Optimierung im Getreideanbau und Hochwasserschutz durch Integration der Mutterkuhhaltung

Auch für die meisten Landwirte dürfte  es überraschend sein, dass und wie man durch einen intelligenten Einsatz von Rinderherden und Deck- bzw. Zwischenfrüchten und Untersaaten den Ertrag von Getreidefeldern massiv steigern, den Hochwasserschutz und den Schutz vor Dürreschäden erheblich verbessern,  Bodenerosion vermeiden und die Kosten senken kann. Dabei handelt es sich nicht (nur) um eine Theorie, sondern vor allem um praktische Erfahrungen und harte Zahlen und Fakten:

Hier einige Zahlen und Fakten von Brown’s Ranch, dem Betrieb den ich hier als Referenz anführe:

  • Ackerbau und Viehzucht gemischt.
  • Seit 1993 “no Till” Betrieb. Also nur noch Decksaat.
  • Früher ein konventioneller Betrieb. Nach vier aufeinander folgenden Jahren, mit 100 bis 80% Ernteausfall durch Hagel bzw. Dürre in den 90er Jahren, Beschäftigung  mit  Allan Savorys  Holistic Managment   (siehe mein Artikel  Ganzheitliches Weidemanagement).
  • Gesamtbetriebsfläche: 2023 ha
  • Ackerfläche: 809 ha
  • In Grünland umgewandeltes Ackerland: 404 ha
  • Ursprüngliches, nie umgepflügtes Grünland (Prärie): 809 ha
  • Mutterkuhherde mit 350 Muttertieren
  • 400 – 800 Kälber/Rinder die nur mit Grass bis zur Schlachtreife gefüttert werden.
  • Eine Schafherde, Legehühner, Hähnchen, Weideschweine.
  • Die Vorbesitzer hatten wegen des kalten Klimas früher ein halbes Jahr Heu gefüttert. Die Browns füttern heute nur an 60 Tagen im Jahr,  also nur ca. 2 Monate  pro Jahr, Heu.
  • Hoher Wilddruck, der die Weiden und Äcker zusätzlich belastet. Teilweise kommen Hirsche  (Deer)  im Winter über 70 km herbeigewandert und es können mitunter hunderte Hirsche (Deer) auf  dem Gelände sein.
  • Ziel bei der Weidehaltung: 1/3 für die Tiere über der Erde (also hauptsächlich die Kühe, aber auch Wildtiere).  2/3  für die Tiere unter der Erde (Mikroben, Würmer usw.).

Aus dem Vortrag   DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health?

hier zunächst eine die Übersetzung der  Tabelle von Position [34:26]. Die Erträge sind in Bushel (dt. Scheffel) angegeben. Ich habe sie nicht umgegerechnet, weil es sich beim Bushel um ein Raummaß  handelt ( 1 Bushel = 36,3687 Liter), während Getreidemengen in Deutschland üblicherweise in Doppelzentner oder Tonnen, also in Gewichtseinheiten angegeben werden. Auch macht ein Vergleich von Nord Dakota (kontinentales Klima mit kurzen Sommern, letzter Frost ca. Mitte Mai, erster Frost Anfang September, sehr kalte Winter) mit Deutschland meines Erachtens wenig Sinn. Was hier wichtig ist, ist der lokale Vergleich der Ranch der Browns (mit Googel Earth suche: 3752 106th St NE,
Bismarck, ND 58503 ) mit dem Durchschnitt ihres Landkreises:

Erträge
Ertrag auf Bowns Ranch [Bushel] Durchschnittsertrag  im Landkreis (County) [Bushel] Browns Ranch über dem  Durchschnitt
Mais 127 98

30 %

Sommer Weizen 62 39 59 %
Hafer 112 62 81 %
Gerste 72 48 50 %

Gabe Brown sagt, es gäbe Landwirte im Landkreis, die höhere Erträge hätten als er, aber bei ihm sei  der Aufwand sehr viel geringer (und damit der Ertrag in Dollar größer), weil er nicht nur durch das “No Till” bzw. Direktsaatverfahren,  Energie und Maschineneinsätze spart, sondern  vor allem auch , weil  sein  Betrieb keinen Kunstsdünger, keine Pestizide,  keine Fungizide und nur noch selten   (alle 3-4 Jahre), und dann auch nur teilweise, Herbizide verwendet.

Vergleich der Bodenproben von 4 benachbarten Betrieben

In Postion [55:19] erwähnt Gabe Brown, dass ein Team von Wissenschaftlern im letzten Herbst vier verschiedene Produktionssysteme verglichen habe. Eines davon war das von  Browns Betrieb. Für den Vergleich galten folgende Rahmenbedingungen:

  • Alle vier Betriebe in enger Nachbarschaft, im Umkreis von 1 Meile (1,6 km).
  • Gleiche Bodentypen.
  • Es wurden Fotos von Bodenproben gemacht und es wurden Bodentest nach/von  Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas.

Die vier Produzenten waren:

  1.  Ein “ökologischer” Betrieb, (Organic Producer oder auf Deutsch wohl “Biobauer”) der eine sehr hohe Vielfalt hatte (Mais, Bohnen, Erbsen,Weizen, Gerste, Hafer, Alfalfa, Tritikale, Roggen, Klee), eben ein sehr diversifizierter Betrieb, aber  mit  viel Bodenbearbeitung (heavy tillage). Die Bodenprobe sah nicht so gut aus.  Nach Browns Aussage geringe Wasserinfiltration bei Regen,  sowie  Probleme bzw. hohe Widerstände  für die Wurzeln.
  2. “No Till”-Betrieb, also Decksaatbetrieb, mit sehr geringer Diversität, der nur Flachs und Sommerweizen anbaut. Dieses Frühjahr  hatten sie ein Regenereignis, bei dem 8,39 cm ( 3  1/2 Inch bzw. ca. 84 Liter pro qm) Regen in 45 Minuten fielen. Dabei wurde sein Sommerweizen weggewaschen und er musste Sonnenblumen pflanzen.  Das Bild zeigt auch kompaktierten Boden. Das Bild zeigt  keine  Unterschied  zu dem  Boden des Biobauern.  “Man denkt  es ist der selbe Boden”.  Man sieht zudem kein Leben.
  3.  Seit langen “No Till”,  also Decksaat.  Ziemlich  gute Diversität. Er pflanzt Mais,  Gerste,  Sonnenblumen, Sommerweizen, Soja. Aber immer sehr, sehr hoher Verbrauch an synthetischem Dünger, Fungiziden, Pestiziden.  Das Bild zeigt auch eine  schlechte Bodenqualität.  Browns Fazit: Die Bilder der Bodenproben der Produzenten 1 bis 3 sind ähnlich: “No Till” ansich ist vielleicht ein Schritt in die Richtige Richtung, bringt aber für sich genommen keinen Unterschied.
  4.   Browns Ranch: “No Till”,  hohe  Diversität, weil er zu den Geld bringenden Früchten (Cash Crops) immer  auch Zwischenfrucht (cover corps) anbaut. Außerdem integriert er die Viehhaltung in den Ackerbau (Beispiel siehe unten).   Keine synthetischen Dünger, Pestizide, Fungizide (und nur selten Herbizide).  Das Bild der Bodenprobe ist beeindruckend: Lockerer Mutterboden mit sehr guter Wasserinfiltration,  Bodendeckung, Regenwürmer, Bodenleben.

Hier nun die Tabelle mit den Messwerten.

Management Vergleich
Managementmethode N P K OC
“Ökologisch” wirtschaftender Betrieb,  hohe Diversität, intensive Bodenbearbeitung 2 156 95 233
No Till, geringe Diversität 27 244 136 239
No Till, mittlere Diversität, viel Chemie (sythetische Dünger usw.) 37 217 199 262
Browns Ranch: No Till, große Diversität, keine Chemie,  Integration  von Tierhaltung 281 1006 1749 1095

N = Stickstoff, P = Phosphor, K = Kalium, OC = Organic Carbon

Man beachte das schlechte Abschneiden des konventionell “ökologisch” wirtschaftenden Betriebes.

