Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen?

Auf der Internetseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.faz.net, wurde am 27.8.2014 der  Artikel Sinkende Ölnachfrage – Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen von Franz Nestler, veröffentlicht.  Da sich der Artikel auf eine Prognose der Internationalen Energieagentur  (IEA) stützt, hier zunächst das Bild einer Grafik aus dem Buch Peaking at Peak Oil, von Prof. Kjell Aleklett, die  die erstaunliche Entwicklung der von der Internationalen Energieagentur in den Jahren 2004 bis 2008 gemachten Ölpreisprognosen bis zum Jahr 2030 wiedergibt.

Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030
Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030

Nach der Voraussage der IEA  von vor nur 10 Jahren, hätten wir also jetzt einen Ölpreis von nur etwas über 20 Dollar und selbst in 15 Jahren wäre der Preis immer noch nur ein Drittel des tatsächlichen heutigen Preises. Wie die Wirklichkeit der Preise seit 2010 aussieht, steht im oben erwähnen Artikel von Franz Nestler auf www.faz.net:

Der Ölpreis pendelt seit etwa vier Jahren um die Marke von 110 Dollar

Eine Tabelle mit historischen Daten für die nominalen und auch für die aus US-amerikanischer Sicht inflationsbereinigten Ölpreise finden sich hier. Auffällig ist zunächst, dass der nominale Ölpreis von 1948 bis 1952 mit nur $ 2,77 gleich blieb. 1973, also mehr als 20 Jahre später überstieg er dann erstmals die Marke von $ 3,60 .  1980 erreichte er mit $ 37,42 einen vorläufigen Gipfel. 1998 betrug der 11,81 $, was zugleich für die Amerikaner auch der niedrigste inflationsbereinigte Ölpreis seit 1946 war. Von da an stieg der Ölpreis. 2005 waren es nominal $ 50,04, 2011 waren es $ 87,04 $ und  2013 $ 91,17.    Von 1998 bis 2013, also in 15 Jahren, ist der Ölpreis nominal um das 7,65-fache, bzw. um 765 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt ist der Preis um das 5,35-fache, also um 535 Prozent gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist die frohe Botschaft in dem Artikel von Franz Nestler in auf www.faz.net eher Pfeifen im Wald. Wenn der Ölpreis binnen weniger Jahre um mehr als das Fünfache gestiegen ist, ohne dass die Produktion desshalb nennenswert gestiegen ist, dann befinden wir uns  seit einigen Jahren in einer Ölkrise und es ist kein Ende in Sicht. Das zeigt auch der Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes. Die von mir angefertigte und auf freizahn.de veröffentlichte deutsche Übersetzung dieses Artikels ist Teil meiner Antwort auf Franz Nestlers Artikel auf www.faz.net


Dass die Nachfrage nach Erdölprodukten in vielen Ländern bei einer derartigen Preissteigerung zurückgegangen ist, war und ist zu erwarten. Ebenso war und ist zu erwarten, dass die Schulden von Staaten und Privathaushalten, die ihren alten Lebensstandart einigermaßen halten wollen, rasant zu nehmen wenn ein für den Lebensstandart so wesentliches Produkt wie Erdöl derart viel teurer wird.  Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in  Griechenland, Spanien,  Frankreich und Italien kann man vor diesem Hintergrund als Symptome der  Ölkrise sehen, in der wir seit einigen Jahren leben.  Selbst die Aufstände in Nordafrika und im Orient, die Spannungen im Südchinesischen Meer und der Ansturm der aus Afrika kommenden Flüchtlinge im Mittelmeer kann man indirekt zu einem großten Teil auf die extrem gestiegenen Ölpreise und die damit verusachte Energieknappung zurückführen.

Die US-amerikanischen Ölproduktionsmengen

Franz Nestler schreibt in seinem Artikel auf www.faz.net über den dank Fracking erfolgten Anstieg der Ölproduktion in den USA.  Laut Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) sollten die USA nächstes Jahr sogar 9,28 Millionen Barrel je Tag fördern. Zur  Verlässlichkeit der Prognosen dieser Argentur siehe die Grafik oben. Aber wie waren die Produktiondaten in den USA in der Vergangenheit? Eine sehr umfassende Tabelle mit den Produktionsdaten von 1860 bis heute findet sich hier, auf der Internetseite der EIA (Energy Information Agency). Die Tabelle kann von jährlicher auf monatliche Ansicht umgeschaltet werden.  Über den Zahlen mit den jährlichen Produktionsmengen findet sich ein graphische Darstellung der Produktionsmengen.  Aus der Tabelle ist kann man entnehmen:

