Ausserhalb des Spiegelsaals

Der amerikanische Blogger und Autor John Michael Greer hat einen Beitrag  zum Brexit-Referendum und zur amerikanischen Präsidentenwahl 2016 veröffentlicht, der  auch für das Verständnis der bisherigen und der künftigen politischen Entwicklung in Deutschland, gerade auch mit Blick auf  die Verluste der SPD und die Erfolge der  AfD von erheblicher Bedeutung sein dürfte.Die Internetadresse des Originals lautet: http://thearchdruidreport.blogspot.com/2016/06/outside-hall-of-mirrors.html

Der Titel des Originals lautet Outside the Hall of Mirrors  und bezieht sich auf den Spiegelsaal im Schloss von Versailles, wie er im Text auch erklärt.

Ab hier die Übersetzung:

Mittwoch, der 29. Juni 2016

Außerhalb des Spiegelsaals

Das Ergebnis der Abstimmung in der letzten Woche bezüglich Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Union, hat zu kummervolle Schreien und oberflächlichen oder unlogischen Aussagen im Internet und den Massenmedien geführt. Die unerwartete Niederlage des Pro-EU-Lagers hat jedoch wichtige Lehren zu bieten, um das nicht nur für diejenigen meiner Leser, die in Großbritannien leben. Die zentralen Probleme, die dem Brexit-Referendum zugrunde liegen, sind gerade auch jetzt in vielen anderen Ländern massive Realitäten und sie werden sehr wahrscheinlich eine sehr große, ziemlich wahrscheinlich sogar eine entscheidende, Rolle bei der dieses Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten spielen.

Natürlich muss ein Teil des Ergebnisses der wirklich sehr eindrucksvollen Unfähigkeit des Pro-Eu-Lagers zugeschrieben werden. Die erste Regel für politische Wahlkämpfe lautet, dass es, wenn etwas nicht funktioniert Zeit ist,  etwas anderes zu probieren. Aber anscheinend ist das niemandem auf der Pro-EU-Seite in den Sinn gekommen. Vom Anfang des Wahlkampfes bis zu seinem Ende, waren fast die einzigen kohärenten Argumente, die man von den  Verfechtern des  Verbleibs in der EU  zu hören bekam, Drohungen mit schrecklichen Dingen die passieren würden, wenn Großbritannien die EU verlassen würde. Ein Ergebnis davon war, dass Wochen vor der Wahl bereits unwirkliche Schlagzeilen wie “Experten warnen, der Brexit wird sie an Krebs erkranken lassen” und ähnliches zu einem verbreiteten Thema des Internethumors geworden waren.

Es war schlimm genug – wenn das Hauptthema deiner Kampagne eine Pointe wird, machst du etwas falsch – aber es gab einen anderen Punkt, den jeder im Pro-EU-Lager übersehen zu haben scheint. Der bald nur noch ehemalige Premierminister, David Cameron, widmete einen großen Teil des Wahlkampfes seiner Behauptung, dass, wenn Großbritannien die EU verlassen würde, es harte Budgetkürzungen im staatlichen Gesundheitsdienst NHS und in anderen für die gewöhnlichen Briten vorteilhaften Bereichen geben würde. Die Schwierigkeit bestand hier natürlich darin, dass die Regierung von Cameron bereits harte Budgetkürzungen im staatlichen Gesundheitsdienst und den anderen für die gewöhnlichen Briten vorteilhaften Programmen durchgeführt hatte, und dass alles dafür sprach, dass sie das noch mehr tun würde – und “Der Brexit wird das tun was wir so oder so machen” hatte nicht die durchschlagende Wirkung, die Cameron sich offensichtlich davon erwartet hatte.

Allgemeiner ausgedrückt, schafften es die Unterstützer nie positive Gründe für Großbritanniens EU-Mitgliedschaft anzubieten, die diejenigen überzeugen würden, die nicht bereits auf ihrer Seite waren. Stattdessen haben sie einfach nur darauf bestanden, dass “jede denkende Person” für den Verbleib in der EU stimmen würde, und jeder, der damit nicht einverstanden war, musste ein fremdenfeindlicher, nationalsozialistischer Idiot sein. Ihr Verhalten nach der Niederlage war im Großen und Ganzen dasselbe. Man wechselte zwischen wütenden Behauptungen, dass die 52 % der Briten, die dafür stimmten die EU zu verlassen, alle sabbernde, faschistische, engstirnige Fanatiker wären und dem klagenden Beharren, dass die Leute vielleicht gar nicht das wählen wollten, was sie gewählt haben, und können wir bitte die Abstimmung noch einmal wiederholen?

Im gesamten Repertoire der EU-Befürworter fehlte sowohl vor als auch nach der Abstimmung, jede Vorstellung davon, dass die Frage des Fortbestandes der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens grundlegende Probleme beinhaltete, über die es vernünftig begründete Meinungsverschiedenheiten geben kann. Es sollte offensichtlich gewesen sein, dass es das Wahlverhalten der Leute nicht ändert, wenn man ihnen erzählt, dass ihre Bedenken und Sorgen keine Rolle spielen und wenn man sie mit Schulhofbeleidigungen beschimpft, wenn sie Einwände äußern. Dass dies für das Pro-EU-Lager nicht offensichtlich war, und das es wenige Hinweise dafür gibt, dass es selbst im Gefolge der Wahlniederlage offensichtlicher wird, deutet darauf hin, dass die fraglichen Probleme Dinge sind, die zu diskutieren das Pro-EU-Lager ablehnt.

Ich nehme an, dass dies genau das ist, was passiert. Ein flüchtiger Blick zurück auf das letzte Jahrhundert der politischen Geschichte Britanniens kann helfen, die stillschweigenden Realitäten hinter dem Geschrei aufzuzeigen.