Zahlenangaben, zumindest für   N,K und P in Pfund pro acre. Wichtig ist hier der relative Vergleich.   Die Messungen wurden von Dr. Rick Haney, ARS, Temple, Texas durchgeführt. Es handelt daher um Angaben des nach ihm benannten Haney  Tests. Siehe  z.B. auch  Haney/Soil Health Test Information.    Mit Bodentests habe ich mich nie befasst. Wie der  im Folgenden eingebunde Vortrag von  Dr.  Rick Haney zeigt, ist Test offenbar nicht gleich Test.  Der Haney Test ist ein relativ kompliziertes Verfahren, um die aus Sicht der für die Pflanzen tatsächlich verfügbaren Nährstoffe möglichst realistisch zu erfassen. Ziel ist es, die Empfehlungen für die Landwirte zu optimieren und so unnötige Düngung zu vermeiden.

Gabe Browns Kombination aus Zwischenfrucht und Rindereinsatz  beim Getreideanbau

Hier ist zunächst anzumerken, dass Gabe Brown nicht wie  oft  üblich, nur ein bis zwei verschiedene Zwischenfrüchte aussät, sondern Mischungen mit oft 15 bis 20 und mehr Arten.  Insgesamt habe er im letzten Jahr (2015) über 70 verschieden Arten gesät. Das  Zusammenstellen der Mischungen richtet sich nach den lokalen Verhältnissen,  den Hauptfrüchten  und  der Jahreszeit  und ist, wie ich seinem Vorträgen entnehme,  eine Mischung aus Erfahrung, Kunst und Wissenschaft.

Ich habe hier “cover crops” mit Zwischenfrucht übersetzt. Aber in der Realität von Gabe Browns Betriebsweise passt diese Übersetzung zumindest nicht so, wie sich das deutsche Landwirte in der Regel vorstellen. Was Gabe Brown mit “Cover Crops” meint, sind Pflanzen, die nicht die Hauptfrucht darstellen und die vor, neben und nach einer Hauptfrucht gesät werden und auch wachsen können. Während ich hier in der Eifel in den Mais- und Getreidefeldern, die ich mir näher angesehen habe, neben dem Mais oder Getreide der Boden zwischen den Pflanzen der Hauptfrucht  fast immer blank ist und wenn dann nur vereinzelt und unregelmäßig vielleicht etwas Gras oder “Unkraut” wächst,    hat Gabe Brown systematisch und gezielt weitere Arten dazwischen gesät. Das “Zwischen” in Zwischensaat ist hier also nicht nur  zeitlich   sondern auch  räumlich zu verstehen.

Interessant ist an dieser Stelle, vielleicht auch, dass der reine Gründlandbetrieb der Salatins, die   Polyface Farm , ebenfalls eine “No Till”-Sämaschine angeschafft hat und damit experimentiert, die Leistung  der Viehweiden durch das Einsäen von einjährigen Ackerpflanzen wie Erbsen und bestimmten Getreidearten zu verbessern. Das habe ich jedenfalls dem als Interview mit Joel Salatins Sohn David, das sich auf der dem Salatin Semester beiliegenden CD befindet, entnommen. Die Steigerung der Weideleistung bei  diesen Versuchen war offenbar extrem  gut, sofern die Bodenfruchtbarkeit und das Wasserangebot gut waren.

Die  Brown Ranch  von Gabe Browns Familie und die   Polyface Farm der Salatins ähneln sich insgesamt, auch wenn die Lage, das Klima, und  die Betriebsgröße sich sehr unterscheiden.   Beide Betriebe  haben  ihre  Wirtschaftsweise offenbar unabhängig von einander entwickelt und sind zumindest aus westdeutscher Sicht Großbetriebe. Der größte  Unterschied  zwischen beiden Betrieben ist,  dass   die  Browns  in erster   Linie Getreideproduzenten waren und mit ihren 809 ha Ackerland ,  von denen jedes Jahr  90 %  für  den Getreideanbau genutzt werden, auch noch sind. Das für mich bisher fehlende Mosaiksteinchen, das  Gabe Brown liefert, ist die Einsicht, dass und wie auch der Getreideanbau nachhaltig und zugleich wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden kann und dass der Einsatz von Mutterkuhherden dabei ein für den Erfolg und die Effizienz wertvolles Hilfsmittel sein kann.

Während Zwischenfrüchte oder Bodendecker, sofern sie überhaupt gesät wurden, hier in Deutschland (immer soweit ich das selbst gesehen habe)  vor der Aussaat der Hauptfrucht, untergepflügt oder sonst wie untergearbeitet werden, werden diese auf der Brown Ranch drei Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht von Rindern    abgeweidet und  zertrampelt.   Dabei wird eine ziemlich extreme Flächendichte, von bis über 100 kg Lebendgewicht pro m2 angewendet. Das heißt, dass eine Kuh von 500 kg nur ca. 5  m2  Weide zugeteilt bekommt .  Die Tiere werden dabei  mehrmals  täglich  auf ein neues Stück Weide umgetrieben.   Gabe Browns Faustformel bei der Beweidung mit Mutterkühen lautet im Allgemeinen “1/3 des Futters für die Tiere über dem Boden und 2/3 für die Tiere unter der Erdoberfläche”. Bei der extremen Form des Mob-Weidens   auf mit Zwischenfrüchten bewachsenen Ackerflächen, 3 Tage vor der Aussaat der Hauptfrucht,  ist das Verhältnis vielleicht sogar noch besser zu Gunsten des Bodenlebens. Die Kühe sorgen bei diesem extremen Beweiden jedenfalls dafür, dass  der nicht von ihnen gefressene Teil der Zwischenfrucht zertreten und zum Teil, durch das Gewicht der Tiere und durch den lokal hohen Flächendruck und die Kanten der Hufe, in den Boden gedrückt wird.

Die Aussaat der Hauptfrucht – ggf. zusammen mit einer neuen Zwischenfruchtmischung – erfolgt dann drei Tage später mit einer “No Till”-Sämaschine.  Dabei schneidet eine Scheibe einen Schlitz in den Boden und das darüber  liegende  organische Deckmaterial.  Danach  kommt eine  Vorrichtung, die  den Schlitz etwas aufweitet und die Samen in den Schlitz legt und dann wird der Schlitz wieder zugedrückt.

Diese extreme Form des Beweidens der Zwischenfrucht  hat eine Reihe  von Vorteilen:

  • Der Boden wird vor Austrockung geschützt. Feuchtigkeit ist aber auch für das Bodenleben gut und natürlich auch für das eingebrachte Saatgut.
  • Die Mikroorganismen im Boden werden vor UV-Strahlen und Hitze geschützt. Gabe Brown zeigt, dass blanker Mutterboden leicht 20 Grad wärmer ist als die im Schatten gemessene Umgebungstemperatur.  Die Temperatur auf der Oberfläche von mit organischem Material abgedeckten Mutterboden entspricht dagegen ungefähr der Umgebungstemperatur. In praller Sommersonne blank liegender Mutterboden kann außerdem Temperaturen erreichen, die für Mikroorganismen tödlich sind.
  • Die von den Rindern hinterlassenen, zertrampelten Zwischenfuchtreste sowie der Mist und Urin der Tiere liefern Nahrung für Mikroorganismen, Würmer, Pilze, Insekten usw. .
  • Schäden bei Starkregen werden verhindert.  Regentropfen, die auf  das zertrampelte organische  Material  auftreffen  werden abgebremst und  treffen nur  langsam  und schonend auf den Boden auf.  Auch   hält die Schicht organischen Materials  auf dem Boden selbst  Wasser zurück.  Die Bodenerosion wird verhindert.
  • Die Zwischenfrucht dient teilweise als Nahrung für die Mutterkuhherde.

Eine andere  Nutzung der Zwischenfruchtmischungen  besteht darin, dass sie im Herbst oder Winter  abgeweidet wird. Im Spätherbst oder Winter kann dadurch Heu eingespart werden.

