trailer ist nur 2:20 Minuten lang und in Englisch,  mit flotter Musik und dem unbescheidenen, selbstbewussten Statement  Joel Salatins  “Wenn jeder Landwirt in den Vereinigten Staaten dieses System  anwenden würde, dann würden wir in weniger als 10 Jahren  den gesamten Kohlenstoff, der seit dem Beginn der industriellen Revolution emittiert (=in die Luft geblasen) wurde,  sequestrieren (= im Boden einlagern).

Der folgende, zweite Trailer ist  9:38 Minuten lang und mit deutschen Untertiteln versehen:

Polyfaces trailer (German subtitles) [11] from RegrariansMedia [12] on Vimeo [13].

“Weidereste” – Verschwendung oder   Segen?

Die Art, wie das Wort “Weiderest” in den Ausführungen über die Weideformen auf Gruenland-Online.de [14] , gerade auch bei der  Beschreibung des Portionsweidesystems benutzt wird, und googeln mit dem dem Wort “Weiderest” zeigen, dass man das Mob-Weidesystem  – von  sehr seltenen  Ausnahmen3 [15] abgesehen –  in Deutschland nicht benutzt, weil man dessen entscheidenden Vorteil   bisher weder kennt noch  sieht.

Der “Weiderest”, der dazu auch noch wegen der hohen Tierdichte, zertrampelt wird, ist nämlich der für den Erfolg des Ganzheitlichen Weidesystems entscheidendenste Punkt.

Um das verstehen zu können, hat es mir sehr geholfen, dass ich von John Jeavons das Buch How to Grow More Vegetables (and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops) [16]  durchgelesen und bei ihm im Herbst 2015 ein 3-tägiges Seminar besucht hatte.  Es gibt nämlich ein Parallele zwischen der Growbiointensive-Methode von John Jeavons und dem Ganzheitlichen Weidesystem:

Bei der Growbiointensiv [17]-Gartenbaumethode von John Jeavons wird empfohlen und als für den Erfolg unerlässlich angesehen, grundsätzlich 70 % der gesamten Photosynteseleistung (also der von den Pflanzen verwerteten Sonnenenergie) für die  Produktion von  kompostierbarem Material  vorzusehen.  Wenn man  mit der Growbiointensive-Methode neu  anfängt und  genug Zeit hat ,  sät und pflanzt man   zuerst sogar  ganz bewusst nur um damit kompostierbares Material zu erzeugen.   Hauptziel bei der Growbiointensive-Methode  ist es,  zuerst und vor allem die Bodenqualität zu verbessern und dazu den Humusgehalt und damit den Kohlenstoffgehalt des Bodens zu steigern. Ein weit überdurchschnittlich hoher Ertrag ist dabei,  im Gegensatz  zu allem was  ich vorher,  als jemand der vom 6. bis zum 17. Lebensjahr auf dem Land aufgewachsen ist,  nicht das erklärte Ziel . Ein hoher Ertrag ist nur eine gerne in Kauf genommene  Nebenwirkung. Tatsächlich war und ist die treibenden Fragestellung, mit der sich  John Jeavons seit 1973 beschäftigt hat, die Frage wie man auf der kleinstmöglichen Fläche nachhaltig alles was eine Person braucht anbauen kann. Eine wichtig Information aus dem Seminar von John Jeavons, und auch von der Besichtigung der Singing Frogs Farm [18], war dann noch, dass die besten Kompostierung darin besteht, dass man die Wurzeln der Pflanzen im Boden belässt, wo sie dann den Mikroorganismen und Kleinstlebewesen als Nahrung dienen.

