Musikergagen und Energie

Auf der Facebookseite eines jungen Musikers sah ich die unten stehende Klage “Einen Musiker engagieren?”, die mich als Zahnarzt und Handwerker zum Widerspruch gereizt hat:

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Der junge Musiker findet es unfair, dass es offenbar Leute gibt, die Musiker “für eine Auftrittsgelegenheit und die Möglichkeit einer Erfahrung” für Veranstaltungen engagieren wollen. Er zählt dazu eine ganze Reihe von Kosten auf, die er als Musiker hatte und meint, dass doch niemand auf die Idee käme “Klempner, Schneider, Friseur, Arzt, Zahnarzt, Optiker, Elektriker, Chef (Koch), Techniker, Ladenbesitzer” umsonst arbeiten zu lassen.

Das ist eine in mehrfache Hinsicht interessante Argumentation. Warum?

Ungleiche Einkommenverteilung durch Rationalisierung und technische Möglichkeiten

Was Musiker von den aufgezählten, aus Sicht des Musikers finanziell besser gestellten, Berufen unterscheidet ist zunächst ein Phänomen unserer modernen Zivilisation:

Moderne Technik macht es möglich die Produkte von Musikern, aber auch die von Fotografen und anderen Künstlern, extrem kostengünstig nahezu unbegrenzt zu vervielfältigen und zu konservieren.  Das führt dazu, dass einige wenige Spitzenkräfte extrem hohe Einkünfte erzielen, während für die meisten Künstler keine oder nur sehr geringe Einkünfte zu erzielen sind. Bei den aufgezählten anderen Berufen ist die Lage anders. Ein “Klempner, Schneider, Friseur, Arzt, Zahnarzt, Optiker, Elektriker, Chef (Koch), Techniker, Ladenbesitzer” kann vielleicht auf die eine oder andere Weise  ein Vielfaches des Durchschnitts seiner Kollegen  verdienen, oder besser gesagt einnehmen. Selbst bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten bleibt der Unterschied zwischen dem Mittelwert und dem Spitzenwert in den aufgezählten Berufsgruppen aber relativ gering im Vergleich zu dem, was in Kunst und Sport dank moderne Technik möglich ist.

Anders als viele Berufe, die durch Rationalisierung und moderne Technik überflüssig geworden sind, gibt es für Musiker und Künstler aber immerhin noch die Chance, durch Glück und besonders gute Leistung Spitzeneinkommen zu erzielen. Ein Musiker der “für eine Auftrittsgelegenheit und die Möglichkeit einer Erfahrung” auftritt, erhält als Gage eben auch ein Los einer Lotterie, bei dem die Hauptgewinne extreme Spitzeneinkommen sind. Daneben ist sollte ein Teil der Bezahlung eines Musikers immer auch die Freude an dem sein,  was er tut. Wenn er die nicht hat, sucht er sich sowieso besser eine andere Beschäftigung, weil er dann ganz grundsätzlich eher nicht die Voraussetzung für einen Hauptgewinn erfüllt.

Am Montag, den 25. 11.2014, wurde vom Bayrischen Rundfunk die Sendung “Jetzt mal ehrlich – Einmal Mittelalter und zurück” ausgestrahlt, die eine ganze Reihe von Künstlern und Handwerkern zeigt, die  nur für “für eine Auftrittsgelegenheit und die Möglichkeit einer Erfahrung” auftreten, und die das tun, weil es ihnen Freude macht.

 

Freude an der Tätigkeit als Teil der Bezahlung

Damit komme ich zur “Freude an der Tätigkeit” als  einem Aspekt der Bezahlung. Bei vielen der vom  jungen Musiker aufgeführten Berufen ist die Tätigkeit oft langweilig, routinemäßig und durch Vorschriften und Bürokratie vergällt.  Tätigkeiten werden oft auch deshalb bezahlt, weil sie  ziemlich ätzend sind und wenig Freude machen.

Es kann aber mit etwas Glück auch anders herum sein.  Weil jemand Freude an einer Tätigkeit hat, kann er sich unabhängig von der Bezahlung überdurchschnittlich anstrengen und auch finanziell vielleicht zunächst unattraktiven Aktivitäten, einfach so, aus Freude an der Sache, ohne an Geld zu denken, “für eine Auftrittsgelegenheit und die Möglichkeit einer Erfahrung“, widmen und sich weit überdurchschnittlich anstrengen. Das kann sich dann irgendwann finanziell lohnen, muss es aber nicht. Die häufigsten Beispiele sind sicherlich Spitzenleistungen in verschiedenen Hobbys und Sportarten, wo die Betreffenden oft sogar erhebliche Summen ohne Aussicht auf Rentabilität investieren.  Das Hobby kann aber auch ein Beruf sein oder es kann, wie bei Michael Schumacher, zu einem sehr gut bezahlten Beruf werden. Es kann sogar sein, dass ein Beruf ohne dass man das geplant hat zu einem Hobby wird und sehr viel Freude macht, während genau deshalb das Einkommen weit unter dem bleibt, was man von dem betreffenden Beruf erwartet. Für mich selbst war die Arbeit als Zahnarzt jedenfalls die meiste Zeit finanziell sehr enttäuschend, auch wenn ich es dank meines zusätzlichen Ingenieurstudiums geschafft habe, wirtschaftlich zu überleben, aber die Tätigkeit als Zahnarzt insgesamt hat mir sehr viel Freude gemacht, und macht das auch immer noch. Die Freiheit zu tun was man für gut und richtig hält, die Freiheit und Möglichkeit immer wieder neue Wege zu gehen und Neues zu lernen,  und die Freude an der Arbeit, die man damit hat, kann eben auch einen Preis in Form eines unerwartet niedrigen Einkommens  erfordern.  Wenn man aber die Freude an der Arbeit als Teil des Einkommens betrachtet, kann dieses dann dennoch sehr hoch sein. Das kann auch bei Musikern so sein.

Musik, Kunst, der EROEI-Faktor und die Komplexitätskosten

EROEI steht für Energy Return on Engery Invested. Damit eine Gesellschaft sich überhaupt Musik und Kunst leisten kann, muss ihr sehr viel mehr an Energie zur Verfügung stehen, als sie zur Produktion und Erschließung von Energie benötigt. In unserer Gesellschaft sind zur Zeit nur noch ca. 2 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig.  Das war nicht immer so und es wird auch nicht so bleiben. Ein steigender Anteil der Bevölkerung, zudem durch die immer weiter steigende Komplexität unserer Gesellschaft mit zunehmend unproduktiven Verwaltungstätigkeiten und mit der Erfüllung oft unsinniger Vorschriften beschäftigt.  Im Energiesektor sinkt der EROEI seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Siehe z.B. Teil 19, Engery Economics, von Chris Martensons Crash-Course, (wenn Englisch ein Problem ist, tut es auch Teil 17b der alten, klassischen Version des Crash Course aus dem Jahre 2008).  Ob und wie weit eine Gesellschaft sich überhaupt Ausgaben für Musik und Kunst leisten kann, hängt von ihrem EROEI-Faktor ab.  Je niedriger diese ist, je mehr Ressourcen müssen für Energiegewinnung ,  Landwirtschaft, Militär und andere lebenswichtige Bereiche aufgewendet werden, und je weniger steht für Kunst und Musik zur Verfügung.

Interessant ist hier vielleicht auch, dass die Komplexität einer Gesellschaft einerseits Energie und damit Ressourcen kostet und dass diese Komplexität zwangsläufig immer größer wird, bis die Gesellschaft diese Kosten nicht mehr aufbringen kann, kollabiert, oder eben wie im Fall des oströmischen, bzw. byzantinischen Reiches im 7. Jahrhundert, seine Komplexität unfreiwillig-freiwillig vorsätzlich drastisch reduziert, um einen sonst unvermeidlichen Zusammenbruch  zu vermeiden.

Siehe hierzu  Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter und vor allem auch  Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen.

Was passiert mit den Musikern und Künstlern und ihren Gagen, wenn unsere westliche Gesellschaft kollabiert, weil ihr EROEI-Faktor zu gering oder ihre Konmplexitätskosten zu groß werden? Eine gute Vorstellung geben James Howard Kunstlers  Romane  World Made by Hand
(Mit der Hand gemachte Welt) , The Witch of Hebron (World Made by Hand Novels) (Die Hexe von Hebron, einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat New York) und A History of the Future: A World Made By Hand Novel (Eine Geschichte der Zukunft: Ein “Mit der Hand gemacht Welt-Roman ).  Diese Romane zeigen das Leben im Nordosten der USA in einer Zeit nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Gesellschaft.  Eine der Hauptfiguren ist ein ehemaliger Manager einer Computerfirma, der nun als selbstständiger Zimmermann arbeitet und der nebenbei auch Musiker ist. Nur sehr wenige Reiche, wie der lokale Großgrundbesitzer,  der  dank eines kleinen Wasserkraftwerks etwas Strom hat, können noch Musikkonserven genießen. Der Rest der Bevölkerung kommt, wie vor 200 Jahren, nur noch dann in den Genuss Musik zu hören, wenn die lokalen Musiker musizieren,  was z.B. bei Festen der Fall ist. Der relative Wert der Leistung der Musiker steigt in so einer Situation, weil die Technik und die Energie für die Multiplikation der Leistung von Spitzenmusikern und auch die Möglichkeit große Konzerte zu organisieren und zu besuchen verschwindet, und auch weil die Möglichkeiten zur Herstellung und Nutzung von Musikkonserven verschwinden. Trotzdem wird aber die materielle Vergütung der Leistung der Musiker eher schlechter, weil die Menschen einen drastisch größeren Teil ihrer Leistung für die Befriedigung von  Grundbedürfnissen wie Ernährung, Sicherheit und Unterkunft aufwenden müssen. Musik und Kunst wird also auch dann, und sogar mehr als heute,  für “für eine Auftrittsgelegenheit und die Möglichkeit einer Erfahrung” UND, wie heute hoffentlich auch, für die Freude an der Leistung erbracht werden.

 




Deflation durch Schulden

Die Zentralbanken haben geglaubt, sie könnten durch niedrige Zinsen und damit durch billige Kredite eine Deflation verhindern. Jetzt zeigt sich aber, dass mit Krediten finanzierte Unternehmen zu einer verhängnisvollen Deflationsspirale führen können.

In seinem Blogbeitrag vom 15.12.2014 auf www.generationaldynamics.com weist John Xenakis unter dem Titel “Oil production to increase despite, or because of, crashing prices”  (Ölproduktion steigt trotz oder wegen zusammenbrechender Preise) darauf hin, dass die Ölproduktion offenbar trotz und auch wegen  der sinkenden Ölpreise steigt, was natürlich zu weiter sinkenden Ölpreisen führt.  Das Problem ist, dass insbesondere die in den letzten Monaten und Jahren viel gepriesene amerikanische Ölindustrie mit ihren durch Fracking erschlossenen Ölquellen mit als riskant eingestuften und damit relativ teuren Krediten finanziert wurde. Die Unternehmen müssen nun, um das für die Bedienung ihrer Kredite erforderliche Geld in die Kassen zu bekommen, gerade wegen der Ölpreissenkungen so viel Öl fördern und verkaufen wie irgend möglich.  D.h., bei niedrigen Ölpreisen müssen sie mehr Öl verkaufen als bei hohen Ölpreisen und dadurch wird bei sinkenden Ölpreisen noch mehr Öl auf den Markt gedrückt, das Überangebot wird weiter vergrößert und die Preise fallen weiter.

Aber nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Förderländern muss man, um hohen hohen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, bei sinkenden Ölpreisen paradoxerweise mehr Öl fördern und verkaufen. Dadurch ist der Ölpreis in eine Deflationssprirale geraten.

Das freut natürlich jene, die tanken oder ihre Heizöltanks füllen müssen, aber die Sache hat einige Haken.

Wegen der sinkenden Ölpreise rentieren sich schwierig zu erschließende Ölquellen nicht mehr. Aus den Brunnen, die schon gebohrt sind wird maximal gefördert, um Geld in die Kassen zu spülen. Anderseits werden aber in Planung befindliche, neue Bohrvorhaben abgesagt.  Das trifft zunächst die sehr umsatzstarke Ölindustrie mit ihren besonders gut bezahlten Arbeitsplätzen. Die niedrigen Ölpreise werden aber über kurz oder lang auch die deutsche Exportindustrie treffen, weil die Nachfrage nach teuren deutschen Produkten in den verschiedenen, von den Preisrückgängen betroffenen Förderländern nachlassen.

Weil durch den Ölpreisrückgang, der letztlich schon durch eine Nachfrage- und Wachstumsschwäche in wichtigen Industrieländern verursacht wurde, in den Förderländern die Nachfrage (weiter) zurückgeht, kommen weitere, nicht direkt mit der Erschließung neuer Ölquellen befasste Unternehmen unter Druck, wenn sie mit Krediten finanzierte Investitionen getätigt haben. Das heißt auch diese Unternehmen müssen versuchen,  eine sinkende Nachfrage durch eine Steigerung der Produktion auszugleichen und sie müssen daher die Preise senken, weil sie nur so ihre laufenden Kredite bedienen und einen Bankrott vermeiden können. Ein mit Krediten finanziertes deutsches Unternehmen könnte z.B. weniger hochwertige Waren nach Russland, Saudi Arabien, Venezuela und in die USA verkaufen, weil dort hoch bezahlte Ölbohrspezialisten und Industriebereiche weniger nachfragen. Um trotzdem weiter seine Kredite bedienen zu können, könnte dieses Unternehmen versucht sein, seine Preise z.B. auch am deutschen und europäischen Markt zu senken, um so seinen Marktanteil und damit seinen Absatz zu steigern, um so einen Konkurs vielleicht abwenden zu können.

Damit kommt die Wirtschaft insgesamt in eine Deflationsspirale. Für jene, die keine Schulden haben heißt es nun, möglichst lange auf sinkende Preis warten, um Schnäppchen zu machen, die sich durch den Preiskampf verschuldeter Unternehmen und schließlich durch Unternehmensbankrotte ergeben.

Für die Staaten bedeutet das sinkende Steuereinnahmen und, was noch schlimmer ist, dass die Staatsschulden nicht, wie von den Politikern erhofft, durch eine schleichende, gerade noch erträgliche Inflation faktisch abgebaut werden.

Die Ölpreise werden aber nicht unbegrenzt sinken. Die durch Fracking erschlossenen Ölquellen verlieren bereits im ersten Jahr der Förderung im Mittel etwa 70% ihrer Förderkapazität.  Klassische Ölquellen verlieren deutlich weniger, aber sie verlieren auch. Da die geologisch-technisch-physikalisch bedingten Förderrückgänge wegen der niedrigen Ölpreise und wegen des aktuellen Überangebotes an Öl, nun voraussichtlich nicht mehr durch die erforderliche Menge an neuen Ölquellen ausgeglichen werden, wird es voraussichtlich nach einem 3/4 Jahr bis 2 Jahren wieder zu einer Verknappung des Ölangebotes und möglicherweise auch zu einer heftigen Ölpreissteigerung kommen. Je nach Höhe dieser kommenden Ölpreissteigerungen werden mehr oder weniger viele Importländer wirtschaftliche Problem bekommen. Die Leute dort werden wieder mehr für Öl und andere fossile Brennstoffe ausgeben müssen, was wiederum mit Krediten finanzierte Produktionsbetriebe zu Preissenkungen und Einsparungen veranlassen wird, was wiederum Deflationstendenzen auslösen wird.

Kelberg den 17.12.2014

Christoph Becker

 

 




Die FAZ und Peak Oil

Die Online-Ausgabe der FAZ vom 12.12.2014 hatte ganz oben den Artikel Energiepolitik – Das Öl geht nicht aus von Rainer Herrmann.  Ich habe daraufhin bei www.peakoil.net nachgesehen und dabei den im Folgenden von mir übersetzten Diskussionsbeitrag des schwedischen Phsysikprofessors Kjell Aleklett, vom 24.10.2014 gefunden.  Ajleklett ist Professor an der Universität Uppsala in Schweden. Er hat sich intensiv mit dem Thema Peak Oil und Ölvorkommen befasst. Er hat dazu das sehr lesenswerte, aber leider nur in Englisch verfügbare Buch Peeking at Peak Oil geschrieben, ist Initiator der ASPO (Association for the Study of Peak Oil&Gas = Gesellschaft zum Studium des Fördermaximums von Öl und Gas) und betreibt den Webblog Aleklett’s Engery Mix .

Links auf das englischsprachig Original des im Folgenden übersetzten Blogbeitrags von Prof. Aleklett:

1.  https://aleklett.wordpress.com/2014/10/24/peak-oil-is-still-our-futures-reality/ 

2.  http://www.peakoil.net/peak-oil-is-still-our-future-s-reality

Ab hier nun die Übersetzung:

Peak Oil ist noch immer die Realität unserer Zukunft

Veröffentlicht von Professor Kjell Aleklett am Freit., 2014-10-24 13:25. auf http://www.peakoil.net/peak-oil-is-still-our-future-s-reality

(Dies ist die finale Wiedergabe in der Diskussion über das Thema „Der fallende Ölpreis könnte der Vorbote einer künftigen Rezession sein.“)

In einer Antwort zu meinem vorherigen Beitrag, “Der fallende Ölpreis könnte der Vorbote einer künftige Rezession sein”, sagt Volkswirt Magnus Grill (am 19. Oktober auf Schwedisch), dass ich behaupte, “das Peak Oil nicht bedeutet, dass uns das Öl ausgeht, sondern dass vielmehr die Nachfrage nach Öl verschwinden wird. Daher sei Peak Oil nicht länger eine Frage aus Sicht der Produktion, sondern nun eher aus Sicht der Nachfrage. Das bedeutet, dass Aleklett sein früheres Denken völlig verändert hat.” Ich muss Magnus Grill enttäuschen. Peak Oil  ist noch immer auf die Produktion von Öl aus Ölfeldern bezogen.

Wenn wir Peak Oil diskutieren, tun wir das aufgrund der Tatsache, dass die Erdölgewinnung in einem Gebiet oder Gruppe von Gebieten ein Maximum erreicht und sich dann abnimmt. Es gibt mehrere Faktoren, die das Produktionsprofil bestimmen, wenn die Produktion innerhalb eines Gebietes beginnt, aber schließlich sind es geologische Parameter, die dafür entscheidend sind, wann Produktion fallen wird. Wir haben das in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten diskutiert.
Wenn wir die Erdölgewinnung im Gebiet der Nordsee untersuchen, sehen wir, dass  2001 ein Maximum von 6,3 Millionen Barrel pro Tag erreicht wurde. Seitdem hat sich der Ölpreis verfünffacht und das sollte, gemäß den Wirtschaftstheorien die Produktion stimuliert haben. Die Wirklichkeit ist, dass die  Produktion seitdem auf weniger als die Hälfte des 2001 erreichten Spitzenwertes gefallen ist. Die Realität ist, dass Gebietsverteilung, Strömungsgleichungen und andere natürliche Parameter die Produktion begrenzen. Peak Oil der Nordsee war 2001.

Magnus Grill zur Folge wird die nachlassende Nachfrage den Gipfelpunkt der Erdölgewinnung verursachen. Öl wird so teuer werden, dass weniger die Mittel haben werden, dafür zu zahlen. Die Dynamik, auf die sich Grill bezieht, ist einfach nur die andere Seite derselben Medaille. Die interessante Frage in dieser Situation ist, warum der Ölpreis [in den letzten Jahren] im Vergleich zu langfristigen früheren Trends so drastisch gestiegen ist, und wie der Preistrend in der Zukunft sein wird.  Natürlich ist der Ölpreis sehr wichtig für die Bestimmung der Produktion,  besonders für die Produktion der letzten Hälfte der globalen Ölreserven. In der Anfangszeit unserer Forschungen haben wir häufig die über Ölmenge diskutiert, deren Förderung  technisch möglich ist, ohne dass wir dabei über den Preis im Detail  diskutiert haben. In einer solchen Diskussion wird Peak Oil eine Frage der technisch maximal möglichen Produktion.
Wenn der Preis die Produktion derart beeinflusst, dass  die technisch insgesamt förderbare Ölmenge nicht ausgenutzt wird, bedeutet das, dass die mit Peak Oil im Sinne von Magnus Grill (d.h. die durch Nachfrage bestimmte) verbunden Ölmenge kleiner ist als die technisch förderbare Menge. In jüngerer Zeit haben wir unsere Modelle um wirtschaftliche Parameter erweitert. So sind wir sogar imstande  gewesen zu zeigen, wie die Betreiber die  Produktion in einem Gebiet beenden können, weil die Optimierung des wirtschaftlichen Wertes des verbleibenden Öls eines bestimmten Ölfelds dies erfordert. Wir sehen, dass der Ölpreis die Höhe der Gesamtproduktion beeinflusst, aber die Form des Produktionsprofils ist dieselbe, wie für Vorhersagen, die nur die technische Machbarkeit und nicht die Wirtschaftlichkeit betrachten. In allen Fällen verringert sich die Produktion, wenn ein erheblicher Anteil, mehr als Hälfte der gesamten, technisch erschließbaren Menge sich noch im Grund befindet.
Ein anderes Beispiel sind Kanadas Ölsande, die 2006 als der zukünftige Retter der Welt vom globalen Peak Oil angesehen wurden. 2007 haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem wir die Produktion aus den Ölsanden in so genannten “Crash Management Szenarien” studiert haben. Unsere Ergebnisse zeigten eine maximal technisch mögliche Produktionsrate von 5,5 Millionen Barrel pro Tag, ungefähr im Jahr 2035. Produktionsschätzungen, die reale Faktoren wie Kosten und Rentabilität berücksichtigen, ergeben gemäß IEA (Internationaler Energieagentur) viel niedrigere Prognosen

Als wir den Ausdruck „Peak Oil“ im Jahre 2001 ins Leben gerufen haben, war es in erster Linie die herkömmliche Erdölgewinnung, die betrachtet wurde. Veröffentlichte Artikel  haben behauptet, dass dieser Aspekt der Erdölgewinnung seinen Gipfel in der Zeit zwischen 2004 bis 2010 erreichen würde. Die Internationale Energieagentur (IEA) gibt nun an, dass der Gipfel der herkömmlichen Erdölgewinnung 2008 erreicht wurde, und seitdem sehen wir einen Rückgang der herkömmlichen Erdölgewinnung. In einem wissenschaftlichen Artikel im Jahr 2009 haben wir gezeigt, dass der Prozentsatz des Produktionsrückgangs von Öl aus herkömmlichen Ölfeldern bezogen auf ein spezifisches Jahr 6 % pro Jahr beträgt. Im November im letzten Jahres hat die IEA bestätigt, dass dies die tatsächliche Rückgangsrate ist.
Wenn die Financial Times diskutiert, dass wir “Peak Oil Nachfrage” erreichen werden, dann haben sie in Wirklichkeit zugegeben, dass sie nicht glauben, dass das technisch machbare Produktionsmaximum, „Peak Oil“,  erreicht wird, weil dies einen zu hohen Ölpreis erfordern würde. Der Rückgang der  herkömmlichen Erdölgewinnung, den wir jetzt erleben, wird momentan kompensiert durch die Schieferöl-Produktion in den USA. Das bedeutet, dass die derzeitige Gesamtproduktion für einige Jahre aufrecht erhalten werden kann. Alle  neuen Grenzproduktion sind sehr preisempfindlich. Daher können wir in der Zukunft keine großen Mengen billigen Öls erwarten.
Vor zehn Jahren, als wir intensive Forschungen für die künftige Ölproduktion begannen, hat die IEA gedacht, dass fortwährendes globales Wachstum (Nachfrage) ein Produktionsniveau von 123 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 2030 erfordern würde. Heute sieht die Realität vollständig anders aus. Warum kritisieren die Wirtschaftswissenschaftler und andere nicht die IEA , weil sie sich derart geirrt hat?
KJELL ALEKLETTT
(Diskussion auf Aleklett’s Engery Mix)

Fazit

Ja, die FAZ hat schon recht, das Öl geht nicht aus. Es wird nur für immer mehr Menschen und Länder unbezahlbar, und deshalb wird am Ende Peak Oil sogar sehr viel schneller erreicht als die technisch förderbare, tatsächlich in der Erde vorhandenen Ölmengen vermuten lassen.

Zum Thema “Die Technik und Wissenschaft werden uns schon retten” verweise ich auf meine Blogbeiträge:
Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen und Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter

Der Artikel “Diminishing returns?: U.S. Science Productivity Continues to Drop” (deutsch: Sinkende Gewinne?: Die Produktivität der US-amerikanischen Forschung fällt weiter)  in der Zeitschrift Scientific American, vom 6.12.2010, bestätigt diese.