Vor hundert Jahren haben zwei Parteien die britische politische Landschaft beherrscht: die Konservativen (auch bekannt als Torys) und die Liberalen. Beide Parteien wurden durch und für die Wohlhabenden geführt. Während eine Reihe von Wahlrechtsreformen im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts immer mehr britischen Männern das Wahlrecht gebracht hat – haben britische Frauen das Wahlrecht in zwei Stufen erhalten. Wohlhabende Frauen über 30 erhielten das Wahlrecht 1918 und alle erwachsenen Frauen erhielten es 1929. Beide Parteien haben sogleich den Trick gelernt, die Armen mit bedeutungslosen Vergünstigungen zu ködern, um sie zu veranlassen im Interesse ihrer angeblichen Vorteile zu stimmen.

Der Aufstieg der Unabhängigen Arbeiterbewegung (= Indipendent Labour Movement = ILM), dem Vorläufer der Labour Party, war ein meisterhafter Abwehrschlag gegen diese Art der politischen Spieltaktik. Anstatt sich zu Gunsten der wohlhabenden Minderheit an der Nase herumführen zu lassen, haben die ILM und dann die Labour Party die Interessen der Arbeiter und den Armen an die erste Stelle ihrer Programme gesetzt und haben sich geweigert, sich mit den Abfällen von den Tischen der Reichen kaufen zu lassen. Ein direktes Ergebnis davon war, dass die Partei der Liberalen um 1945 zur Bedeutungslosigkeit reduziert war und dass die Labour Party eine der zwei Hauptparteien in der britischen Politik geworden war.

In Großbritannien, ebenso sowie in Amerika, begann das Pendel im letzten Viertel es Jahrhunderts in die andere Richtung zu schwingen. Der Triumph von Margaret Thatcher in den allgemeinen Wahlen von 1978 hatte dort dieselbe Rolle, wie der Sieg von Ronald Reagan 1980 es hier getan hat: Ein neuer, aggressiverer Konservatismus hat die linke Rhetorik des Klassenkriegs aufgenommen und rächend umgekehrt, in ein Zeitalter hineinführend, in dem die Reichen gegen die Armen rebelliert haben. Die Labour Party unter Tony Blair hat auf diese Verschiebung genauso reagiert wie die Demokraten unter Bill Clinton es getan haben: Beide Parteien haben leise ihre vorherigen Engagements zur Arbeiterklasse und den Armen fallen gelassen, und haben sich stattdessen auf Probleme konzentriert, die wohlhabende Liberale angesprochen haben. Sie haben darauf gewettet, dass die Arbeiterklasse und die Armen sie aus Gewohnheit und falsch verstandener Loyalität weiter wählen würden – und kurzfristig hat sich dieses Glücksspiel ausgezahlt.

Das Ergebnis war in beiden Ländern ein politisches Klima, in dem die einzigen politischen Inhalte, die diskutiert wurden diejenigen waren, die die Interessen der Wohlhabenden auf Kosten der Arbeiterklasse und der Armen bevorzugten. Dieser Punkt ist so häufig und auf so viele höchst fantasievolle Weisen getrübt worden, dass es wahrscheinlich notwendig ist, darüber hier ausführlich zu berichten. Steigende Immobilienpreise nützen zum Beispiel denjenigen, die Immobilien besitzen, da ihre Eigentum mehr wird, aber sie bestrafen diejenigen, die ihre Häuser mieten müssen, da sie mehr von ihrem Einkommen für die Miete ausgeben müssen. Ebenso wirkt die Kürzung von Sozialleistungen für Behinderte. Das nützt denen, die Steuern bezahlen, auf Kosten derjenigen, die diese Sozialleistungen zum Überleben benötigen.

Ebenso wirkt die Förderung unbeschränkter Einwanderung in ein Land, das bereits Millionen von dauerhaft Arbeitslosen hat und die Verlagerung von Industriearbeitsplätzen ins Ausland, so dass die Arbeitslosen um eine abnehmende Zahl von Arbeitsplätzen konkurrieren. Das nützt den Wohlhabenden und schadet allen anderen. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt für die Arbeit, wie für alles andere: Vergrößere das Angebot an Arbeitskräften und verringere die Nachfrage nach ihren Diensten, und die Löhne werden fallen. Die Wohlhabenden profitieren davon, weil sie weniger für die Dienstleistungen zahlen, die sie wollen. Aber den arbeitenden Armen und den Arbeitslosen wird dadurch geschadet, da sie weniger Einkommen erhalten, wenn sie überhaupt eine Arbeit finden können. Es ist üblich, dass diese einfache Logik durch Behauptungen verschleiert wird, dass Einwanderung der Wirtschaft als Ganzes Vorteile bringt – aber wer erhält die Masse der Vorteile und wer trägt die meisten Kosten? Es ist nichts, was irgendwer im öffentlichen Leben in den USA oder in Großbritannien in den letzten 30 Jahren zu diskutieren bereit gewesen ist.

Das Problem mit dieser Art der Regierung der Wohlhabenden, durch die Wohlhabenden, und für die Wohlhabenden wurde vor vielen Jahren von Arnold Toynbee kompromisslos im Detail in dessen monumentalem Werk “Der Gang der Weltgeschichte: Aufstieg und Verfall der Kulturen” skizziert. Er zeigte, dass Gesellschaften im Niedergang sich in zwei ungleiche Teile spalten: Eine dominierende Minderheit, die das politische System und seine Belohnungen monopolisiert und ein inneres Proletariat, das die meisten Kosten des vorhandenen Systems trägt und dem der Zugriff auf die meisten seiner Vorteile verweigert wird. Während sich diese Spaltung weiter entwickelt, verliert die dominierende Minderheit den Bezug zu den wesentlichen Gesetzen der Politik – die Massen bleiben gegenüber ihren Führern nur loyal, solange die Führer ihnen gegenüber loyal bleiben – und das innere Proletariat reagiert, indem es nicht nur die Führung der dominierenden Minderheit zurückweist, sondern ebenso auch deren Werte und Ideale.