Die 5 Grundsätze von Gabe Browns Methode:
  1. Der Boden muss eine “Panzerung” (armour) oder Schutzschicht aus organischem Material haben.
  2. Diversität muss gegeben sein(viele Pflanzenarten, viele Tierarten, ein umfassendes Bodenleben)
  3. Es müssen möglichst immer viele lebende Wurzeln im Boden vorhanden sein.
  4. Die Bodenstruktur soll nicht gestört werden. Die Bodenstruktur ist sehr viel komplexer als man gemeinhin denkt und es gibt jede Menge für das Wachstum der Pflanzen hilfreiche Symbiosen, die man mit der Bodenbearbeitung stört oder auch zerstört.
  5. Integration von Großtieren, wie ich es schon in dem Artikel Ganzheitliches Weidesystem zu erklären versucht habe.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir noch einmal das 4. Kapitel, The Living Soil (dt. Der  lebende Mutterboden)  in  dem  Buch  Building Soils vor  Better Crops –  Sustainable Soil Management, durchgelesen. Das Buch hatte ich schon in  meinem Artikel  Nachhaltige Bodenverbesserung schon im März 2015 vorgestellt. Gabe Browns Methode und auch der bei ihm übliche Einsatz der Rinder zur Optimierung des Getreideanbaus macht vor diesem Hintergrund sehr viel Sinn und  seine  guten Ergebnisse werden verständlich. Ein interessanter,  auch von Brown  besonders hervorgehobener Aspekt  ist dabei, dass nützliche Pilze (Fungi) eine Chance zur Ausbreitung haben.  Die übliche Bodenberarbeitung durch Pflügen, Grubbern usw. zerstört die oft sehr weitläufigen Netzwerke der Pilze. Manche Pilze dehnen ihre unterirdischen Netzwerke über viele Quadratkilometer aus.   Viele Pilze leben in  einer Symbiose mit  Pflanzen und  können  eine  Reihe von nützlichen  Funktionen haben.  Ein  bekanntes Beispiel  für den Nutzen von  Pilzen  ist , dass Pilze z.B. Penicillin produzieren können.  In dem Buch Mycelium Running: How Mushrooms Can Help Save the World  von Paul Stamets wird von einen Beispiel berichtet, wo der Autor sein Haus von Riesenarmeisen befreit hat, indem er diesen eine bestimmte Pilzart angeboten hat, die die Ameisen wie ein Trojanisches Pferd akzeptiert und gerne aufgenommen hat, um dann von diesen Pilzen getötet zu werden.

Die Anwesenheit von Pilzen kann  aber offenbar auch dabei helfen, Nährstoffe aus dem Boden zu lösen oder zu transportieren. Für die Gesundheit und Qualität des Mutterbodens ist jedenfalls auch das Vorhandensein von Pilzen wichtig. Intensive Bodenbearbeitung führt aber dazu, dass Bakterien bevorzugt und Pilze zurückgedrängt werden.

Wasserinfiltrationsrate

Als Gabe Brown und seine Frau die Farm 1991 von seinen Schwiegereltern gekauft haben, hat man Bodenproben genommen und auch gemessen, wie schnell Wasser im Boden versickert. Damals betrug die Wasserinfiltrationsrate 1/2 Zoll, das sind 12,5 mm pro Stunde, oder 12,5 Liter Wasser pro qm und Stunde.

2015 betrug die Infiltratioinsgeschwindigkeit 15 Zoll pro Stunde ( 38,1 cm bzw. 381 Liter Wasser pro qm und Stunde).  Die Position  in dem anfangs eingebunden Vortag, DCED – 2016 Gabe Brown – What is Soil Health? von Gabe Brown ist  [1:01:23].  Die Wasserinfiltrationsrate hat sich also in ca. 25 Jahren  um das 30-Fache verbessert.  Einige Sekunden später in dem Vortrag zeigt er wie die Infiltration gemessen wird und wie rasant ein Zoll Wasser, also 25 Liter pro Quadratmeter, versickern. Bei seinem Boden dauert das heute nur noch 9 Sekunden. Zwei Zoll, also insgesamt 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, versickert in nur 16 Sekunden. Demnach würde ein Sturzregen von 50 Litern in nur 25 Sekunden problemlos aufgenommen. Die bei den Browns auch auf den Getreidefeldern vorhandene Deckung des Bodens mit organischem Material würde den Aufschlag der Regentropfen zudem dämpfen. Die Fließgewässer in der Umgebung würden weder durch eine plötzlich abfließende Wassermenge noch durch damit weg gespülte Nährstoffe belastet.

Für die Ranch der Browns ist dabei von besonderer Wichtigkeit, dass der durchschnittliche Niederschlag nur ca. 400 mm pro Jahr beträgt. Durch die gute Bodenqualität wird so gut wie immer der gesamte Niederschlag auf dem Boden der Ranch gehalten, was Verluste durch Dürreschäden reduziert.

An dieser Stelle möchte ich auch auf die Präsentation “Maintaining a Healthy Watercycle” (dt.  Einen gesunden Wasserkreislauf  erhalten” ) von Jim Gerrish hinweisen und diesen einbinden. Die Präsentation dauert nur gut 12 Minuten und ist wie ich meine sehr gut gemacht. Das Englisch ist leicht verständlich.:

Speicherkapazität durch Kohlenstoff

1 % organisches Material (Soil Organic Matter) in den obersten 15 cm des Bodens kann über 185 qbm Wasser im Boden halten. Als die Browns ihre Farm 1991 übernommen haben, hatten sie 1,7 bis 1,9 % organisches Material im Boden. Heute haben sie über 6 %.  Vor Beginn des Ackerbaus in jener Gegend, vor über 200 Jahren, waren es über 7 %. Damit haben die Browns zunächst eine  erhebliche Menge klimaschädliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen, dabei haben sie den darin enthaltenen Kohlenstoff als die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserretention verbesserndes organische Material im Boden gespeichert und den enthaltenen Sauerstoff haben sie in die Atmosphäre zurückgegeben.

Relevanz für Deutschland

Hochwasserschutz

Man stelle sich vor, wir würden in Deutschland unsere Böden ähnlich gut verbessern, wie Gabe Brown auf seiner Farm – und wie die Salatins auf ihrer Farm. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Überschwemmungen und Hochwasser kommt, würde drastisch vermindert. Soweit  es  dennoch  Hochwasserereignisse  gäbe, würden diese sehr gemildert.   Dabei wäre das nur ein Nebenprodukt einer selbstständig wirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethode.

Schutz gegen Dürreschäden

Schäden durch auch in Deutschland vorkommende Trockenperioden könnten verhindert oder zumindest vermindert werden.

Wirtschaftliche Vorteile für die Landwirte

Die Landwirte könnten mehr verdienen. Weder die Ranch der Browns noch die Polyface Farm der Salatins erhalten  öffentliche Zuschüsse und Förderungen und erwirtschaften trotzdem systematisch erhebliche Gewinne. Gabe Brown sagt, dass er heute jedes Jahr Gewinn macht.

Was ist mit dem ökologischen Landbau?

Erstaunlich fand ich das schlechte Abschneiden des ökologischen Landbaubetriebes in der Nachbarschaft von  Gabe Browns Ranch.  Was ich bisher an ökologischem Landbau in Deutschland gesehen habe, lässt mich vermuten,  dass die Betriebe in in Deutschland auch nicht besser abschneiden würden als der Betrieb in der Nachbarschaft von Gabe Brown Ranch.

Die Wirtschaftsweisen der Betriebe von Gabe Brown  und Joel Salatin könnten und sollten meines Erachtens als Referenz für ökologischen Landbau in Deutschland und Europa diskutiert werden.

Aus verschiedenen Gründen wäre es sicher sehr vorteilhaft, die EU-Agrarförderung und die Bezuschussung der landwirtschaftlichen Unternehmen möglichst bald vor diesem Hintergrund zu hinterfragen, zu diskutieren und ggf. neu ändern.

Warum sind diese Wirtschaftsweisen so wenig bekannt?