Das Problem mit der Technik und der Wissenschaft ist,  dass auch der technische und wissenschaftliche Fortschritt immer kostspieliger und energieintensiver wird, und damit auch so etwas wie ein Fördermaximum kennt. Dazu kommen außerdem noch die gesellschaftlichen Handicaps, von denen ich einige in meinem Beitrag  über Frauenquoten und in meiner Übersetzung von Karen Straughans “Femokalypse aufgezeigt habe. Momentan lese ich das Buch Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen von Prof. Dr.  Manfred Spitzer, dass den Glauben an die Fähigkeiten unserer Gesellschaft, den technischen und wissenschaftlichen und auch unseren Lebensstandard aufrecht zu erhalten mit weiteren großen Fragezeichen versieht. Ich habe Prof. Spitzer erstmals bei einem Festvortrag meiner Landeszahnärztkammer erlebt. Einen Satz, den ich von diesem Vortrag besonders gut gemerkt habe war: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einigen Jahren die T-Shirts für die Chinesen nähen” (weil wir technisch-wissenschaftlich nicht mehr mithalten können).

Kelberg, den 12.12.2014

Christoph Becker




Rationierung und Lebensmittelknappheit im 1. Weltkrieg

Im Folgenden die Übersetzung einer kurzen Zusammenfassung zum Thema Rationierung und Lebensmittelknappheit, von der Internetseite des Imperial War Museums. Verfasser ist der Leitende Kurator Paul Cornish. Der Link auf die Originalseite, mit Bildern: http://www.iwm.org.uk/history/rationing-and-food-shortages-during-the-first-world-war

Hier die Übersetzung:

Hunger hat die Zivilbevölkerungen aller Kriegsnationen verfolgt. Landwirtschaft und Nahrungsmittelverteilung haben unter den durch den Krieg auferlegten Beanspruchungen gelitten, und Seeblockaden haben Nahrungsmittelimporte reduziert. Einige Länder haben dieser Bedrohung erfolgreicher entsprochen als andere.

Der Krieg hat Männer und Pferde von der landwirtschaftlichen Arbeit weggenommen. Importe von Nitratdüngern waren betroffen. Reduzierte landwirtschaftliche Produktion hat die Preise hochgetrieben und hat dazu ermuntert, zu horten. Regierungen haben darauf reagiert, indem sie die Preise für Grundnahrungsmittel festgelegt haben. Nahrungsmittelwarteschlangen aus Frauen und Kindern wurden ein häufiger Anblick in den Städten Europas.

In Russland und der Türkei ist die Lebensmittelverteilung zusammengebrochen. Die russische Revolution hatte ihre Ursprünge im städtischen Nahrungsmittelaufruhr. In der Türkei haben viele gehungert. Österreich-Ungarn ist schließlich derselben Katastrophe erlegen.

In Deutschland hat die Regierung zahlreiche Steuerungsmaßnahmen für die Nahrungsmittelproduktion und deren Verkauf eingeführt, aber diese haben sich als schlecht durchdacht erwiesen. Sie haben die Effekte der britischen Seeblockade verschlimmert. Ersatzlebensmittel wurden aus einer Vielfalt von unappetitlichen Zutaten erzeugt, aber ihr Nährwert war unwesentlich. Die Deutschen wurden seit 1916 immer mehr fehl- und unterernährt.

Deutschlands Strategie des uneingeschränkten U-Bootkrieges hatte das Ziel  Frankreich, Italien und besonders Großbritannien einer vergleichbaren Nahrungsmittelkrise auszusetzen. Diese Länder haben sich sehr auf importiertes Getreide verlassen und haben die U-Bootkampagne als eine tödliche Bedrohung angesehen. Sie haben versucht, ihre eigene Nahrungsmittelproduktion zu vergrößern, aber ihr Haupterfolg war die Einführung erfolgreicher Systeme der Rationierung. Großbritannien hat die Rationierung in London Anfang 1918 eingeführt und hat diese landesweit vor dem Sommer erweitert. Die britischen Bürger haben deutsche Erwartungen in Frage gestellt, indem sie dieses Staatliche Einmischung in ihr tägliches Leben akzeptiert haben.

Wie man sieht, hat bereits in der Zeit des ersten Weltkrieges, der Ausfall von Zugmaschinen, Arbeitskräften und Düngemitteln in Europa zu empfindlichen Störungen der Versorgung mit Nahrungsmitteln geführt. Heute ist die Abhängigkeit von Technik, Düngemitteln und Globalem Handel um ein Vielfaches größer und die Disziplin der heute durchweg mulitikulturellen Bevölkerungen Europas dürfte im Krisenfall drastisch geringer sein, als etwa die der Engländer im 1. Weltkrieg.




Faszination Mittelalter

Zurück ins Mittelalter!? Diese Vorstellung ist mir in den letzten Monaten und Tagen mehrfach von sehr verschiedenen Seiten begegnet. Zunächst ist da der amerikanische Autor, Zivilisationskritiker und Futurist James Howard Kunstler. Er hat als Ergänzung zu seinen Sachbüchern The Long Emergency: Surviving the End of Oil, Climate Change, and Other Converging Catastrophes of the Twenty-First Century ,  (Der Lange Notfall: Das Ende des Öls, den Klimawandel und andere zusammentreffende Kastastrophen des 21. Jahrhunderts überleben) und Too Much Magic: Wishful Thinking, Technology, and the Fate of the Nation (Zuviel Magie: Wunschdenken, Technologie und das Schicksal der Nation), eine inzwischen drei-bändige Romanserie  über das Leben und Sterben in einer kleinen Stadt im Nordosten der USA, nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Gesellschaft, geschrieben. Es sind die Romane World Made by Hand
(Mit der Hand gemachte Welt) , The Witch of Hebron (World Made by Hand Novels) (Die Hexe von Hebron, einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat New York) und A History of the Future: A World Made By Hand Novel (Eine Geschichte der Zukunft: Ein “Mit der Hand gemacht Welt-Roman ).  In dem letzten, im August 2014 erschienenen, Band dieser Romanreihe berichtet eine amerikanische Diplomatin der Hauptperson dieses Bandes etwas über die weltweiten Entwicklungen  nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Zivilisation.  Dabei wird auch Deutschland erwähnt: “Die Deutschen haben mit Beschluss ihres Parlamentes eine geordnete Rückkehr ins Mittelalter angetreten. Die Russen sind auf dem selben Weg, nur chaotischer.”

Kunstler hat auch in seinem Internetblock www.kunstler.com  mehrfach angedeutet, dass “going medivial”, also eine Rückkehr ins Mittelalter, für die modernen Industriegesellschaften der letztlich vielleicht einzig vernünftige, tatsächlich gangbare Weg in die Zukunft sein wird.

Beim australischen Simplicity-Institute sieht man das offenbar ähnlich.  Besonders empfehlenswert finde ich hier das Essay Resilience through  Simplification: Revisiting Tainter’s Theory of Collapse (Unverwüstlichkeit durch Vereinfachung:  Wiederbetrachtung von Tainters Theorie des Kollapses) von Samuel Alexander.  Alexander sieht keine praktische Alternative zu einer radikalen Vereinfachung des Lebens in unserer westlichen Industriegesellschaften. Faktisch läuft das nach meinem Verständnis im Großen und Ganzen auf eine Rückkehr in eine, mit dem Wissen unserer Zeit hoffentlich etwas aufgepeppte, neue Version des  Mittelalters hinaus.

Das Buch One Second After – Die Welt ohne Strom, das ich in meinem Beitrag Eine Sekunde danach vorgestellt habe, zeigt im Grunde eine schlagartige, zeitweise Rückkehr ins Mittelalter in einer darauf nicht vorbereiteten Gesellschaft.

Am Montag, den 25. 11.2014, wurde  vom Bayrischen Rundfunk die Sendung “Jetzt mal ehrlich – Einmal Mittelalter und zurück” ausgestrahlt.

Bemerkenswert hier fand ich insbesondere das Interview mit der Frau ab Position 28:30, das mit der Frage “wärst du lieber im Mittelalter” beginnt und wo sie “jein” antwortet. Bemerkenswerter Weise sähe sie ihre sozialen und emotionalen Bedürfnisse als Frau und Mutter, wohl zum Entsetzen der heutigen Feministinnen,  im Mittelalter besser gewährleistet als in der Gegenwart. Der soziale Druck auf die Frauen und Mütter, in unserer Zeit scheint doch erheblich zu sein.

Letztes Wochenende habe ich das Buch The Way of Men (Der Weg der Männer) von Jack Donovan gelesen.  Ein Zitat und Resüme von ihm:

Humanity needs to go into a Dark Age for a few hundred years and think about what it’s done (auf deutsch: Die Menschheit muss für einige hundert Jahre zurück in ein Mittelalter oder dunkles Zeitalter, und darüber nachdenken was sie getan hat.)

Ein deutschprachiges Interview mit Jack Donovan zu seinem Buch “Der Weg der Männer” findet sich auf der Internetseite der Blauen Narzisse, unter der Überschrift Sorgt für den Kollaps.

Fazit, eine Rückkehr in ein “Mittelalter” oder in ein “Dunkles Zeitalter”, wie die Engländer es nennen, wird einerseits vor dem technisch-wissenschaftlichen Hintergrund unserer Zeit, bei Bewertung der harten Fakten über Ressourcen, Komplexitätskosten und technischen Möglichkeiten von einigen sehr gut informierten und wie ich meine sehr vernünftigen und logisch denkenden Leuten für realistisch gehalten.

Anderseits gibt es sowohl aus der Sicht von Frauen, als auch aus der Sicht von Männern auch hier in Europa und in den USA, gute und vernünftige Gründe, den angeblichen gesellschaftlichen Fortschritt unserer Zeit in Frage zu stellen und sich nach einer mehr mittelalterlichen Welt zu sehen. Der materielle Überfluss  und das stupide Pochen auf “Gleichheit” und “Gleichstellung” von per Definition und von Natur aus sehr ungleichen Gruppen macht offenbar nicht so glücklich  wie viele gehofft und geglaubt haben. Bedenkt man, dass eine Rückkehr zu einer eher mittelalterlichen Welt aus physikalisch-technischen, geologischen und Klimaschutzgründen,  aus  naturwissenschaftlichen Gründen durchaus wünschenswert bis unvermeidbar und – um es mit Frau Merkel zu sagen, mit großer Wahrscheinlichkeit am Ende sogar absolut “alternativlos” ist – dann ist es doch irgendwie tröstlich, dass es auch gute gesellschaftspolitisch-psychologische Gründe gibt so “eine Rückkehr ins Mittelalter” nicht zu fürchten, sondern diese sogar durchaus gut zu finden und sich darauf zu freuen. Immerhin könnte man, wenn man vernünftig und vorausschauend die Möglichkeiten unserer Zeit nutzt, die unangenehmen, schrecklichen Aspekte einer Rückkehr in eine Art neues Mittelalter verringern.

 




Femokalypse

Bei diesem Beitrag handelt es sich im Wesentlichen um die Übersetzung des Transkripts von “Femocalypse”, einem wie ich meine, sehr interessanten und nachdenklich stimmenden Vortrag der Kanadierin Karen Straughan über die zerstörerischen, am Ende wohl sehr wesentlich zum Zusammenbruch unserer Wirtschaft und Gesellschaft beitragenden Folgen des Feminismus.


Das englische Original des Transkripts, vom 29.  März 2012,  gibt es hier, auf dem Internetblog von Karen Straughan.

 

Deutsche Übersetzung von „Femokalypse!!!“

Folge desselben ist.

Sehen Sie, betrachten wir das Patriarchat, oder anders ausgedrückt, den sozialen Vertrag der Ehe und Vaterschaft. Dieses System nützte in einer Welt überwiegend manueller Arbeit allen Parteien, (wobei viele der Arbeiten im Zeitalter von Ackerbau und Viehzucht die physischen Kräfte  der Frauen überstiegen). Bedenken Sie, dass wir auch eine Spezies sind, deren Nachwuchs am längsten völlig hilflos und unbeweglich ist und der vom mütterlichen Elternteil bis zu vier Jahren gesäugt werden kann.

Gesundheit abträglich ist, ist gefährlich und einfach dumm.

Weil die Frauen die Last der Schwangerschaft, des Stillens und der Sorge für die Kinder zu tragen hatten, weil die Kinder über eine längere Zeit hilflos sind, und weil Frauen bis vor ein paar Jahrzehnten keine echte Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit hatten, waren Frauen einen großen Teil ihres Lebens nicht in der Lage mit ihrer vollen Kapazität zu arbeiten. Ich nehme an, dass sie in der Zeit ihrer größten Verwundbarkeit, kurz vor und nach der Geburt, durchweg nicht in der Lage waren, auch nur die Arbeiten zu erledigen,  die notwendig waren um sie selbst, geschweige denn ihren Nachwuchs, am Leben zu halten.

Das gegenseitige Dilemma war, dass diese einzelnen Männer, die, um zu existieren, nur einen Bruchteil ihrer Energie aufwenden mussten, wahrscheinlich ihre Gene genauso weitergeben wollten wie jeder andere auch. Und diese einzelnen Frauen benötigten Hilfe und Unterstützung, um ihre Kinder erfolgreich großziehen zu können, in einer Welt ohne Kindertagesstätten, sozialem Schutznetz, Mutterschaftsurlaub, Säuglingsmilchpräparaten oder sicheren, leichten Jobangeboten mit flexiblen Arbeitszeiten und Gesundheitsvorsorge.

(Nein Madam – die Philosophie von Männern die ihren eigenen Weg gehen), und einen Teil seiner Beschreibung des Patriarchats und der lebenslängliche monogamen Ehe vorlesen, weil er es äußerst effektiv erklärt hat.

Wenn man zurück tritt und das Ganze beobachtet, sehen wir, dass sowohl Männer als auch Frauen einen Überschuss und einen Mangel haben:

Männer haben einen Überschuss an Arbeitsfähigkeit, aber einen Mangel an Fortpflanzungsfähigkeit.

Frauen haben einen Überschuss der Fortpflanzungsfähigkeit, aber einen Mangel an der Arbeitsfähigkeit.

Vielleicht können Sie jetzt verstehen, warum Ehe ein Wirtschaftsvertrag ist.

Der Mann „verkauft“ seinen Überschuss an Arbeitsfähigkeit der Frau als Entgelt für ihre Fortpflanzungsfähigkeit.

Die Frau „verkauft“ ihre Fortpflanzungsfähigkeit dem Mann als Entgelt für seinen Überschuss an Arbeitsfähigkeit.

Das ist die Basis der Wirtschaft, und wie man sehen kann, basiert sie auf Eigentumsrechten.

Im Wirtschaftsvertrag der Ehe ist die Frau bereit, das Eigentumsrecht ihrer sexuellen Fortpflanzungsfähigkeit an den Mann zu übertragen, und sie nimmt das Eigentumsrecht an seinem Überschuss an Arbeitsfähigkeit als Zahlung.

Produkte ihrer Sexualität (Kinder) betrachtet. Die Kinder einer Ehe wurden sein Eigentum, weil er für sie bezahlt hatte.

(Man beachte,  dass eheliche Kinder dem Mann gehören sollten,während uneheliche Kinder Eigentum der Frau waren. Eine Frau, die nicht verheiratet ist, besitzt ihre eigene Sexualität, und die Produkte/Kinder dieser Sexualität sind auch ihr Eigentum).

Dies ist der Grund, warum in der Vergangenheit Frauen für Ehebruch so viel härter verurteilt wurden als Männer. Die Frau konnte ihre Sexualität nicht mehr länger verschenken.

Dies ist der Grund, warum die Vergewaltigung einer Frau in der Vergangenheit als ein Akt des Diebstahls gegenüber dem Ehemann betrachtet wurde. Jemand hat die Sexualität „gestohlen“, die sein Eigentum war.

Das ist der Grund, warum es in der Vergangenheit als unmöglich betrachtet wurde, dass ein Ehemann wegen ehelicher Vergewaltigung für schuldig erklärt werden konnte. Wie kann man sein eigenes Eigentum stehlen?

wurde tatsächlich als  Produktionsmittel verwendet: Für die Produktion der eigenen Kinder des Mannes.

Es muss auch erwähnt werden, dass die Erwartung in die Keuchheit der Frau unter dem Patriarchat gesellschaftlich forciert wurde  und weitestgehend im Dienst der Interessen und des Wohlergehens der Frau erfolgte, d.h. eine Frau, die keinen Mann hatte, der ihr beim Großziehen eines Kindes half, brachte dieses Kind mit einem extremen Nachteil zur Welt und benachteiligte sich selbst gleichermaßen.

so viel Verachtung einbringen konnte wie die Tatsache eine Schlampe zu sein, war es als Ehemann und Vater ein Unterhaltsverweigerer, Schnorrer oder Faulpelz  zu sein.

Einige andere Details:

zu arbeiten. Historisch gesehen wird ein Mann,   wenn ein Kind geboren wird, innerhalb der Ehe häufig seine Beteiligung in Form von bezahlter Arbeit erhöhen. Es ist auch dargelegt worden, dass geschiedene Männer, die keinen Zugang zu ihren Kindern haben, diejenigen sind, die am wahrscheinlichsten bei der Kinderunterstützung im Verzug geraten, während die Wahrscheinlichkeit dass er für die Unterstützung für ein Kind voll bezahlt zunimmt, wenn sein Umgang und seine Beteiligung an der Erziehung zunehmen.

bereit ist, das Geschirr zu spülen.

Schauen wir uns einmal an, warum dieses soziale Konstrukt der lebenslangen monogamen Ehe (und damit verbunden das Vermeiden von  gefallenen Frauen, das Erzwingen von Geschlechterrollen und die Übertragung der Autorität über die Kinder auf die Ehemaänner und Väter) schon immer von der Gesellschaft so wichtig erachtet wurde.

alten sich abnutzen.

Tatsächlich ist von Anthropologen darauf hingewiesen worden, dass die Neandertaler ausgestorben sind, weil sie eine egalitäre Aufteilung der Arbeit vornahmen, in einer Welt, die sich nicht dazu eignete, die Bevölkerung stabil zu halten und zu vergrößern, indem sie die Arbeit und die Gefahren für Leib und Leben gleichermaßen verteilten. Und als die glücklosen Neandertaler auf die modernen Menschen trafen, die eine mehr nach dem Geschlecht erfolgte Arbeitsteilung hatten und die der Sicherheit der Frauen Vorrang einräumten, war es mit den Neandertalern vorbei.

Und das ist allgemein, was mit allen Gesellschaften geschehen ist, die auf anderen Reglungen als dem Patriarchat beruhten. Die wenigen Matriarchate, die es im Laufe der Geschichte gab, neigten dazu klein und arm zu sein, und sie verschwanden sobald sie mit patriarchalischen Gesellschaften in Kontakt kamen.

Nun habe ich einige Leute postulieren gehört das es keinen Grund gibt zu glauben, dass eine matriarchalische Gesellschaft nicht genauso erfolgreich sein kann wie eine patriarchalische, nun wo sich die Welt, die Technologie und die Natur der Arbeit geändert haben. Ich denke, dass es bereits viele Gegenbeweise gibt.

Kindern leben in Haushalten alleinerziehender Mütter.

, SIE WERDEN SOGAR DAZU ANGESPORT, WENIGER PRODUKTIV ZU SEIN, als sie es sein könnten, weil jeder erzeugte Überschuss, so oder so beschlagnahmt wird.

dieser Frauen ein 2 bis 10 mal größeres Risiko für:

  • Drogenmissbrauch

  • Schulschwänzen

  • Gesundheitsprobleme
  • missbraucht zu werden
  • Verhaltensprobleme und Persönlichkeitsstörungen

  • kriminelles Verhalten
  • Mitgliedschaft in kriminellen Banden

  • Selbstmord und Weglaufen von Zuhause

  • Abbruch der Ausbildung auf alle Bildungsniveaus

  • Straffälligkeit und Haftstrafen als Jugendliche und als Erwachsene

  • Geschlechtskrankheiten
  • uneheliche Kinder

  • Teenager-Schwangerschaften

Aber warten Sie, da kommt noch etwas!

Wenn ein Mann mit den Zahlungen für den Kindesunterhalt in Verzug ist, kommt ins Gefängnis, was die Gesellschaft ungefähr 60.000 $ pro Jahr kostet. Das kostet uns aber nicht nur direkt, sondern wir verhindern während er im Gefängnis sitzt, dass er Geld verdient und Steuern zahlt und erschweren durch seine Vorstrafe seinen Wiedereinstieg in die Produktivität. Wir zahlen im Wesentlichen für ihn, um ihn damit weniger produktiv und mehr zu einer Last werden zu lassen. Es ist eine Situation bei der alle verlieren!

Bürokratien, Kreditkartengesellschaften und Banken und nicht die Familien.

Wenn eine Familie sich auflöst, müssen gewöhnlich beide Eltern voll arbeiten, um eine Lebensqualität für sie alle zu sichern, die trotzdem noch weniger bequem wird, als es wäre wenn sie noch zusammen wären. Und das beängstigendste ist, je mehr Menschen man hat, einer voll bezahlten Beschäftigung nachgehen zu MÜSSEN, je mehr Konkurrenz gibt es für die vorhandenen Jobs, und desto mehr Macht haben die Konzerne, um die Löhne zu drücken.Es ist kaum überraschend für mich, dass mit der Entdeckung der Pille und der Flut gelangweilter Hausfrauen, die zu einer Übersättigung des Arbeitsmarket geführt hat und dem Ansteigen der Scheidungsraten und alleinerziehender Mütter, die Löhne nicht mehr mit der Inflation Schritt halten konnten.

Wieder eine Situation, bei der es nur Verlierer gibt.

Und während das alles weitergeht, wird die Maschinery, die erforderlich ist um die Verpflichtungen der Männer abzuschöpfen und das Ergebnis ihrer Überschussarbeit an Frauen und Kinder zu verteilen, größer, fetter, ineffizienter und hungriger, und die Lücke zwischen den Superreichen und dem Rest von uns wird breiter und breiter, während wir uns mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, härter zu arbeiten, um eine anständige Lebensqualität für unsere Kindern zu erzielen.

Aber warten Sie, das ist noch nicht alles!

Erinnern Sie sich an all jene Kinder, an all jene alleinerziehenden Mütter? Wissen Sie, jene die sich all dieser erhöhten Risiken einer Vielzahl sozialer Erkrankungen gegenüber sehen, die dazu führen werden, dass aus ihnen eher Belastungen als produktive Mitglieder der Gesellschaft werden?

Leben ihrer Kinder für überflüssig hält und nur als Geldautomaten betrachtet, während es Frauen dazu ermuntert, unwilligen Männern Vaterschaft aufzuzwingen, indem man jene Frauen nicht für ihre einseitigen Fortpflanzungsentscheidungen zur Verantwortung zieht. Dieses System hatte zur Folge, die Entwicklung  langfristiger Partnerschaften zu boycottieren indem es, im Falle von  Beziehungsproblemen, die Waagschale der Macht zugunsten der Frauen entscheiden ließ, während es die Waagschale der Verantwortung noch mehr zu Lasten der Männern veränderte als dies schon während des Patriarchats der Fall war.

„Was ist mit den Kindern??“

Feministinnen haben gekämpft, und kämpfen noch immer für die Fortpflanzungsfreiheit der Frauen, aber sie scheinen sich nicht allzu sehr über die Verantwortungslosigkeit zu sorgen, die die zunehmende Vorliebe der Frauen für außereheliche Schwangerschaften demonstriert, wie ein Anteil der außerehelichen Geburten von 60 % in einer Zeit zeigt, in der die Frauen eine nahezu totale Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit haben. Und obwohl die Frauen 100 % die Entscheidungsmacht über ihre Reproduktion haben (egal was die Männer tun oder nicht tun), glauben nur wenige Feministinnen, dass die Frauen auch zu 100% finanziell für die Folgen dieser Entscheidungen verantwortlich gemacht werden sollten. Nicht nur sollten Abtreibungen frei sein, sondern Kindesunterhalt automatisch erfolgen. Obwohl sie bei all diesen Entscheidungen kein Mitsprachrecht haben, werden Männer noch immer teilweise für verantwortlich gehalten, und wir ALLE ebenso, durch die gestiegenen sozialen Ausgaben, die erforderlich sind, alle Wahlmöglichkeiten in Sachen Fortpflanzung für die Frauen so lastenfrei wie möglich zu machen.