Das fortdauernde Symbol der resultierenden Entfremdung ist der berühmte Spiegelsaal in Versailles, wo sich die letzten drei französischen Könige vor der Revolution von einer zunehmend beunruhigten und verarmten Nation abgeschirmt haben und bewundernd auf ihre eigenen glänzenden Spiegelbilder gestarrt haben. Während Marie Antoinette den berühmten Satz – “Lasst sie Kuchen essen” – anscheinend nie gesagt hat, – so ist doch die Unwissenheit über die Realitäten des Lebens außerhalb des Spiegelsaals, die diese Äußerung andeutet, sicherlich da gewesen, während Frankreich zu seinem Ruin hin gestolpert ist. Eine steigende Zahl von normalen Franzosen und Französinnen drehte ihren angenommenen Führern den Rücken zu und ging  nach neuen Möglichkeiten zu suchen.

Das ist es, was in Großbritannien in letzten Jahrzehnten geschehen ist und die letzten paar Wahlen zeigen es. In den allgemeinen Wahlen von 2010 haben die Wähler die Meinungsforscher und dergleichen Experten unvorbereitet getroffen, indem sie zur Liberal Demokratischen Partei strömten, die bis dahin eine Splitterpartei war. Das war eine offensichtliche Forderung nach Veränderung, und wenn die Liberaldemokraten bei ihren Waffen geblieben wären, könnte das zum Verschwinden der Labour Party innerhalb weniger Jahre geführt haben. Aber die Liberaldemokraten haben stattdessen beschlossen, ihre Ideale zu Geld zu machen und eine Koalition mit den Torys zu bilden. Ein direktes Resultat war, dass die Liberaldemokraten bei den allgemeinen Wahlen von 2015, wieder zur Splitterpartei wurden.

2015 hatte dennoch ein noch wesentlich wichtigeres Ergebnis. In einem Versuch, die britische Unabhängigkeitspartei (UKIP), eine andere Splitterpartei, die beunruhigende Gewinne erzielte, zu verhindern, hat Tory-Premierminister David Cameron versprochen, dass, wenn seine Partei gewinnen würde, das Vereinigte Königreich ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten würde. Wahlumfragen zeigten, dass das Parlament wieder auf drei Weisen gespalten wäre, zwischen Konservativen, Liberal-Demokraten und Labour. Die Meinungsforscher und die Experten wurden wieder unvorbereitet getroffen. Anscheinend hat eine größere Anzahl Leute, die angegeben hatten für Labour oder die Liberaldemokraten zu stimmen, heimlich in der Wahlkabine stattdessen für ihren lokalen Tory gestimmt. Warum? Die Abstimmung am Donnerstag legt nahe, dass sie es genaugenommen getan haben, weil sie die Chance bekommen wollten, Nein zur EU zu sagen.

Sprechen wir jetzt über den Brexit-Wahlkampf. In der höflichen Gesellschaft des heutigen Großbritanniens wird jeder Versuch, auf die massiven Probleme mit dem Erlauben uneingeschränkter Einwanderung auf eine bereits überfüllte Insel hinzuweisen, die keine entsprechende Arbeitsplätze bieten kann oder Sozialleistungen für die Leute, die schon da sind, als Rassismus abgewiesen. So ist es nicht überraschend, dass ziemlich viele Briten, von denen viele nominelle Wähler der Labour Party sind, die in der Öffentlichkeit genehmigten Meinungsfetzen gemurmelt haben und im Privaten für den Brexit gestimmt haben – und wieder waren die Meinungsforscher und Experten darauf nicht vorbereitet. Es ist einer der Nachteile der Spaltung zwischen dominierender Minderheit und dem internen Proletariat, dass wenn die Minderheit die Loyalität der Massen verloren hat, weil es ihr nicht gelingt auf die Bedürfnisse derjenigen außerhalb der wohlhabenden und privilegieren Kreis einzugehen, dass dann finstere äußere Konformität und heimliche Revolte das gegenseitige Vertrauen ersetzen, das für das Funktionieren einer Gesellschaft erforderlich ist.

Die EU wiederum, hat ein perfektes Ziel für entfremdete Wähler der Arbeiterklasse und die Armen abgegeben, weil sie ausschließlich eine Schöpfung desselben Konsenses der Wohlhabenden ist, wie die Labour Party nach Tony Blair und die Demokratischen Partei nach Bill Clinton. Ihre Wirtschaftspolitik wird von oben bis unten durch die neoliberale Wirtschaftslehre durchdrungen, die mit Thatcher und Reagan an die Macht gekommen ist. Ihre standhafte Unterstützung der uneingeschränkten Einwanderung und des Kapitalverkehrs wird berechnet, um die Löhne zu senken und um Arbeitsplätze aus Ländern wie Großbritannien zu entfernen. Ihre Subventionen landen unweigerlich in den Taschen der großen Konzerne und der Wohlhabenden, während die Lasten ihrer Verordnungen und Gesetze am stärksten die Kleinunternehmen und die lokalen Ökonomien belasten.

Das ist nicht besonders schwer herauszufinden – faktisch kostet es einige Anstrengung,  zu vermeiden dies zu bemerken. Höre Leuten zu, die die Folgen des Brexit in den letzten Berichten der britischen Medien betrauern, und du wirst eine lange Liste von Privilegien hören, die hauptsächlich für die Wohlhabenden relevant sind und wegen denen die Sprecher besorgt sind, dass sie ihnen nun genommen werden. Abgesehen von einigen Randfiguren sprechen die, die dafür gestimmt haben im allgemeinen nicht darüber, weil sie durch bittere Erfahrung gelernt haben, dass sie einfach mit den üblichen, abgegriffenen Beschuldigungen des Rassismus usw. niedergeschrien werden. Wenn sie dennoch bereit sind, zu sprechen nehme ich an, dass man dann eine lange Listen von Lasten hört, die hauptsächlich auf den einfachen, arbeitenden Menschen gelandet sind, die so viele der Wohlhabenden so offensichtlich verachten.