Das  Mob-Grazing  ähnelt so gesehen, also im  Bezug auf  das  kompostierbare Material, sehr der  Growbiointensiv -Gartenbaumethode.  Der  “Weiderest” ,  ist hier kein  Verlust, den man leider in Kauf nehmen muss, sondern  ein ganz entscheidender Grund für den Erfolg .    Für die  bei deutschen Beschreibungen des  Portionsweidesystems  als Nachteil beschriebenen Trittschäden gilt ähnliches.   Die “Trittschäden” sind eher eine Art natürlicher Mulchmähereffekt. Der “Weiderest” von  50 und  mehr Prozent  , der  von den Tieren wegen der hohen Tierdichte dann auch noch zertrampelt wird, liefert beim Mob-Grazing eben jene Bodenbedeckung mit “totem” organischem Material, die die Feuchtigkeit im Boden hält und die Würmern, anderen Kleinstlebewesen und Mikroorganismen als Schutz und Nahrung dient – was diese dann mit der Produktion von Humus und dem Lösen von Mineralien quittierten, was dem Landwirt, bei richtigem Management, im Vergleich zu anderen Methoden weit überdurchschnittliche Erträge beschert.

Wilde Weide ohne wilde Raubtiere?

In dem Wikipedia-Artikel über die Weide (Grünland) [19], gibt es aber auch einen Abschnitt “Wilde Weide” [20]. Dieser zeigt, dass man in Deutschland zwar das erreichen möchte, was das Mob-Weidesystem bzw. Allan Savorys Holistic Management tatsächlich erreichen, aber dass man in Deutschland die für den Erfolg entscheidenden Punkte nicht erkannt hat und  ausdrücklich das vermeidet, was für das Erreichen des Ziels wichtig ist.

Eine Suche nach “Wilde Weide” mit google führte zu einer Seite der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz [21], auf der eine 222 Seiten   umfassenden Broschüre mit dem Titel “Wilde Weide -Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung”  als pdf-Datei zum Download angeboten wird (ca. 300 MB Dateigröße!).   Dieser Broschüre ist zu entnehmen, dass man in Deutschland zwar  mit den System “Wilde Weide” versucht, den Effekt der großen Pflanzenfresser in der Natur wieder zu erzielen, aber dass man dabei eindeutig auf dem falschen Weg ist, weil man etwas sehr Grundlegendes nicht verstanden hat:

Die großen wiederkäuenden Pflanzenfresser dieser Erde sind Herdentiere, deren Verhalten und damit auch deren Effekt auf die Weiden, durch  das Vorhandensein  von Raubtieren geprägt war und ist:  Herdenbildung  war und ist eine Überlebensstrategie in der Wildnis,   wie man sie  in der amerikanischen Prärie in der Zeit der  großen Bisonherden [22]  hatte und wie man sie heute noch in Afrika in der Serengeti [23] hat.  Die Herden  bleiben  aus Furcht vor den Raubtieren dicht zusammen.  Die Folge ist:

Überweidung

Überweidung ist eine Funktion, die neben der Anzahl der Tiere pro Flächeneinheit und der Bodenqualität, bzw.  des Futterangebotes auch von der Zeit abhängt, die die Tiere auf einem bestimmten Stück Land bleiben.  Überweidung kommt erst zustande, wenn man zu viele Tiere  zu lange auf einer Fläche lässt.

Warum die “Wilde Weide” unnatürlich ist

Die in Deutschland als  “Naturschutz” angesehene “Wilde Weide” ist eher unnatürlich, weil die Flächen in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft4 [24] viel zu klein sind, weil die Herdengrößen zu klein sind und weil die großen Raubtiere fehlen, die die Herden zusammenhalten.  Die  Tiere  werden bei der “Wilden Weide”, anders als in der ursprünglichen Natur, nicht  dazu gezwungen dicht gedrängt, hastig grasend weiter zu ziehen. Sie können vielmehr selektiv  die ihnen am besten schmeckenden Gräser und Pflanzen übermäßig häufig abfressen und diese damit zurückdrängen, während der einen Teil des Grases kompostierende, den bodenverbessernde, den Boden vor Austrocknung schützenden Effekt des flächendeckenden Zertrampelns des “Weiderestes”, den  diese  Herdentiere in der ursprünglichen Natur so wertvoll gemacht  hat – und  dem wir die fruchtbaren  Böden in den großen  Graslandschaften  verdanken – nicht mehr gegeben ist.