Fortpflanzung mag die Last der Frauen sein, aber es ist ebenso auch ihre Macht. Der Feminismus scheint glücklich, nicht nur jede unverantwortliche Ausübung dieser Macht zu fördern, sondern hat vorgeschlagen und Regelungen eingeführt, die dazu gedacht sind jede Entscheidung, die eine Frau im Bezug auf ihre Fortpflanzungskapazität macht, wie klug oder dumm diese auch immer sein möge, für die Frau mit so geringen Kosten wie möglich zu verbinden.

Ergebnisse.

Männer stellen jetzt die Minderheit der Abiturienten und auf allen Bildungsniveaus die Mehrheit der Abbrecher. Sie sind bei den Universitätsstudenten in der Minderheit. Es gibt heute mehr Frauen als Männer mit Abiturzeugnissen und Bachelordiplomen. In amerikanischen Städten verdienen Frauen unter 30 heute im Mittel 8 % mehr als ihre gleich alten Männer.

steuern, Vermögenssteuern, Mehrwertsteuern usw..

Eine Ärztin hat gewöhnlich ihr erstes Kind innerhalb von zehn Jahren, nach dem Ende ihrer Ausbildung. An diesem Punkt wird sie nicht weniger als ein Jahr nicht arbeiten und die Mutterschaftshilfe kassieren. Wenn sie zur Arbeit zurückkehrt wird, wird sie wahrscheinlich 35 Stunden/Woche oder weniger arbeiten. Wenn sie ein anderes Kind hat, wird sie ein weiteres Jahr oder länger nicht mehr arbeiten. Und es kann sein, dass sie sich dafür entscheidet, sogar noch weniger Stunden zu arbeiten, falls und wenn sie zurückkehrt. Siewird sich möglicherweise  lange vor Erreichen des offiziellen Rentenalters ganz aus der Arbeitswelt verabschieden. Eine große Minderheit der gut ausgebildeten Berufsfrauen hat sich auf Teilzeitarbeit beschränkt oder hat innerhalb von zehn Jahren nach Abschluss der Ausbildung ganz aufgehört, in ihrem Beruf zu arbeiten. Durchschnittlich arbeiten Ärzte männlichen Geschlechts mehr Stunden pro Jahr und pro Lebenszeit als weibliche.

Und wenn ein sehr großer Prozentsatz unserer Ärzte Frauen sind, dann wartet man plötzlich 3 Wochen, nur um einmal seinen Hausarzt zu sehen.

Kandidat abgewiesen, damit sie studieren konnte.

Das soll nicht heißen, dass Mutterschaft unwichtig ist oder das sie nicht produktiv ist. Es soll nur heißen, dass sie ihre teure Ausbildung nicht zu ihrem vollen Wirtschaftspotenzial genutzt hat. Sie hat uns eine kleinere Rendite geliefert. Während es viele Männer gibt, die Universitätsabschlüsse bekommen, für die wir alle bezahlen und die dann nichts damit anfangen, ist es wahrscheinlicher, dass Männer, über ihre gesamte Lebenszeit, das Geld für ihre Ausbildung an uns zurückzahlen und dann einige, einfach weil Männer über die gesamte Lebenszeit noch immer mehr verdienen als Frauen, mehr Steuern bezahlen und weniger aus dem System entnehmen.

Durch die Bevorzugung der Frauen in der Ausbildung auf allen Niveaus haben wir die Fähigkeit der Männern behindert, so produktiv zu sein, wie es das Gesellschaftssystem zu seiner Aufrechterhaltung benötigt. Indem wir außereheliche, alleinerziehende Mutterschaft fördern und Frauen erlauben, die Väter aus den Leben ihrer Kinder zu verbannen, haben wir eine halbe Generation von Jungen geschaffen, die riskieren als Erwachsene für den Arbeitsmarkt unbrauchbar und eine teure Last für die Gesellschaft zu werden, und eine halbe Generation von Mädchen die mit größerer Wahrscheinlichkeit das Problem verschlimmern, indem sie selber alleinerziehende Mütter werden.

Indem wir die Ehe für Männer in ein Risiko verwandelt haben, das selbst ein zwanghafter Spieler nicht einmal mit einer drei Meter langen Stange berühren würde, wenn er zwei zusammenarbeitende Gehirnzellen hat, haben wir Männer dazu angeregt, weniger produktiv zu sein, als sie sonst sein würden oder sein könnten. Und indem wir einen räuberischen Zwischenhändler in den Vertrag zwischen Männern und Frauen eingefügt haben, was die Weiterleitung der Überschussarbeit der Männer betrifft, haben wir lediglich den Umfang der Regierung, ihre Berge teurer Bürokratie und die Defizite, die sie routinemäßig anhäuft, vergrößert.

Je schwächer die Vaterschaft als Konzept wird, desto schwächere wird die Gesellschaft. Demoralisierte Männer in Japan haben einen Trend begonnen, den man „Grasessen“ nennt, bei dem 60 % der unter Männern unter 30 kein Interesse mehr daran haben zu heiraten, Kinder zu bekommen und einen Job zu bekommen, der mehr einbringt als sie zur Begleichung ihrer Rechnungen benötigen. Japanische Wirtschaftswissenschaftler rasten darüber aus, weil die Frauen und Kinder noch immer die Arbeit der Männern brauchen, egal wie sie transferiert wird. Und Japans wirtschaftliche Überlegenheit war auf die Produktion dieser männlichen Überschussarbeit aufgebaut.

Also, fassen wir zusammen:

ausländische Regierungen zur Finanzierung der heutigen Freigebigkeit.

Aber was haben wir getan? Wir haben jede Motivation vernichtet, die Männer haben, um Generatoren von Wirtschaftsleistung zu sein, indem wir für sie alle Vorteile der Ehe und Kinder beseitigt haben, so dass sich immer mehr weigern, das 50-Wochenstundending zu tun, und sich stattdessen für Teilzeitjobs, Bier und Spielkonsole entscheiden. Andere werden einfach so beschädigt und durch das System, das wir geschaffen haben behindert, dass sie sind unfähig sind, überhaupt produktiv zu sein. So haben wir tatsächlich in der Realität WENIGER Produktivität. Und jene Kinder, auf die wir uns verlassen, dass sie uns vor der Verpfändung retten, wenn ausländische Regierungen anfangen, die Begleichung der Schulden einzufordern, sind nur dabei von Generation zu Generation immer weniger fähig zu werden unsere Haut zu retten, weil immer mehr von ihnen von alleinstehenden Müttern groß gezogen werden.

Und während Wirtschaftswissenschaftler in Japan wegen der japanischen Männer ausrasten, die ihren eigenen Weg gehen, müssen Männer nicht wirklich bewusst ihren eigenen Weg gehen, um eine Femokalypse zu verursachen. Sie müssen nicht anfangen überall Randale zu machen,  wie in London oder anfangen eine Masse für die Tatsache zu sensibilisieren, dass das „männliche Privileg“, das sie angeblich genießen darin besteht, „den Mund zu halten und sich zurück in die Reihe stellen“, wie es bei den Occupy-Protesten geschehen ist. Alles, was geschehen muss, ist lediglich den Frauen weiter alles zu geben was sie haben wollen und damit fortzufahren die Rechte der Männer zu marginalisieren. Schließlich wird es dann nicht mehr genug Leistungsüberschüsse geben, um das zunehmend aufgeblähte System, das Frauen verlangen zu erhalten, so dass es dann zusammenfallen wird.

Und nein, nicht alles hiervon ist die Schuld des Feminismus. Es gibt viele andere Faktoren, die dieses Narrenspiel in Gang halten. Aber der Feminismus scheint eine der lautesten Lobbys zu haben, die Ansprüche und Freiheit fordert, die uns alle eine Unmenge kosten und die nur weiter Kosten verursachen, anstatt sich durch Erträge bezahlt zu machen.

 

Aufbauend auf meiner Übersetzung hat Bernhard Lassahn offenbar eine verbesserte Version erstellt:

www.frau-ohne-welt.de/category/grundlagen/femiklaypse/

Ich habe die Texte nicht verglichen. Bernhard Lassahn hat auf seiner Webseite www.frau-ohne-welt.de aber auch eine Menge andere, eigene Texte zum Thema Geschlechterkrieg und Geschlechterfrieden, während das Thema bei mir eine Randerscheinung war und ist, weil ich mehr mit anderen Themen beschäftigt bin.




Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter

Dieser Beitrag enthält eine Übersetzung des Transkriptes eines Interviews von David McAlvany mit Prof. Dr. Joseph Tainter,. Das Interview ist vom 1.10.2014. Tainter ist Autor des 1988 geschriebenen Buches über den Kollaps komplexer Gesellschaften (The Collapse of Complex Societies (New Studies in Archaeology)) und  Mitautor des Buches Drilling Down

Quellen

Das als mp3 herunterladbare Interview findet sich hier.

Das meiner Übersetzung zugrundeliegende Transkript des Interviews findet sich hier.

Eine kostenlos als pdf-Datei herunter ladbare Kopie des Buch ist auf www.monoskop.org  mit dem Suchbegriff Tainter  hier zu finden.

Vorbemerkung zur Übersetzung

Die Übersetzung war sehr schwierig. Ich habe selbst mehrere Tage jede freie Minute daran gearbeitet, und dann hat meine Frau in ihrer Eigenschaft als Diplomübersetzerin auch noch einmal mehrere Tage immer wieder meine Übersetzung überarbeitet.  Wer das englische Original des Transkriptes liest, wird verstehen warum. Ich hoffe, aber dass der Text nun einigermaßen lesbar ist und trotzdem den Sinn des Originals gut wiedergibt.

Das Interview:

Kevin: David, wie letzte Woche versprochen, sprechen wir heute mit Dr. Joseph Tainter über den Kollaps komplexer Gesellschaften.

David: Das ist der Titel seines 1988 geschriebenen Buches. Wir gaben eine kurze Zusammenfassung davon, indem wir das Gedicht Ozymandias letzte Woche zitierten. Zur Wiederholung, es beschreibt, was wir als Überbleibsel der Größe haben. Was wir haben ist, was zu seiner Zeit als eine Macht betrachtet wurde, die als unvergänglich betrachtet wurde, und doch, wenn Sie sich an letzte Woche erinnern:

„Mein Name ist Ozymandias, König der Könige; Betrachtet, mein Werk, Ihr  Mächtigen und Verzweifelten!“ Abgesehen davon überdauert nichts.  Um den Zerfall dieser gewaltigen Statue herum, grenzenlos und kahl, dehnt sich der öde Sand aus, soweit das Auge reicht.

Kevin: Das erinnert mich: Um ein großer Führer zu sein oder, um wirklich irgendetwas zu führen, muss man die Geschichte verstehen. Winston Churchill schrieb das vierbändige Werk  Die Geschichte der englischsprachigen Völker . Er sprach über den Untergang Roms, und wie man ihn dort in England sehen konnte. Er sprach darüber, „Hier und dort wurden die breiten römischen Tore von Stadtgemeinden auf die Hälfte ihrer Größe mit Mauerwerk verengt.“ Ich zitiere aus seinem Buch Die Verlorene Insel (( er meint:  A HISTORY OF THE ENGLISH SPEAKING PEOPLE, Band 1, Kapitel 3, The Lost Island )) . Er, sagte, ein bleibender Beweis der Unsicherheit zur Zeit des römischen Reiches ist, dass im ganzen Land,  – und das ist etwas, von dem ich meine, dass es vielen Leuten  nicht klar ist – damals in den 1930er Jahren wurden Hunderte von Goldmünzen gefunden  – er sagte dazu: „Im ganzen Land sind Unmengen von Münzen gefunden worden, kaum eine davon datierte später als  400 n. Chr. “

David: Im römischen Reich baute sich bereits  gewaltiger Stress auf, und offensichtlich ist das eines der Dinge, über die Tainter in Kollaps  komplexer Gesellschaften spricht. Als Rom schließlich seine Expansion nicht mehr finanzieren konnte und gezwungen wurde, seine Ausdehnung einzustellen, und als selbst die  Erhaltung des Status quo nicht mehr finanzierbar war, began eine große Inflation.  Mit seinem Erlass von 301 bezweckte Diokletian natürlich, die Preise für Waren festzulegen. In dieser Zeit sah man den Wert von Gold beträchtlich steigen. Interessanterweise wurde der Denar aus Silber hergestellt. Es war leichter den Wert dieser Münze zu vermindern. Sie war leichter zu entwerten, weil man ihre besondere Farbe auch dann erhalten konnte, wenn man andere Metalle beimischte. Die Leute merkten nicht notwendigerweise, dass der Silbergehalt reduziert worden war.

Kevin: Also, um das römische Reich wie bisher zu führen, musste man den Wert der Währung verringern, weil man die Leute nicht so stark besteuern konnte, wie es die Staatsausgaben eigentlich erforderten.

David: Das stimmt genau. Wer bezahlte den endgültigen Preis? Das waren die  Armen und der Mittelstand, weil die Reichen die meisten ihrer Ressourcen erhalten konnten, eine Kassenposition in Gold, hier war es nicht so einfach. Tatsächlich ist eine “Bargeld”-Anlage in Gold nicht so leicht zu entwerten wie der römische Denar. Der Wert des Goldes stieg  im Anschluss an die Verordnung von Diokletian im Jahre 301  um das 45-fache, wohlgemerkt 45-fache. Nur zum  Vergleich, in den letzten 100 Jahren ist der Wert des Goldes [gegenüber dem US-Dollar] um das  62½-fache gestiegen.  In den letzten 100 Jahren hatten wir wohl eine größere Abwertung zu verzeichnen als  die Römer in der Zeit Diokletians. Worauf weist das hin? Es ist ein Hinweis auf ein aufgeblähtes System. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass es ein System ist, das morgen zusammenbrechen wird. Aber es bedeutet, dass die Gefahren zunehmen.

Kevin: Dave, ich denke das ist wirklich interessant. Man hat uns immer gelehrt, warum verschiedene Gesellschaften wie Rom, oder vielleicht die Mayakultur oder die Griechen zusammengebrochen sind. Aber Tainter sieht das aus einem anderen Blickwinkel. Er sagt, es ist nicht die Erschöpfung der Ressourcen, es sind nicht die Dinge, die man uns gelehrt hat. In Wirklichkeit sind es die hohen Kosten für die Aufrechterhaltung eines Lebensstandards oder einer Art zu leben, einer Komplexität, die nicht mehr länger aufrechterhalten werden kann.

David: Sehr einfach ausgedrückt, wenn ein Körper größer und größer wird, egal um welche Art Körper es sich handelt, dann erfordert das einen größeren Metabolismus,  und das erfordert mehr Ressourcen und mehr Energie für den metabolischen Prozess.

Kevin: So wie das Buch war,  bin ich sicher,  dass das Gespräch sehr produktiv sein wird.  Also lass uns dazu  kommen.

*    *    *

David: Dr. Tainter, danke dafür, dass Sie sich an unserer Diskussion über Ihr Buch  Der Kollaps komplexer Gesellschaften beteiligen. Sie fangen mit mehreren Beobachtungen an, und wir werden dies ebenso in unserem heutigen Gespräch tun. Sie weisen darauf hin, dass Zivilisationen zerbrechlich sind, dass sie unbeständig sind. Sie weisen darauf hin, dass der Kollaps ein üblicher Prozess und eine wiederkehrendes Merkmal menschlicher Gesellschaften ist. Das sind einige der Bausteine in Ihrer Argumentation. Sie bezwecken mit dem Buch, eine Erklärung des Zusammenbruchs zu entwickeln, der für eine Vielzahl von Zusammenhängen gilt, und der Auswirkungen auf   aktuelle Verhältnisse  haben kann. Einer der Punkte auf die Sie hinweisen ist, dass es in schwierigen Zeiten oft eine sorgenvolle Beschäftigung mit der Vorstellung des  Zusammenbruchs gibt. Vielleicht haben Sie in den letzten Jahren noch einige Kopien Ihres Buches verkauft. Der Stress und die Belastung der Weltwirtschaft in den letzten fünf Jahren waren anders geartet als jene, die  wir in in den letzten paar Jahrzehnten erlebt haben. Vielleicht können Sie uns in einem Satz Ihre These und Ihre Konzepte erklären,  der uns helfen kann, Ihre Annäherung an das Thema  Kollaps zu verstehen?

Dr Tainter: Als Archäologe und Historiker war ich mit mehreren Fällen von zusammenbrechenden Gesellschaften und mit der Tatsache vertraut und damit, dass es ziemlich bedeutende Literatur zu diesem Thema gibt, aber diese Literatur hat mich nie zufrieden gestellt. Ich dachte, dass wir nie wirklich verstanden haben, was die  Essenz eines Kollaps  ist. Ich denke, dass ein Kollaps der schnelle Verlust der Komplexität in einer Gesellschaft ist. Wir sind uns alle der Tatsache bewusst, dass unsere Gesellschaften heute viel komplexer sind, als sie es in der Vergangenheit waren. Komplexität besteht aus immer verschiedeneren Arten von Teilen  unserer Gesellschaft, mehr Arten von Einrichtungen, mehr Arten von sozialen Rollen, mehr Arten von Wirtschaftstätigkeiten, mehr Arten von Informationen, die wir verarbeiten und so weiter, verbunden mit den Mitteln, diese in einem funktionierendes System zu organisieren und zu integrieren. Also, wir haben kulturelle Normen, wir haben Erwartungen, wir sozialisieren unsere Kinder, damit sie sich auf eine bestimmte Weise benehmen, und auf einem mehr formellen Niveau haben wir Regeln, Verordnungen und Gesetze, die die Organisation der verschiedenen Teile der Gesellschaft gewährleisten.

Was wir in antiken Gesellschaften sehen ist, dass deren Komplexität zunimmt und dass sie dann schnell an Komplexität verlieren, das heißt  sie brechen schnell zusammen. Kehren zu einem einfacheren Zustand zurück und sie tun das nach historischen oder archäologischen Maßstäben in einer ziemlich kurzen Zeitspanne, vielleicht in ein paar Jahrzehnten oder so. Also ich stellte die Frage, was Gesellschaften dazu veranlasst, ein Niveau der Komplexität plötzlich zu verlieren, und das ist nur ein Teil der umfassenderen Frage,  was Gesellschaften zu Veränderungen ihrer Komplexität veranlaßt. Einer der Aspekte, der Evolution von menschlicher Gesellschaften oder über die Evolution biologischer Arten, den wir verstehen müssen ist, dass Komplexität nicht gratis ist. Sie hat immer einen Preis.

Das ist grundlegende Thermodynamik. Bei jedem System kostet die Aufrecherhaltung eines komplexen Zustandes Energie. Je komplexer eine Gesellschaft wird, je komplexer eine Art wird, je mehr Energie benötigt sie. Zum Beispiel würde die Energie, die durch die Jagd und das Sammeln erzeugt werden konnte, nie für die Aufrechterhaltung einer als Staat organisierten Zivilisation ausgereicht haben. Diese erforderte Landwirtschaft. Die Aufrechterhaltung der Gesellschaft die wir heute haben, könnte niemals auf der Grundlage von Subsistenzwirtschaft (selbst versorgender Landwirtschaft)  erfolgen Sie verlangt Energiesubventionen, die wir in der Form in erster Linie durch die Nutzung fossiler Brennstoffe erhalten. Also, es erfordert immer mehr Energie, komplexer  zu werden. Also, wenn man immer mehr Energie braucht, und in der Vergangenheit bedeutete das, dass die Leute härter arbeiten mussten, was ist dann der Hauptgrund warum Gesellschaften komplexer wurden?

Die Antwort, die ich vorschlage, ist, dass wir komplexer werden, um Probleme zu beheben. Wenn wir auf Probleme treffen, fügen wir neue Technologien hinzu, oder wir fügen neue Instituionen hinzu, wir verarbeiten neue Arten von Informationen, wir haben neue Arten von sozialen Rollen, vielleicht neue Arten von Geschäften, und als ein Beispiel, wenn wir daran denken, wie wir auf die Terroristenangriffe vom 11. September 2001 geantwortet haben, dann kann man sehen, dass wir tatsächlich Komplexität hinzugefügt haben. Wir haben neue Regierungsstellen etabliert, das Heimatschutzministerium, die Transportsicherheitsverwaltung und so weiter, und wir haben auch organisatorische Kontrollen von Verhaltensweisen gesteigert, die wir für bedrohlich halten. Also, grundsätzlich haben wir die Komplexität vergrößert und wir sind uns alle der dadurch verursachten Kosten bewusst,  wenn wir durch einen Flughafen gehen. Wir erfahren die Komplexität in solchen Situationen unmittelbar.

Meine Argumentation ist, dass Gesellschaften im Laufe ihrer Entwicklung zuerst hoch wirksame und wenig kostende Lösungen für die Probleme entwickeln, mit denen  sie konfrontiert werden. Einfachere Gesellschaften sind hierarchisch aufgebauten Gesellschaften gewichen, die viele verschiedene Arten von Komponenten haben. Einfache Technologien wurden durch fortgeschrittenere, kompliziertere Technologien ersetzt. Wir versuchen anfangs, die Lösungen anzuwenden, die das Problem dem wir gegenüberstehen auf die am wenigsten kostspielige Weise beheben. Aber mit der Zeit gehen uns die wenig kostenden Lösungen aus und wir werden mit dem konfrontiert, was man in der Volkswirtschaft „den Punkt der abnehmenden Erträge“ nennt, wo wir immer mehr Komplexität anwenden, während aber der Ertrag der Komplexität nicht mehr so schnell wächst wie er das vorher getan hat.

Abnehmende Erträge sind in jeder Art von System ein herausragendes Problem. Das bedeutet,  dass es sich nicht mehr lohnt, die bisherige Strategie weiter zu verfolgen. Was ich bei antiken Gesellschaften sehe ist, dass ihre Komplexität wuchs und dass sie schließlich einen Punkt erreichten, an dem die Erträgen abnahmen, während ihre Energiebasis nicht zunehmen konnte; auf der Grundlage einer bäuerlichen Landwirtschaft, die ziemlich nah an ihrer Leistungsgrenze war und die hoch besteuert wurde. Das war der Punkt  wo sie anfingen, verwundbar für den Kollaps zu werden. Wenn man diesen Punkt der abnehmenden Erträge der Komplexität erreicht, wird Komplexität selbst eine weniger passende Strategie für das Lösen von Problemen. Die Gesellschaften werden dann immer verwundbarer für den Kollaps.

David: Es gibt diese Idee, dass komplexe Gesellschaften die Norm sind, weil sie das einzige sind was wir mit unserer direkten und beschränkten Erfahrung kennen. Komplexe Gesellschaften sind das, was wir um uns  herum haben. Wenn man auf die Höhepunkte der Geschichte schaut, ist das, was wir sehen sozialer Fortschritt und impliziert, dass diese immer so war. Aber Sie behaupten ziemlich das Gegenteil, nämlich dass Komplexität zu haben eine Ausnahme von der Regel ist,  und dass der Rückfall zur Nichtkomplexität ein ziemlich normaler und natürlicher Prozess ist.

Dr Tainter: Richtig. Wir alle sind heute in komplexen Gesellschaften aufgewachsen. Wir haben in unserem Leben nie etwas anderes erfahren, also denken wir, dass eine komplexe Gesellschaft tatsächlich normal ist. Faktisch denken wir, dass dies der natürliche Zustand der Dinge ist. Das Problem mit dieser Ansicht besteht darin, dass sie historisch gesehen ungenau ist. Wir sind tatsächlich eine Anomalie der Geschichte. Hoch komplexe Gesellschaften gibt es erst seit ungefähr 5.000 Jahren; wir wissen aber, dass die Menschheit eine Geschichte von mindestens 4 Millionen Jahre hat. Während dem  größten Teil dieser Zeit lebten die Leute als einfache Sammler in sehr einfachen Gesellschaften, kleinen Gruppen, von vielleicht von einer Handvoll bis zu einigen Dutzend Menschen. So gesehen ist unsere heutige Art zu leben eine Anomalie.  Deswegen  begreifen wir nicht, dass geringe Komplexität tatsächlich der übliche Zustand menschlicher Beziehungen ist, und dass die Art und Weise wie wir heute leben sehr ungewöhnlich ist.

David: Vielleicht könnten Sie mit uns das Spektrum der Wahlmöglichkeiten teilen, die man hat, um eine komplexe Gesellschaft in den Griff zu bekommen. Alternativ hat man jene Faktoren, die auf einen niedrigen Grenznutzen hinauslaufen. Man hat die Zeit, die Anstrengung, den Verbrauch von Ressourcen  zur Aufrechterhaltung einer komplexen sozialen Struktur. Was wären einige Beispiele wo man einfach sagt, „anfangs hat es funktioniert, jetzt übersteigt der Aufwand den Nutzen“?