Es ist wahrscheinlich notwendig, zur Kenntnis zu nehmen, dass es natürlich Rassisten und Fremdenfeinde gibt, die für den Brexit gestimmt haben. Ebenso gibt es Leute, die mit toten Schweinen kopuliert haben und die dafür gestimmt haben, in der EU zu bleiben – ich bin überzeugt, dass meine britischen Leser mindestens einen nennen können – aber das bedeutet nicht, dass jeder, der dafür gestimmt hat, in der EU zu bleiben, mit einem toten Schwein kopuliert hat (( Anmerkung des Übersetzers: wenn man mit “Cameron totes Schwein” bei Google sucht, findet man sogar einige deutschsprachige Artikel zu diesem Thema )). Noch, entscheidend, beweist das, dass Nekrophile Sehnsüchte der einzige mögliche Grund sind, für den Verbleib in der EU zu stimmen. Eine allgemeine Weise um Hassrede zu definieren, ist “der Gebrauch einer erniedrigenden und abschätzigen Stereotypie, um jedes Mitglied einer Gruppe zu beschreiben.” Durch diese Definition sind die Leute, die darauf bestehen, dass jeder, der für den Brexit gestimmt hat, ein fanatischer Idiot ist, mit Hassrede beschäftigt – und es ist eine Quelle düstere Belustigung, Leute zu beobachten, die normalerweise schnell dabei sind, andere wegen Hassrede zu verurteilen, wenn sie diese selber betreiben, wenn sie in dem betreffenden Fall dem Wunsch ihres Herzens nachhängen.

Lasst uns das noch vertiefen. Es  gibt tatsächlich eine bedeutende Anzahl Armen und zur Arbeiterklasse gehörenden Briten, die tiefen Vorurteilen gegenüber ausländischen Einwanderern anhängen. Warum? Ein großer Teil des Grundes ist die Tatsache, dass die Wohlhabenden, schon seit Jahrzehnten, Rassentoleranz mit genau jener Politik der uneingeschränkten Einwanderung gleichgesetzt haben, die Millionen der britischen Arbeiterklasse in die Mittellosigkeit und das Elend gestürzt haben. Auf die gleiche Weise konnten sich sehr viele arme und der Arbeiterklasse angehörige Briten weniger um die Umwelt sorgen. Ein großer Teil des Grundes ist, dass die Bedingungen der Debatte über Umweltprobleme so definiert wurden, dass die Lebensstile der Wohlhabenden nie zur Diskussion standen, während die Kosten des Umweltschutzes die soziale Stufenleiter hinunterflossen, während die Vorteile nach oben flossen. Wie Toynbee feststellte, wenn Gesellschaften sich in einen dominante Minderheit und ein internes Proletariat spalten, dann weisen die Massen nicht nur die Führerschaft zurück, sondern auch die Ideale und Werte der selbsterklärten Besseren. Es geschieht einigermaßen häufig, dass einige jener Ideale und Werte wirklich wichtig sind, aber wenn sie immer und immer wieder verwendet worden sind, um die Politik der Privilegierten zu rechtfertigen, können sich die Massen es sich nicht mehr leisten darauf Rücksicht zu nehmen.

Jene Briten, die darauf bestehen, dass die Mehrheit nicht zählt, und dass ihr Land in der EU bleiben muss, egal was die Stimmberechtigten denken, haben offensichtlich die Implikationen der Wahl des letzten Donnerstags nicht zu Ende gedacht. Die Parteiloyalitäten sind nun sehr flüssig geworden, und dieselben 52 % der britischen Stimmberechtigten, die bei dem Referendum für den Brexit gestimmt haben, können ziemlich bereitwillig mit der gleichen Verachtung für die zarten Empfindlichkeiten der privilegierten Minderheit, eine UKIP Mehrheit ins Unterhaus bringen und Nigel Farage geradewegs nach 10 Downing Street senden. Wenn das britische Establishment es schafft, die Arbeiterklasse und die Armen davon zu überzeugen, dass eine Stimmabgabe für die UKIP die einzige Möglichkeit ist, ihrer Stimmen Gehör zu verschaffen, dann ist es das, was geschehen wird. Es ist ein sehr unkluger Zug, Leute gegen sich aufzubringen, die nichts zu verlieren haben.

Inzwischen ist eine sehr ähnliche Revolte in den Vereinigten Staaten mit Donald Trump als Begünstigten in Vorbereitung. Wie ich in einem früheren Post hier angemerkt habe, wurde der kometenhafte Anstieg von Trump von einer weit her geholten Randfigur zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, vollständig von seiner Bereitschaft getrieben, sich selbst in Gegensatz zum Konsens der zuvor beschriebenen Wohlhabenden zu bringen. Während alle akzeptablen Kandidaten mit der neoliberalen Volkswirtschaft und der neokonservativen Politik der letzten dreißig Jahre an Bord waren – großzügige Zuteilungen für die Reichen, strafende Einschränkungen für die Armen, schädliche Vernachlässigung unserer Infrastruktur zuhause und eine monowahnsinnige Verfolgung militärischer Konfrontationen in Übersee – da hat er damit Schluss gemacht, und je schriller die Experten und Politiker ihn verurteilt haben, desto sich mehr Bundesstaaten hat er gewonnen und desto schneller sind seine Umfragewerte gestiegen.