Wachstumskurve und Energiewirtschaft des  Grases

Wichtig für die Beurteilung eines Weidesystems sind auch die Wachstumskurve von Gras und die  Art wie  Gras  Energie speichert und  auf das Abweiden oder Abmähen reagiert:

Die folgende Grafik zeigt die Wachstumskurve von Gras nach den Experimenten von P. Lineham [25]. Die Grafik habe ich  aus  dem Buch Gass Productivity –  An Introduction  to Rational Grazing [26] , von André Voisin (1959),  S. 23 entnommen.  Es wurde das Nachwachsen des Grases, nach einem Schnitt gemessen. Wie man sieht betrug die Masse des nachwachsenden Grases in den ersten 10 Tagen nach dem Schnitt nur 698 kg pro Hektar. Vom 20. bis zum 30. Tag, also in auch nur 10 Tagen, betrug  der Zuwachs 6980 –  2900  =  4080 kg  pro Hektar, also das  5,84-fache des Zuwachses in den ersten 10 Tage.  Man stelle sich dazu vor,   dass bei einer Dauerweide die Kuh “nur” alle 10 Tage das Gras abfrisst.   Dabei ist dann noch nicht berücksichtigt, dass  das Gras  für  das erste Wachstum, in den Wurzeln  gespeicherte Energie verwendet, die sich erschöpft, wenn wegen zu schnellem Wiederabfressens nicht genug neu Energie  gespeichert  werden kann.

grassgrowth-Linehan [27]

 Mob-Weidesystem bildet die Natur nach

Beim Mob-Weidesystem ersetzt das Wissen und der Verstand des Landwirtes, kombiniert mit den Möglichkeiten  moderner, elektrischer Zaunsysteme , die Wirkung der Raubtiere.   Intelligente Planung und  teilweise auch der Einsatz von Tabellenkalkulationen ersetzen  oder kompensieren beim Mob-Weidesystem den Umstand, dass man in dichtbesiedelten Kulturlandschaften eben nicht mehr solche riesigen Flächen wie in der Serengeti oder in der Nordamerikanischen Prärie zur Zeit der großen Bisonherden hat, in denen die Tiere grasend in großen Herden, von Raubtieren zusammengehalten und von Hunger getrieben,  ständig weiterziehen können. Beim Mob-Weidesystem wird also mit sehr preiswerter moderner Weidezauntechnik  und dem Wissen, der Intelligenz, der Erfahrung und  dem Geschick des Landwirtes   eben der Effekt der großen Pflanzenfresser erfolgreich nachgeahmt, den man in Deutschland mit der “Wild Weide” gerne nachahmen würde. Folglich ist das Mob-Weidesystem gerade auch für Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete [29]  (Flora, Fauna, Habitat-Gebiete),  soweit diese in einer ursprünglichen Naturlandschaft zum Durchzugsgebiet großer Pflanzenfresser gehören würden, bzw. wo man heute das System der “Wilden Weide” anwendet.

Bei wirklich  ganzheitlichem Weidesystem auch andere Wiederkäuer, Schweine und Geflügel

Bei einem wirklich ganzheitlichem Weidesystem wird man auch, wie auf der Polyface-Farm,  Schafe oder  Ziegen,  Schweine und  Geflügel  einsetzen.

Die Salatins setzen auf der Polyface Farm z.B. Schweine, Hühner, Truthühner und Kaninchen ein. Die Hühner haben dabei den besonderen Vorteil, dass sie die Kuhfladen breit kratzen und darin vorhandene Fliegenlarven fressen.

In seinem Salatin Semester [30] ( 12 DVDs mit ca. 18 Stunden Vortrag und ein Buch) beschreibt geht Joel Salatin auch auf diese Möglichkeiten und in dem Buch werden viele weitere Literaturquellen angegeben.