Warum ist das alles in Deutschland so wenig bekannt? Warum wird es nicht umgesetzt? Ich denke die Antwort ist sehr vielschichtig. Einige Stichworte die mir dazu einfallen sind:

  • Psychologie und Herdentrieb des Menschen:  Was denken die anderen? Angst vor Neuem. “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht” usw..
  • Bürokratie,  Gesetze und Agrarförderung.  Eine gute Lektüre dazu ist Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed  (dt.: Mit den Augen des Staates: Wie bestimmte Schemas zur Verbesserung der Lage der Menschen versagt haben)von James C. Scott.
  • Der meines Erachtens sehr naive und einer nüchternen Analyse nicht standhaltende Glaube an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, an den Fortbestand des Friedens und an die Unendlichkeit der Ressourcen, auf den man in Deutschland sehr häufig, um nicht zu sagen fast überall, trifft.
  • Interessen der Großindustrie und ihrer Lobby.
Andere deutsche Hinweise auf  Gabe Browns Betrieb

Zum Schluß sollte und möchte ich nicht verschweigen, dass z.B.  Gabe Brown  auch anderen Deutschen außer mir bekannt ist, und dass ich erst von anderen Deutschen von ihm erfahren habe. Zuletzt hatte mich der Kommentar von “Florian” zu meinen Artikel Ganzheitliches Weidemanagement motiviert,   mich doch  etwas mehr mit  Gabe Brown zu befassen und mir einige seiner Vorträge anzuhören. Das war der passende Baustein zur passenden Zeit, weil ich damit auch gelernt und gesehen habe, dass und wie Rinderherden und das Mob Grazing auch für den Getreideanbau in interessantes Werkzeug sind.

Schließlich war/ist da der Artikel Ich mache Boden gut – Vom Segen der Humusvermehrung  –  Das Beispiel von Gabe Brown aus Bismarck in North Dakota .

Außerdem wurde  Gabe Brown in dem deutschen  Forum  www.selbstversorg.org  mehrfach erwähnt .

Christoph Becker

Kelberg, den 14. September 2016

 

 

 




Ganzheitliches Weidemanagement

Holistic grazing managment (dt. Ganzheitliches Weidemanagement) Mob-Grazing   und Rational Grazing meinen im Wesentlichen dasselbe.  Es handelt sich dabei  um  eine in Deutschland weitgehend unbekannte, hocheffiziente und ökologisch vorteilhafte, die Böden verbessernde und dem Klimaschutz dienende Weideform für Wiederkäuer. Keine der in Deutschland bekannten und angewendeten Nutzungsformen für Weiden  entspricht der Beschreibung dieser  Form des Weidemanagements .

Weil die Überschrift für diesen Artikel ursprünglich Das Mob-Weidessystem lauteten  sollte, habe  ich im Folgenden meist den von nordamerikanischen Landwirten verwendeten Ausdruck Mob Grazing oder des deutsche Übersetzung Mob-Weidesystem, verwendet. Das  nebenstehende Bild,MobGrazingBeispiel von der Webseite www.americangrazinglands.com    , ((  Nachtrag 12. Aug. 2016: Den auf der Webseite von AmericanGrazinglands angebotenen USB-Stick von Jim Gerrish und alle dort angebotene Literatur, soweit sie nicht auf dem USB-Stick ist, habe ich mir bestellt.  Nach einigem hin- und her  haben die jetzt herausgefunden, wie man nach Deutschland verschicken kann. Bezahlung geht jetzt einfach per PayPal. Das gesamte Paket kostet mich ziemlich genau 600 Euro zzgl. Zoll. Von Jim Gerrish gibt es aber auch schon auf Youtube eine ganze Reihe sehr interessanter Vorträge.  Ich denke,  die Unterlagen von Jim Gerrish sind eine gute Ergänzung  zu  Joel Salatins  Büchern und  dem  Salatin  Semester     ))  , vermittelt einen Eindruck von der für das Mob-grazing typischen, hohen Anzahl von Tieren pro Flächeneinheit.

Auf der Suche nach einer vielleicht schon existierenden, korrekten Übersetzung  für  den amerikanischen Ausdruck  Mob Grazing  (( Mob meint hier NICHT mobil, sondern “Mob” im Sinne von Zusammenrottung, Herde oder Gruppe )) bin ich zunächst auf den deutschen Ausdruck Portionsweide gestoßen.    Die Beschreibung auf Wikipedia und auf verschiedenen deutschsprachigen, die Weidewirtschaft betreffenden Internetseiten zeigt aber, dass  man in Deutschland mit  Portionsweide nur  einen Teilaspekt des Mob Grazing   meint und dass man dessen ökologischen Wert nicht zu kennen scheint. Auf der Webseite www.oekolandbau.de findet man auf deren Unterseite für die Weidesysteme für die Mutterkuhhaltung   sogar indirekt-offensichtlich den Hinweis, dass das Portions-Weidesystem für die Mutterkuhhaltung im ökologischen Landbau ungeeignet ist, während Mob-Grazing  aber die für den ökologischen Landbau das mit weitem Abstand beste Beweidungssystem sein dürfte – sofern man es versteht und zu nutzen lernt.

Zwei Filmtrailer über ein praktisches Beispiel

Hier zunächst zwei Trailer zum Film Polyfaces, der über die das Ganzheitliche Weidesystem (und dazu jede Menge Verstand, Geschick, Weltoffenheit und  Kreativität)  seit langem anwendende Polyface Farm handelt. Der erste Trailer ist nur 2:20 Minuten lang und in Englisch,  mit flotter Musik und dem unbescheidenen, selbstbewussten Statement  Joel Salatins  “Wenn jeder Landwirt in den Vereinigten Staaten dieses System  anwenden würde, dann würden wir in weniger als 10 Jahren  den gesamten Kohlenstoff, der seit dem Beginn der industriellen Revolution emittiert (=in die Luft geblasen) wurde,  sequestrieren (= im Boden einlagern).

Der folgende, zweite Trailer ist  9:38 Minuten lang und mit deutschen Untertiteln versehen:

Polyfaces trailer (German subtitles) from RegrariansMedia on Vimeo.

“Weidereste” – Verschwendung oder   Segen?

Die Art, wie das Wort “Weiderest” in den Ausführungen über die Weideformen auf Gruenland-Online.de , gerade auch bei der  Beschreibung des Portionsweidesystems benutzt wird, und googeln mit dem dem Wort “Weiderest” zeigen, dass man das Mob-Weidesystem  – von  sehr seltenen  Ausnahmen ((   die Bücher von Allan Savory  und  Joel Salatin werden  jedenfalls auch in Deutschland verkauft und gelesen )) abgesehen –  in Deutschland nicht benutzt, weil man dessen entscheidenden Vorteil   bisher weder kennt noch  sieht.

Der “Weiderest”, der dazu auch noch wegen der hohen Tierdichte, zertrampelt wird, ist nämlich der für den Erfolg des Ganzheitlichen Weidesystems entscheidendenste Punkt.

Um das verstehen zu können, hat es mir sehr geholfen, dass ich von John Jeavons das Buch How to Grow More Vegetables (and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops)  durchgelesen und bei ihm im Herbst 2015 ein 3-tägiges Seminar besucht hatte.  Es gibt nämlich ein Parallele zwischen der Growbiointensive-Methode von John Jeavons und dem Ganzheitlichen Weidesystem:

Bei der Growbiointensiv-Gartenbaumethode von John Jeavons wird empfohlen und als für den Erfolg unerlässlich angesehen, grundsätzlich 70 % der gesamten Photosynteseleistung (also der von den Pflanzen verwerteten Sonnenenergie) für die  Produktion von  kompostierbarem Material  vorzusehen.  Wenn man  mit der Growbiointensive-Methode neu  anfängt und  genug Zeit hat ,  sät und pflanzt man   zuerst sogar  ganz bewusst nur um damit kompostierbares Material zu erzeugen.   Hauptziel bei der Growbiointensive-Methode  ist es,  zuerst und vor allem die Bodenqualität zu verbessern und dazu den Humusgehalt und damit den Kohlenstoffgehalt des Bodens zu steigern. Ein weit überdurchschnittlich hoher Ertrag ist dabei,  im Gegensatz  zu allem was  ich vorher,  als jemand der vom 6. bis zum 17. Lebensjahr auf dem Land aufgewachsen ist,  nicht das erklärte Ziel . Ein hoher Ertrag ist nur eine gerne in Kauf genommene  Nebenwirkung. Tatsächlich war und ist die treibenden Fragestellung, mit der sich  John Jeavons seit 1973 beschäftigt hat, die Frage wie man auf der kleinstmöglichen Fläche nachhaltig alles was eine Person braucht anbauen kann. Eine wichtig Information aus dem Seminar von John Jeavons, und auch von der Besichtigung der Singing Frogs Farm, war dann noch, dass die besten Kompostierung darin besteht, dass man die Wurzeln der Pflanzen im Boden belässt, wo sie dann den Mikroorganismen und Kleinstlebewesen als Nahrung dienen.