Momentan macht er das Vernünftigste. Er wartet seine Zeit ab, sich auf die allgemeinen Wahlen vorbereitend und den gelegentlichen Testballon loslassend, um herauszufinden wie verschiedene Argumente gegen Hillary Clinton aufgenommen werden. Ich erwarte, dass die Art des totalen Krieges, die seine republikanischen Rivalen platt gemacht hat um den 1. September herum beginnt. Auch ist ist Hillary Clinton nicht besonders gut aufgestellt, um solch einem Angriff entgegenzusehen. Es ist nicht nur, dass sie durch peinlich ausführliche Korruptionsanschuldigungen in einem Ausmaß verfolgt wird, dass selbst in einer Kleptokratie der Dritten Welt als ungewöhnlich blühend betrachtet würde, noch ist es der Umstand, dass ihre Karriere als Außenministerin hauptsächlich wegen einer Kaskade von außenpolitischer Katastrophen bemerkenswert war, aus denen sie nichts gelernt zu haben scheint. Es ist nicht einmal, dass Hillary Clinton in den meisten wirtschaftlichen, politischen und militärischen Dingen deutlich rechts von Donald Trump ist und dass sie Positionen vertritt, die ununterscheidbar von denen von George W. Bush sind – von dem Typ, von dem die Demokraten vor nicht all zu vielen Jahren behauptet haben, dass sie ihn hassen.

Nein, was einen Sieg von Trump im November wahrscheinlicher als eine Niederlage macht,  ist, dass Clinton sich selbst zur Kandidatin des Status quo gemacht hat. Alle Positionen, die sie einnimmt laufen darauf hinaus, die Politik fortzusetzen, die in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Großbritannien, den Wohlhabenden auf Kosten aller anderen genützt hat. Das war damals eine sichere Wahl, als ihr Ehemann Präsident war und als  beide Parteien größtenteils darum konkurrierten, welche von ihnen es den Wohlhabenden bequemer machen und die Gequälten besser quälen könnte. Das ist jetzt keine sichere Wahl mehr, weil Trump das heimliche Regelbuch der modernen amerikanischen Politik weggeworfen hat und den Leuten, die 30 Jahre lang den Kürzeren gezogen haben, ein Bündel politischer Veränderungen anbietet, die ihr Leben tatsächlich verbessern könnten.

Nun ist das natürlich nichts, worüber zu sprechen die Politiker, die Experten und die offiziell beachtenswerten Denker des heutigen Konsenses der Wohlhabenden bereit sind. Dieselbe triste Redekunst, die gegenüber der Pro-Brexit-Mehrheit in Großbritannien angewandt wurde, wird daher auch gegenüber den Wählern von Trump hier in den Vereinigten Staaten angewandt. „Rassist“, „Faschist“, „Idiot“ – alle die abgegriffenen, höhnischen Tropen, die die Privilegierten benutzen, um die Sorgen des Rests der Bevölkerung des heutigen Amerikas abzuweisen, sind präsent und werden eingesetzt.

Der Eifer, mit dem diese Wörter gerade jetzt herumgeschleudert werden, sollte nicht unterschätzt werden. Ein alter Freund hat mich mitten im Satz unterbrochen, weil ich einen Mangel an der Begeisterung für Clinton ausgedrückt habe; wir haben seitdem nicht mehr miteinander gesprochen und ich weiß nicht, ob wir es jemals wieder tun werden. Andere Leute, die ich kenne, haben vergleichbare Erfahrungen gehabt, als sie versucht haben, die bevorstehende Wahl in nuancierteren Begriffen zu diskutieren als die aktuelle, herkömmliche Weisheit zu erlauben bereit ist. Eine der stärksten und unaussprechlichsten Kräfte im öffentlichen Leben Amerikas – Klassenvorurteile – durchdringen die resultierenden Schreiwettbewerbe. Für Clinton Partei zu ergreifen, bedeutet sich selbst mit den privilegierten, den “guten Leuten”, den wohlhabenden Kreisen, zu identifizieren, die im Spiegelsaal bewundernd auf sich selbst starren. Von Trump in irgendwelchen anderen Begriffen, außer billigen Schuljungenbeleidigungen zu sprechen oder sogar anzudeuten, dass die Unterstützer von Trump durch andere Gründe als Rassismus und der schieren Beschränktheit motiviert sein könnten, bedeutet ohne Umschweife vor die Tore geschleudert zu werden, wo der Pöbel beginnt sich zu versammeln.

Es ist denjenigen, die im Spiegelsaal auf und ab stolzieren offenbar nicht in den Sinn gekommen, dass es noch viel mehr Leute außerhalb jener Tore gibt als, es innerhalb der Tore gibt. Es hat offensichtlich nicht einmal in ihre finstersten Träume Einzug gehalten, dass das Niederschreien einer unbequemen Sichtweise und das Schleudern von Beleidigungen gegenüber jedem, der es wagt darüber nachzudenken, keine wirkungsvolle Methode ist  jemanden zu überzeugen, der nicht schon auf ihrer Seite ist. Vielleicht reicht das Ergebnis der Abstimmung über den Brexit, um Amerikas Bildungsbürgertum aus seiner Erstarrung zu reißen und es zu zwingen, zu bemerken, dass die Leute, die durch die von ihnen bevorzugte Politik  verletzt worden sind, schließlich die Geduld mit dem endlos monoton leiernden Beharren verloren, dass keine andere Politik möglich ist. Vielleicht – aber ich bezweifle es.

Außerhalb des Spiegelsaals ist der Himmel  schwarz von Vögeln, die zum Schlafplatz nach Hause kommen. Einige von ihnen haben sich bereits auf den Dächern Londons niedergelassen. Mehr von ihnen schweben über einer Reihe europäischer Hauptstädten herum, und noch viele mehr sind über den Marmorkuppeln und Giebelfeldern von Washingtons DC. Wenn sie landen werden, wird ihr Einfluss die Welt schütteln.
Gepostet von John Michael Greer auf seinem Internetblog The Archdruidreport
Originaladresse des Artikels: http://thearchdruidreport.blogspot.de/2016/06/outside-hall-of-mirrors.html
Übersetzt von Christoph Becker, www.freizahn.de, Kelberg den 2. Juli 2016, Link zur  deutschen Übersetzung: http://www.freizahn.de/2016/07/ausserhalb-des-spiegelsaals/




Die Eliten entlassen

Dmitry Orlov hat auf seinem englischsprachigen Blog ClubOrlov unter dem Titel Firing the Elites (dt. Die Eliten entlassen oder Die Eliten feuern) den Brexit kommentiert  und dabei auch die Begriffe Patriotismus, Nationalismus und Faschismus ziemlich gut erklärt. Ich habe seinen Artikel hier ins Deutsche übersetzt.