Mark Shepards Buch Restoration Agriculture: Real-World Permaculture for Farmers [31]  und die zugehörige DVD mit dem Titel Restoration Agriculture in Practice – Video Tour & Instructions, die ich in meinem Artikel Restaurierende Landwirtschaft [32] vorgestellt hatte, zeigen verschiedene weiter Gründe und Möglichkeiten. Z.B. verwendet Mark Shepard Schweine auch deshalb, weil sie sich an seinen Obstbäumen scheuern und damit den Ungezieferbefall vermindern. Kühe wiederum machen sich bei Shepard auch damit nützlich, dass sie tiefhängende Zweige von den Obstbäumen abfressen, was bei ihm ebenfalls Ungezieferbefall vermindert.

Mark Shepard wendet soweit ich mich erinnere, nicht ausdrücklich das Mob-Grazing an.  Sein Schwerpunkt ist eher eine enorme Vielfalt und das Zusammenspiel von Tieren, Büschen und Bäumen. Seine Farm heißt aus gutem Grund “New Forest Farm”, also “Neuer Waldbauernhof”,  und sein derzeitiges Geschäft scheint hauptsächlich der Verkauf von Bäumen und Sträuchern zu sein.

Insbesondere  Shepards DVD ist aber gerade auch mit Blick auf die Pflege und Nutzung von FFH-Gebieten in Deutschland sehr interessant, weil er zeigt, wie er durch die Nutzung von P.A. Yeomans Key-Line-System bzw. das Hauptliniensystem [33] faktisch jede Menge Feuchtgebiete angelegt hat damit und durch das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern nicht nur den Wasserhaushalt verbessert, sondern auch die Artenvielfalt der auf seiner Farm wild lebenden Tiere enorm gesteigert hat.

Bodenqualitätsverbesserung und Klimaschutz

Die Bodenqualität, die sich derzeit, gerade auch als Folge der landwirtschaftlichen Nutzung, weltweit verschlechtert, kann durch das  Mob-Weidesystem erheblich verbessert werden.  Zur Verschlechterung der Bodenqualität siehe dazu auch die Weltkarte in meinen Artikel Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität [34].

Mit der Verbesserung der Bodenqualität wird auch wieder Kohlenstoff im Boden eingelagert und damit Kohlendioxid aus der Luft entfernt. Die Polyface Farm [10] der Salatins hat in den letzten 50 Jahren angeblich pro Jahr ca. 5 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar im Boden eingelagert. In 50 Jahren wären das 250 Tonnen. Ein Kilogramm Kohlenstoff entspricht  3,66 kg  Kohlendioxid5 [35] Daraus folgt: Wenn man eine Tonne Kohlenstoff per Photosynthese im Boden einlagert, dann entzieht man der Luft  3,66 Tonnen Kohlendioxid. Wenn ein  Auto, das 100 g CO2 pro km erzeugt, dann haben die Salatins, in erster Linie auch durch die Anwendung des Mob-Weidesystems, pro Hektar und Jahr den CO2-Ausstoss von 183 Tausend Autokilometern wieder im Boden eingelagert, und das als Nebeneffekt der Produktion von gesunden Nahrungsmitteln.    Bei einem Auto mit einem CO2-Ausstoß von 150 g/km wären es immer noch 120.000 km PRO Jahr und Hektar.

Zum Thema Kohlenstoff im Boden erwähnte John Jeavons in seinem Vortrag zur MOSES-Conference 2015, dass der Kohlenstoffgehalt 1973, als er mit dem Gartenbau angefangen habe, im Durchschnitt bei 2 % gelegen habe. Jetzt, 2015, liege er bei nur noch 1,2% . Ich nehme an, dass er damit den mittleren Kohlenstoffgehalt der Landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit meinte. Das wäre ein Rückgang von 40 % in nur etwas mehr als drei Jahrzehnten.