Das  Mob-Grazing  ähnelt so gesehen, also im  Bezug auf  das  kompostierbare Material, sehr der  Growbiointensiv -Gartenbaumethode.  Der  “Weiderest” ,  ist hier kein  Verlust, den man leider in Kauf nehmen muss, sondern  ein ganz entscheidender Grund für den Erfolg .    Für die  bei deutschen Beschreibungen des  Portionsweidesystems  als Nachteil beschriebenen Trittschäden gilt ähnliches.   Die “Trittschäden” sind eher eine Art natürlicher Mulchmähereffekt. Der “Weiderest” von  50 und  mehr Prozent  , der  von den Tieren wegen der hohen Tierdichte dann auch noch zertrampelt wird, liefert beim Mob-Grazing eben jene Bodenbedeckung mit “totem” organischem Material, die die Feuchtigkeit im Boden hält und die Würmern, anderen Kleinstlebewesen und Mikroorganismen als Schutz und Nahrung dient – was diese dann mit der Produktion von Humus und dem Lösen von Mineralien quittierten, was dem Landwirt, bei richtigem Management, im Vergleich zu anderen Methoden weit überdurchschnittliche Erträge beschert.

Wilde Weide ohne wilde Raubtiere?

In dem Wikipedia-Artikel über die Weide (Grünland), gibt es aber auch einen Abschnitt “Wilde Weide”. Dieser zeigt, dass man in Deutschland zwar das erreichen möchte, was das Mob-Weidesystem bzw. Allan Savorys Holistic Management tatsächlich erreichen, aber dass man in Deutschland die für den Erfolg entscheidenden Punkte nicht erkannt hat und  ausdrücklich das vermeidet, was für das Erreichen des Ziels wichtig ist.

Eine Suche nach “Wilde Weide” mit google führte zu einer Seite der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz, auf der eine 222 Seiten   umfassenden Broschüre mit dem Titel “Wilde Weide -Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung”  als pdf-Datei zum Download angeboten wird (ca. 300 MB Dateigröße!).   Dieser Broschüre ist zu entnehmen, dass man in Deutschland zwar  mit den System “Wilde Weide” versucht, den Effekt der großen Pflanzenfresser in der Natur wieder zu erzielen, aber dass man dabei eindeutig auf dem falschen Weg ist, weil man etwas sehr Grundlegendes nicht verstanden hat:

Die großen wiederkäuenden Pflanzenfresser dieser Erde sind Herdentiere, deren Verhalten und damit auch deren Effekt auf die Weiden, durch  das Vorhandensein  von Raubtieren geprägt war und ist:  Herdenbildung  war und ist eine Überlebensstrategie in der Wildnis,   wie man sie  in der amerikanischen Prärie in der Zeit der  großen Bisonherden  hatte und wie man sie heute noch in Afrika in der Serengeti hat.  Die Herden  bleiben  aus Furcht vor den Raubtieren dicht zusammen.  Die Folge ist:

  • eine extrem hohe Flächenbelastung (Tiere/Hektar)
  • die Flächenbelastung ist in der Natur nur kurze Zeit  hoch. Sie ist dann  wieder für viele Wochen, Monate oder Jahre so gut wie null.
  •   die Tiere müssen schnell und hastig fressen und haben keine Zeit für eine besonders wählerische Futterwahl.
  • die Tiere zertrampeln mit ihren Hufen, wegen des hohen Flächendrucks (Körpergewicht/Auftrittfläche der Hufe) und der Form der Hufe einen großen  Teil des Grases. Faktisch dienen die von den Hufen der Tiere zertretenen und teilweise in den Boden gepressten Grasreste als den Boden bedeckende Schicht, die dann noch mit dem Dung und Urin der Tiere angereichert wird. Dadurch werden der Boden und die Würmer sowie die Kleinstlebewesen vor  Sonneneinstrahlung und Austrocknung  geschützt und  sie werden mit Nahrung versorgt. Es kann Humus entstehen, der  das Wachstum fördert. Außerdem  sorgt die  Bedeckung des Bodens mit dem zertrampelten Gras dafür, dass die Regentropfen den Boden nicht beschädigen und dass der Regen besser auf dem Land gehalten wird.  Alles zusammen sorgt dafür, dass mehr Gras schneller und kräftiger nachwachsen kann.

Überweidung

Überweidung ist eine Funktion, die neben der Anzahl der Tiere pro Flächeneinheit und der Bodenqualität, bzw.  des Futterangebotes auch von der Zeit abhängt, die die Tiere auf einem bestimmten Stück Land bleiben.  Überweidung kommt erst zustande, wenn man zu viele Tiere  zu lange auf einer Fläche lässt.

Warum die “Wilde Weide” unnatürlich ist

Die in Deutschland als  “Naturschutz” angesehene “Wilde Weide” ist eher unnatürlich, weil die Flächen in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft ((ca. 230 Menschen pro Quadratkilometer, Tendenz dank Zuwanderung sogar weiter steigend.    )) viel zu klein sind, weil die Herdengrößen zu klein sind und weil die großen Raubtiere fehlen, die die Herden zusammenhalten.  Die  Tiere  werden bei der “Wilden Weide”, anders als in der ursprünglichen Natur, nicht  dazu gezwungen dicht gedrängt, hastig grasend weiter zu ziehen. Sie können vielmehr selektiv  die ihnen am besten schmeckenden Gräser und Pflanzen übermäßig häufig abfressen und diese damit zurückdrängen, während der einen Teil des Grases kompostierende, den bodenverbessernde, den Boden vor Austrocknung schützenden Effekt des flächendeckenden Zertrampelns des “Weiderestes”, den  diese  Herdentiere in der ursprünglichen Natur so wertvoll gemacht  hat – und  dem wir die fruchtbaren  Böden in den großen  Graslandschaften  verdanken – nicht mehr gegeben ist.

Wachstumskurve und Energiewirtschaft des  Grases

Wichtig für die Beurteilung eines Weidesystems sind auch die Wachstumskurve von Gras und die  Art wie  Gras  Energie speichert und  auf das Abweiden oder Abmähen reagiert:

Die folgende Grafik zeigt die Wachstumskurve von Gras nach den Experimenten von P. Lineham. Die Grafik habe ich  aus  dem Buch Gass Productivity –  An Introduction  to Rational Grazing , von André Voisin (1959),  S. 23 entnommen.  Es wurde das Nachwachsen des Grases, nach einem Schnitt gemessen. Wie man sieht betrug die Masse des nachwachsenden Grases in den ersten 10 Tagen nach dem Schnitt nur 698 kg pro Hektar. Vom 20. bis zum 30. Tag, also in auch nur 10 Tagen, betrug  der Zuwachs 6980 –  2900  =  4080 kg  pro Hektar, also das  5,84-fache des Zuwachses in den ersten 10 Tage.  Man stelle sich dazu vor,   dass bei einer Dauerweide die Kuh “nur” alle 10 Tage das Gras abfrisst.   Dabei ist dann noch nicht berücksichtigt, dass  das Gras  für  das erste Wachstum, in den Wurzeln  gespeicherte Energie verwendet, die sich erschöpft, wenn wegen zu schnellem Wiederabfressens nicht genug neu Energie  gespeichert  werden kann.