Dr Tainter: Ich bin nicht sicher, dass man Komplexität jemals wirklich in den Griff bekommen kann,  weil sie dazu neigt, sich ein zu schleichen. Ich verweise darauf das Komplexität  heimtückisch ist. Jedes Mal, wenn wir auf ein Problem stoßen, haben wir die Tendenz, das Problem beheben zu wollen, und die Lösung scheint immer einfach und erschwinglich zu sein. Was den Schaden anrichtet, sind die mit der Zeit zunehmenden Kosten einer immer komplizierter werdenden Gesellschaft. Wir sind uns dessen heute nicht bewusst, weil wir für die Komplexität mit fossilen Brennstoffen bezahlen. In der Vergangenheit, als Leute für die Komplexität einer Gesellschaft durch ihre eigene Arbeit zahlen mussten, waren sie sich des Problems des Unterstützens einer Staatsverwaltung oder großer religiöser Einrichtungen bewusster. Die Art wie wir heute leben, ist wie ich meine in hohem Maße ungewöhnlich und tendiert dazu, zu verschleiern, dass geringe  Komplexität eigentlich ein normaler Zustand menschlicher Angelegenheiten ist.

David: Sie erwähnten fossile Brennstoffe – eine Ressource, auf die sich die moderne Wirtschaft verlässt, von der sie abhängt. Sie schlagen in Ihrem Buch vor, dass viele Probleme gelöst werden können, wenn man eine neue Energiequelle in eine komplexe Gleichung einführt.  Bezüglich der fossilen Brennstoffen ist Ihr Argument nicht, dass der Kollaps durch die Ressource selbst verursacht oder mit ihr in Zusammenhang steht. Die Komplexität ist ein ganz anderes Problem. Vielleicht konnten könnten Sie dazu etwas sagen. Ist es die Erschöpfung der Ressourcen? Ich hatte den Eindruck, dass dies nicht das Argument im Buch war.

Dr Tainter: Nein, aber eine der wiederkehrenden Theorien über die Ursache des Zusammenbruchs von Gesellschaften ist, dass sie ihre Ressourcen aufbrauchen. Ich kann das den historischen Aufzeichnungen nicht entnehmen. Was ich stattdessen sehe ist, dass man eine Situation hat, in der die Gesellschaften komplexer und kostspieliger werden. Sie erreichen einen Punkt  abnehmender Erträge, und es wird im Wesentlichen unmöglich, zukünftige Probleme zu beheben. Sie werden fiskalisch geschwächt, weil die Bevölkerung über ihre Grenzen hinaus besteuert wird, der aus   selbstversorgenden Bauern bestehende Bevölkerungsanteil wird über seine Belastbarkeitsgrenze  hinaus besteuert. Dadurch wird die Gesellschaft fiskalisch geschwächt und die Bevölkerung verliert schließlich ihre Loyalität, weil sie zum Beispiel, sehr hohe Steuern bezahlen und trotzdem keine entsprechende Gegenleistung sehen.

David: Ich denke an Ihre Biographie, Sie sind Anthropologe, Archäologe und Historiker. Sie sind auf sehr vielen Gebieten bewandert. Interessant in Ihrem Buch ist, dass Sie die Argumentation zu einem entschieden wirtschaftlichen und finanziellen Punkt führen. Sie fangen mit der Idee an, dass wir problemlösende Organisationen, d. h. menschliche Gesellschaften sind. Darauf bauen Sie mit der Vorstellung auf, dass sozialpolitische Systeme Energie für ihre Instandhaltung benötigen, und fügen hinzu, dass  die Steigerung der Komplexität Kosten verursacht, sehr hohe Kosten bezogen auf die Kapitalbasis. Schließlich führen Sie als vierten Punkt die Vorstellung des sinkenden Grenznutzens auf, wo die Investition in die sozialpolitische Komplexität als Form der Problemlösung einen Punkt erreicht, wo sie zum finanziellen und wirtschaftlichen Problem wird. Sie führen einige Beispiele an: z.B. Bildungsertrag. Sie erwähnen die US-amerikanische Gesundheitsfürsorge. Sie erwähnen Planck’s Prinzip des wachsenden Aufwandes. Lassen Sie uns diskutieren, warum Investitionen in Komplexität einen abnehmenden Grenzertrag haben. Vielleicht können Sie die Bildung, das US-Gesundheitssystem und Planck’s Prinzip ergründen und erläutern.

Dr Tainter: Sicher. Lassen Sie uns die Entwicklung der modernen Wissenschaft betrachten. Im 19.Jahrhundert wurde Wissenschaft in erster Linie von Einzelgängern wie Darwin oder Gregor Mendel betrieben. Das waren Personen, die die Gesellschaft fast nichts gekostet haben und dennoch produzierten sie Ergebnisse, die die wissenschaftliche Aktivität revolutionierten. Da wären zum Beispiel Erfinder wie  Henry Ford. Das waren Personen, deren Arbeit die Gesellschaft sehr wenig kostete,  und doch erzeugten oder erfanden sie Dinge, die unsere Art  zu leben revolutionierten und in vielen Fällen außerordentlich verbesserten. Aber in dem Maße wie sich die Wissenschaft entwickelt und wie sich die Wissenschaft als Ganzes entwickelt, stellen wir fest, dass die Instituionen immer komplexer werden. Es gibt  heute nicht mehr so  viele einsame Wölfe unter den Naturforschern, die  bedeutende Beiträge zur Wissenschaft leisten. Stattdessen ist die Wissenschaft ein hoch komplexes Unternehmen, das hauptsächlich von interdisziplinären Forschungsteams betrieben wird, die von großen Institutionen mit Personal, Gebäuden und administrativem Überbau unterstützt werden. Max Planck sah das vor vielen Jahrzehnten voraus, als er darauf hinwies, dass Wissenschaft, wenn sie wächst, schließlich einen Punkt erreicht, wo es immer teurer wird, Ergebnisse von großer Bedeutung zu erzielen. Und in dem Maße wie sich die Wissenschaft  entwickelt,  finden wir, dass sie immer unproduktiver wird.

Seit das „Kollaps“-Buch herauskam, habe ich an diesem Thema mit einigen Kollegen, Jose Lobo von der staatlichen Universität Arizonas und mit Deborah Strumsky von der Universität North Carolinas gearbeitet. Wir untersuchten die Produktivität der Erfindungen im Patent-System der USA. Im US-amerikanischen Patent-System kommt ungefähr die Hälfte der Patente aus Übersee. Was wir tatsächlich untersuchten, war eine Datenbank weltweiter Patente. Wir untersuchten eine Datenbank mit mehr als fünf Millionen Patenten über einen Zeitraum von 1974 bis 2005. Auf jedem Gebiet, das wir untersuchten, stellten wir eine Abnahme der erfinderischen Produktivität fest. Diese Abnahme der Produktivität erkärt sich damit, dass Erfindungen immer komplexer und ihre Produktion immer kostspieliger wird. Dies ist Planck’s Prinzip des  zunehmenden Aufwandes.

David: Ich realisiere, dass Sie ihren Doktor [Ph.D.] 1975 erworben haben, und ich hoffe, dass Sie das nicht persönlich nehmen, aber so wie es mir beschrieben wurde, ist das Problem beim Erwerb eines Doktortitels, dass es sich um einen Vorgang handelt, bei dem man immer mehr über immer weniger weiß, bis man absolut alles über absolut nichts weiß. Ich weiß, dass es ironisch klingt, aber es gibt einen deutlichen  Nutzen der Grundschulausbildung gegenüber der höheren Schulbildung. Dann fängt man an sich mit einem akademischen  Grad an der Universität zu spezialisieren, ein Masterabschluss verfeinert jene Sachkenntnisse zu etwas noch Spezialisierterem, bis man ein einziges spezielles  Thema für die Doktorarbeit wählt. Eine Handvoll, wohlgemerkt, nur eine Handvoll Leute wird Ihre Dissertation verstehen,  wenn sie diese liest. Wieder sind es die hohen Kosten, die realen Dollars, die ausgegeben worde sind, um dieses Stück  Papier zu erhalten und die damit verbundenen allgemeinen Vorteile. Ich denke, das ist ein sehr gutes Bild von der Spezialisierung. Die hohen Kosten stehen einem Mehrwert gegenüber, der immer schwieriger zu rechtfertigen ist, und er kann auch in vielen Fällen gerechtfertigt werden, aber es ist eine gute Demonstration.

Sie sprechen über andere Erklärungen des Zusammenbruchs, wobei Sie zwischen dem, was einige vielleicht fördernde Faktoren gegen ursächliche Faktoren nennen, unterscheiden. Und  Sie wissen, dass es da Elemente gibt, die nur eine Art Hintergrundproblem sind, die auch zum Niedergang beitragen,   die aber aus sich heraus nicht kausal sind. Vielleicht können Sie für auch  einige  alternative Hypothesen durchspielen: Erschöpfung der Ressourcen, soziale Funktionsstörung, Misswirtschaft. Sie nennen sie etwas anders:  Dinosauriermodell,  Modell des wegfahrenden Zuges,  Kartenhausmodell, Bezeichnungen die hilfreich sind, aber die einem keine vollständig kausale Erklärung geben.

Dr Tainter: Die zwei Hauptursachen, die Sie in der Literatur in den letzten Jahren sehen, sind entweder Ressourcenerschöpfung,  was das Thema des Buches von Jared Diamond über den Kollaps war oder über den Klimawandel, den Diamond auch erörterte, obwohl er sich darauf nicht so konzentrierte, wie er es hätte tun sollen. Das Problem mit dem Argument der Ressourcenerschöpfung besteht darin, dass ich gerade dafür die Beweise nicht sehe. Sie können sich Fälle wie das römische Reich, die Maya und so weiter ansehen. Das waren Gesellschaften mit  hoch produktiver bäuerlicher Landwirtschaft. Es ist gerade nicht möglich zu postulieren, dass sie ihre Ressourcen aufgebraucht hatten und deshalb kollabiert sind. Was man stattdessen in diesen Fällen sieht ist, dass die Gesellschaften mit der Zeit immer komplexer und immer kostspieliger wurden. Wenn sie einen gewissen Punkt an Komplexität und Kostspieligkeit erreichen, beginnen sie so für  einen Kollaps verwundbar zu werden.

Was den Klimawandel betrifft, gibt es interessante Arbeiten bezüglich der Maya, die nahelegen, dass die Maya am Punkt angelangt waren,  wo sie ihre Umwelt so vollständig ausnutzten, dass dieses Problem einen Kollaps ausgelöst haben könnte. Dies ist eine Art Situation, wo etwas wie der Klimawandel eher fördernd als ursächlich zum Kollaps beigetragen hat. Angenommen, eine Gesellschaft hat eine ziemlich niedrige Bevölkerungsdichte mit viel Raum, um zu wachsen, sich auszubreiten und stärker zu werden, dann kann etwas wie eine lang dauernde Dürre gut überstanden werden, weil man Optionen hat. Aber wenn man eine Gesellschaft hat, die ihre Nutzfläche vollständig nutzt, und das muss sie, weil sie eine große Bewölkerung  und komplexe Gesellschaft ernähren muss.  Im Falle einer lang dauernde Dürre ist diese Gesellschaft verwundbar.

Ich bin froh dass, Sie das anschneiden. Ein anderer Aspekt des Kollapses ist die Frage, warum  Gesellschaften zu manchen Zeitpunkten verwundbar sind,  zu anderen aber  nicht? Man sieht dies zum Beispiel im römischen Reich. Die Römer standen früh in ihrer Geschichte enormen Herausforderungen  gegenüber und meisterten sie, aber später in ihrer Geschichte standen sie vergleichbaren Herausforderungen gegenüber und waren doch nicht in der Lage, sie zu meistern. Ich denke der Grund, besteht darin, dass ihre Gesellschaft immer komplexer und kostspieliger wurde, und dass sie das verloren hatten, was ich Reservekapazität für Problemlösungen nenne.

David: Sie illustrieren, dass die Ausbreitung des römischen Reiches anfangs mit dem erbeutetetem Geld, dem Beutegut und dem  Gold bezahlt wurde. Aber mit dem Wachsen des Reiches wurde jeder neue Erwerb, relativ zur Größe des Reiches selbst, kleiner und kleiner. Also stiegen die Kosten, die relativen Kosten der Eroberungen parallel mit den langfristigen Verbindlichkeiten.

Schnell voraus zu heutigen Verhältnissen. Lawrence Kotlikoff, Wirtschaftsprofessor an der Universität Boston, sagt, dass unsere Finanzierungslücke ungefähr 200-220 Trillionen Dollar beträgt.  Dies bedeutet, wenn man kurz an die Zukunft denkt, dass man sagen kann „Was ist das angesammelte Einkommen der Vereinigten Staaten, und wie sind unsere künftigen Verpflichtungen, Gesundheitsfürsorge, Gesundheitsdienst für Bedürftige, Sozialversicherung?“ Und man, sagt „Nun, es gibt da eine ziemliche Diskrepanz. Wir haben nicht genug Geld für die Erfüllung von Verpflichtungen in Höhe von ungefähr 200-220 Trillionen Dollar? Das zog das römische Reich nicht in Betracht, als es ursprünglich seine Eroberungen durchführte. Sie sahen die Einnahme, sozusagen die Schüssel mit Kirschen und rechneten nicht mit den Kernen, und das war das Problem. Sie erwarben mit den Eroberungen,  langfristige Verbindlichkeiten. Sie mussten die eroberten Gebiete instandhalten. Sie mussten Leute beschäftigen, die das Land verwalteten. Und dann, stiegen natürlich die Kosten und sie hatten nicht die Einnahmen, um diesen Prozess  zu unterstützen. Also, was taten sie? Sie fingen an, ihre Währung zu entwerten.

Ich habe folgende Frage: Wenn es zu einer Entwertung der Währung oder Inflation kam, war Inflation ein Teil des Niedergangs oder eine Ursache? Und sollten wir heute durch einen ähnlichen Grad der Instabilität der Währung besorgt sein? 97 % Kaufkraftverlust  im Laufe einen Zeitraum von  100 Jahren. Noch einmal, es ist in diesem Jahr akut, aber über einen längeren Zeitraum ist die kumulative Wirkung, ziemlich negativ.

Dr Tainter: Ja, ich habe eine Grafik, die Jahr für Jahr die Entwertung der römischen Silberwährung zeigt, die sie gezwungenermaßen durchführen mussten,  weil sie einfach nicht genug Geld hatten, um ihre wiederkehrenden Kosten bezahlen, ganz zu schweigen von den Kosten wegen militärischer Krisen. Wenn ich zu einem breiten Publikum spreche, zeige ich diese Grafik neben einer Grafik, die die Wertabnahme des US-amerikanischen Dollars zeigt. Die zwei Karten zeigen sehr ähnliche Tendenzen. Die Entwertung der römischen Silberwährung verursachte natürlich eine Inflation. Es war im Wesentlichen eine Strategie, die Zukunft zu besteuern, um für den Augenblick zu zahlen, das ist dieselbe Strategie, die wir heute mit den Haushaltsdefiziten anwenden. Wir besteuern die Zukunft, um für den Augenblick zu zahlen. Das sind analoge Strategien und sie sind ein Weg, um mit Komplexität fertig zu werden;  sie bestehen darin, die Kosten auf einen anderen Sektor zu verschieben. Natürlich ist das eine Strategie, die nur eine Zeit lang funktioniert, aber wir betrachten immer die Zukunft als weniger wertvoll als die Gegenwart. Die Wirtschaftswissenschaftler nennen dies, das zeitliche Diskontieren. Wir senken den Wert der Zukunft relativ zur  Gegenwart, wir betrachten also einen Verbrauch im Wert von einem Dollar heute als wertvoller,  als als den Verbrauch im Wert von einem Dollar in, sagen wir, 10 oder 20 Jahren. Und das ist die Strategie, der die Römer folgten. Ich vermute, dass andere komplexe Gesellschaften das ebenso gemacht haben, während sie wuchsen und sich dabei dem Kollaps näherten, sie versuchten aktuelle Probleme zu lösen, indem sie die Kosten im Wesentlichen auf die Zukunft verschoben.

David: Heute haben wir Schulden und Derivate, Finanzprodukte, die der Bankenfinanzierung Schichten der Komplexität hinzufügen, um das Finanzwesen und offen gesagt, die Systemstabilität zu sichern. Diese zwei Elemente der Schulden und Derivate  waren noch nie systemkritischer und offen gesagt weniger weniger verstanden worden,  als von ein paar ausgewählte Spezialisten. Sind das die Arten der Komplexität, von denen Sie annehmen, dass sie zum Kollaps beitragen könnten oder gehören die Bürokratie  oder  die Misswirtschaft der Verbindlichkeiten zu der Gattung, die  Sie am meisten beunruhigen und die Sie wirklich meinen?

Dr Tainter: Die neuen Arten von Finanzprodukten, Derivaten und so weiter, machen uns sicher verwundbar für den Verlust des Vertrauens in Investitionen und so weiter. Ob diese einen Kollaps verursachen können, hängt von unserer  schon vorher  erwähnten   Reservekapazität für Problemlösungen ab. Nun, als 2008  die Finanzkrise zuschlug, waren wir imstande der Finanzflaute durch hohe Regierungsausgaben entgegenzuwirken, die weitestgehend durch Borgen finanziert wurden. Aber wir haben so viel Geld geliehen, um mit dieser Krise fertig zu werden und borgen weiter zu hohen Zinsen, um unsere jährlichen Defizite zu finanzieren, dass man sich fragen muss, ob wir wenn nächstes Jahr eine ähnliche Krise käme, die Kreditwürdigkeit hätten um imstande zu sein, dieser neuen Krise wieder mit weiteren Krediten begegnen zu können? Oder, wenn eine ähnliche Krise in zehn Jahre käme, und wenn die Regierung sich zum heutigen Zinssatz  soviel borgen würde wie bisher, wären wir dann in der Lage, die Steuern so zu steigern, dass wir der Krise entgegenwirken könnten?

Das ist die Art der Dinge, von denen ich denke, dass sie uns für einen Kollaps verwundbar machen, weil uns die Reservekapazität zur Problemlösung fehlt. Noch einmal, dies ist etwas was ich in antiken Gesellschaften beobachte. Und das etwas,  worüber wir meiner Meinung nach sehr besorgt sein sollten, und wir müssen eine langfristige Perspektive dazu haben, wie unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft sich entwickelt haben und mit welchen Arten von Problemen wir wahrscheinlich in der Zukunftk konfrontiert werden. Aber die Politiker, diejenigen die das Land führen, haben im Allgemeinen keine langfristige Perspektive. Sie neigen dazu, in erster Linie über die nächste Wahl besorgt zu sein. Daher sorgen wir nicht für die Zukunft vor. Im Wesentlichen schlingern wir von  Krise zu Krise und versuchen dabei, jede so zu lösen als ob sie isoliert werden könnte, während es tatsächlich so ist, dass alle diese Krisen von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt sind. Indem wir eine lösen, wird die Bühne frei für die nächste.

David: Diese Idee von der Reservekapazität zur Problemlösung ist absolut perfekt. Sie erwähnten im Zusammenhang mit Rom, dass, als die Staatskasse voll war, schlimme Dinge geschehen konnten und dass man diese wegstecken konnte, man konnte im Vorbeigehen damit fertig werden, weil man die dazu notwendigen Mittel hatte.  Die reale Verwundbarkeit kam, als die Staatskasse leer war und man aus Verzweiflung  handelte, ob man nun die Währung inflationierte oder was immer man sonst tat. Sie finanzierten nicht  soviel über Schulden, wie wir heute. Faktisch haben wir heute eine Finanzwirtschaft, die vom Schuldenwachstum abhängig ist. Bill Gross wies gerade vor ein paar Wochen darauf hin, dass unsere Wirtschaft unsere Wirtschaftswachstumsraten nicht aufrechterhalten kann, wenn die Verschuldung nicht  jedes Jahr um  2½ Billionen Dollar steigt. Das klingt etwas zurückgeblieben, dass das Schulden die Quelle unseres Wirtschaftswachstums sind, aber es bedeutet,  dass Verbraucher, Unternehmen und Regierungen weiterhin die Fähigkeit haben, diese Verbindlichkeiten zu übernehmen. Für den Mann auf der Straße klingt das ein wenig nach dem Schneeballsystem von Ponzi.  Und wir  hoffen, dass der letzte,  der gerade zur Tür hinausgeht, nicht der letzte ist, der in dieses System investiert. Ich glaube, dass Reservekapazität für Problemlösungen genau ist, worauf man in Bezug auf eine gesunde Staatskasse in Rom hinauswollte.  Natürlich gibt es andere Möglichkeiten das Problem zu lösen ausser Geldausgeben.

Ein anderer Autor, Albert Hirschman, schrieb vor vielen Jahren ein Buch  mit dem Titel Exit, Voice and Loyalty [deutsch Abgang(Verlassen,Hinausgehen), Stimme und Loyalität]. Er  betrachtete den Zusammenbruch von Organisationen, sowohl von Unternehmen als auch von Gesellschaften, und er führt Ausstieg als eine Wahlmöglichkeit an.  Ausstieg ist, wie Sie es in Ihrem Buch beschreiben, ist eine wirtschaftliche Wahlmöglichkeit. „Sich nicht mehr beteiligen”. In der komplexen heutigen Gesellschaft, scheint dies fast unmöglich. Wir unterliegen Zwängen, die durch die Kontrolle des Transports, des Geldflusses und der Datenflüsse leichter gemacht werden. Wie Sie zuvor sagten, haben wir jetzt eine neue Komplexität in Bezug auf die Transportsicherheitsverwaltung, Heimatsicherheit usw. Es scheint, dass Komplexität heute ein Niveau erreicht hat, wo Ausstieg, also hier der Verzicht auf Komplexität, nicht möglich ist. Was denken Sie dazu?

Dr Tainter: Sie haben absolut Recht. Wir sitzen in der Falle. Wir können nicht vereinfachen. Wir können uns nicht von der Weise zurückziehen, wie sich unser System entwickelt hat und von der Art und Weise, wie wir es aufgestellt haben. Wir sind an einem Punkt, an dem wir wirklich darin gefangen sind. Wir sind in einer Abwärtsspirale, aus der wir nicht herauskommen können. Das heißt, wir werden schon eines Tages herauskommen, wenn es zu einer Krise kommt, aber wir können diese Abwärtsspirale nicht freiwillig verlassen, weil das zu viele andere Probleme schaffen würde und weil  Politiker nicht bereit sind, diese Art von Problemen zu schaffen.

David: Das ist die klassische Spieltheorie oder das Dilemma des Gefangenen, wo wir das Problem vor uns sehen, weil wir heute darüber sprechen. Aber irgendetwas dagegen zu unternehmen, würde das System aus den Angeln heben, weil ein Ausstieg tatsächlich der Auslöser für den Kollaps des Systems sein könnte. Und parallel dazu haben Sie die Erhaltung der Rechtmäßigkeit durch ein besonderes politisches System. Vielleicht war das Cäsar, heute sind es die Kompetenzen. Dies ist meine Frage: Ist das Aufrechterhalten der Rechtmäßigkeit dasselbe politische Ziel wie das Aufrechterhalten der Loyalität, und vielleicht dazu noch, welche Rolle spielt Zwang bei der Einhaltung?

Dr Tainter: Rechtmäßigkeit ist die wirksamste Weise, Loyalität zu gewährleisten, dass Leute gegenüber einer Nation, einer Regierung, eine Lebensweise loyal sind, weil sie sie als legitim betrachten. Sie denken, dass sie mit ihrem Einverständnis besteht und ihren Interessen und ihren Bedürfnissen dient. Die Alternative ist Zwang, der mehr der Standardmodus für menschliche Gesellschaften ist. Das Problem mit dem Zwang besteht natürlich darin, dass man die Kontrolle nie aufgeben kann, man muss sie ständig  aufrechterhalten, und es kann ziemlich kostspielig sein, Sicherheitskräfte und Geheimagenten zu unterhalten, um die Bevölkerung zu kontrollieren, wie es in einigen Ländern in der Welt bereits heute getan wird. Es ist viel wirksamer und viel weniger kostspielig, Loyalität durch eine legitime Regierung und eine legitime Lebensweise aufrechtzuerhalten.