Wirklich klar und sicher sind die Daten für den Kohlenstoffgehalt der Böden der Welt aber nicht:

Im selben Vortrag weist Jeavons auch darauf hin, dass die Verluste an Mutterboden weltweit so groß sind, dass von 2015 an gerechnet in nur 39 Jahren kein Mutterboden zur Nahrungsmittelproduktion mehr vorhanden wäre. Auch würde nicht nur die konventionelle Landwirtschaft, sondern auch ein großer Teil des Ökolandbaus – so begrüßenswert er auch sei – derzeit pro Kilogramm erzeugter Nahrungsmittel einige Kilogramm Mutterboden verbrauchen.   Sowohl der biointensive Gartenbau nach John Jeavons als auch das Mob-Grazing bzw. Holistic Management stoppen den Mutterbodenverlust und erzeugen sogar neuen Mutterboden. John Jeavons Methode  macht das relativ arbeitsaufwendig auf kleinen Gartenflächen, das Mob-Grazing bzw. Holistic Management  bzw. Rational Grazing, kann es mit Hilfe von Wiederkäuern wie Kühen und Schafen, mit geringem Energieaufwand im großen Stil auf großen Flächen.

Distickstoffoxid-Emmission

Dank der Verbesserung der Bodenqualität hat die Polyface Farm eine etwa 4 mal höhere Flächenleistung als konventionelle Betriebe in der Nachbarschaft, aber sie hat anderseits seit der Übernahme durch die Salatins im Jahre 1960 keinen Kunstdünger verbraucht und damit  keine oder  zumindest  eine sehr viel geringere Distickstoffoxid-Emmission ( Distickstoffoxid = N2O = Lachgas). Das Umweltbundesamt empfiehlt dringend, mit Blick auf den Klimawandel, die Lachgasemission in der Landwirtschaft zu reduzieren. Das Mob-Weidesystem, eventuell kombiniert mit anderen z.B. auf der Polyface-Farm erfolgreich erprobten Methoden und für den Gartenbau auch in Kombination mit der Methode von John Jeavons, bieten die Möglichkeit dazu.

Methanemission

Zur Methanemission durch die Rinderhaltung hat Joel Salatin in einer Antwort auf einen Artikel in der New York Times,    “The Myth of Sustainable Meat [39],”  (dt.: Der Mythos der nachhaltigen Fleischproduktion), geschrieben ( Joel Salatin responds to New York Times’ ‘Myth of Sustainable Meat’ [40]), dass Methan auch dann frei kommt, wenn man die Pflanzen einfach nur verrotten und nicht von Tieren fressen lassen würde. Wenn man die Methanemissionen vollständig eliminieren wolle, müsse man alle Feuchtgebiete und Moore dieser Welt trocken legen. 95% aller Methanemissionen der Welt  würden von Feuchtgebieten und Sümpfen verursacht . Tiere würden  nur einen vernachlässigbar kleinen  Anteil haben.   6 [41] In der Tat müsste man die Methan-Emission global betrachten und sich überlegen, was denn wirklich passieren würde, wenn man die Gräser weltweit einfach verrotten lassen würde, anstatt sie abzuweiden. Immerhin wäre es dann nicht mehr möglich, die Tiere zur Verbesserung der Bodenqualität und damit zur Einlagerung von Kohlenstoff zu verwenden. Wir brauchen die Wiederkäuer, wie weiter oben dargelegt, um die Böden und den Wasserhaushalt mit ökologisch und ökonomisch vertretbarem Aufwand zu verbessern.  Siehe dazu auch die weiter unten eingebundenen TED-Vorträge.

Mob-Grazing auf deutschsprachigen Internetseiten

Mit der Beschränkung der  google-Suche nach  “mob grazing” auf die Sprache Deutsch und das Land Deutschland fand ich nur die folgenden zwei deutschsprachigen Artikel:

Bei Suchen zum Thema Rinderhaltung und Weidewirtschaft fand ich auch eine Masterarbeit die 2014 an der Universität Hohenheim eingereicht worden war: Mutterkuhhaltung in Deutschland – [47]Status quo und Zukunftsperspektiven im europäischen Kontext.  Ich konnte in dieser Diplomarbeit keinen Hinweis darauf finden, dass in  Deutschland das Mob-Weidesystem oder etwas vergleichbares genutzt wird.