grassgrowth-Linehan

  • Die Wachstumskurve von Gras entspricht einer logistischen Funktion. Das Gras wächst zunächst nur langsam. Joel Salatin nennt das Gras in seinem weiter unten eingebundenen TEDx-Talk daher Diaper-Grass (dt. Windel-Gras oder vielleicht auch Kleinkindgras). Nach dieser Phase wächst das Gras schnell, nutzt die Sonnenenergie besonders gut und legt dabei auch Energiereserven in Form von Wurzeln an. Dann wird die  Wachstumskurve wieder flacher, das  Gras wird alt und das Wachstum endet, Salatin nennt das Gras in dieser Phase “Nursinghome Grass” (dt. Altersheimgras).
  • Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Masse des über der Erde befindlichen, sichtbaren Grasmenge und der in Form von Wurzeln unter der Erde befindlichen Menge organischen Materials.
  • Wenn Gras abgemäht wird, oder wenn ein Tier es abbeißt, dann bilden sich die Wurzeln zurück und es wird zuvor in den Wurzeln gespeicherte Energie für neues Wachstum verwendet. Die Wurzeln bilden sich dabei zurück und hinterlassen organisches Material im Boden, das von Mikroorganismen und Kleintieren zersetzt und in Humus verwandelt wird. Das Gras wächst dank der aus den Wurzeln abgezogenen Energie wieder relativ schnell nach, auch wenn ihm die Grünfläche  für die Photosynthese fehlt, die für die Deckung des für das Nachwachsen in dieser Zeit nötigen Energiebedarfs erforderlich wäre. Dank dieser Energiereserven aus den Wurzeln vergrößert das Gras seine grüne, für die Photosynthese und damit für die Energiegewinnung verfügbare Fläche und es kann weiter wachsen und zugleich wieder neue Wurzeln bilden und neue Energie in diesen speichern. Beim Mob-Weidesystem lässt man  man das Gras, wenn irgend möglich in Ruhe, bis es auf der Wachstumskurve wieder den oberen Teil erreicht hat und nur noch langsam oder nicht mehr wächst.  Bei der “Wilden Weide”, bei Ganzjahresweiden und überhaupt bei allen Weidesystemen, bei denen die Tiere länger als ein bis zwei Tage auf einem Abschnitt weiden können, werden die Tieren gut schmeckende Gräser oft zu schnell erneut abbeissen und die Gräser verlieren damit die in ihren Wurzeln gespeicherte Energie. Sie bekommen nicht mehr die Zeit, um genug neue Energie zu speichern. Auch bleibt das Gras dann im durch langsames  Wachstum gekennzeichnten  “diaper grass” bzw. “Windelstadium”. Er kann die Phase des schnellsten Wachstums und der größten Energiegewinnung und Energiespeicherung nicht mehr durchlaufen. Anderseits können sich Unkräuter und Gräser, die die Tiere weniger oder nicht mögen dann besser ausbreiten und vermehren, weil die Tiere diese wegen der zu geringen Flächenbelastung meiden. Die Qualität der Weide verschlechtert sich damit.

 Mob-Weidesystem bildet die Natur nach

Beim Mob-Weidesystem ersetzt das Wissen und der Verstand des Landwirtes, kombiniert mit den Möglichkeiten  moderner, elektrischer Zaunsysteme , die Wirkung der Raubtiere.   Intelligente Planung und  teilweise auch der Einsatz von Tabellenkalkulationen ersetzen  oder kompensieren beim Mob-Weidesystem den Umstand, dass man in dichtbesiedelten Kulturlandschaften eben nicht mehr solche riesigen Flächen wie in der Serengeti oder in der Nordamerikanischen Prärie zur Zeit der großen Bisonherden hat, in denen die Tiere grasend in großen Herden, von Raubtieren zusammengehalten und von Hunger getrieben,  ständig weiterziehen können. Beim Mob-Weidesystem wird also mit sehr preiswerter moderner Weidezauntechnik  und dem Wissen, der Intelligenz, der Erfahrung und  dem Geschick des Landwirtes   eben der Effekt der großen Pflanzenfresser erfolgreich nachgeahmt, den man in Deutschland mit der “Wild Weide” gerne nachahmen würde. Folglich ist das Mob-Weidesystem gerade auch für Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete  (Flora, Fauna, Habitat-Gebiete),  soweit diese in einer ursprünglichen Naturlandschaft zum Durchzugsgebiet großer Pflanzenfresser gehören würden, bzw. wo man heute das System der “Wilden Weide” anwendet.

Bei wirklich  ganzheitlichem Weidesystem auch andere Wiederkäuer, Schweine und Geflügel

Bei einem wirklich ganzheitlichem Weidesystem wird man auch, wie auf der Polyface-Farm,  Schafe oder  Ziegen,  Schweine und  Geflügel  einsetzen.

Die Salatins setzen auf der Polyface Farm z.B. Schweine, Hühner, Truthühner und Kaninchen ein. Die Hühner haben dabei den besonderen Vorteil, dass sie die Kuhfladen breit kratzen und darin vorhandene Fliegenlarven fressen.

In seinem Salatin Semester ( 12 DVDs mit ca. 18 Stunden Vortrag und ein Buch) beschreibt geht Joel Salatin auch auf diese Möglichkeiten und in dem Buch werden viele weitere Literaturquellen angegeben.

Mark Shepards Buch Restoration Agriculture: Real-World Permaculture for Farmers  und die zugehörige DVD mit dem Titel Restoration Agriculture in Practice – Video Tour & Instructions, die ich in meinem Artikel Restaurierende Landwirtschaft vorgestellt hatte, zeigen verschiedene weiter Gründe und Möglichkeiten. Z.B. verwendet Mark Shepard Schweine auch deshalb, weil sie sich an seinen Obstbäumen scheuern und damit den Ungezieferbefall vermindern. Kühe wiederum machen sich bei Shepard auch damit nützlich, dass sie tiefhängende Zweige von den Obstbäumen abfressen, was bei ihm ebenfalls Ungezieferbefall vermindert.

Mark Shepard wendet soweit ich mich erinnere, nicht ausdrücklich das Mob-Grazing an.  Sein Schwerpunkt ist eher eine enorme Vielfalt und das Zusammenspiel von Tieren, Büschen und Bäumen. Seine Farm heißt aus gutem Grund “New Forest Farm”, also “Neuer Waldbauernhof”,  und sein derzeitiges Geschäft scheint hauptsächlich der Verkauf von Bäumen und Sträuchern zu sein.

Insbesondere  Shepards DVD ist aber gerade auch mit Blick auf die Pflege und Nutzung von FFH-Gebieten in Deutschland sehr interessant, weil er zeigt, wie er durch die Nutzung von P.A. Yeomans Key-Line-System bzw. das Hauptliniensystem faktisch jede Menge Feuchtgebiete angelegt hat damit und durch das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern nicht nur den Wasserhaushalt verbessert, sondern auch die Artenvielfalt der auf seiner Farm wild lebenden Tiere enorm gesteigert hat.

Bodenqualitätsverbesserung und Klimaschutz

Die Bodenqualität, die sich derzeit, gerade auch als Folge der landwirtschaftlichen Nutzung, weltweit verschlechtert, kann durch das  Mob-Weidesystem erheblich verbessert werden.  Zur Verschlechterung der Bodenqualität siehe dazu auch die Weltkarte in meinen Artikel Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität.

Mit der Verbesserung der Bodenqualität wird auch wieder Kohlenstoff im Boden eingelagert und damit Kohlendioxid aus der Luft entfernt. Die Polyface Farm der Salatins hat in den letzten 50 Jahren angeblich pro Jahr ca. 5 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar im Boden eingelagert. In 50 Jahren wären das 250 Tonnen. Ein Kilogramm Kohlenstoff entspricht  3,66 kg  Kohlendioxid (( Atommasse von C = 12, Atommasse von Sauerstoff = 16, Kohlendioxid = CO2.   Molekülmasse  von  CO2  =  12 +  2×16  =  44.     Verhältnis zu Kohlenstoff = 44/12 = 3,66.)) Daraus folgt: Wenn man eine Tonne Kohlenstoff per Photosynthese im Boden einlagert, dann entzieht man der Luft  3,66 Tonnen Kohlendioxid. Wenn ein  Auto, das 100 g CO2 pro km erzeugt, dann haben die Salatins, in erster Linie auch durch die Anwendung des Mob-Weidesystems, pro Hektar und Jahr den CO2-Ausstoss von 183 Tausend Autokilometern wieder im Boden eingelagert, und das als Nebeneffekt der Produktion von gesunden Nahrungsmitteln.    Bei einem Auto mit einem CO2-Ausstoß von 150 g/km wären es immer noch 120.000 km PRO Jahr und Hektar.

Zum Thema Kohlenstoff im Boden erwähnte John Jeavons in seinem Vortrag zur MOSES-Conference 2015, dass der Kohlenstoffgehalt 1973, als er mit dem Gartenbau angefangen habe, im Durchschnitt bei 2 % gelegen habe. Jetzt, 2015, liege er bei nur noch 1,2% . Ich nehme an, dass er damit den mittleren Kohlenstoffgehalt der Landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit meinte. Das wäre ein Rückgang von 40 % in nur etwas mehr als drei Jahrzehnten.