Der Original-Artikel findet sich unter der folgenden Adresse:

http://cluborlov.blogspot.de/2016/06/firing-elites_28.html

Hier meine deutsche Übersetzung:

ClubOrlov

Dienstag, der 28. Juni 2016

Die Eliten entlassen

In Anbetracht dessen, was in diesem Augenblick mit der EU-Reduzierung geschieht, ist es schwer dem Drang zu widerstehen,  etwas  darüber zu schreiben. Daher werde ich ich gar nicht erst versuchen, dieser Versuchung zu widerstehen. Aktienbörsen stürzen ab, Banken sind am Rande des Zusammenbruchs, Gold schießt in die Höhe und in der Londoner City und an der Wall-Street rennen die Finanztypen mit brennenden Haaren herum. Aber was abgesehen von solcher Finanzoberflächlichkeiten wirklich passiert, ist dass der Klassenkrieg rächend zurück ist. Bis jetzt nur im Vereinigten Königreich mit dem Referendum über den Brexit, aber wahrscheinlich, um sich auszubreiten.

In diesem Referendum, haben die älteren Generationen, die wissen welcher Klasse sie angehören, gewählt, dass die niederträchtigen [malign] Oberherren in Brüssel und London zu entlassen sind, während die jüngeren Generationen, die durch die EU-Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen sind, das nicht getan haben. Einige „Experten“ haben behauptet, dass es eine Art Trennung der Generationen gibt, aber ich denke, dass die älteren Generationen eine kluge Sache gemacht haben, und dass das ausreichend durch die Tatsache erklärt wird, dass sie klüger sind. Du siehst, Dummköpfe neigen dazu, jung zu sterben, und der bloße Akt des Überlebens ist ein Zeichen für Intelligenz. Aber das ist nur eine kleinerer Seitenspitze.

Der Hauptpunkt ist, dass es unbedingt nötig ist, die niederträchtigen Eliten zu feuern, und zwar sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten. Es gibt mehrere Probleme mit ihnen, die ich kurz aufzählen möchte:

  •  Sie neigen dazu, neoliberal zu sein, und für alle kaputten Ideen einzutreten, die mit dieser erfolglosen Ideologie zusammenhängen. Die Ergebnisse sind einfach zu erkennen: Ruheständler beraubt, junge Leute erfüllender Beschäftigungsmöglichkeiten beraubt; fabelhafte Reichtümer für eine winzige Elite und Austerität für alle anderen; mehr von allem für Deutschland, weniger von allem für alle anderen. Ein Finanzschema, das im Wesentlichen ein Schneeballsystem ist, und das garantiert explodieren wird, und das vielleicht schon explodiert, während ich dies schreibe.
  • Sie neigen dazu, unter der Fuchtel der der Neokonservativen in Washington zu stehen und zusammen mit ihnen schlingern sie von einer Katastrophe zur anderen. Die Ergebnisse sind wieder einfach erkennen: Eine ganze Liste von zerstörten Ländern (Afghanistan, der Irak, Libyen, der Jemen, Syrien, die Ukraine), eine Flut von Migranten, die aus diesen Ländern nach Europa strömen, was die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und extrem  gefährlichen ist, und eine völlig unnötige Provokationen Russlands.
  • Sie treten für eine Ideologie ein, die sich bemüht, alle ethnischen und kulturellen Unterschiede auszuradieren, und allen eine widerwärtige politische Korrektheit aufzwingen – außer den Moslems (die seltsamerweise als von der politischen Korrektheit freigestellt betrachtet werden).  Während man die wichtigsten menschlichen Freiheiten beseitigt hat,  (einschließlich, was am wichtigsten ist, der Pressefreiheit, die in Europa ein Gefangener von Konzerninteressen ist), sind die zwei verbliebenen Freiheiten, für die man sich nun in Europa engagiert, die Freiheit, entwurzelt auf dem Kontinent herumzutreiben und die Freiheit  jede sexuelle Perversion auszuleben, die man mag, einschließlich Sodomie und Pädophilie.
  • Aber das größte Problem mit diesen transatlantischen Eliten ist das Folgende: Sie können nicht entlassen werden. Je mehr sie versagen, je etablierter werden sie. Offensichtlich hat das nichts mit der Bildung, oder dem Verdienst oder der Beliebtheit zu tun; es ist einfach nur eine Sache der Klasse. Die Eliten denken, dass sie Übermenschen sind, die weit über einfache Sterbliche erhaben sind. Demokratie ist für sie ein Spielzeug. Den größten Teil der Zeit sind sie damit beschäftigt, die Politik zu ihrem Vorteil zu manipulieren. Wenn das nicht funktioniert, werden die “kleinen Leute” dazu gebracht, wieder und wieder zu wählen bis sie “richtig” wählen. Aber diese Art der politischen Problemlösung versagt nun auf beiden Seiten des Atlantiks, weil es scheint, dass die  “kleinen Leute” schließlich genug gehabt haben.