TED-Vorträge

Hier zunächst ein TED-Vortrag von Allan Savory, mit deutschen Untertiteln (ich hatte den schon in meinen Artikel Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität [34] eingebunden):

Von Veganern und “etablierten Wissenschaftlern” gab und gibt es zum Teil heftige Kritik an Savory, aber Kritik dieser Art gab es in der Vergangenheit auch für viele andere Entwicklungen, die sich schließlich durchsetzt haben. Ich denke, man sollte sich davon nicht beirren lassen, zumal man heute bei “etablierten Wissenschaftlern” immer damit rechen sollte, dass diese die Interessen irgendwelcher Konzerne oder Interessengruppen vertreten.   Und solche Interessen stehen hier in wirklich sehr großen Umfang auf dem Spiel. Auch ist es so, dass wissenschaftliche Forschungsergebnisse auch unbewusst dadurch beeinflusst werden, was die jeweiligen Wissenschaftler glauben. Nach meinen Recherchen gibt mehr als genug überzeugende, praktische Beispiele die zeigen, dass  das  die Methode von Allan Savory  funktioniert.

Außerdem ist  es zwar so,  dass Allan Savory sein System offenbar ziemlich unabhängig entwickelt hat, aber wie er in seiner Rede Holistic Managment sagt, hat der französische  Biochemiker, Landwirt und Autor  André Voisin [48]

lange vor ihm in seinem Buch Productivité de l’herbe,   (amerikanische Ausgabe: Grass Productivity  [49] , deutsche Ausgabe, 1958, Die Produktivität der Weide [50] ) all das erklärt und beschrieben, was er auch herausgefunden hat. Während Allan Savory mehr aus Mitteleuropäischer Sicht mit den sehr trockenen Gebieten in Afrika vertraut ist und seine Methode dort entwickelt hat, war André Voisin  mehr mit den Verhältnissen in Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz vertraut.    Voisin, der offenbar  auch gut Deutsch  sprach, war übrigens sogar  mit den Verhältnissen auf dem Versuchsgut Rengen in der Eifel, das zur  Universität Bonn gehörte, gut vertraut.  Er  bezieht sich in seinem Buch über  die Produktivität der Weide (ich habe nur die amerikanische Ausgabe gelesen)  öfters auf die Arbeit von Prof.  Ernst Klapp [51]. So gesehen haben dann auch teilweise in der Eifel, auf der Domäne Rengen durchgeführte Forschungsarbeiten zu Voisins Buch und dann zum Erfolg der Polyface Farm beigetragen. Diese Anmerkung für jene, die meinen ich würde immer zu sehr im Ausland und da vor allem im aussereuropäischen Ausland nach Ideen und Methoden Ausschau halten  und  die  Deutschen  nicht genug würdigen.

Der Vater von Joel Salatin [52], der die Polyfacefarm [10] der Salatins  1960 begründet hat,  hat  Voisins Bücher gelesen und das scheint einer der Gründe für den Erfolg der Polyfacefarm gewesen zu sein.

Hier der TEDx-Vortrag Cows, Carbon and Climatebei dem Joel Salatin das Mob Grazing, wie ich meine recht gut, erklärt.

Ein kritischer Artikel zum Mob-Weidesystem

Ein kritischer, aber nicht ablehnender Beitrag zum Mob-Weidesystem ist  A Skeptical Look at Mob Grazing [53]von Chris Helzer. Im Wesentlichen geht es darin darum, dass man auch beim Mob-Weidesystem übertreiben und damit auch den Boden zerstören kann.   Aus den Ausführungen von Allan Savory kann man zwar entnehmen, dass es sich um ein in Afrika schon nach kurzer Einweisung im Grunde auch von Analphabeten realisierbares System handelt. In den gemäßigten Klimazonen scheint es aber schwieriger zu sein, wie das teilweise ziemlich umfassenden  Ausbildungsmaterial  und die Literatur  zeigen. Immerhin wollen die Tiere an 365 Tagen im Jahr  genug zu fressen haben, während das Gras übers Jahr gesehen unterschiedlich schnell wächst, genug Erholungszeit benötigt und die Tiere die Grasnarbe auch nicht zerstören sollen. Auch ist das Wetter jedes Jahr etwas anders.