Wirklich klar und sicher sind die Daten für den Kohlenstoffgehalt der Böden der Welt aber nicht:

  • Global soil carbon: new study highlights need for better understanding
  • www.carbon-biodiversity.net/ Diese offenbar vom deutschen Bundesministerium für Umwelt usw. geförderte Seite zeigt komischerweise bei den Detailkarten nur solche für einige Länder der 3. Welt, aber nichts für Deutschland und Europa. Deutschland und Europa kann man nur in der Weltkarte finden, die man dort herunterladen kann.
  • Die 203 Seiten lange Publikation des Umweltbundesamtes, aus dem Jahre 2008, mit dem Titel Humusversorgung von Böden in Deutschland, die als pdf-Datei frei verfügbar ist,  verspricht interessant zu sein.  Ich habe  das Dokument etwas quer gelesen. Im Detail ist wie immer alles ziemlich kompliziert. Leider fehlt mir momentan die Zeit, das  Dokument  ganz zu lesen. Jedenfalls besteht von staatlicher Seite schon ein grundsätzliches Interesse möglichst viel Kohlenstoff im Boden einzulagern und auch die Böden zu verbessern.    Man müsste in der Praxis konkret versuchen und nachmessen, was zum Beispiel mit dem Mob-Weidesystem und auch mit dem System von John Jeavons auf verschiedenen Flächen in Deutschland wirklich möglich ist.

Im selben Vortrag weist Jeavons auch darauf hin, dass die Verluste an Mutterboden weltweit so groß sind, dass von 2015 an gerechnet in nur 39 Jahren kein Mutterboden zur Nahrungsmittelproduktion mehr vorhanden wäre. Auch würde nicht nur die konventionelle Landwirtschaft, sondern auch ein großer Teil des Ökolandbaus – so begrüßenswert er auch sei – derzeit pro Kilogramm erzeugter Nahrungsmittel einige Kilogramm Mutterboden verbrauchen.   Sowohl der biointensive Gartenbau nach John Jeavons als auch das Mob-Grazing bzw. Holistic Management stoppen den Mutterbodenverlust und erzeugen sogar neuen Mutterboden. John Jeavons Methode  macht das relativ arbeitsaufwendig auf kleinen Gartenflächen, das Mob-Grazing bzw. Holistic Management  bzw. Rational Grazing, kann es mit Hilfe von Wiederkäuern wie Kühen und Schafen, mit geringem Energieaufwand im großen Stil auf großen Flächen.

Distickstoffoxid-Emmission

Dank der Verbesserung der Bodenqualität hat die Polyface Farm eine etwa 4 mal höhere Flächenleistung als konventionelle Betriebe in der Nachbarschaft, aber sie hat anderseits seit der Übernahme durch die Salatins im Jahre 1960 keinen Kunstdünger verbraucht und damit  keine oder  zumindest  eine sehr viel geringere Distickstoffoxid-Emmission ( Distickstoffoxid = N2O = Lachgas). Das Umweltbundesamt empfiehlt dringend, mit Blick auf den Klimawandel, die Lachgasemission in der Landwirtschaft zu reduzieren. Das Mob-Weidesystem, eventuell kombiniert mit anderen z.B. auf der Polyface-Farm erfolgreich erprobten Methoden und für den Gartenbau auch in Kombination mit der Methode von John Jeavons, bieten die Möglichkeit dazu.

Methanemission

Zur Methanemission durch die Rinderhaltung hat Joel Salatin in einer Antwort auf einen Artikel in der New York Times,    “The Myth of Sustainable Meat,”  (dt.: Der Mythos der nachhaltigen Fleischproduktion), geschrieben ( Joel Salatin responds to New York Times’ ‘Myth of Sustainable Meat’), dass Methan auch dann frei kommt, wenn man die Pflanzen einfach nur verrotten und nicht von Tieren fressen lassen würde. Wenn man die Methanemissionen vollständig eliminieren wolle, müsse man alle Feuchtgebiete und Moore dieser Welt trocken legen. 95% aller Methanemissionen der Welt  würden von Feuchtgebieten und Sümpfen verursacht . Tiere würden  nur einen vernachlässigbar kleinen  Anteil haben.   (( In dem Buch “When the Rivers Run Dry: Water–The Defining Crisis of the Twenty-first Century” von Fred Pearce (es gibt auch eine deutsche Ausgabe, mit dem Titel Wenn die Flüsse versiegen, die aber teurer ist), wird ein Wasserkraftwerk am Amanzonas erwähnt, durch dessen Bau nun soviel Methan abgeschieden wird, das dieses Wasserkraftwerk wesentlich klimaschädlicher ist als es ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes Kraftwerk derselben Leistung wäre )) In der Tat müsste man die Methan-Emission global betrachten und sich überlegen, was denn wirklich passieren würde, wenn man die Gräser weltweit einfach verrotten lassen würde, anstatt sie abzuweiden. Immerhin wäre es dann nicht mehr möglich, die Tiere zur Verbesserung der Bodenqualität und damit zur Einlagerung von Kohlenstoff zu verwenden. Wir brauchen die Wiederkäuer, wie weiter oben dargelegt, um die Böden und den Wasserhaushalt mit ökologisch und ökonomisch vertretbarem Aufwand zu verbessern.  Siehe dazu auch die weiter unten eingebundenen TED-Vorträge.

Mob-Grazing auf deutschsprachigen Internetseiten

Mit der Beschränkung der  google-Suche nach  “mob grazing” auf die Sprache Deutsch und das Land Deutschland fand ich nur die folgenden zwei deutschsprachigen Artikel:

Bei Suchen zum Thema Rinderhaltung und Weidewirtschaft fand ich auch eine Masterarbeit die 2014 an der Universität Hohenheim eingereicht worden war: Mutterkuhhaltung in Deutschland – Status quo und Zukunftsperspektiven im europäischen Kontext.  Ich konnte in dieser Diplomarbeit keinen Hinweis darauf finden, dass in  Deutschland das Mob-Weidesystem oder etwas vergleichbares genutzt wird.

TED-Vorträge

Hier zunächst ein TED-Vortrag von Allan Savory, mit deutschen Untertiteln (ich hatte den schon in meinen Artikel Weltweite Verschlechterung der Bodenqualität eingebunden):

Von Veganern und “etablierten Wissenschaftlern” gab und gibt es zum Teil heftige Kritik an Savory, aber Kritik dieser Art gab es in der Vergangenheit auch für viele andere Entwicklungen, die sich schließlich durchsetzt haben. Ich denke, man sollte sich davon nicht beirren lassen, zumal man heute bei “etablierten Wissenschaftlern” immer damit rechen sollte, dass diese die Interessen irgendwelcher Konzerne oder Interessengruppen vertreten.   Und solche Interessen stehen hier in wirklich sehr großen Umfang auf dem Spiel. Auch ist es so, dass wissenschaftliche Forschungsergebnisse auch unbewusst dadurch beeinflusst werden, was die jeweiligen Wissenschaftler glauben. Nach meinen Recherchen gibt mehr als genug überzeugende, praktische Beispiele die zeigen, dass  das  die Methode von Allan Savory  funktioniert.

Außerdem ist  es zwar so,  dass Allan Savory sein System offenbar ziemlich unabhängig entwickelt hat, aber wie er in seiner Rede Holistic Managment sagt, hat der französische  Biochemiker, Landwirt und Autor  André Voisin

lange vor ihm in seinem Buch Productivité de l’herbe,   (amerikanische Ausgabe: Grass Productivity  , deutsche Ausgabe, 1958, Die Produktivität der Weide ) all das erklärt und beschrieben, was er auch herausgefunden hat. Während Allan Savory mehr aus Mitteleuropäischer Sicht mit den sehr trockenen Gebieten in Afrika vertraut ist und seine Methode dort entwickelt hat, war André Voisin  mehr mit den Verhältnissen in Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz vertraut.    Voisin, der offenbar  auch gut Deutsch  sprach, war übrigens sogar  mit den Verhältnissen auf dem Versuchsgut Rengen in der Eifel, das zur  Universität Bonn gehörte, gut vertraut.  Er  bezieht sich in seinem Buch über  die Produktivität der Weide (ich habe nur die amerikanische Ausgabe gelesen)  öfters auf die Arbeit von Prof.  Ernst Klapp. So gesehen haben dann auch teilweise in der Eifel, auf der Domäne Rengen durchgeführte Forschungsarbeiten zu Voisins Buch und dann zum Erfolg der Polyface Farm beigetragen. Diese Anmerkung für jene, die meinen ich würde immer zu sehr im Ausland und da vor allem im aussereuropäischen Ausland nach Ideen und Methoden Ausschau halten  und  die  Deutschen  nicht genug würdigen.