Die größte durschnittliche Fördermenge der USA wurde im November 1970 mit 10044  Barrel/Tag errzielt.  Die in dem FAZ-Artikel genannten, aktuellen 8,5 Millionen Barrel/Tag sind also noch immer mehr als 15% weniger. Und selbst die notorisch zu optimistischen Schätzungen der IEA gehen diesem FAZ-Artikel zur folge von nur 9,28 Millionen Barrel/Tag im Jahr 2015 aus. Das wäre noch immer weniger als die USA schon vor 45 Jahren produziert haben. Dazu kommt noch, das bei der Ermittlung der gesamten Produktionsmengen anders als 1970, heute Gase, Materialien und Flüssigkeiten als Erdöl ausgewiesen werden, die man nicht wirklich als Erdöl bezeichnen kann. Ausserdem ist wegen des stark gestiegenen, für die Öl- und Gasförderung selbst nötigen Energiebedarfs der tatsächlich anderweitig nutzbare Teil der Ölförderung geringer als früher. Zu diesen letzten beiden Aspekten siehe den Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Der wesentliche Unterschiede zu damals sind ferner, dass die Ölbohrungen bzw. Ölquellen heute:

  • drastisch teurer sind
  • auch anfänglich sehr viel weniger Öl pro Bohrung bringen
  • sehr viel schneller nachlassen als konventionelle Ölquellen (über 60% oder sogar 70% pro Jahr, statt unter 10 %, in OPEC-Ländern zum Teil sogar unter 5 %. Das heißt, die Fördermeng der Ölquellen auf Frackingbasis verringert sich 6 bis über 14 mal so schnell wie die klassischer Ölquellen)
  • schneller vollständig versiegen
  • sehr viel umweltschädigender sind.
  • Straßen und andere Infrastruktur mehr belasten (die extrem tiefen Bohrlöcher und die Chemikalien für das Fracking erfordern sehr viele Transporte. Der Abtransport des Öls ist teurer, weil kostensparende Pipelines sich bei den kleineren Ölquellen nicht oder weniger lohnen als bei großen, klassischen, lange und viel Öl liefernden Quellen).


Unklar ist die Größe des gesamten “ökolischen Rucksacks” der neuen, unkonventionellen Formen der Gas- und Ölförderung.  Mit ökologischem Rucksack ist der gesame Umwelt und Rescourcenverbrauch etwa im Sinne des Buches “Grüne Lügen” von Friedrich Schmidt-Bleek gemeint.

Systembedingte Tücken des Ölgeschäfts

Eine systembedingte Tücke des Ölgeschäfts ist, dass die Ölfirmen zunächst nicht sicher wissen, wo eine Bohrung Erfolg hat (es gäbe keine Fehlbohrungen, wenn sie es wüßten). Wenn eine Bohrung Erfolg hat und Öl- und/oder Gas gefördert werden kann, weiß man zunächst nicht, wie lange wieviel gefördert werden kann und wie sich der Öl- oder Gaspreis während der Nutzungsdauer einer Quelle verändert. Erst wenn die Quelle völlig erschöpft ist kann man sicher feststellen wie groß der Gewinn oder Verlust war. Man muß dazu nämlich die Summe der gesamten durch die Öl-/Gasquelle ermöglichten Einnahmen berechnen und davon die gesamten durch die Ölquelle verursachten Kosten abziehen, um den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln.  Das heißt die Firmen können zunächst nur schätzen was sie verdienen werden, und sie können sich dabei irren.

Es kann ausserdem sein, wie zeitweise in den USA bei der Gasförderung durch Fracking, dass in einer allgemeinen Euphorie sehr schnell sehr viele Bohrungen durchgeführt werden. Dadurch kann es am Markt zu Überangeboten von Gas- oder Öl kommen. Weil die Firmen ihre Bohrungen mit Krediten finanziert haben und diese  zurückzahlen und dazu auch Zinsen zahlen müssen, müssen sie das geförderte Öl/Gas auch verkaufen, selbst wenn dies mit Verlust geschieht,  um überhaupt Geld in die Kasse zu bekommen. Wenn nun zuviel gebohrt wurde, kann das Angebot zu groß werden und die Preise können sogar unter die Herstellungskosten fallen.  Die Folge ist, dass Firmen pleite gehen und dass von den Banken vergebebene Kredite oder Einlagen von Investoren abgeschrieben werden müssen.  Insgesamt geben die mit dem Fracking beschäftigten Firmen wesentlich mehr Geld aus als sie einnehmen.  Es gibt dazu mehrere Artikel, wie z.B. Where Money Goes to Die: How Fracking Blows Up Balance Sheets of Oil and Gas Companies von Wolf Richter und einen Report der EIA.  Es kann sein, dass die Firmen momentan einfach nur viel investieren um immer mehr Bohrungen durchzuführen. Es kann aber auch sein – wie viele vermuten – dass das Fracking sich bei den derzeitigen Öl- und Gaspreisen nicht rentiert und dass sich gerade eine neue Kreditblase und Investionsblase bildet, deren Platzen wieder viel Kapital vernichtet.