David: Wir sprachen darüber, wie man Zeit sieht und über die Unfähigkeit von Politikern, bei Urteilsbildungen und  Entscheidungen langfristig zu denken, weil sie zu sehr mit der folgenden Wahl oder der nächsten  öffentlichen Rede beschäftigt sind. Ist der Kollaps in Echtzeit ein allmählicher Prozess oder ist er etwas, was schnell passiert?

Dr Tainter: Komplexität ist ein allmählicher Prozess. Kollaps geschieht definitionsgemäß ziemlich schnell. Deshalb wird der Begriff Kollaps auf den Prozess angewandt. Der Kollaps ist eine ziemlich schnelle Vereinfachung, ein ziemlich schneller Verlust einer komplexen Lebensweise. Aber das Problem mit dem Kollaps ist, dass er dazu neigt heimtückisch zu sein. Er schleicht sich langsam an. Ein Problem kommt,  man löst es. Dann kommt das nächste, und man löst es auch.  Alle diese Probleme treten auf und sie werden schrittweise gelöst, eines nach dem anderen. In der Zwischenzeit steigen die Gesamkosten, sie schleichen sich immer weiter an einen heran, bis man einen Punkt erreicht  wo man es sich mehr leisten kann, die die Art Gesellschaft zu sein, die man geworden ist. Das ist so mit einigen antiken Gesellschaften geschehen und man muss darüber beunruhigt sein,  dass wir denselben Weg gehen.

David: Das ist sicher in Anlehnung an an Kuhns  Structure of Scientific Revolutions [dt.: Struktur wissenschaftlicher Revolutionen] zu verstehen, wo man eine problemlösende Organisation hat und wo die vorherrschende Weltanschauung weiterhin darin besteht, Probleme zu lösen.  Es kann dann Abweichungen geben, die man nicht bedenkt und dann, eines Tages, wird die Anhäufung der Anomalien zu groß. Dann ist es mit dem alten System vorbei und es kommt ein neues, beinahe revolutionäres System, wie er es beschreibt. In der Vergangenheit waren komplexe Systeme von Menschen abhängig. Jetzt wird Komplexität durch das menschliche Element behindert. Wir haben offen gesagt eine nie dagewesene Abhängigkeit von der Technologie, sowohl was die einzelnen Menschen als auch den Staatsapparat betrifft. Um es zu wiederholen,  vielleicht sind das andere Arten von Komplexität als die an welche Sie denken. Aber legen Sie Wert darauf sich über Technologie und unsere Abhängigkeit von ihr zu äußern?

Dr Tainter: Nun, Sie haben ziemlich negativ über die Komplexität gesprochen, aber wir müssen uns erinnern, und ich möchte diesen Punkt ausdrücklich hervorheben, dass Komplexität nicht von Natur aus gut oder schlecht ist. Komplexität behebt Probleme und  kann Probleme beheben. Komplexität ist entweder nützlich und erschwinglich oder sie ist es nicht. Sie ist nicht von Natur aus gut oder schlecht. Wenn wir über die Finanzkrise sprechen, möchte ich darauf hinweisen, dass die Lösung der Finanzkrise in der Tat mehr Komplexität ist. Im Laufe der letzten paar Jahre hatten wir diese starke Zunahme von neuen Finanzprodukten, von verschiedenen Arten von Derivaten und so weiter, was ein Anstieg von allen möglichen  Elementen im Wirtschaftssystem bedeutet. Wir hatten jedoch keine entsprechende Ausweitung der Organisation des Systems, um  jene Elemente dazu zu bringen, dass sie sich in  einer Weise verhalten, dass sie zum Wohl unseres Wirtschaftssystems in unserer Gesellschaft als Ganzes beitragen. In Anschluss daran hat man versucht, diese in  Form von Regulierungen, die der Finanzindustrie auferlegt werden, nachzuholen, so dass Komplexität tatsächlich eine Lösung des Problems darstellt. Aber natürlich beklagt sich die Finanzindustrie, dass die Umsetzung der Regulierungen sehr hohe Kosten verursachen wird, und so weiter und so weiter. Das macht deutlich, dass Komplexität immer ein Abwägen  bedeutet. Es ist immer eine Kosten-/Nutzenrechnung.

David: Aus den 848 ursprünglichen Seiten für des Dodd-Frank [Anm. d. Übers: Wall Street und Verbraucher Schutz Gesetz, das von den Abgeordenten Chris Dodd und Barney Frank eingebracht wurde] sind jetzt mit den individuelle Regulierungen 14.000 Seiten geworden und es ist noch nicht vollständig umgesetzt.  Es gibt also diese Wechselwirkung von Komplexität und Wachstum, ein Vorwärtstrend,  Wachstum inbegriffen. Das wirft eine andere Frage auf.  Wir haben offensichtlich, wie Sie erwähnten, die Vorteile der Komplexität und die Vorteile der Technologie gesehen. Dazu das Konzept großer  Datenmengen und die Verarbeitung von Informationen über Algorithmen, Entscheidungsfindung auf eine Weise  –  lassen Sie es uns so formulieren: Entwickelt sich die Komplexität über die menschliche Fähigkeit hinaus, die zu kontrollieren?

Dr Tainter: Wie ich meine erwähnt zu haben, war Komplexität nie unter menschlicher Kontrolle. Der Grund besteht darin, dass sie sich heranschleicht, sie nur in kleinen Schritten wächst und wir uns dessen normalerweise nicht bewusst sind. Wenn Sie keine langfristige Sichtweise haben, ist es unmöglich, das Wachstum der Komplexität zu verstehen. Wirklich, man muss ein Historiker sein, um das Wachstum der Komplexität zu verstehen. Sie müssen sich die Vergangenheit ansehen und dann verstehen, wie unsere Gesellschaften sich während der letzten 200-300 Jahre verändert haben, um zu verstehen, wie Komplexität sich langsam angeschlichen hat. Die Komplexität, die wir heute erfahren, übersteigt sicher das Verständnis der meisten Menschen, aber das ist  nur Fortsetzung eines alten Prozesses.
David: Eine letzte Frage an Sie, wenn wir parallel mit Ihnen als Student der Geschichte zurückschauen, führte Diokletian 301 n. Chr Preiskontrollen ein. Sie hatten ein Inflationsproblem. Die Preiskontrollen beseitigten es nicht wirklich. Aber wir erlebten, dass Bernanke 2009 Preiskontrollen im Rentenmarkt über seine Nullzinssatz-Politik einführte, natürlich weil Ertrag und Preis zwei Seiten derselben Münze sind. Das bringt uns zu einer früheren Beobachtung zurück. Der Kollaps spielt eine Rolle in Krisenzeiten. Sie haben diese Maßnahmen, die Politik des FOMC [Federal Open Market Committee], Nullzinssatz-Politik, die ein Indiz für ein System unter äusserter Belastung sind. Sollten wir uns mit der Idee des Kollapses heute mehr beschäftigen als, sagen wir, vor fünf Jahren?

Dr Tainter: Nein, ich würde sagen heute nicht mehr als vor fünf Jahren. Unsere Lebensweise hängt von fossilen Brennstoffen ab und unsere primäre Sorge muss erneuerbaren Energiequellen gelten, vorzugsweise Energiequellen, die sauberer sind als das, was wir heute nutzen. Das muss unsere primäre Sorge heute sein, genauso wie es schon vor fünf Jahren war. Etwas anderes, auf das wir achten müssen, und das ist ein Hauptproblem, das die Römer konfrontierte, ist die zunehmende Komplexität, die erforderlich ist,  um gerade einmal den Status quo aufrechtzuerhalten. Daraus resultieren offensichtlich  abnehmende Erträge. Was die Römer angeht, so erlebten sie eine Hauptkrise im 3. Jahrhundert n. Chr., das Reich wäre fast untergegangen. Sie reagierten mit Ausweitung der Komplexität der Regierung und der Armee  und mussten das mit einer erhöhten Besteuerung der bäuerlichen Bevölkerung bezahlen. Das Problem bestand darin, dass die Komplexität und Kostspieligkeit zunahmen, um gerade den Status quo aufrechtzuerhalten, um  das Reich gerade intakt zu halten. Das ist etwas, denke ich,  worauf wir in der Zukunft Acht geben müssen. Nehmen wir in der Komplexität und Kostspieligkeit zu, um gerade den Status quo aufrechtzuerhalten? Um gerade unsere Lebensweise aufrecht zu halten? Wenn das der Fall ist, dann sind wir in einer Situation, in der wir unserem Schwanz nach jagen, das führt schließlich zu einem Kollaps.

David: In Ihrem Buch besprechen Sie neue Energiequellen und die Umkehr der Kostensteigerung, die erforderlich ist,  um den Status quo aufrechtzuerhalten. Sie zeigen, dass eine neue Energiesubvention eine der potenziellen Lösungen ist, wenn es offenbar wird, dass der Grenznutzen zu fallen beginnt und wenn man eine neue Energie in die Gleichung einbringt. Sie haben einen meisterhaften Job im Präsentieren der zentralen Besorgnisse geleistet, die wir, vernünftigerweise heute haben können, aber vor denen wir nicht notwendigerweise in Angst leben müssen. Wir sollten nur verstehen, dass dies ein normaler Prozess ist und dass wir damit fortfahren sollten, aus der Geschichte zu lernen. Ich kann das Buch The Collapse of Complex Societies (New Studies in Archaeology) nicht genug empfehlen. Joseph Tainter, Danke für Ihre Zeit heute, und wenn sich jemand sich für eine Bestellung des Buches interessiert, ist es bei Amazon erhältlich?  Wohin würden Sie ihn schicken, um sich eine Exemplar zu kaufen?

Dr Tainter: Sicher,  Amazon und Barnes and Nobel führen es. Es ist noch im Druck.

David: Ich hatte  einige fantastische Gespräche am Esstisch mit meiner Frau und mit unseren Kindern, diese Themen betreffend, über mit alten Zivilisationen, über Dinge von denen wir annahmen,  dass sie Konstanten des Lebens sind und über die Erweiterung unseres Zeitrahmens, beginnend in längeren Zeitrahmen zu denken, wenn wir kritische Entscheidungen treffen, die Arten von Investitionen, die über Generationen andauern. Ich schätze wirklich Ihren Beitrag zu diesem Gedankenprozess, Sie haben einige sehr faszinierende  Argumente angebracht. Noch einmal  Danke für Ihre Zeit heute.

Dr Tainter: Sehr gerne.

*    *    *

Kevin: So viele gute Punkte, Dave, aber ich sage Dir, derjenige den ich aufschrieb , während ich Euch zuhörte, war die Reservekapazität für Problemlösungen. Man kann ein Problem viele Male beheben, aber wenn es die Energie, die man hat aufbraucht, dann kommt der Punkt wo man nicht mehr die Ersparnisse in Reserve hat, diese Energie Ersparnisse, um das nächste Problem zu lösen.

David: Wir sprechen natürlich zweideutig über den Begriff Energie. Energie hat hier zwei verschiedene Bedeutungen. Eine ist offensichtlich, dass für ein komplexes System Energie notwendig war, lange bevor es so etwas wie wie fossile Brennstoffe gab. Außerdem haben wir die Vorstellung, dass die Weltwirtschaft vom preiswerten Brennstoff abhängig ist. In einer parallelen Spur, und wieder denke ich, dass wir hier auf zwei getrennten Schienen sind, braucht man die erneuerbaren Quellen, wie er andeutete,  Aber da ist dieses andere kritischere Problem der Reserven für Kapazität zur Problemlösung. Reserve für die Kapazität zur Problemlösung symbolisierten in der Vergangenheit für den römischen Staat die Goldunzen des Staatsschatzes. Die  Reserven für die Kapazität der Problemlösung wurden wieder aufgefüllt, wenn die Römer ein anderes Land eroberten. Sie repräsentierten  von diesem Punkt an den Staatsschatz, die Ersparnisse einer Nation. Sie sind in einer ganz anderen  Situation, wenn Sie keine Rücklagen einer Nation haben, und wenn die Finanzkasse nicht dafür  verantwortlich ist, den Reichtum der Nation zu erhalten, tatsächlich aber für die Schaffung von Schuldscheinen verantwortlich ist.  Denk daran, was das Finanzministerium heute für uns tut. Es ist nicht das Lager des nationalen Reichtums. Es ist der Verteiler nationale Schuldscheine.

Kevin: Also, das neue Gold ist der Glaube an den zukünftigen Kredit.

David: Was, offen gesagt, auf ein Ponzi-Schema hinausläuft, das solange funktioniert bis es nicht mehr funktioniert. Es ist vollkommen abhängig vom Vertrauen in das System und abhängig vom Vertrauen in eine Komplexität, die nun nicht nur eine Gesamtwette seitens der Fed [ amerikanischen Zentralbank], sondern,  wie wir mit Joseph heute besprachen, sind wir unfähig aus diesem speziellen System herauszukommen. Wir mahlen vorwärts in Bezug auf unseren Fortschritt, bis wir zu einem knirschenden Halt kommen.

Kevin: Wie wir am Beginn des Programms erwähnten, haben die Menschen in England, die weit genug von Rom entfernt waren, um zu sehen, dass der Untergang begonnen hatte, angefangen  Goldmünzen zur Seite zu legen. Dave, siehst Du was sie gespart haben, was die letzte Anstrengung zur Schaffung einer Reservekapazität zur Problemlösung war?  Es war Gold.

David: Echtes Geld, außerhalb der Reichweite der Regierung.

Anmerkung des Übersetzers:

An dieser Stelle möchte ich auf meinen Artikel DEM ENERGIEDILEMMA AUF DEN GRUND GEGANGEN hinweisen, bei dem es sich um eine Buchbesprechung des von Joseph Tainter und Tadeusz Patzek gemeinsam geschriebenen Buches Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma handelt.

 




Von der Wehrmacht lernen

Meine Auffassung von Vielfalt, Weltoffenheit und Multikulti im positiven Sinne ist, dass man immer daran interessiert ist, von anderen Kulturen zu lernen – auch dann wenn es sich um die Kultur vergangener, berüchtigter Organisationen, wie der deutschen Wehrmacht handelt.   Die selbe Auffassung hatte wohl auch der Jerusalemer Professor für Militärgeschichte, Martin van Creveld als er  der Frage nachging, warum die Kampfkraft der deutschen Wehrmacht pro Mann gerechnet der der US-Army weit überlegen war.  Zum Ergebnis seiner Untersuchungen gehört das Buch Kampfkraft: Militärische Organisation und Leistung der deutschen und amerikanischen Armee 1939-1945.  Es könnte für Bewältigung von Problemen in der Zukunft, und da nicht nur für Streitkräfte sondern auch für zivile Organisationen hilfreich sein.

Das Buch wartete schon länger darauf, gelesen zu werden. Spontan hervorgeholt und dann fasziniert und zügig gelesen habe ich es nach einer Unterhaltung mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, die sich alle darüber beklagten, dass sie – genau wie ich auch – von einer oft unsinnigen und realitätsfremden Gesetzgebung unnötig und unsinnig bei ihrer Arbeit behindert und tyrannisiert werden, weil, um es mit Szu Tzus Ausführungen zur Angriffsstrategie zu sagen, der Gesetzgeber und Regierung sich in Angelegenheiten einmischen, von denen sie nicht genug verstehen.

Der andere Hintergrund war, dass ich gerade das Buch The Collapse of Complex Societies von Joseph Tainter gelesen hatte , in dem dieser die These vertritt, dass komplexe Gesellschaften die Tendenz haben immer komplexer zu werden und dass die zunehmenden Kosten dieser Komplexität schließlich zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen. Das Buch von Joseph Tainter kann auch hier als pdf-Datei heruntergeladen werden.

Van Crevelds Buch „Kampfkraft“ war eigentlich eine Studie, die er als Militärhistoriker für das amerikanische Verteidigungsministerium angefertigt hatte, weil dieses nach dem verlorenen Vietnamkrieg nach Verbesserungsmöglichkeiten suchte. Unter Militärs und Militärhistorikern war und ist man sich dabei offenbar darüber bewusst, dass die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg an Kampfkraft allen anderen Streitkräften weit überlegen war. Man wusste, dass die Deutschen ihren Gegnern pro Mann systematisch wesentlich höhere Verluste zugefügt hatten als sie selber hatten. Bei gleicher Anzahl und vergleichbarer Ausrüstung waren die deutschen Streitkräfte in der Regel siegreich. Teilweise haben die deutschen Streitkräfte auch mit zahlen- und materialmäßig weit unterlegen Kräften klar gewonnen. Bestes Beispiel ist der rasante Sieg im Westen, im Mai 1940. Der Sieg über Deutschland war trotz der miserablen Versorgungslage und trotz der für die Deutschen oft sehr nachteiligen Einmischung Hitlers in die Kriegsführung nur unter hohen Verlusten und mit enormer zahlen- und materialmäßigen Überlegenheit der Alliierten möglich.

Die Frage ist warum? Van Creveld geht zunächst der Frage nach, ob die Deutschen vielleicht von Natur aus einen im Vergleich zu den Amerikanern besonders kriegerischen und gewalttätigen Nationalcharakter haben Das erstaunliche Ergebnis der zitierten Untersuchungen ist, dass die Amerikaner auf jeden Fall sehr gutes Soldatenmaterial hatten und dass man aus den vorhandenen, vergleichenden Untersuchungen nicht den Schluss ziehen kann, dass die Deutschen von Natur aus besonders gute Soldaten sind. Es war auch so, dass nur ein eher kleiner Teil der deutschen Streitkräfte fanatische Nazis waren.

Die offensichtlichen Unterschiede in der Kampfkraft der Streitkräfte müssen also eher in organisatorischen Gründen und in der Qualität der inneren Führung gelegen haben – also im Bereich der Software bzw. den weichen Werten.

Van Creveld hat eine große Bandbreite von Aspekten untersucht.

Zunächst hatten das Militär und vor allem auch die Offiziere in Deutschland vor 1945 im Vergleich zu den USA einen sehr viel höheren sozialen Status. Die Anziehungskraft des Militärs und vor allem der Offizierslaufbahn war für fähige junge Männer in Deutschland größer. Wer nun glaubt, man hätte Offiziere damals nach Schulnoten ausgesucht, irrt.  Aufmüpfigkeit und selbst die Wiederholung von Schuljahren waren bei der Auswahl von Offiziersanwärtern positiv und wichtiger als gute Schulnoten und Angepasstheit. Ein interessanter Punkt, vor dem Hintergrund unserer auf Anpassung, Artigkeit und gute Noten getrimmten Bildungslandschaft

Das Ziel der deutschen Streitkräfte war – ganz entgegen den heutigen Klischees – auch in neuen Situationen und unter Stess möglichst selbstständig, eigenverantwortlich und entschieden handelnde Offiziere und Soldaten zu haben. Man war sich darüber im Klaren, dass die Situationen im Krieg sich so schnell und so unvorhersehbar ändern können, dass für das Informieren und Konsultieren von höheren Vorgesetzten oft keine Zeit war. Die Soldaten und Offiziere waren dazu angehalten und dafür ausgebildet, von ihrem Vorgesetzten einfach nur Aufträge zu bekommen und diese dann zu erfüllen, indem sie selbstständig, konsequent und kreativ kämpften, improvisierten und sich flexibel auf die jeweilige Situation einstellten. Die Amerikaner und auch andere Streitkräfte hatten wesentlich unflexiblere, starrere Führungssysteme mit detaillierteren vorschreibenden Befehlen. Bemerkenswerter Weise sind die großen deutschen Niederlagen oft darauf zurückzuführen gewesen, dass sich die oberste Führung nicht an dieses deutsche Erfolgsrezept gehalten und stattdessen den Generälen ins Handwerk gepfuscht hat.

Weitere Vorteile der Wehrmacht gegenüber ihren amerikanischen Gegnern waren eine sehr schlanke, minimalistische Bürokratie, eine bessere Urlaubsregelung, eine intelligentere Besoldung, ein wesentlich motivierenderes System zu Auszeichnung hervorragender soldatischer Leistungen,  eine wesentlich bessere Methode zum Auffüllen der personellen Kriegsverluste, Berücksichtigung landsmannschaftlicher und lokaler persönlicher Bindungen der Soldaten bei der Aufstellung von Kampftruppen. Ausserdem wurden bei der Wehrmacht die besten Offiziere eher an der Front eingesetzt, während sie bei den Amerikanern eher  weit weg von der Front verwendet wurden.

Die Wehrmacht war hochgradig darauf konzentriert, effizient und erfolgreich zu kämpfen und vorzugehen. Die Amerikaner haben mehr Gewicht auf Logistik, Nachschub und Bürokratie gelegt. Die Wehrmacht hat interessanter Weise wesentlich mehr Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse und die Unterstützung der Psyche der Soldaten gelegt. Nicht aus Gutmenschelei, sondern weil man effiziente Soldaten wollte. Die Wehrmacht hatte wesentlich weniger Ausfälle durch psychische und psychiatrische Probleme als die amerikanische Armee und sie hatte trotz der oft katastrophal schlechten Gesamtlage und Unterlegenheit relativ weniger Deserteure.

Das Buch handelt zwar von einer längst vergangenen Zeit und es zeigt die Überlegenheit einer Streitmacht, die dann doch auf extreme Weise einen Krieg verloren und sich bei vielen wegen der Verbrechen, die sie gedeckt und teilweise auch begangen hat, einen sehr schlechten Ruf hat. Das sollte uns aber gerade heute nicht daran hindern, kaltblütig und nüchtern die Erfahrung und das Wissen zu nutzen, welche die überlegene Kampfkraft der deutschen Streitkräfte im 2. Weltkrieg ermöglicht haben.

Wenn man, wie die Amerikaner im 2. Weltkrieg, und auch wie die Nato in Afghanistan, eine phantastische Materialüberlegenheit und dazu eine insgesamt extreme zahlenmäßige Überlegenheit hat, ist das vielleicht nicht so wichtig. In einer Zeit des Überflusses und der Sicherheit kann man sich eine aufgeblähte, unsinnige Bürokratie, weltfremde Gesetze und auch schwache Streitkräfte leisten.  Aber die Zeiten ändern sich zwangsläufig.

Vor dem Hintergrund von Joesph Tainters Buch über die Ursachen des Zusammenbruchs komplexer Gesellschaft und auch vor dem Hintergrund, dass wir dabei sind die Kosten der Komplexität unserer Gesellschaft über das Maß des Verträglichen und Tragbaren hinaus zu steigern, enthält van Crevelds Analyse der Hintergründe der Kampfkraft der deutschen Streitkräfte im 2. Weltkrieg viel Nützliches für unsere heutige Gesellschaft.

Vor allem die schlanke Bürokratie und die effiziente, den Verantwortlichen „an der Front“ ziemlich viel Freiraum lassende, auf unnötige Gängelung durch all zu detaillierte, weltfremde Vorschriften verzichtende Auftragstaktik haben es mir angetan. Als Zahnarzt denke ich dabei sehnsüchtig an Dänemark und Norwegen, wo man alle Gebührenpostionen einer Praxis bequem auf ein bis zwei DIN-A4-Seiten wiedergeben kann, während man in Deutschland etliche tausend Seiten an Loseblattsammlung mit Paragraphen, Gebührenpostionen und Begründungen benötigt. Ich habe in meiner Praxis zwei teure Nachschlagwerk-Abos und ein Abo für ein Preiskalkulationsprogramm und habe viel Geld und Zeit für zahnmedizinisch völlig sinnfreie Fortbildungen in Sachen Abrechung für mich und mein Personal benötigt. In Deutschland verdienen eine ganze Menge Leute viel Geld mit unserem zwar extrem komplexen aber im Grunde, im Sinne des zahnärztlichen Auftrages, völlig überflüssigen und für die Gesundheit der Patienten oft sogar schädlichen Abrechnungswesen. Vergleichende Analyse der Probleme und Eigenheiten der amerikanischen Armee und der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg, könnte aber nicht nur für das zahnärztliche Abrechnungswesen, sondern auch für viele andere zivile Bereiche wichtige Anregungen zum Nachdenken und hoffentlich auch zur Beseitigung unsinniger Komplexität geben. Ganz allgemeingültig könnte dies ein Anlass sein, die zunehmende Gängelung von Fachleuten, Ärzten, Zahnärzten und Beamten aller Fachrichtungen durch immer mehr, oft unsinnige, realitätsfremde und die Gesellschaft zunehmend wirtschaftlich überlastende Gesetze zu reduzieren.