Der Vater von Joel Salatin, der die Polyfacefarm der Salatins  1960 begründet hat,  hat  Voisins Bücher gelesen und das scheint einer der Gründe für den Erfolg der Polyfacefarm gewesen zu sein.

Hier der TEDx-Vortrag Cows, Carbon and Climatebei dem Joel Salatin das Mob Grazing, wie ich meine recht gut, erklärt.

Ein kritischer Artikel zum Mob-Weidesystem

Ein kritischer, aber nicht ablehnender Beitrag zum Mob-Weidesystem ist  A Skeptical Look at Mob Grazing von Chris Helzer. Im Wesentlichen geht es darin darum, dass man auch beim Mob-Weidesystem übertreiben und damit auch den Boden zerstören kann.   Aus den Ausführungen von Allan Savory kann man zwar entnehmen, dass es sich um ein in Afrika schon nach kurzer Einweisung im Grunde auch von Analphabeten realisierbares System handelt. In den gemäßigten Klimazonen scheint es aber schwieriger zu sein, wie das teilweise ziemlich umfassenden  Ausbildungsmaterial  und die Literatur  zeigen. Immerhin wollen die Tiere an 365 Tagen im Jahr  genug zu fressen haben, während das Gras übers Jahr gesehen unterschiedlich schnell wächst, genug Erholungszeit benötigt und die Tiere die Grasnarbe auch nicht zerstören sollen. Auch ist das Wetter jedes Jahr etwas anders.

Treibhausgase und Landwirtschaft

Ein ganz hervorragender Vortrag zum Thema  Treibhausgase und Mob-Weidesystem, aber auch  zu  typisch menschlichen  Verhaltensweisen im Bezug auf Probleme und den Klimawandel, ist der TEDxDubbo-Vortrag Soil carbon — Putting carbon back where it belongs — In the Earth des Australiers Tony Lovell:

An dieser Stelle möchte ich auch auf den Artikel Could carbon farming help reverse climate change?  hinweisen.

Klimawandel und der Beitrag der Landwirtschaft

Eine gute Übersicht,  auch über  die  verschiedenen per Landwirtschaft möglichen Methoden zur Einlagerung von Kohlenstoff im Boden   gibt die Präsentation    Climate Change and the Contribution of Agriculture von Peter Bane,   zu einem Vortrag, den er   2015 gehalten hat. Wie man den von Bane gezeigten Daten entnehmen kann, könnte die Landwirtschaft durchaus die weltweite Treibhausgasemission sogar voll kompensieren, anstatt diese, wie das heute der Fall ist, sogar noch zu verstärken. Zu den im Vortrag von Peter Bane angeführten Möglichkeiten und Methoden zur Kohlenstoffeinlagerung in der Erde und damit zum Klimaschutz, gehören neben der Anwendung des Mob-Weidesystems auch das Key-Line-System, dem ich  den Artikel   Das Hauptlinien-System gewidmet hatte, und auch darauf aufbauenden Form der Landwirtschaft, die   Mark Shepard in seinem Buch und seiner DVD beschreibt, und die ich in meinem Artikel  Restaurierende Landwirtschaft vorgestellt hatte. Ein hier zu erwähnender Punkt ist der sogenannte Yeomanspflug.  Dabei handelt es sich faktisch um einen Tiefenkultivator, der den Boden sehr tief aufreißt. Ich habe kritische Stimmen gefunden, die meinen, dass dieses Gerät nichts bringt. Mark Shepard zeigt aber z.B. in seiner DVD so ein Gerät und wie er es eingesetzt hat, und er erklärt dabei, dass er früher den Zinken mit seinem 35 PS Traktor kaum ziehen konnte und bei jeder Furche den Zinken mit einer Schaufel von Lehm habe befreien müssen. In letzter Zeit, nach einigen Jahren, aber sei der Boden bis ca. 90 cm tief so locker, dass er so vom Zinken abfalle.   Der  ursprüngliche Grund  diesen Tiefenkultivator überhaupt ein zu setzen, war für Shepard, dass er damit die Wurzeln  von Bäumen und Sträuchern , die er  parallel zu den  nach dem Key-Line-System angelegten Gräben  gepflanzt hat, daran hindern wollte in  seine Felder zu wachsen.   Es macht Sinn,  sich das auf seiner DVD anzusehen.

Klimaschutz, Katastrophenschutz und Gesundheitsschutz

Das geniale an all diesen Maßnahmen zur Kohlenstoffeinlagerung im Boden und damit auch zum Klimaschutz ist, dass es sich gleichzeitig um Maßnahmen handelt, die die Ernährungssicherheit der Bevölkerung in Kriegs- und Krisenzeiten verbessern, die die Bodenqualität und damit  die Bodenfruchtbarkeit steigern und die die Landwirtschaft befähigen können, auch in einer Zeit in der fossile Brennstoffe und die damit hergestellten Düngemittel, Pestizide und Herbizide zu teuer oder nicht mehr erhältlich sind, weiter Nahrungsmittel zu produzieren. Außerdem haben alle diese  Methoden als willkommene Nebenwirkungen die lokale Produktion von gesunden Lebensmitteln, die Verbesserung des Wasserhaushaltes und die Verbesserung der biologischen Vielfalt.

Wichtig ist es,  möglichst frühzeitig mit der praktischen Umsetzung und der Anpassung an die lokalen Verhältnisse zu beginnen.   Gerade auch die intelligente die Nutzung der heute noch recht preiswerten fossilen Energieträger wäre wichtig.

Bei alledem sollte man bedenken, dass es leider massive Interessenkonflikte gibt.

Bei allem Verständnis für die Interessen der verschiedenen Lobbygruppen sollte man aber bedenken, dass eine krisenfeste, lokale und auch nachhaltige Nahrungsmittelversorgung eine Frage von Leben und Tod ist. Das Mob-Weidesystem beruht zwar auch auf dem Einsatz moderner Technik, etwa in Form von Weidezaungeräten und leichten geländegängigen Fahrzeugen, aber  bei diesem System kann die Technik für die Nahrungsmittelproduktion im  Notfall  problemlos durch dann mehr als genug verfügbare Hilfskräfte ersetzt werden, die heute ihren Lebensunterhalt als Sachbearbeiter mit irgendwelchen im Ernstfall verzichtbaren Bürojobs verdienen.  Es gibt beim Mob-Weidesystem, ebenso wie bei der Growbiointensive-Methode von John Jeavons nichts, was zwingend die fragile technische Infrastruktur   unserer Gesellschaft benötigt. Das ist in der konventionellen Landwirtschaft anders. In der konventionellen Landwirtschaft würden im Ernstfall viele Betriebe ohne Nachschub und  Strom vollständig unbrauchbar und nutzlos.

Der  ganz besondere Reiz des  Mob-Weidesystems besteht meines Erachtens darin, dass man damit mit sehr geringen Aufwand und zugleich gewinnbringend,  klimaschützend und den  Zielen des Naturschutzes dienend,  die Bodenqualität  so verbessern kann, dass man im Ernstfall Flächen hat, die ohne lange Vorbereitung in fruchtbare Gärten umgewandelt werden können, in denen mit der Methode von John Jeavons Gemüse und kalorienhaltige Lebensmittel produziert werden können. Außerdem kann man mit diesem Weidesystem Lebensmittelvorräte bilden, die nicht schlecht werden, sondern die sich erneuern und Überschüsse produzieren und die dazu auch noch gesund und wohlschmeckend sind.

Kelberg, den 7. August 2016

Christoph Becker