Man kann ausserdem systembedingt von aktuellen Steigerungen der Fördermengen nicht auf die Größe der Vorräte schließen.  Man stelle sich dazu ein Fass voll Wasser vor, in dass man unten Löcher bohrt. Man kann die Ausfließende Wassermenge steigern indem man immer mehr Löcher in das Fass bohrt. Die maximal aus dem Fass entnehmbare Menge wird damit aber nicht größer.  Wohl aber wird das Ende der Wasserentnahme um so schneller erreicht, um so mehr Löcher man bohrt.

Bei Öl und Gas kommt noch hinzu, dass die geologischen Zusammenhänge etwas kompolizierter sind als viele glauben wollen.  Siehe auch dazu den Artikel  Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Fracking, Preise und Ukrainekrise

Die neuen, unkonventionellen Ölquellen in den USA sind gerade für Europa durchaus auch ein Problem, weil die amerikanischen Firmen in ihrer Europhorie und dank der günstigen Zinsen soviele Bohrungen durchgeführt haben, dass die am Markt erzielbaren Preise für Gas und Öl angesichts der hohen Kosten zu niedrig sind.  DAS könnte die eigentliche Ursache der Ukrainekrise und des amerikanischen Drängens nach Sanktionen gegen Russland sein: Wenn Russland im Gegenzug seine Öl- und Gasexporte drosselt oder wenn die Europäer sich sogar gezwungen sehen sollten statt billigem Russischen Gas teures amerikansiches Flüssiggas zu kaufen, dann würde die Nachfrage in den USA wieder steigen und damit könnte das Fracking in den USA wirtschaftlicher werden.

Das könnte aber auch zu kurz gedacht sein, weil Sanktionen und Handelskrieg letztlich Wirtschaftsaktivitäten insgesamt reduzieren und damit die Nachfrage und die Preise für Öl- und Gas drücken können. Für das was die Europäer nicht mehr für Russland produzieren und liefern können, brauchen sie auch keine Energie.  Dank der Sanktionen nicht nach Russland lieferbare Waren drängen teilweise auf andere Weltmärkte, wo sie die Preis senken und auch amerikanischen Anbietern zu schaffen machen, können – allerdings eher solchen, die nicht im Gas- und Ölgeschäft tätig sind.

Eine Preisexplosion am Ölmarkt düfte angesichts der vielen Krisen der Welt nicht etwa, wie in dem Artikel auf www.faz.net vermutet, durch das Fracking in den USA, oder durch erneuerbare Energien  ausgeblieben sein, sondern eher dadurch, dass der Ölpreis schon jetzt so hoch ist, dass eine weitere Steigerung sich so auf die Nachfrage auswirken würde, dass selbst in Deutschland und anderen Ländern, die sich die hohen Ölpreise derzeit noch leisten können, die Wirtschaft das Schicksal derjenigen Griechenlands und Spaniens ereilen würde.

Fazit

Der Rückgang der konventionellen Ölförderung in den letzten Jahren hat die Ölpreise längst in Höhen getrieben, die zu Unruhen, Schuldenkrisen und zu einem Versagen der zinspolitischen Werkzeuge der Notenbanken geführt haben.  Und doch sind die Ölpreise für die Erschließung und Nutzung der neuen unkonventionellen Ölquellen offensichtlich eher zu niedrig. Gleichzeitig steigt der Energieverbrauch für die Erschließung und Nutzung der neuen, unkonventionellen Ölquellen.

Von “Niewiedersehen, Ölkrisen” kann keine Rede sein. Die Eurokrise, Flüchtlingsströme und Unruhen in unserer Zeit sind auch Symptome zu hoher Ölpreise, bzw. einer zu teuren Ölförderung – die wiederum Folgen der sehr realen Grenzen und der zunehmenden Erschöpfung der klassischen “süßen” Ölquellen sind, denen wir das weltweite Bevölkerungswachstum, das Wirtschaftswachstum der letzten 150 Jahre,  und den einzigartigen Wohlstand der Westlichen Welt in aller erster Linie verdanken. Die Unkonventionellen, neuen Ölquellen und auch die erneuerbaren Energien sind ein kleiner Aufschub, und eine kleine Erleichterung, aber  nicht die Erlösung und Rettung als die sie euphorisch gefeiert werden.