Der automatische Reflex besteht darin, die “kleinen Leute” zu beleidigen und zu versuchen, sie einzuschüchtern, damit sie sich wieder unterordnen.  Wenn sie nicht wollen, dass ihr Land von illegalen Migranten überrannt wird, (was nicht heißen soll, dass es jemanden nicht für politisches Asyl qualifiziert, wenn sein Land von der NATO zerstört wurde), dann werden sie Rassisten genannt und als voreingenommen beschimpft. Wenn sie einige der feineren Punkte der EU-Bürokratie nicht verstehen  (weil, offen gesagt, wer möchte seine Zeit mit diesem Quatsch verschwenden wollen?) dann werden sie als unwissend und fehlgeleitet bezeichnet. Und, am wichtigsten, wenn es einen Finanzcrash gibt (der in jedem Fall unvermeidlich war; siehe “Schneeballsystem” (oben), dann wird das ihrer schlechten Wahlentscheidung zugeschrieben.

Vielleicht am wichtigsten von allem,  wird alles versucht, um  Patriotismus mit Nationalismus und Faschismus gleichzusetzen. Nun, das erfordert eine Erklärung, denn diese Konzepte sind vollkommen verschieden:

  • Patriotismus ist jemandes Liebe zu seinem Heimatland und zu seinem Volk. Es ist ein natürliches, organisches Ergebnis des Umstandes, dass man an einem bestimmten Ort  unter bestimmten Leuten auf gewachsen ist, die auch dort aufgewachsen sind, und die ein kulturelles und sprachliches Erbe weitergeben, das sie alle lieben und wertschätzen. Das bedeutet nicht, dass diejenigen die nicht zu jemandes Familie, Nachbarschaft oder Region gehören, in irgendeiner Weise minderwertig sind, aber sie gehören nicht zu den eigenen und man liebt sie weniger.
  • Nationalismus ist ein synthetisches, mit Hilfe öffentlicher Belehrung erzeugtes Produkt, das um bestimmte hohle Symbole wie eine Flagge, eine Hymne und einige vergilbte Papiere, ein paar Entstehungsmythen usw. zentriert ist. Es wird durch bestimmte Rituale unterstützt (Paraden, Reden, der Verleihung von Medaillen), die einen bürgerlichen Kult bilden. Der Zweck des Nationalismus ist, den Nationalstaat zu unterstützen. Wo Nationalismus den Bedürfnissen von jemandes Heimatland und Volk dient, werden Nationalismus und Patriotismus eine Einheit. Wenn der Nationalismus die Bedürfnisse des eigenen Landes und Volkes zerstört, wird er zum Feind, und Patrioten bilden Partisanenbewegungen, erheben sich und zerstören den Nationalstaat.
  • Faschismus ist die vollkommene Verschmelzung von Nationalstaat und  Konzernen. Dabei wird  die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Interessen ausradiert und den Konzernen gelingt es, die Rechtsordnung und die Ziele der öffentlichen Politik zu diktieren. Ein fast vollkommenes Beispiel des Faschismus sind die neuen transatlantischen und transpazifischen Handelsverträge, die im Geheimen durch die Regierung Obama zustande gebracht wurden, und die im Moment, zu jedermanns großer Erleichterung, tot zu sein scheinen.

Es sollte offensichtlich sein, dass Faschismus verhindert werden muss. Wenn wir nur einen einzigen vollkommen guten Grund hätten, um die transatlantischen Eliten zu feuern, dann bestünde der darin, den Staatsstreich der Konzerne zu durchkreuzen. Aber es würde damit nicht aufhören, weil Nationalismus und Patriotismus auch im Spiel sind. Patriotismus ist ein natürlicher, menschlicher Grundwert, ohne den man nur noch eine entwurzelte Bevölkerung hat, die opportunistisch herumwandert. Nationalismus ist eine relativ neue Entwicklung (Nationalstaaten sind eine Erfindung des 17. Jahrhunderts) und als solche etwas Gefährliches. Aber im Fall von einigen der älteren und erfolgreicheren Nationalstaaten hat er einige erhebliche Vorteile: Eine geschätzte kulturelle Tradition die in einer nationalen Sprache und Literatur verankert ist, die Fähigkeit den Frieden zu erhalten und von außen kommende Aggressionen zurückzuweisen. Und dann gibt es die Europäische Union, deren Flagge eine Konstellation von Sternen darstellt, die  offensichtlich etwas umkreisen, – etwas, was nur ein schwarzes Loch sein kann, da es unsichtbar ist. Die Vereinigten Staaten sind ein ähnlich künstliches, synthetisches Gebilde einer sehr neuen Abweichung, deren Flagge offensichtlich ein Tablett von sternenartig geformten Plätzchen zeigt, die unglücklicherweise nicht mehr dafür da sind, von den “kleinen Leuten” gegessen zu werden, da die Eliten beschlossen haben, dass sie alle Plätzchen für sich selbst haben wollen.

Und daher müssen sie gefeuert werden. Wenn das durch die Wahlen passieren kann – anstatt durch Waffengewalt, dann ist das Ziel der Wahl, jemanden zu wählen, der zuerst und vor allem fähig ist, die Eliten zu entlassen. Die Briten scheinen das getan zu haben; jetzt sind die Amerikaner an der Reihe. Eine etwas nachdenkliche Frage, die manchmal gestellt wird (nachdem Leute falsche Behauptungen aufgestellt haben, dass  Donald Trump verrückt sei, ein Frauenfeind, ein Rassist, ein Faschist, ein schlechter Unternehmer, allgemein nicht sehr nett ist oder was auch immer) besteht darin, ob er qualifiziert ist, um zu regieren. Meiner Ansicht nach reduziert sich diese Frage zu einer viel einfacheren Frage: Ist er qualifiziert, um Leute zu entlassen? Und die Antwort ist, Ja.  Er ist mit größter Sicherheit qualifiziert, um Leute zu entlassen. Tatsächlich ist “Du bist gefeuert” (engl.: “You’re Fired”  ) eine seiner typischen Äußerungen.

Tatsächlich hat er gerade kürzlich seinen eigenen Wahlkampfleiter entlassen. Hillary Clinton führt andererseits die komplette Kohorte jener Leute, die entlassen werden müssen. Und deshalb denke ich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist,  dass die “kleinen Leute” sich schließlich erheben und für jemanden stimmen werden, der genau das tun wird.