Ein anderer Punkt ist, dass sowohl die deutschen als auch die amerikanischen Streitkräfte vor und im zweiten Weltkrieg rasant ihren Umfang vergrößern mussten. Etwas ähnliches könnte uns in Zukunft wieder passieren. Es könnte sein, dass wir z.B. wie von John Xenakis auf in seinem Internetblog www.generationaldynamics.com kürzlich wieder geschrieben (( Bei seiner globalen Risikoanalyse hat Xenakis das Konfliktrisiko für Europa im Oktober 2014 erstmals von “niedriges Risiko” auf “hohes Risiko” verändert )) , (( Xenakis hat dies z.B. in seinem allgemein mehr auf die politischen Auswirkungen von Ebola bezogenen Beitrag vom 19.10.2014 wiederholt. Zitat:  Ich habe seit Jahren über den kommenden Weltkrieg der Zivilisationen geschrieben, in dem Indien, Russland und der Iran unsere Verbündeten gegen China, Pakistan und die sunnitischen Muslime sein werden. Jetzt müssen wir den „Ebola-Faktor“ hinzufügen, der alles andere was auf der Welt geschieht beeinflußt. Ausbrüche von Ebola werden mehr Gebiete der Welt destabilisieren, zu mehr Kriegen führend, und Kriegsgebiete werden die idealen Gebiete für weitere Ausbrüche und die weitere Ausbreitung von Ebola sein. )) , (( siehe auch meine Beiträge: Pulverfass Saudi-Arabien , Scholl-Latours neustes Buch und die allgemeine Berichterstattung über die mehr oder weniger offen Unterstützung des Islamischen Staates durch die Türkei, sowie Gunnar Heinsohns Buch Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen.  Es ist jedenfalls durchaus wahrscheinlich, dass wir uns (hoffentlich erst) in einigen Jahren einem unter anderem einer die  arabischen Halbinsel, die Türkei, den Islamischen Staat und die Atommacht Pakistan umfassenden Sunnitischen Block, der zudem mit China verbündet sein könnte, gegenüber stehen. Meine  Blogbeiträge zum Thema EMP könnten dann auch relevant werden.  )) , in den nächsten Jahren in einen dritten Weltkrieg verwickelt werden, bei dem wir uns auf der Seite der USA, Russlands, Irans und Indiens, der vereinten Macht von China und den sunnitischen Staaten, vielleicht sogar einschließlich der Türkei, gegenüber sehen. Es könnte sein, dass wir extrem schnell aufrüsten müssen, und dass wir nicht mehr die Zeit, das Geld und die materiellen Ressourcen haben um eine hochtechnisierte, automatisierte Militärmaschine aufzubauen. Es könnte sein, dass wir in eine ähnlich verzweifelte Situation wie die Wehrmacht kommen könnten, wo wir materielle Schwächen, Ressourcenmangel und zahlenmäßige Unterlegenheit durch gute Organisation und innere Führung ausgleichen müssen, wenn wir nicht z.B. vor einen uns zahlenmäßig weit überlegenen, von China unterstützten Kalifat kapitulieren wollen. Van Crevelds Buch „Kampfkraft“ könnte auch dabei von unschätzbarem Wert sein, weil es helfen könnte Fehler zu vermeiden und die Erfolgschancen zu verbessern.

Man muss aber bedenken, dass der selbe Martin van Creveld der Bundeswehr und den westlichen Streitkräften sehr aktuell ein verheerendes Zeugnis ausgestellt hat und sie für nicht mehr kriegstauglich hält. Siehe dazu z.B. ´den Artikels von Martin van Crefeld in der Jungen Freiheit vom 15.08.2014 der die westlichen Streitkräfte als Schmusekatzen bezeichnet.

Kelberg, den 24.10.2014

Christoph Becker




Angriffsstrategie nach Sun Tzu

Sun Tzu ist ein chinesischer Klassiker.  Sein Kapitel über die Angriffsstrategie enthält unter anderem Weisheiten, deren Beachtung durch die Politik sich wohl viele Beamte,  genauso wie ich mit meiner Zahnarztpraxis, sehr zum Vorteil der Bevölkerung wünschen.  Weil Sun Tzu aber auch sonst interessant ist, habe ich im Folgenden gleich das gesamte 3. Kapitel,  Offensive Strategy , aus der englischen Version Sun Tzu: The Art of War (UNESCO Collection of Representative Works), von Samuel B. Griffith  übersetzt.Der englische Text, von dem ich die folgende Übersetzung angefertigt habe, kann auch als pdf-Datei eines Scans im Internet heruntergeladen werden:

http://web.stanford.edu/class/polisci211z/1.1/Sun%20Tzu.pdf

SUN TZU hat gesagt:

1. Im Allgemeinen besteht die beste Politik im Krieg darin, einen intakten Staat zu erobern; ihn zu ruinieren ist schlechter.
Li Ch’üan: Setze keine Prämie auf das Töten.

2. Die Armee des Feinds gefangen zu nehmen, ist besser als sie zu vernichten; ein Bataillon, eine Kompanie oder einen 5 Mann starken Trupp intakt gefangen zu nehmen, ist besser als sie zu vernichten.

3. Hundert Siege in hundert Schlachten zu erringen, ist nicht der Gipfel des Könnens. Den Feind ohne zu kämpfen zu unterwerfen, ist der Gipfel des Könnens.

4. Daher ist es im Kriege von höchster Bedeutung, die Strategie des Feinds anzugreifen;

Tu Mu: … Der Großherzog hat gesagt: ‘Er, der in der Lösung von Problemen hervorragt, tut dies, bevor sie entstehen. Er, der beim Bezwingen seiner Feinde triumphiert, tut dies bevor sich Bedrohungen materialisieren.’

Li Ch’üan: Greife Pläne an, wenn sie beginnen. In der späteren Han-Zeit, umzingelte K’ao Hsün die Kao Chun. Chun schickte seinen Stabsoffizier, Huang-Fu Wen,  um zu verhandeln. Huang-Fu Wen war störrisch und grob, und K’ ou Hsün hat ihn enthauptet, und hat Kao Chun informiert:  ‘Ihr Stabsoffizier war unhöflich. Ich habe ihn enthauptet. Wenn Sie sich unterwerfen möchten, so tun Sie es  sofort. Andernfalls verteidigen Sie sich.’ An demselben Tag hat Chun seine Festung geöffnet und sich ergeben.

Alle Generäle K’ou Hsüns sagten: ‘Dürfen wir fragen wie es möglich ist, dass Sie erst seinen Gesandten getötet haben und ihn dennoch dazu gezwungen haben seine Stadt zu übergeben?’

K’ou Hsün sagte: ‘Huang-Fu Wen war das Herz und der Bauch von Kao Chun, er war sein vertrauter Berater. Wenn ich das Leben von Huang-Fu Wen verschont hätte, hätte er seine Pläne ausgeführt, aber als ich ihn getötet habe, hat Kao Chun seinen Mut verloren. Es wird gesagt: „Die höchste Vorzüglichkeit im Kriege ist es die Pläne des Feindes anzugreifen.’

Alle Generäle haben gesagt: ‘Das ist ist jenseits unseres Verständnisses.’

5. Am Nächstbesten ist es, seine Bündnisse zu zerstören.

Tu Yu: Erlaube deinen Feinden nicht, zusammen zukommen.

WangHsi: … Blicke in die Inhalte seiner Bündnisse und bringe ihn  dazu, sie zu trennen und aufzulösen. Wenn ein Feind Verbündete hat, ist das Problem ernst und die Position des Feindes ist stark; wenn er keine Verbündeten hat, ist das Problem gering und die Position des Feinds ist schwach.

6. Das Nächstbeste ist seine Armee an zu greifen.

Chia Lin: …Der Großherzog hat gesagt: ‘Er, der mit blankem Schwert für den Sieg kämpft, ist kein guter General.’
Wang Hsi: Schlachten sind gefährliche Angelegenheiten.
Chang Yü: Wenn Du seine Pläne nicht im Keim ersticken, oder seine Bündnisse auflösen kannst, wenn sie dabei sind, sich zu vollenden, dann schärfe deine Waffen, um den Sieg zu erringen.

7. Städte anzugreifen ist die schlechteste Politik. Greife Städte nur an, wenn es keine Alternative gibt.

8. Die geschützten Wagen und die nötigen Waffen und Ausrüstungen vorzubereiten, erfordert mindestens drei Monate; um Erdrampen gegen die Stadtmauern anzuhäufen, werden zusätzliche drei Monate erforderlich sein.

9. Wenn der General unfähig ist, seine Ungeduld zu zügeln und seinen Truppen befiehlt die Stadtmauern wie Armeisen hinauf zu schwärmen, dann wird ein Drittel von ihnen getötet werden, ohne die Stadt zu erobern. Das ist die Katastrophe dieser Angriffe.

Tu Mu: … Im späteren Wei hat der Kaiser T’ai Wu hunderttausend Truppen dazu gebracht, den General von Sung, Tsang Chih in Yu T’ai anzugreifen. Der Kaiser hat zuerst Tsang Chih um etwas Wein gebeten. Tsang Chih hat einen Topf versiegelt, der mit Urin gefüllt war, und hat ihn ihm gesandt. T’ai Wu wurde so wütend, dass er unmittelbar die Stadt angegreifen ließ und  seinen Truppen befahl, die Stadtmauer zu erklimmen und sich im Nahkampf zu stellen. Leichname stapelten sich bis zur Oberkante der Stadtmauern und nach dreißig Tagen war mehr als die Hälfte seiner Streitkräfte tot.

10. Folglich unterwerfen diejenigen, die im Krieg erfahren sind, die Armee des Feinds ohne Kampf. Sie erobern seine Städte, ohne sie anzugreifen, und stürzen seinen Staat, ohne in die Länge gezogene Operationen.

Li Ch’üan: Sie siegen durch ihre Strategie. In der späteren Han-Zeit hat der Marquis von Tsan, Tsang Kung, die Rebellen ‘von Yao’ bei Yüan Wu eingekesselt, aber während mehrerer Monaten war er unfähig die Stadt einzunehmen, seine Offiziere und Männer waren krank und mit Geschwüren bedeckt. Der König von Tung Hai sprach zu Tsang Kung: ‘Jetzt haben Sie Truppen konzentriert und den Feind eingekreist, der bereit ist, bis zum Tod zu kämpfen. Das ist keine Strategie! Sie sollten die Belagerung aufheben. Lassen Sie sie wissen, dass ein Fluchtweg offen ist und sie fliehen und sich zerstreuen können. Dann wird jeder Dorfpolizist im Stande sein, sie gefangen zu nehmen!’ Tsang Kung ist diesem Rat gefolgt und hat Yüan Wu eingenommen.

11. Dein Ziel muss sein, Alles-unter-dem-Himmel intakt zu erobern. So werden deine Truppen nicht abgenutzt, und deine Gewinne werden vollständig sein. Das ist die Kunst der Strategie des Angriffs.

12. Folglich ist die Kunst, Truppen zu verwenden, dies: Wenn du dem Feind zehnfach überlegen bist, kreise ihn ein;

13. Wenn du fünfmal so stark bist, greife ihn an;

Chang Yü: Wenn meine Krafte fünfmal größer als die des Feinds sind, alarmiere ich ihn vorne, überrasche ihn hinten, mache Krawall im Osten und schlage im Westen zu.

14. Wenn er doppelt so stark ist, teile ihn.

Tu Yu: …Wenn zwei-zu-eins Überlegenheit ungenügend ist, um mit der Situation fertig zu werden, führen wir einen Ablenkungsangriff aus, um seine Armee zu teilen. Deshalb hat der Großherzog gesagt: ‘Wenn jemand unfähig ist, den Feind dazu zu bringen seine Kräfte zu teilen, kann er keine ungewöhnliche Taktik diskutieren.’

15. Ist er gleichstark, kannst du ihn angreifen.

Ho Yen-Hsi: …Unter diesen Umständen kann nur der fähige General gewinnen.

16. Wenn zahlenmäßig schwächer, sei zum Rückzug fähig;

Tu Mu: Wenn deine Truppen seinen nicht ebenbürtig sind, vermeide zeitweise seinen anfänglichen Ansturm. Möglicherweise kannst du später eine Schwäche ausnutzen. Dann erhebe dich und versuche mit  entschlossenem Kampfgeist zu siegen.
Chang Yü: Wenn der Feind stark ist und ich schwach bin, ziehe ich mich zeitweise zurück und greife nicht an. Das ist der Fall, wenn die geistigen Fähigkeiten und der Mut der Generäle und die Leistungsfähigkeit der Truppen gleich sind.

Wenn ich in der guter Ordnung bin und der Feind in Unordnung ist, wenn ich energisch bin und er unbesorgt ist, dann kann ich ihn selbst dann in einen Kampf verwickeln, wenn er numerisch stärker ist.

17. Und wenn in jeder Hinsicht nicht ebenbürtig, dann sei fähig dich ihm zu entziehen, weil eine kleine Truppe ist für eine stärkere nur Beute.

Chang Yü: … Mencius hat gesagt: ‘Gewiß kann der Kleine dem Großen nicht gleichkommen, noch das Schwache dem Starken, noch können die Wenigen den Vielen entsprechen. ‘

18. Nun ist der General der Beschützer des Staates. Wenn der Schutz allumfassend ist, wird der Staat sicher stark sein; wenn fehlerhaft, wird der Staat sicher schwach sein.

Chang Yü: …Der Großherzug hat gesagt: ‘Ein Souverän, der die richtige Person gewinnt, gedeiht. Derjenige, dem das nicht gelingt wird ruiniert.’

19. Nun gibt es drei Wege, auf denen ein Herrscher Unglück über seine Armee bringen kann:

20. Wenn man ignoriert, dass die Armee nicht vorrücken sollte und ein Vorrücken befiehlt oder wenn man ignoriert, dass sie sich nicht zurückziehen sollte und einen Rückzug befiehlt. Dies beschreibt man als ‘Fesseln oder Lahmlegen der Armee’.

Chia Lin: Das Vorrücken und der Rückzug der Armee kann vom General in Übereinstimmung mit vorherrschenden Verhältnissen kontrolliert werden. Kein Übel ist größer als Befehle des Herrschers vom Hof.

21. Ohne Kenntnis von militärischen Angelegenheiten, an ihrer Führung teilzunehmen. Das veranlasst die Offiziere, verwirrt zu werden.

Ts’ao Ts’ao: …Eine Armee kann nicht gemäß den Regeln der Etikette geführt werden.
Tu Mu: Soweit Anstand, Gesetze und Verordnungen betroffen werden, hat die Armee ihre eigenen Codes, denen sie normalerweise folgt. Wenn diese identisch mit denjenigen gemacht werden, die für die Führung eines Staates verwendet werden, werden die Offiziere verwirrt werden.
Chang Yü: Wohlwollen und Rechtschaffenheit können verwendet werden, um einen Staat zu führen, aber sie können nicht verwendet werden, um eine Armee zu führen. Zweckdienlichkeit und Flexibilität werden beim Führen einer Armee verwendet, aber können nicht für die Führung eines Staates verwendet werden.

22. Wenn unwissend im Bezug auf Befehlsprobleme, sich in der Ausübung von Verantwortlichkeiten zu beteiligen. Das erzeugt Zweifel in den Meinungen der Offiziere.
Wang Hsi: … Wenn jemand der in militärischen Angelegenheiten ahnungslos ist, geschickt wird, um an der Führung der Armee teilzunehmen, dann wird es bei jeder Bewegung Unstimmigkeit und gegenseitigen Frustration geben, und die komplette Armee wird gelähmt. Deshalb hat Pei Tu den Thron darum gebeten, den Armeeoberaufseher zurückzuziehen; erst danach war er in der Lage Ts’ao Chou zu befrieden.
Chang Yü: In letzter Zeit sind Hofbeamte als Oberaufseher der Armee verwendet worden, und das ist genau das was falsch ist.

23. Wenn die Armee verwirrt und verdächtig ist, dann werden benachbarte Herrscher Schwierigkeiten verursachen. Das ist, was durch den Ausspruch gemeint wird: ‘Eine verwirrte Armee führt zum Sieg eines Anderen.’

Meng: …Der Großherzog hat gesagt: ‘Derjenige, der bezüglich der Sinnhaftigkeit verwirrt ist, kann auf seinen Feind nicht reagieren.’
Li Ch’üan: … Die falsche Person kann nicht zum Führen ernannt werden … Lin Hsiang-Ju, der Premierminister von Chao, hat gesagt: ‘Chao Kua ist bloß im Stande die Bücher seines Vaters zu lesen und ist bis jetzt unfähig, sich ändernde Umstände aufeinander zu beziehen. Jetzt macht Ihre Majestät ihn wegen seines Namens zum Oberbefehlshaber. Das ist wie der Versuch, die Stifte einer Laute zu kleben und dann zu versuchen sie zu stimmen.’

24. Nun gibt es fünf Umstände, unter denen Sieg vorausgesagt werden kann:

25. Derjenige, der weiß, wann er kämpfen kann und wann er es nicht kann, wird siegreich sein.

26. Derjenige, der es versteht sowohl große als auch kleine Kräfte richtig zu verwenden, wird siegreich sein.

Tu Yu: Es gibt Umstände im Krieg, bei denen viele wenige nicht angreifen können und andere, wenn die Schwachen die Starken meistern können. Jemand der diese Umstände zu manipulieren weiß wird siegreich sein.

27. Derjenige, dessen Reihen im Zweck vereinigt sind, wird siegreich sein.

Tu Yu: Deshalb hat Mencius gesagt: ‘Die passende Jahreszeit ist nicht so wichtig wie die Vorteile des Geländes, diese sind nicht so wichtig wie harmonische menschliche Beziehungen. ‘

28. Derjenige, der umsichtig ist und einem Feind auflauert, der dies nicht ist, wird siegreich sein.

Ch’en Hao: Schaffe eine unbesiegbare Armee und erwarte den Moment der Verwundbarkeit des Feinds.
Ho Yen-Hsi: …Ein Herr hat gesagt: ‘Sich auf die Bauern verlassen und sich nicht vorbereiten ist das größte aller Verbrechen.; im Voraus auf jede Eventualität vorbereitet zu sein ist die größte aller Tugenden.’

29. Derjenige, dessen Generäle fähig sind und deren Herrscher sich nicht einmischt, werden siegreich sein.

TuYu: … Deshalb hat Meister Wang gesagt: ‘Ernennungen sind die Aufgabe des Herrschers, Entscheidungen in der Schlacht sind die des Generals.’

Wang Hsi: … Ein Herrscher von hohem Charakter und Intelligenz muss im Stande sein, den richtigen Mann zu kennen, sollte ihm die Verantwortung übertragen und Ergebnisse erwarten.

Ho Yen-Hsi: …Nun, im Krieg kann es hundert Änderungen bei jedem Schritt geben. Wenn man sieht, dass man es kann, geht man vor, wenn man sieht, dass die Lage schwierig ist, zieht man sich zurück. Zu sagen, dass ein General unter solchen Umständen auf Befehle des Herrschers warten muss, ist als ob man einen Vorgesetzten darüber informiert, dass man ein Feuer zu löschen wünscht. Bevor der Befehl es zu tun eintrifft, ist die Asche kalt. Und es wird gesagt, dass man den Oberaufseher der Armee in solchen Dingen konsultieren soll! Das ist, als ob man beim Bauen eines Hauses neben der Straße die Passanten um Rat fragen würde. Natürlich würde die Arbeit nie vollendet!’

Einem fähigen General Zügel anlegen, während man ihn zur gleichen Zeit bittet, einen schlauen Feind zu unterdrücken, ist als ob  man den Schwarzen Jagdhund von Han anbindet und ihm dann den Befehl gibt, schwer fassbare Hasen zu fangen. Was ist der Unterschied?

30. Es ist unter diesen fünf Umständen, dass der Weg zum Sieg bekannt ist.

31. Deshalb sage ich: ‘Kenne den Feind und kenne dich selbst; in hundert Schlachten wirst du nie in Gefahr sein.

32. Wenn du im Bezug auf den Feind unwissend bist, aber dich selbst kennst, sind deine Chancen, zu gewinnen oder zu verlieren, gleich.
33. Wenn du im Bezug auf den Feind und auf dich selbst unwissend bist, bist Du bei jeder Schlacht in Gefahr.’
Li Ch’üan: Solche Leute werden ‘verrückte Banditen’ genannt. Was können sie anderes erwarten als eine Niederlage?

Aus dem Englischen übertragen von Christoph Becker

Kelberg, den 24.10.2014




Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen

Was kommt heraus, wenn ein Anthropologe und Professor für Nachhaltigkeit, der sich mit dem Untergang von Zivilisationen beschäftigt hat, mit einem Ingenieurwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Öl- und Geosystemingenieurwesen zusammensetzen,

und die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zum Anlass nehmen, in einem gemeinsamen Buch ganz grundlegend über Energie, Peak Oil, Komplexität, Wissenschaft und Technik, die Rolle und Quelle der Energie beim Aufstieg und Fall von Zivilisationen und über Tiefseebohrungen und die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu schreiben?
Das Ergebnis ist das 2011 erschienene Buch Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma.  Das Buch ist auch  hier als pdf-Datei im Internet verfügbar.
Das Buch deckt auf über 240 Seiten ein breites Spektrum mit soviel Fakten, Phänomenen, Graphiken und Bildern ab, dass man es nicht wirklich zusammenfassen kann. Man muss es eigentlich lesen. Leider gibt es aber bisher keine deutsche Übersetzung, weshalb ich im Folgenden versuche zumindest die meines Erachtens wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Buch wiederzugeben.

Technologischer Optimismus

Mit der Lektüre begonnen habe ich mittendrin, nachdem ich das Stichwortverzeichnis überflogen und dort, ganz am Schluss, das Stichwort „Technologischer Optimismus“ gefunden habe. Was die Autoren dazu schreiben, hat mich fasziniert:
Das heute weit verbreitet quasi-religiöse Vertrauen in „den Markt“ und in den Erfindungsreichtum der Ingenieure und Naturwissenschaftler,  ist nicht berechtigt.  Vor allem in Kapitel 3 zeigen Tainter und Patzek warum:
Auch in Wissenschaft und Technik werden die am tiefsten hängenden Früchte zuerst geerntet. Die am einfachsten, mit dem geringsten Aufwand möglichen, am meisten bringenden Erkenntnisse und Erfindungen werden zuerst gemacht. Weitere Innovationen erfordern einen immer höheren Aufwand an Personal und Energie und liefern einen immer geringeren Ertrag bzw. Fortschritt.  Die Produktivität der Tätigkeit der einzelnen Wissenschaftler und Erfinder wird mit der Zeit immer geringer.  Ferner wächst die Zahl der Menschen, die für eine neue Entdeckung oder Erfindung im Mittel benötigt werden.  Die Autoren belegen diese Behauptungen mit einer Reihe von historischen Beispielen und Grafiken.

Die praktische Folge ist:

  1.  Innovationen werden immer teurer. Der Versuch, sie zu erzeugen, bindet immer mehr Personal.  In Gedanken kann man das bis zu dem Punkt fortführen, an dem die gesamte Gesellschaft mit Forschung und Entwicklung beschäftigt ist und ihre gesamte Energie dafür aufwendet, um noch letzte fast unendlich geringe Verbesserungen zu realisieren.  Lange vorher wäre eine solche Gesellschaft nicht mehr lebensfähig, weil für alle anderen Bereiche, wie etwa die Energiegewinnung und Nahrungsmittelproduktion die Ressourcen zu knapp würden.
  2. Der scheinbar extrem große Strom an Innovationen in unserer Zeit erklärt sich mit dem hohen weltweiten Aufwand für Forschung und Entwicklung, der heute betrieben wird. Noch nie hat die Menschheit insgesamt so viele Wissenschaftler und Ingenieure beschäftigt wir heute.
  3.  Das Potential von Forschung und Entwicklung zur Lösung unserer absehbaren Energie- und Umweltprobleme ist trotz des weltweit extremen Aufwandes sehr viel geringer als allgemein angenommen.  Der Glaube, dass Wissenschaft und Technik unsere Probleme  schon irgendwie lösen werden, kann als Aberglaube betrachtet werden.  Zumindest sollte man aber vorsichtig sein und sicherheitshalber damit rechnen, dass Forschung und Entwicklung unsere Energie- und Umweltprobleme aus prinzipiellen Gründen nicht, oder bei weitem nicht so gut wie allgemein erhofft, lösen können.

Jevons Paradox oder Rebound-Effekt

Der Begriff geht auf William S. Jevons (1835-1882) zurück. Es handelt sich um die paradoxe Beobachtung, dass Energieeinsparungen durch technologischen Verbesserungen eher zu einer Steigerung des Energieverbrauchs als zu einer Verminderung führen. Der Grund ist, dass durch die Einsparung Mittel für weiteren Konsum und auch für weiteren Energieverbrauch freigesetzt werden. Beispiel: Weil die Heizkostenrechnung dank guter Isolierung geringer ist, werden die Leute mehr Zimmer auf höhere Temperaturen heizen und sie werden außerdem mit dem Gesparten Geld vielleicht noch eine Flugreise unternehmen.  Aktuell rechnet man, dass der Rebound-Effekt 60 % der Energieeinsparung wieder zunichte macht.