Treibhausgase und Landwirtschaft

Ein ganz hervorragender Vortrag zum Thema  Treibhausgase und Mob-Weidesystem, aber auch  zu  typisch menschlichen  Verhaltensweisen im Bezug auf Probleme und den Klimawandel, ist der TEDxDubbo-Vortrag Soil carbon — Putting carbon back where it belongs — In the Earth des Australiers Tony Lovell:

An dieser Stelle möchte ich auch auf den Artikel Could carbon farming help reverse climate change?  [54]hinweisen.

Klimawandel und der Beitrag der Landwirtschaft

Eine gute Übersicht,  auch über  die  verschiedenen per Landwirtschaft möglichen Methoden zur Einlagerung von Kohlenstoff im Boden   gibt die Präsentation    Climate Change and the Contribution of Agriculture [55] von Peter Bane [56],   zu einem Vortrag, den er   2015 gehalten hat. Wie man den von Bane gezeigten Daten entnehmen kann, könnte die Landwirtschaft durchaus die weltweite Treibhausgasemission sogar voll kompensieren, anstatt diese, wie das heute der Fall ist, sogar noch zu verstärken. Zu den im Vortrag von Peter Bane angeführten Möglichkeiten und Methoden zur Kohlenstoffeinlagerung in der Erde und damit zum Klimaschutz, gehören neben der Anwendung des Mob-Weidesystems auch das Key-Line-System, dem ich  den Artikel   Das Hauptlinien-System [33] gewidmet hatte, und auch darauf aufbauenden Form der Landwirtschaft, die   Mark Shepard in seinem Buch und seiner DVD beschreibt, und die ich in meinem Artikel  Restaurierende Landwirtschaft [32] vorgestellt hatte. Ein hier zu erwähnender Punkt ist der sogenannte Yeomanspflug.  Dabei handelt es sich faktisch um einen Tiefenkultivator, der den Boden sehr tief aufreißt. Ich habe kritische Stimmen gefunden, die meinen, dass dieses Gerät nichts bringt. Mark Shepard zeigt aber z.B. in seiner DVD so ein Gerät und wie er es eingesetzt hat, und er erklärt dabei, dass er früher den Zinken mit seinem 35 PS Traktor kaum ziehen konnte und bei jeder Furche den Zinken mit einer Schaufel von Lehm habe befreien müssen. In letzter Zeit, nach einigen Jahren, aber sei der Boden bis ca. 90 cm tief so locker, dass er so vom Zinken abfalle.   Der  ursprüngliche Grund  diesen Tiefenkultivator überhaupt ein zu setzen, war für Shepard, dass er damit die Wurzeln  von Bäumen und Sträuchern , die er  parallel zu den  nach dem Key-Line-System angelegten Gräben  gepflanzt hat, daran hindern wollte in  seine Felder zu wachsen.   Es macht Sinn,  sich das auf seiner DVD anzusehen.

Klimaschutz, Katastrophenschutz und Gesundheitsschutz

Das geniale an all diesen Maßnahmen zur Kohlenstoffeinlagerung im Boden und damit auch zum Klimaschutz ist, dass es sich gleichzeitig um Maßnahmen handelt, die die Ernährungssicherheit der Bevölkerung in Kriegs- und Krisenzeiten verbessern, die die Bodenqualität und damit  die Bodenfruchtbarkeit steigern und die die Landwirtschaft befähigen können, auch in einer Zeit in der fossile Brennstoffe und die damit hergestellten Düngemittel, Pestizide und Herbizide zu teuer oder nicht mehr erhältlich sind, weiter Nahrungsmittel zu produzieren. Außerdem haben alle diese  Methoden als willkommene Nebenwirkungen die lokale Produktion von gesunden Lebensmitteln, die Verbesserung des Wasserhaushaltes und die Verbesserung der biologischen Vielfalt.

Wichtig ist es,  möglichst frühzeitig mit der praktischen Umsetzung und der Anpassung an die lokalen Verhältnisse zu beginnen.   Gerade auch die intelligente die Nutzung der heute noch recht preiswerten fossilen Energieträger wäre wichtig.

Bei alledem sollte man bedenken, dass es leider massive Interessenkonflikte gibt.