Ins Deutsche übersetzt von Christoph Becker, Kelberg den 30.6.2016




Warum kleiner oft besser ist

Nachdem ich,  am Tag nach dem Brexitreferendum,  verwundert die Kommentare viele deutscher und europäischer Politiker und Medien zum Brexit gelesen und gehört habe, habe ich abends das Buch Small is Beautifull – Economics as if People Mattered von Ernst Friedrich Schumacher zur Hand genommen und darin das Kapitel A Question of Size gelesen.

Danach habe ich dann entdeckt, dass es von diesem Buch auch verschiedene deutschsprachige Versionen gibt. Die gedruckten deutschen Ausgaben sind aber vergriffen und im Antiquariat oft ziemlich teuer.  Es gibt aber noch eine e-book-Version einer deutschen Ausgabe von ‘Small is Beautiful’ im pdf-Format bei Buecher.de, die  15,99 Euro kostet.

Das Kapitel A Question of Size  hat in der deutschen Ausgabe den Titel Groß oder Klein?

Es handelt sich dabei um einen Vortrag, den Schumacher im August 1968 in London gehalten hat und der zuerst in  Resurgence, Journal of the Fourth World, Vol. II, No. 3, September/October 1968, veröffentlicht wurde.

Ich habe  dieses Kapitel, bzw. diesen Vortrag in niedriger Auflösung (150 dpi) mit FineReader abgespeichert und als nur 94 kb große pdf-Datei auf meine Webseite hochgeladen:

Kapitel Groß oder Klein?,  aus  Small ist Beautiful  – Die Rückkehr zum Menschlichen Maß von Ernst Friedrich Schumacher.

Mein Fazit aus Groß oder Klein? ist, dass man die EU nie hätte schaffen dürfen, und dass man die EU unbedingt im Interesse aller kleineren und/oder wirtschaftlich schwächeren Staaten so bald wie möglich, also sogar im Interesse Frankreichs, Spaniens und Großbritanniens auflösen sollte, bzw., dass alle diese schwächeren oder kleineren Staaten gut daran täten, die EU zu verlassen.

Die Politiker, Journalisten und auch Wirtschaftsführer, die die Briten wegen ihrer Entscheidung gegen den Verbleib in der EU kritisiert haben und kritisieren, haben entweder von Wirtschaft keine Ahnung oder sie handeln und argumentieren aus egoistischen Motiven, die nicht den Interessen der meisten Briten entsprechen.

Das Buch   Small ist Beautiful  – Die Rückkehr zum Menschlichen Maß von E.F. Schumacher ist  auch sonst sehr lesenswert und aktuell, auch wenn es schon vor 43 Jahren geschrieben wurde.

Dem können sich sogar manche Linken und AntiFa-Leute anschließen, wie der folgende Link zeigt:

www.kritisches-netzwerk.de/forum/small-beautiful-die-rueckkehr-zum-menschlichen-mass-ernst-friedrich-schumacher

Zwei andere Bücher, die ich gerade auch im Zusammenhang mit dem  Thema EU,  Brexit und den Kommentaren unserer Politiker und Journalisten sehr empfehlenswert finde sind:

The Collapse of Globalism: And the Rebirth of Nationalism von John Ralston Saul

und

Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed, von James Scott

Leider gibt es von diesen beiden zuletzt genannten Büchern bisher keine deutschen Übersetzungen.

Kelberg, den 25. Juni 2016

Christoph Becker

 

 




Ein kräftiges Hurra für Britannien

So wie über das britische “Ja” zum EU-Austritt habe ich mich noch nie über eine Nachricht gefreut. Tausend Dank und die aller herzlichsten Glückwünsche für die Engländer und für die leider relativ wenigeren Iren und   Schotten, die für  das  Verlassen der  EU gestimmt haben. Das Votum der Briten gegen die EU ist nach den Siegen über Napoleon und Hitler eine weitere großartige Tat gegen ein wucherndes politisches Krebsgeschwür auf dem europäischen Kontinent. Es ist auch ein wichtiges, Hoffnung spendendes Signal, das zeigt, dass die Zivilisation und Demokratie in Europa vielleicht doch noch funktionieren und vielleicht doch noch nicht  “von irgendeinem Gehirnparasiten”  (( siehe in meinen Blogbeitrag Eine russische Warnung – Hillary Clinton und negative Zinsen die Übersetzung aus dem Interview von Chris Martenson mit Dmitry Orlov, wo  letzterer sagt:

Dmitry Orlov:    Ich sehe  wirklich keinen Vernünftigen an der Macht.  Der Umstand, dass  wirklich nachdenkliche Leute  Trump tatsächlich für die bessere Wahl halten, weil  er zumindest ein Gehirn hat,  das nicht  von einer Art  Gehirnparasit befallen ist,   zeigt einem wie  kaputt  das  System wirklich ist.  Trump kann zumindest noch selber denken.

)) zerstört  wurden. Das Votum für den  Brexit ist, ähnlich wie die  Schlacht bei Waterloo, ein glänzender Sieg für die Freiheit der Völker Europas. Der Sieg war knapp, wie bei Waterloo und im Krieg gegen Napoleon überhaupt und auch wie im Krieg gegen Hitler, wo es zeitweise, ähnlich wie gestern bei er Abstimmung über den Brexit, immer wieder  so schien, als würden die Streitkräfte der Feinde der Freiheit   Europas und seiner Völker siegen.

Wenn ich nächstens abends wieder einmal The Last Post auf meiner Signaltrompete oder dem Jagdhorn übe, werde ich es andächtiger,  mit mehr Hoffnung für Deutschland und Europa, und mit einem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den britischen Politikern und Wählern tun, die für den Austritt Großbritanniens aus der EU waren.

Kelberg, den 24. Juni 2016

Christoph Becker