Risikomanagement

Das 8. Kapitel des Buches beschäftigt sich mit Hintergründen und Details der technischen Fehler und der Managementfehler, die zur Ölkatastrophe im Golf von  Mexiko geführt haben.  Dabei werden auch andere Katastrophen wie das Unglück der Space Shuttle Challenger betrachtet und es wird nach allgemein gültigen Schlußfolgerungen gesucht.  Sie zitieren dabei auch aus Richard Feynmans Schlußfolgerung seiner Untersuchung des Space Shuttle Unfalls. Das Zitat ist im folgenden wiedergegeben. Wie in Tainter und Patzeks  Buch, sind bestimmte Wörter “[Fahrzeug]”,  “[Shuttle]” und ähnliche in Klammern gesetzt und der Leser wird gebeten sie durch passende Wörter einer anderen Katastrophe, die er gerade betrachtet zu ersetzen:

Es scheint, dass es enorme Meinungsunterschiede bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gibt, bei dem ein [Fahrzeug] oder/und menschliches Leben verloren geht. Die Schätzungen lagen im Bereich von grob 0,01 (1 zu 100) und 0,00001 (1 zu 100.000). Die höheren Zahlen kommen von arbeitenden Ingenieuren und die sehr niedrigen Zahlen vom Management. Was sind die Ursachen und Konsequenzen dieses Mangels an Übereinstimmung? Da eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100.000 bedeuten würde, dass man ein [Shuttle] pro Tag, 300 Jahre lang starten könnte und dabei nur ein einziges verlieren würde, könnten wir korrekt fragen “Was ist die Ursache für den phantastischen Glauben des  Managements in die Technik?” Wir haben ebenso herausgefunden, dass Zertifizierungskriterien für [Flugbereitschafts]-Berichte oft eine graduell nachlassende Genauigkeit entwickelten. Das Argument, dass  dasselbe Risiko vorher ohne Versagen [geflogen] wurde, wird oft als Argument dafür akzeptiert, dass es sicher ist, es wieder zu akzeptieren. Deshalb werden offensichtliche Mängel wieder und wieder akzeptiert, oft ohne ausreichend ernsthafte Versuche, sie zu beseitigen oder einen [Flug]  wegen der weiterhin bestehenden Mängel zu verzögern.

Soweit das Zitat des Zitats von Richard Feynman.

Eine andere in dem Buch erwähnte Beobachtung ist, dass bei katastrophalen Unfällen regelmäßig kleine, wenig im Vergleich zum Schaden und so gut wie nichts kostende Details, Schäden in Milliardenhöhe verursacht haben. Schlechtes Management,  schlechtes Urteilsvermögen und schlechte Handwerksarbeit seien zudem immer beteiligt und so gut wie unmöglich zu vermeiden.

Eine grundlegende Einsicht ist, dass es keinen Sinn macht, bei einer Problemlösung bzw. bei einem Projekt mehr als einen Superlativ anzustreben.  Die Autoren beziehen sich dabei auf das Buch Human Behavior and the Principle of Least Effort:  An Introduction to Human Ecology von George Kingsley Zipf.  Praktisch heißt das, dass z.B. das für  die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verantwortliche Management von BP den Fehler gemacht hat, maximale Sicherheit und minimale Kosten als Ziele anzusehen. Eine solche Zielsetzung ist aber unbestimmt und wertlos, weil sie Zielkonflikte verursacht. Man kann nur einen Superlativ erreichen. Die Folge dieses Managementfehlers bei BP waren extrem mehr als maximale Kosten und der größtmögliche Unfall.
Für mich waren das interessante Denkansätze, die z.B. auch erklären helfen, warum Rüstungsprojekte immer teurer werden als geplant und warum wir das Schlimmste für das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten und Bürger als Folge der “Arbeit” unser Verteidigungsministerin und ihrer externen BeraterInnen befürchten sollten.  Wehe uns, wenn wirklich wie in den letzten 1500 Jahren mindestens 5 mal geschehen, von außerhalb Europas mächtige Gegner überraschend angreifen.

Das Kapitel 8,  Warum das Golf-Desaster passierte, zeigt aber auch, warum hochkomplexe Rüstungsprojekte und Systeme oft nicht funktionieren und es zeigt, dass die Atomkraftgegner im Bezug auf die Sicherheit von Atomkraftwerken und der zugehörigen Systeme durchaus mehr recht haben könnten als das Management der betroffenen Firmen.

Vor- und Nachteile von Komplexität

Mit einem geringen Mehr an Komplexität kann man zunächst oft hohe Gewinne und gute Problemlösungen erzielen.  Komplexität kann Leben retten, Gesellschaften vor dem Untergang bewahren und das Erreichen vieler Ziele überhaupt erst möglich machen.

Jede Steigerung der Komplexität hat aber auch einen Preis. Sie erfordert zusätzlichen Aufwand und sie kostet Energie. Zunächst sind die Gewinne aber oft so groß, das diese Kosten bedeutungslos sind.  Komplexität erzeugt jedoch nicht nur Kosten, sondern auch zusätzliche Probleme,  deren Lösung wiederum eine Steigerung der Komplexität erfordern.  Kosten sind hier nicht nur Kosten in Geld, sondern auch Kosten an Energie.

Mit bei jeder Steigerung der Komplexität bleiben aber die Kosten für die schon vorhanden Komplexität bestehen. Die Kosten für die Gesamte Komplexität steigen also immer weiter. Der zusätzliche Gewinn oder Vorteil durch eine Steigerung der Komplexität wird immer kleiner. Irgendwann erreicht man dann einen Punkt an dem die Kosten für jede weitere Steigerungen der Komplexität größer als die Vorteile werden.  Wenn man diesen Punkt erreicht hat, zerstört man das System, wenn man versucht weitere Probleme mit einer zusätzlichen Steigerung der Komplexität zu lösen.

In dem Buch von Tainter und Patzek geht es vor allem um Erdöl.  Für Deutsche, vor allem wenn sie wie ich ursprünglich aus dem Ruhrgebiet kommen, ist die Geschichte des Kohleabbaus mit dessen allmählicher Komplexitätssteigerung vielleicht interessanter oder mindestens genauso interessant.  Hier daher zunächst ein Link auf den Wikipediaartikel zum Ruhrbergbau.  Dort ist gut beschrieben, wie immer neue Probleme durch steigende Nachfrage nach Kohle und sich erschöpfende Lagerstätten zu immer komplexeren und auch zu immer mehr Energie und Kapital kostenden Problemlösungen führten.  Heute kann man mit schlitzohrigem, vorgetäuschten Optimismus ohne zu lügen sagen, dass unter dem Ruhrgebiet noch immer sehr viel mehr Kohle liegt als man jemals wird abbauen können. Die Wahrheit ist aber auch, dass der früher hohe Gewinne einbringende Ruhrbergbau seit vielen Jahren so teuer ist, dass er hohe Verluste produziert und nur durch staatliche Subventionen am Leben gehalten werden konnte. Man kann auch sagen, dass wir dank  dem dem noch billigen Öl anderer Länder uns den Luxus leisten konnten, im Ruhrgebiet noch Kohle abbauen zu können. Der wichtigste Grund für den Ruhrbergbau war zum Schluss nicht mehr die Energiegewinnung, sondern der Umstand, dass wir Bergbaumaschinen für andere Länder bauen und für die Entwicklung und Erprobung den Ruhrbergbau brauchten.

Erdöl kam teilweise an der Erdoberfläche vor und  wurde schon vor 12000 Jahren verwendet.  Die ersten Bohrungen erfolgten 1856 und1858 in Norddeutschland. Bei der bekannteren ersten “Ölbohrung” in den USA, 1859, hat man 3 m lange Eisenrohre nacheinander in den Grund gehämmert und schon in nur  21 m Tiefe Öl gefunden.  Auf  der Suche nach weiteren Ölfeldern und mit der Erschöpfung der einfachen, leicht zu erschließenden Ölfelder wurde es immer schwieriger, komplizierter und teurer, Öl zu fördern. Heute bohrt man in bis zu etwa 3000 Meter Wassertiefe im offenem Meer mit seinen Stürmen, Wasserströmungen und Wellen. Die tiefste Ölbohrung geht 12345 m tief unter die Erdoberfläche, wo eine Temperatur von 204 °C herrscht. Die im Golf von Mexiko gesunkene Bohrplattform Deepwaterhorizon hatte vor dem Unfall schon einmal 10683 m tief gebohrt. Das Bohrloch, bei dem der Unfall passierte, war “nur” 5577 m tief.  Es sollte auf Wunsch des Auftraggebers 6156 m tief gebohrt werden, aber man kam in diesem Fall nicht tiefer.  Die Baukosten der Bohrinsel hatten ca. 1 Milliarde Dollar betragen und der Einsatz kostete etwa 1/2 Million Dollar pro Tag.  Die Kosten für den Unfall sollen nach neueren im Internet zu findenden Daten mehr als 42,7 Milliarden Dollar betragen.

Energie-Komplexitätsspirale

Das obige Beispiel mit der Ruhrkohle und dem Öl demonstriert bereits die in dem Buch erläuterte Energie-Komplexitäts-Spirale.

Wenn man bei einer endlichen Energieform wie dem Erdöl mehr Energie benötigt, dann steigt mit der Zeit die Komplexität der Problemlösung.  Mit steigender Komplexität steigt aber auch der Energiebedarf für die Problemlösung.  Außerdem entstehen durch die gestiegene Komplexität wieder neue Probleme, die ihrerseits wieder Lösungen erfordern, die die Komplexität und den Energieaufwand für die Energiegewinnung weiter steigern.

Wie das Beispiel der Kohle im Ruhrgebiet aus deutscher Sicht vielleicht am besten zeigt, kann man auf dieser Energie-Komplexitätsspirale nicht unbegrenzt weitermachen. Es kommt bei endlichen, immer schwieriger abzubauenden Rohstoffen irgendwann der Punkt, an dem der Abbau mehr Geld kostet als er einbringt.  Und es kommt auch der Punkt, an dem der Abbau mehr Energie kostet als er einbringt.  Von diesem Punkt an ist es völlig egal, welche Mengen des betreffenden Rohstoffes in dem betreffenden Gebiet noch in der Erde liegen.

Der die durch den Unfall der Bohrinsel Deepwater Horizon ausgelöste Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko war, wie die Nuklearkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima eine extrem viel Energie und Geld kostende Folge der durch den hohen Energiebedarf der modernen  Gesellschaften erforderlichen Steigerung der Komplexität der Energiebeschaffung.

Was passiert, wenn weitere Schritte auf Energie-Komplexitätsspirale mehr Energie kosten als sie einbringen und wenn anders als beim Ruhrbergbau keine billige neue Energiequelle bereit steht, um ein “weiter wie bisher” erträglich zum machen?

Tainter und Patzek führen historische Beispiele an.

Aufstieg und Niedergang des Römischen Reiches

Aufstieg und Komplexität der  modernen Industriegesellschaften ist die Nutzung der in Millionen Jahren von der Natur in Form von  Öl-, Gas- und Kohle gespeicherten und aufbereiteten Sonnenenergie.

Wie haben aber zum Beispiel die Römer die Energie für den Aufbau der Komplexität  und des Luxus in ihrer Zivilisation beschafft? Tainter und Patzek zur Folge konnten die Römer  bis ca. 50 n. Chr.  die Steigerung und Erhaltung der Komplexität ihres Reiches  durchführen, weil sie durch Eroberungen und Plünderungen fremder Völker zusätzliche, über ihre eigenen landwirtschaftlichen Erträge hinausgehende Energiequellen ausgebeutet haben.  Die gespeicherte, der Eroberung und Plünderung erschließbare Energie der anderen Völker bestand damals insbesondere in Edelmetallschätzen, in Sklaven und in Tributzahlungen an Rom.

Dabei gab es erstaunliche Parallelen zur Ausbeutung der fossilen Vorräte durch unsere heutigen Industriegesellschaften. Zunächst haben die Römer Völker in ihrer Nähe unterworfen, geplündert und sie dann als Verstärkung genutzt. Dann haben sie reiche Städte und Völker im Mittelmeerraum unterworfen und geplündert.  Mit der Zeit wurden aber die potentiellen Opfer immer weniger attraktiv. Der Weg zu den verbliebenen möglichen Opfern weiterer Eroberungen wurde länger, deren angehäufte Reichtümer waren oft nicht mehr so groß wie etwa bei den Ägyptern, Griechen oder bei Karthagern, und die potentiellen Opfer wurden wehrhafter. Die Niederlage der Römer im Teuteburger Wald,  der Bau des Limes in Deutschland und der Bau des Hadrianwalls in Schottland zeugen davon, dass das Römische Reich in diesen Bereichen an die Grenzen des militärisch sinnvollen und machbaren gestoßen war.  Die Erschließung neuer Energiequellen wurde für die Römer also immer unergiebiger und teurer. Gleichzeitig wollte man aber die Energie kostende Komplexität der Gesellschaft, das Reich, das Militär, die Verwaltung und für die Elite des Reiches auch den gewohnten Luxus erhalten.  Schulden machen war damals noch nicht in dem Umfang wie heute möglich.  Stattdessen hat man Steuern und Abgaben eingeführt bzw. erhöht und man hat die Währung abgewertet.

Der Silberanteil eines römischen Dinar lag ursprünglich bei 98-99%. Von etwa 50 n. Chr. bis zum Jahr 269 n. Chr. war der Silberanteil allmählich auf zuletzt nur noch 1,9 %, gefallen. Das Silber war schließlich im Wesentlichen nur noch eine dünne Silberschicht, die beim Gebrauch der Münzen rasch verloren ging. D.h., die staatliche Münzanstalt hat immer wieder hochwertige alte Denare eingesammelt, eingeschmolzen, den Silbergehalt durch Zugabe billiger Metalle verringert und konnte so zusätzliche Münzen produzieren. Als der Silbergehalt nicht mehr weiter zu verringern war, hat man zweimal neue Münzen eingeführt.  Weil auf diese Weise bei etwa gleichbleibender Energie und Nahrungsproduktion immer mehr Geld in Umlauf kam, kam es zur Inflation. Kostete im 2. Jahrhundert ein Modius Weizen (ca. 9 Liter) bei normalen Ernten noch 1/2 Denar, so wurde der Preis im Jahr 301 auf 100 Denar festgesetzt. Im Jahr 335 kostete ein Modius Weizen in Ägypten über 6000 Denar und 338 sogar über 10000 Denar.
Als das Reich zu zerfallen drohte, haben eine Reihe Reformkaiser, hauptsächlich Diokletian (284-305) und Konstantin (306-337), Reformen durchgeführt, indem sie die Größe und Komplexität der Verwaltung und der Armee vergrößerten. Die Besteuerung der Bürger wurde verstärkt, Bürger wurden dienstverpflichtet und der Staat regulierte das Leben und die Berufe der Bürger. Die Stärke der Armee wurde ungefähr verdoppelt, um mit dem Problem der zunehmenden Angriffe an den Grenzen des Reiches besser fertig werden zu können. Die Stärke der Verwaltung wurde ebenfalls ungefähr verdoppelt, um die höheren Ausgaben für Armee und Verwaltung  durch die neuen, höheren und strengeren Steuern finanzieren zu können und um Rebellionen in den Provinzen zu erschweren. Man hat ,um die Probleme des Reiches zu lösen die Komplexität und damit auch den Energiebedarf des Reiches gesteigert, während aber die Förderrate der Energiequellen (hauptsächlich die Ernten der Landwirtschaft) gleich blieben.  Das hat zunächst insoweit funktioniert, als die Sicherheitslage besser wurde. Die Folge war aber auch, dass die Steuern schließlich so hoch und die Methoden der Finanzverwaltung bei der Steuereintreibung so rücksichtslos waren, dass es sich für immer mehr Bauern nicht mehr lohnte, ihr Land zu bebauen. Bauern, die die Steuern nicht bezahlen konnten, mussten ihre Kinder als Sklaven verkaufen oder wurden Gefängnisse gesteckt oder haben versucht, bei anderen Bauern als Arbeiter unterzukommen. Damit wurde die Zahl und der Nachwuchs der Bauern geringer und es wurden zunehmend landwirtschaftliche Fläche aufgegeben. Die Folge war, dass die letzte große Energiequelle des Reiches, nämlich die landwirtschaftliche Produktion immer unergiebiger wurde.  Die Steigerung der Komplexität war also letztlich kontraproduktiv und führte zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Basis des Reiches. Damit konnte das Militär nicht mehr ausreichend bezahlt werden, als Folge davon konnten Angreifer an den Grenzen des Reiches erfolgreich Provinzen verwüsten und erobern, was wiederum die Besteuerungsmöglichkeiten weiter verschlechterte. Das Weströmische Reich geriet damit in eine Abwärtsspirale, die schließlich zu seinem Untergang führte.

Es gibt zu dieser Entwicklung des Weströmischen Reiches in mehrfacher Hinsicht Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft.  EU-Vorschriften, Verwaltung, Sozialgesetzgebung und Steuergesetzgebung sind auch bei uns heute so, dass  Arbeit sich nicht mehr wirklich lohnt.  Tainter und Patzek wollen aber auf eine andere, weitere Parallelität aufmerksam machen:  Die Erschließung neuer Erdöllagerstätten und überhaupt die Erschließung neuer Energiequellen wird immer komplizierter und teurer, und wir nähern uns dem Punkt, an dem der Aufwand für die Erschließung und Ausbeutung der Energiequellen und auch für die dabei entstandenen oder drohenden Umwelt- und Gesundheitsschäden mehr kostet als der Ertrag. D.h., wir nähern uns dem Punkt, an dem wir mit der Erschließung neuer Energiequellen die Energiebilanz unserer Gesellschaft nicht mehr verbessern, sondern verschlechtern.  Auch wenn wir diesen Punkt erreicht haben, werden wir immer weiter mit neuen Problemen konfrontiert, deren Lösung unseren Energiebedarf weiter steigert. Man denke nur an den aktuellen Zustrom an Asylanten, die indirekt durch Landgrabbing und gestiegene Lebensmittelpreise verursachte Krisen und Kriege getrieben zu uns flüchten, weil die Energiegewinnung weltweit immer schwieriger und teuer wird. Wenn es unbegrenzt billige, umweltfreundliche  Energie gäbe, würde kaum jemand nach Deutschland flüchten wollen. Allerdings steigern diese Flüchtlinge unseren Energiebedarf weiter. Auch das ist ein Teil unseres Teufelskreises.

Das Byzantinische oder Oströmische Reich

Müssen/Werden wir ähnlich wie das Weströmische Reich untergehen? Vielleicht nicht. Das Buch von Tainter und Patzek zeigt jedenfalls eine interessante Alternative, nämlich das Beispiel des Oströmischen oder Byzantinischen Reiches
Auch das byzantinische Reich wäre fast zerbrochen. Auch hier hatte man das Problem, dass die Energieproduktion weitgehend auf die Landwirtschaft begrenzt und damit konstant niedrig war, während die Kosten für Verwaltung und Militär zu hoch waren. Auch hier verlor man dadurch Provinzen am Rand des Reiches, was wiederum die Steuereinnahmen weiter reduzierte. Dazu hatte eine Pestepidemie im Jahre 541 ein 1/4 bis 1/3 der Bevölkerung getötet.  Der Sold des Militärs wurde in mehreren Schritten bis 659 auf 1/4 gekürzt und selbst das war am Ende mehr, als die Regierung bezahlen konnte. Was dann folgte, war eine bis heute in der Geschichte einzigartige Reform einer komplexen Gesellschaft:
Die Soldaten bekamen keinen Sold mehr, sondern es wurde ihnen Land mit der Bedingung zugewiesen, vererblichen  Militärdienst zu leisten. Die Soldaten mussten sich also durch Landbau selbst versorgen und man hat damit gleichzeitig die Kampfmoral gesteigert. Die Verwaltung wurde radikal reduziert. Die zur Finanzierung des Militärs bis dahin nötigen Verwaltungsbeamten wurden komplett eingespart. Die Provinz und die Zentralregierung wurde ebenfalls massiv vereinfacht. Die zivilen Provinzverwaltungen wurden mit den Militärverwaltungen zusammengelegt. Die Städte schrumpften zu befestigten Bergspitzen. Die Wirtschaft entwickelte sich zu einer mittelalterlichen Form die,  um sich selbstversorgende Gutshöfe herum organisiert war. Es gab nur noch wenig Bildung jenseits der Vermittlung einer grundlegenden Fähigkeit zum Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Literatur bestand aus wenig mehr als Geschichten über das Leben von Heiligen. Diese Periode wird manchmal das dunkle byzantinische Zeitalter genannt. Die Vereinfachung verjüngte das byzantinische Reich. Die Bauernsoldaten wurden zu Produzenten statt zu Konsumenten des Wohlstandes des Reichs. Durch die Senkung der Kosten für die militärische Verteidigung verbesserten die Byzantiner sogar den Ertrag dieser, ihrer wichtigsten Investition. Die Soldaten, die für ihr eigenes Land und ihre Familien kämpften, leisteten im Krieg nämlich mehr. Das Reich konnte sich in der Zeit nach diesen Reformen so gar wieder ausdehnen. Alles in allem hatte sich die Reichsgröße bis 840 ungefähr verdoppelt.
Die Byzantiner schafften es vom nahen Zerfall bis zur ersten Macht Europas und des Nahen Ostens zu bringen. Eine Leistung, die man durch die Reduzierung der Komplexität und der Kostenintensität der Problemlösung erreichte.
Tainter und Patzek erklären das Phänomen dann auch noch anhand des Energieflusses: Die Byzantiner antworteten auf einen niedrigeren Energiefluss, indem sie ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systeme vereinfachten und die Energieflussnetzwerke verkürzten.  Man hat für Transaktionen, wie das Einsammeln und Verteilen des für die Bezahlung der Soldaten und Beamten nötigen Geldes eingespart und hat damit  den Energieverbrauch und die Kosten reduziert,  während man gleichzeitig die Produktion verbessert hat.

In meinem obigen Ausführungen habe ich versucht, einige mir besonders wichtig erscheinende Aspekte aus dem Buch  Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma wiederzugeben und teilweise etwas zu ergänzen. Das wird dem Buch nicht wirklich gerecht,  denn es enthält einen Schatz an interessanten Grafiken, guten Bildern, verständlichen Erläuterungen von für jede ernsthafte Debatte über unsere Energie wichtigen Zusammenhängen, Naturgesetzen und Daten.  Dazu enthält es am Ende jedes Kapitels ein Liste mit weiterführender Literatur. Insgesamt ist das Buch ein exzellentes Lehrbuch zweier bemerkenswerter Professoren, das ein sehr breites Spektrum abdeckt. Einziger Nachteile des Buches:  Es gibt keine deutsche Übersetzung und man wünscht sich bei der Lektüre zeitweise, dass es eine revidierte, an den aktuellen Stand der Daten und Fakten angepasste Version gäbe.

Eine zweite in diesem Sinne verbesserte und erweiterte Auflage würde ich sofort kaufen.  Wenn es sich dabei auch noch um eine deutsche Übersetzung handeln würde, würde ich gleich mehrere Exemplare kaufen, um sie zu verschenken.

Die Energiewende in Deutschland bezieht sich nur auf Änderungen der Stromversorgung und auf das Heizen von Wohnungen.  Fragen  wie Mobilität, Transport und Landwirtschaft in Zukunft nachhaltig  erfolgen können, werden  ausgeklammert. Es werden lediglich technisch letztlich unter anderem aus Zeit und Ressourcen-Gründen nicht realisierbare Möglichkeiten wie Elektroautos diskutiert und man verlässt sich auf den quasi-religiösen Glauben, dass Markt, Wissenschaft  und Technik uns schon rechtzeitig auf wunderbare Weise Lösungen aus dem Himmel der Technologie- und Wissenschaftsgläubigen schenken werden.

Wer leben historisch gesehen in einer völlig abnormen Situation. Wir verbrauchen mit den fossilen Brennstoffen  in einer kurzen Zeit Vorräte, die nur einmal vorhanden sind, die nur einmal verbraucht werden können, die endlich sind und für deren Herstellung die Natur  viele Millionen Jahre benötigt hat.  Mehr als 2/3, nach neusten Schätzungen sogar bald 3/4 der Weltbevölkerung können heute nur leben, weil wir mit eben jenen fossilen Brennstoffen unter anderem auch Düngemittel herstellen.  Und das ist nicht das einzige Problem.