Bei allem Verständnis für die Interessen der verschiedenen Lobbygruppen sollte man aber bedenken, dass eine krisenfeste, lokale und auch nachhaltige Nahrungsmittelversorgung eine Frage von Leben und Tod ist. Das Mob-Weidesystem beruht zwar auch auf dem Einsatz moderner Technik, etwa in Form von Weidezaungeräten und leichten geländegängigen Fahrzeugen, aber  bei diesem System kann die Technik für die Nahrungsmittelproduktion im  Notfall  problemlos durch dann mehr als genug verfügbare Hilfskräfte ersetzt werden, die heute ihren Lebensunterhalt als Sachbearbeiter mit irgendwelchen im Ernstfall verzichtbaren Bürojobs verdienen.  Es gibt beim Mob-Weidesystem, ebenso wie bei der Growbiointensive-Methode von John Jeavons nichts, was zwingend die fragile technische Infrastruktur   unserer Gesellschaft benötigt. Das ist in der konventionellen Landwirtschaft anders. In der konventionellen Landwirtschaft würden im Ernstfall viele Betriebe ohne Nachschub und  Strom vollständig unbrauchbar und nutzlos.

Der  ganz besondere Reiz des  Mob-Weidesystems besteht meines Erachtens darin, dass man damit mit sehr geringen Aufwand und zugleich gewinnbringend,  klimaschützend und den  Zielen des Naturschutzes dienend,  die Bodenqualität  so verbessern kann, dass man im Ernstfall Flächen hat, die ohne lange Vorbereitung in fruchtbare Gärten umgewandelt werden können, in denen mit der Methode von John Jeavons Gemüse und kalorienhaltige Lebensmittel produziert werden können. Außerdem kann man mit diesem Weidesystem Lebensmittelvorräte bilden, die nicht schlecht werden, sondern die sich erneuern und Überschüsse produzieren und die dazu auch noch gesund und wohlschmeckend sind.

Kelberg, den 7. August 2016

Christoph Becker


  1.   Nachtrag 12. Aug. 2016: Den auf der Webseite von AmericanGrazinglands angebotenen USB-Stick von Jim Gerrish und alle dort angebotene Literatur, soweit sie nicht auf dem USB-Stick ist, habe ich mir bestellt.  Nach einigem hin- und her  haben die jetzt herausgefunden, wie man nach Deutschland verschicken kann. Bezahlung geht jetzt einfach per PayPal. Das gesamte Paket kostet mich ziemlich genau 600 Euro zzgl. Zoll. Von Jim Gerrish gibt es aber auch schon auf Youtube eine ganze Reihe sehr interessanter Vorträge.  Ich denke,  die Unterlagen von Jim Gerrish sind eine gute Ergänzung  zu  Joel Salatins  Büchern und  dem  Salatin  Semester     [30]   [57]

  2. Mob meint hier NICHT mobil, sondern “Mob” im Sinne von Zusammenrottung, Herde oder Gruppe   [58]

  3.    die Bücher von Allan Savory  und  Joel Salatin werden  jedenfalls auch in Deutschland verkauft und gelesen   [59]

  4. ca. 230 Menschen pro Quadratkilometer, Tendenz dank Zuwanderung sogar weiter steigend.      [60]

  5. Atommasse von C = 12, Atommasse von Sauerstoff = 16, Kohlendioxid = CO2.   Molekülmasse  von  CO2  =  12 +  2×16  =  44.     Verhältnis zu Kohlenstoff = 44/12 = 3,66.  [61]

  6. In dem Buch “When the Rivers Run Dry: Water–The Defining Crisis of the Twenty-first Century [62]” von Fred Pearce (es gibt auch eine deutsche Ausgabe, mit dem Titel Wenn die Flüsse versiegen [63], die aber teurer ist), wird ein Wasserkraftwerk am Amanzonas erwähnt, durch dessen Bau nun soviel Methan abgeschieden wird, das dieses Wasserkraftwerk wesentlich klimaschädlicher ist als es ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes Kraftwerk derselben Leistung wäre   [64]

[65]Share [66]