Wir werden freiwillig und vernünftig geplant sehr radikale Veränderungen unseres Lebensstils und unserer Gesellschaft vornehmen oder wir werden vom Fluss der Ereignisse vernichtet und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Wenn wir überleben wollen, brauchen wir unter anderem eine vernünftige, erwachsene Debatte über die mittel- und langfristige Zukunft unserer Energieversorgung und unseres Energieverbrauchs. Das oben vorgestellte Buch Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma von Tainter und Patzek kann uns dabei helfen.

Ostfriesland 10.10.2014

Christoph Becker

Nachtrag: am 3. November 2014 hatte ich dazu ein Interview mit Joseph Tainter übersetzt:  Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter




Pulverfass Saudi-Arabien

Bei einer Umfrage im letzten Sommer fanden 92 % der Befragten in Saudi-Arabien,  dass der IS („Terrorgruppe“ Islamischer Staat) sich mit den Werten des Islams und des islamischen Rechts im Einklang befindet ((http://www.al-monitor.com/pulse/politics/2014/07/saudi-families-refuse-condolences-isis-position.html#)).

Auf peakoil.net schreibt Prof. Kjell Aleklett in seinem Beitrag Aging oil fields can turn the Arabian Peninsula into a powder keg [Alternde Ölfelder können die Arabische Halbinsel in ein Pulverfass verwandelt] unter anderem (von mir übersetzt):

Produktion der Riesen-Ölfelder im 21. Jahrhundert (Titel seiner Präsentation bei einer Veranstaltung in Dubai, Ende Oktober 2014)

  • Ungefähr ein Prozent der Ölfelder sind Riesen, aber diese haben ungefähr 65 % der ultimativ förderbaren Ressourcen.
  • Die Produktion der Riesen-Ölfelder beträgt ungefähr 40 Millionen Barrel pro Tag und die Förderrate der landbasierten Felder nimmt ungefähr 4 % jährlich ab, während die der vor den Küsten im Meer liegenden Felder um 9 % pro Jahr sinkt.
  • Die Riesen-Ölfelder sind ausgereift und sie werden sich bald alle in der Phase nachlassender Förderraten befinden. Mit einem durchschnittlichen Sinken der Förderrate um 5 % pro Jahr wird die Welt in 10 Jahren eine Förderrate von 20 Millionen Barrel pro Tag bei den Riesen-Ölfeldern verlieren.

….Die Tatsache, dass die Arabische Halbinsel für unsere Zukunft so wichtig ist bedeutet, dass wir bezüglich des politischen Systems und der Konflikte in diesem Gebiet informiert werden sollten. Die Nahostkorrespondentin der schwedischen Zeitung, Svenska Dagbladet, Bitte Hammargren, hat gerade ein Buch, “Der Golf, Ein Zukünftiges Pulverfass” (in Schwedisch) veröffentlicht. Das Buch bespricht die Mitgliednationen des Golf-Kooperationsrates, aber der Hauptfokus ist auf Saudi-Arabien gerichtet. Dieses ist die einzige Nation in der Welt, die von einem Stamm oder einer Familie geschaffen, nach ihm/ihr benannt wurde und von ihm/ihr kontrolliert wird, dem Haus Saud, das derzeit aus mehr als 10.000 Prinzen und Prinzessinnen besteht. Bitte Hammargren beschreibt es als mittelalterliches Fürstentum. Wenn man nur die Verbindung des Hauses Saud mit Mecca und Medina, den zwei heiligsten Orten der globalen Religion des Islam bedenkt, dann könnte man Parallelen zwischen dem Haus Saud und dem Vatikan der Katholiken ziehen. Wenn man den saudischen Staat nur von der Perspektive seiner kurzen Geschichte und Stammesmachthierarchie aus bedenkt, nimmt dieses trockene Wüstenkönigreich einen der vorderen Plätze in der Rangordnung der am schwierigsten zu beherrschenden Gesellschaften dieser Welt ein. Es ist diese Kombination aus unglaublichen Ölreichtums, religiösem Fokus und mittelalterlicher Machtstruktur, die den saudischen Staat so schwierig, so unberechenbar und ausgesprochen gefährlich für den Rest der Welt macht. Im Buch von Hammargren wird erwähnt, dass dieses Pulverfass explodieren kann, wenn das Einkommen aus dem Ölgeschäft für die Bevölkerungen in diesen Nationen nicht mehr aussreicht – eine direkte Kopplung zu meiner Präsentation “Produktion der Riesen-Ölfelder im 21. Jahrhundert”. Es gibt keine anderen Nationen in der Welt, die so viele Gastarbeiter haben, wie diejenigen des Golf-Kooperationsrates. Ein Drittel von Saudi-Arabiens dreißig Millionen Menschen sind Ausländer ohne saudische Staatsbürgerschaft. In Kuwait ist das Verhältnis zwei Drittel, und in Qatar sind es ~90 %. Aber die Einnahmen durch das Öl erkaufen die Loyalität der Bürger, die nicht zu arbeiten brauchen. Diese erhalten Beiträge vom Staat und müssen keine Steuer bezahlen, so lange sie gehorsam sind und sich ruhig verhalten. Diejenigen, die keine Steuern bezahlen, können eine demokratische Repräsentation in der Regierung nicht erwarten oder der Regierung etwas verlangen, was diese zu geben nicht bereit ist. “Besteuerung ist eine Methode, den Wunsch nach der Demokratie aufzuwecken! ” ist eine Behauptung eines jungen saudi-arabischen Bürgers, im Buch von Bitte Hammargren. Steuerfreie Gesellschaft bedeutet, dass die Einwohner der Nation keinen demokratischen Einfluss darüber verlangen können, wie die Milliarden Dollar aus dem Ölgeschäft verwendet werden. Die 10.000 Prinzen und Prinzessinnen haben Vorrang, wenn er um die Verwendung der Öl-Milliarden geht. In einer Zukunft, in der die Erdölförderung zurückgeht, während gleichzeitig die Bevölkerung schnell zunimmt, werden sie ein Besteuerungssystem einführen müssen. Zurzeit erzeugen die Nationen des Golf-Kooperationsrates 21,4 Millionen Barrel Öl pro Tag (Mb/d, die 2,35 Milliarden Dollar pro Tag einbringen), was 25 % der weltweiten Ölförderung entspricht. Jede Instabilität innerhalb der Nationen des Golf-Kooperationsrates, die die Produktion bedroht, wird einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft verursachen. Saudi-Arabien und die anderen Nationen des Golf-Kooperationsrates tätigen riesige Investitionen, um ihre alten Ölfelder am Leben zu halten und um deren Produktivität zu sichern, aber die Produktion in allen Ölfeldern sinkt schließlich früher oder später. Wir können damit rechnen, dass die Staaten des Golf-Kooperationsrates in irgendwann in der Zukunft ein jährliches Absinken ihrer Produktionsrate von ungefähr 3 % erleben werden. Das bedeutet einen Produktionsrückgang von 10 Mb/d im Laufe nur eines Jahrzehnts. Die Lunte kann lang sein, aber Sie können sicher verstehen, dass sie bereits begonnen hat zu brennen.

Dazu kommt noch das Saudi-Arabien und auch die anderen Golf Staaten immer mehr Öl für ihren Eigenbedarf benötigen:

http://www.peak-oil.com/2012/09/saudi-arabien-vom-ol-exporteur-zum-importeur-bis-2030/

Durch den höheren Eigenbedarf der Staaten des Golf-Kooperationsrates sinken bei gleicher Fördermenge die Exporte. Wenn als Folge davon die Preise auf dem Weltmarkt steigen könnte das den Saudis helfen die Einnahmen zu stabilisieren. Es würde aber Deutschland und andere Länder um so schwerer treffen.

Vor dem Hintergrund der Lage auf der arabischen Halbinsel bedenkenswert ist auch,  dass durch das Fracking in den USA und durch die in vielen Ländern lahmende Konjunktur die Ölpreise zur Zeit relativ niedrig sind, was wiederum die Einahmen Saudi Arabiens und der anderen Golf-Staaten reduziert, was deren Fähigkeit sozialen Frieden zu kaufen reduzieren kann und was dann wiederum dem IS in die Hände spielen kann.

Der IS könnte überhaupt das Pulverfass Saudi-Arabien vorzeitig zur  zur Expolsion und damit die Weltwirtschaft zur Impolsion bringen. Hier ein Artikel mit dessen Überschrift übersetzt Desserteur des Islamischen States sagt, Saudi Arabien sei das nächst Ziel der Gruppe lautet.




Die Ratten verlassen das Schiff

Die in den letzten Jahren als Rettung von unseren Energieproblemen gefeierte Weiterentwicklung des Frackings war wohl nicht das was man meinte. Einige der ganz großen Investoren steigen jedenfalls aus. Auch am amerikanischen Immobilienmarkt ziehen wieder dunkle Wolken auf.Tom Lewis veröffentlichte am 6. September 2014, auf seiner Internetseite The Daily Impact – Chronicling the Crash of the Industrial Age [Der tägliche Einschlag – Erstellen einer Chronik vom  Absturz des Industriezeitalters] einen interessanten Artikel mit der Überschrift „Rats starts to leave the Fracking Ship“ [Ratten beginnen das Fracking-Schiff zu verlassen] . Demnach hält  Andrew John Hall, einer der großen Investoren und ein sehr erfolgreicher Spekulant und Vermögensverwalter im Ölgeschäft, nicht mehr viel vom Fracking, unter anderem weil es zu teuer ist, weil die damit erschlossenen Ölquellen ziemlich schnell versiegen, und weil die besten Stellen schon ausgebeutet sind.  Die Mineralölkonzerne Shell und BP sind zudem bereits aus dem Fracking-Geschäft ausgestiegen bzw. bereiten den Ausstieg offenbar vor.

Nachdenklich stimmt auch der Artikel Former BP chief warns on Russia sanctions [Ehemaliger BP-Chef warnt vor Sanktionen gegen Russland] in der Financial Times vom 14.9.2014.  Der Artikel erklärt, dass der Ölpreis angesichts der aktuellen Krisen längst um über die Hälfte höher wäre als er es tatsächlich ist, wenn die in den USA derzeit nicht so viel Öl durch die Fracking-Methode gefördert würde.  Dazu ein Zitat aus dem Artikel:

“Die Welt wiegt sich wegen dem was in den USA passiert in einem falschen Sicherheitsgefühl” sagte Herr Hayward [früherer BP-Chef] in einem Interview mit der Financial Times, und bezieht sich dabei auf den Schieferölboom, der die amerikanischen Rohölproduktion seit 2008 um 60% gesteigert hat. Aber, fragte er: “Wenn die US-amerikanische Förderung ihren Gipfel erreicht, wo wird dann die neue Förderung herkommen?”

Es erscheint daher  sinnvoll sich darauf ein zu stellen, dass die von der Frackingeuphorie verursachte Investitionsblase in den nächsten Monaten, oder im nächsten Jahr platzt. Die Sanktionen gegen Russland könnten die Entwicklung beschleunigen und die Folgen erheblich verschlimmern.

Parallel dazu droht weiteres Ungemach im Immobiliensektor der USA, der neben den damals sehr hohen Ölpreisen schon für die Finanzkrise im Jahre 2008 mitverantwortlich war.

Die amerikanische Regierung hat die Lösung der Hypothekenkreis teilweise nur auf 2015 verschoben, indem sie die Tilgung der Hypotheken per Gesetz für einige Jahre ausgesetzt hat. Auch hat man zur Schonung der Hausbesitzer teilweise die Zinsen reduziert. Beides Regelungen zum Schutz der hochverschuldeten Hausbesitzer laufen aus. Viele Hausbesitzer müssen ab nächstem Jahr anfangen ihre Hypotheken zu tilgen, und nicht nur Zinsen zu bezahlen. Außerdem werden die Zinsen steigen wo durch ein Programm der Regierung die Zinsen zum Schutz der Hausbesitzer sehr niedrig gehalten wurden. Die Einkommenssituation vieler betroffener Hausbesitzer hat sich aber trotz aller Versuche zur Konjunkturbelebung nicht verbessert.

Aber das ist noch nicht alles. Während man die Finanzkrise vor allem damit verursacht hat, dass man massenweise Hypotheken an nicht oder wenig zahlungsfähige Hausbesitzer vergeben hat, um diese unsicheren Hypotheken dann zu Bündeln und Anteile an diesen Bündeln mit satten Gewinnen an naive Investoren aus Europa und anderswo zu verkaufen, hat man nun ein sehr ähnliches Geschäftsmodell entwickelt: Man bündelt Häuser die angeblich vermietet sind oder sein sollten zu neuen Finanzprodukten und handelt mit Anteilen von diesen, obwohl die Mieteinnahmen und Renditen bei weitem nicht das sind was man verspricht. Siehe dazu von Tom Lewis, vom 15. Septemeber2014, den Artikel „Housing Bubble II Deja Vu, Again“ [Häuserblase 2, Déjà-vu, wieder]. Ein Déjà-vu ist eine Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes schon einmal erlebt zu haben.

Bei den großen Betrügereien und dem Platzen von Investitionsblasen in den USA werden auch sicher geglaubte Altersversorgungen von vielen Deutschen Anlegern und Versicherten leiden.

Vor diesem Hintergrund gibt es aus deutscher Sicht, in deutscher Sprache eine zwar bedrückende, aber doch auch sehr amüsante Sendung des Kabarettisten Volker Pispers, die gerade gestern, im Fernsehen zu sehen war: Volker Pispers, bis Neulich vom 14.9.2014. Herr Pispers hat das Problem der knapper und teuer werdenden Energie und Rohstoffe, mit allen Konsequenzen noch nicht einmal erkannt und eingerechnet, so dass die Zukunft noch bitterer zu werden droht als es seine ätzende Scherze und Analysen der bundesrepublikanischen Lage und Politik nahe legen. Aber alleine seine sehr wahre Beschreibung der Qualität, des Stils und der Kompetenz unserer Regierung und Kanzlerin ist köstlich und unbedingt sehens und hörenswert.

Christoph Becker, Kelberg, den 15. September 2014

 




Drei Wachstumsgrenzen

Wirtschaftswachstum kann in bestimmten Fällen mehr schaden als es nützen.  Wirtschaftswachstum kann auch ärmer und unglücklicher machen. Das Anstreben von Wirtschaftswachstum – und eine Politik die dazu führen soll – kann auch dumm und sogar existenzbedrohend sein. 

Im Folgenden haben ich den hier, auf steadystate.org,  am  erschienen Artikel von Prof. Herman Daly ins Deutsche übersetzt. Die Ausführungen von Prof. Daly erscheinen mir in vieler Hinsicht sehr aktuell und nachdenkenswert.

Drei Grenzen des Wachstums

von Herman Daly

DalyHerman

Während die Produktion (reales Bruttosozialprodukt) wächst, sinkt deren Grenznutzen, weil wir unserer wichtigsten Bedürfnisse zuerst befriedigen. Entsprechend steigt der durch das Wachstum bedingte Grenz-Nicht-Nutzen, weil wir unsere unbedeutensten Umweltdienste – soweit wir sie kennen – zuerst opfern wenn die Wirtschaft in die Ökosphäre expandiert. Dieses Steigen der Kosten und Sinken des Vorteils des Wachstums sind in dem untenstehenden Diagramm bildlich dargestellt.

3-Grenzen-Graphik

 

Aus dem Diagramm können wir drei Konzepte für Wachstumsgrenzen erkennen.

1. Die „Sinnlosigkeitsgrenze“ wird erreicht wenn der Grenznutzen der Produktion Null erreicht. Selbst wenn die Produktion nichts kostet gibt es eine Grenze dafür, wieviel wir konsumieren und zugleich noch genießen können. Es gibt eine Grenze dafür, wieviele Güter wir in einer gegebenen Zeitperiode genießen können, ebenso wie es eine Grenze des Fassungsvermögens unseres Magens und eine Verarbeitungsgrenze für unser Nervensystem gibt. In einer Welt mit beträchtlicher Armut, und in der die Armen die Reichen dabei beobachten, das diese ihren zusätzlichen Wohlstand noch genießen, denkt man, dass diese Sinnlosigkeitsgrenze weit entfernt ist, und zwar nicht nur für die Armen, sondern für jedermann. Mit ihrem „Unersättlichkeits“-Postulat verneint die klassische Wirtschaftswissenschaft formal das Konzept einer Sinnlosigkeitsgrenze. Wie auch immer, Studien zeigen, dass jenseits eines Schwellenwertes die selbst-bewertete Glücklichkeit (totale Nützlichkeit) aufhört, weiter mit dem Bruttosozialprodukt zu wachsen, was die Relevanz einer Sinnlosigkeitsgrenze bestärkt.

2. Die „ökologische Katastrophen Grenze“ wird durch einen scharfen Anstieg der Kurve für die Grenzkosten, in Richtung Vertikale, dargestellt. Menschliche Aktivitäten, oder neuartige Kombinationen von Aktivitäten, können eine Kettenreaktion auslösen, oder einen Kipppunkt, und unsere ökologische Nische kollabieren lassen. Der führende Kandidat für eine Katastrophengrenze ist derzeit ein davonlaufender Klimanwandel, der durch Treibhausgase verursacht wird, die durch das Streben nach Wirtschaftswachstum freigesetzt werden. Wo dies auf der horizontalen Achse passiert, mag unsicher sein. Ich sollte anmerken, dass die Annahme eines kontinuierlichen und sanften Anstiegs der Grenzkostenkurve (Nicht-Nützlichkeit) ziemlich optimistisch ist. Angesichts unseres begrenzten Verständnisses der Funktion des Ökosystems können wir nicht sicher sein, ob wir unsere wachstumsbedingten Opfer ökologischer Dienstleistungen wirklich in der Reihenfolge von der unwichtigsten zur wichtigsten Dienstleistung machen. Im Streben nach Wachstum kann es sein, dass wir ignoranterweise einen vitalen Dienst des Ökosystems vor einem unwichtigen opfern. Daher könnte die Grenzkostenkurve in der Realität nicht kontinuierlich im Zigzack hoch und runter gehen, was es schwieriger machen könnte, die Katastrophengrenze von der dritten und wichtigsten Grenze, nämlich der wirtschaftlichen Grenze zu trennen.

3. Die „wirtschaftliche oder ökonomische Grenze“ ist dadurch definiert, dass dort Grenzkosten den Grenznutzen erreichen, und dass dort damit das Maximum des Netto-Nutzens erreicht wird. Die gute Sache an der wirtschaftlichen Grenze ist, dass sie die erste Grenze ist, die erreicht wird. Sie wird sicher vor der Sinnlosigkeitsgrenze erreicht und wahrscheinlich vor der Katastrophengrenze, obwohl letzteres, wie soeben angemerkt, unsicher ist. Im schlimmsten Fall fällt die Katastrophengrenzen mit der Wirtschaftlichkeitsgrenze zusammen und bestimmt diese diskontinuierlich. Daher ist es sehr wichtig, die Risiken von Katastrophen zu schätzen und diese als Kosten in der Nicht-Nützlichkeits-Kurve einzurechnen, soweit dies möglich ist.

Aus der Graphik ist es ersichtlich, dass wachsende Produktion und Verbrauch nur bis zur Wirtschaftlichkeitsgrenze korrekt als Wirtschaftswachstum bezeichnet werden können. Jenseits davon wird es unwirtschaftliches Wachstum, weil die Kosten stärker steigen als der Nutzen, was uns ärmer und nicht reicher macht. Unglücklicherweise scheint es, dass wir dieses Wachstum perverserweise weiter Wirtschaftswachstum nennen! In der Tat werden sie den Begriff „unwirtschaftliches Wachstum“ in keinem Lehrbuch für Makroökonomie finden. Jedes Wachstum des realen Bruttosozialprodukte wird „Wirtschaftswachstum“ genant, selbst wenn dadurch die Kosten schneller steigen als der Nutzen.

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Die Makroökonomie ist nicht das Ganze, sondern eher ein Teil des endlichen Ganzen. Foto von : Beth Scupham

 

Wirtschaftswissenschaftler werden anmerken, dass die gerade angewendete Logik in der Mikroökonomie üblich ist – Grenzkosten gleich Grenznutzen definiert die optimale Größe einer Mikroökonomischen Einheit, egal ob dies eine Firma oder ein Haushalt ist. Diese Logik wird gewöhnlich jedoch nicht in der Makroökonomie angewendet, weil letztere, warum auch immer, als das Ganze und eher nicht als ein Teil eines Ganzen angesehen wird. Wenn ein Teil in das endliche Ganze expandiert, dann drängt es anderen Teilen Gelegenheitskosten auf, die für es Platz machen müssen. Wenn das Ganze selbst expandiert, geht man davon aus, dass es keine Gelegenheitskosten aufdrängt, weil es nichts verdrängt, weil man annimmt, dass es in die Leere expandiert. Aber die Makroökonomie ist nicht das Ganze. Sie ist auch ein Teil der größeren natürlichen Wirtschaft, der Ökosphäre, und ihr Wachstum drückt dem endlichen Ganzen Gelegenheitskosten auf, die man berücksichtigen muß. Das Ignorieren dieser Tatsache bringt viele Wirtschaftswissenschaftler dazu zu glauben, dass das Wachstum des Bruttosozialproduktes niemals unwirtschaftlich sein kann.

Standardwirtsschaftswissenschaflter könnten das Diagram als ein statisches Bild akzeptieren, aber argumentieren, dass in einer dynamischen Welt die Technologie die Grenznutzenkurve nach oben verschiebt und die Grenzkostenkostenkurve nach unten, was den Schnittpunkt der Linien (wirtschaftliche Grenze) immer weiter nach rechts verschiebt, so dass kontinuierliches Wachstum wünschenswert und möglich bleibt. Wie auch immer, die makroökonomischen Kurvenverschieber müssen drei Dinge bedenken. Erstens, die physikalisch wachsende Makroökonomie bleibt dennoch durch ihre Verdrängung der endlichen Ökosphäre begrenzt, und durch die entrophische Natur der Aufrechterhaltung ihres Durchsatzes. Zweitens, das Timing neuer Technologien ist ungewiss. Die erwartete Technologie könnte nicht rechtzeitig vor dem Überschreiten der wirtschaftlichen Grenzen erfunden oder eingeführt werden. Können wir unwirtschaftliches Wachstum aushalten, während wir warten und hoffen, dass die Kurven sich verschieben? Drittens, lassen Sie uns und daran erinnern, dass die Kurven sich auch in die falsche Richtung verschieben, und die wirtschaftliche Grenze zurück nach links bewegen können. Hat der technische Fortschritt von Tetraethylblei and Chlorofluorkohlenstoffen die Kostenkurve nach unten oder nach oben verschoben? Was ist mit der Atomenergie? Das Übernehmen einer Gleichgewichtsökonomie erlaubt es uns zu vermeiden, dass wir über die wirtschaftliche Grenze geschoben werden. Wir können uns Zeit nehmen, neue Technologien zu evaluieren, anstatt sie blind Wachstum anschieben zu lassen, das sich als unwirtschaftlich erweisen kann. Das Gleichgewicht sichert uns etwas gegen die Risiken ökologischer Katastrophen ab, während diese mit Wachstumsbesessenheit und technologischer Ungeduld zunehmen.

Anmerkungen des Übersetzers:

In meinem Bereich, der Zahnmedizin gibt es eine ganze Reihe von Entwicklungen, Vorschriften und Umständen, die zwar das Wirtschaftswachstum fördern, und die viel kosten, aber die  der Bevölkerung und den Patienten nichts oder fast nichts nützen, oder die sogar mehr schaden als sie nützen, oder die sogar fast nur schaden und kaum etwas oder sogar garnichts nutzen. Alleine in meinem kleinen Bereich der Zahnmedizin könnte ich mir jedenfalls verschiedene Beiträge zu einem negativen Wirtschaftswachstum, also zu einer Schrumpfung der Wirtschaft vorstellen, die zugleich die Lebensqualität der Bevölkerung steigern könnten.

Als Bürger und Konsument sehe ich weitere Möglichkeiten. Das heißt, wir könnten sehr wohl unsere Wirtschaft schrumpfen lassen ohne wirklich an Lebensqualität zu verlieren, oder wir könnten durch das Schrumpfen der Wirtschaft sogar mehr Lebensqualität gewinnen, zumindest teilweise und wenn wir intelligent vorgehen.