Kelberg, den 31. August 2014

Christoph Becker




Peak Oil ist kein Mythos

Viele Nachrichten und Medienberichte erwecken den Eindruck, dass Fracking und andere unkonventionelle Methoden der Ölgewinnung die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt sind. Aber ist das wirklich so? Auf der Suche nach Antworten fand ich auf der Internetseite der Königlich britischen Gesellschaft für Chemie den Artikel Peak oil is not a myth von Chris Rodes, vom 20. Februar 2014. Im Folgende eine Übersetzung dieses Artikels:

Man kann den Eindruck bekommen, dass hydraulisches Brechen (Fracking) von Schiefervorkommen die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt ist. Gewiss hat Fracking viel Aufmerksamkeit erhalten und es ist viel darin investiert worden, aber die Erfolgsaussichten des Frackings müssen in einem breiteren Zusammenhang bedacht werden (( R G Miller and S R Sorrell, Phil. Trans. R. Soc. A, 2014, 372, 20130179 )) [Anmerkung des Übersetzers: Diese Quellenangabe bezieht sich auf ein Themenheft der Philosphical Tansactions der Royal Society, das am 13. Januar 2014 erschienen ist.   Zu diesem Themenheft findet sich hier  ein einführendes Interview mit Steve Sorell und Richard Miller, auf deren Artikel sich die Quellenangabe von Chris Rodes bezieht.]

In den USA, wo bis heute praktisch alle diese Aktionen durchgeführt werden, steht Fracking nun für 40 % der Gasproduktion im Inland und für 30 % der Ölproduktion. Der Erdgaspreis ist abgestürzt und die gesamte Ölproduktion der USA ist zum ersten Mal seit 1970 wieder gestiegen, während sie andernfalls in Übereinstimmung mit den 1956 von M. King Hubbert gemachten Voraussagen weiter gefallen wäre.

© Shutterstock

Wie auch immer, dieser letzte Punkt ist der herausragende. Unkonventionelle Ölquellen (unten aufgelistet), wie fest gebundenes Öl [tight oil] (oder Schieferöl, in der öffentlichen Diskussion) sind wirtschaftlich nur wertvoll weil die Notwendigkeit, den Rückgang der konventionellen Ölproduktion auszugleichen, die Ölpreise erhöht hat. Es ist die Produktionsrate des Öls, die die Versorgung mit Öl bestimmt und nicht die Größe der Reserven. „Die Größe es Ölhahns und nicht des Tanks“

Öl Check

Aktuelle Daten für den Rückgang der Produktion der Ölfelder zeigen, dass jedes Jahr eine Fördermenge von etwa 3 Millionen Barrel pro Tag an neuen Produktionsquellen erschlossen werden müssen, wenn man nur das aktuelle Versorgungsniveau halten will (( Anmerkung des Übersetzers: Prof. Kjell Aleklett schreibt in seinem Buch Peeking at Peak Oil, dass nach den Untersuchungen seines Institutes an der Universität Uppsala, Schweden, sich die Abnahme der Ölförderung aus den großen Ölfeldern nach dem Erreichen des Fördergipfels, beschleunigt, je mehr man sich dem Ende der Nutzungsdauer des Ölfeldes nähert. Die durch Förderrückgänge der großen konventionellen Ölfelder auszugleichende Versorgungslücke könnte demnach in Zukunft größer sein und schneller als bisher wachsen.  )). Dies entspricht der Entdeckung eines weiteren Saudi Arabiens alle 3 bis 4 Jahre. In diesen Zusammenhang ist Fracking bestenfalls eine temporäre Notmaßnahme. Für die konventionelle Ölproduktion wird ein Rückgang von über 50% in den nächsten 20 Jahren vorausgesagt, während es unwahrscheinlich ist, dass fest gebundenes Öl [tight Oil] nicht mehr als 6% ersetzen wird.

Sobald der Förderrückgang beim konventionellen Öl die Produktionsrate des unkonventionellen Öls übersteigt, hat die globale Produktion zwangsläufig den Gipfelpunkt erreicht. Die Produktion von leicht zu gewinnendem [sweet = süßem oder köstlichem], leichtem Rohöl hat tatsächlich im Jahr 2005 ihren Höhepunkt erreicht, aber das wurde durch die Zunahme der unkonventionellen Ölproduktion maskiert, ebenso wie durch das Zusammentun von verschiedenen Arten von Materialien mit dem Öl und der gemeinsamen Bezeichnung als „Flüssigkeiten“ [Liquids]. (In letzter Zeit wird die Bezeichnung ‘Flüssigkeiten’ [‘Liquids’] oft zu ‘Öl’ aufgewertet, was etwas irreführend ist, da die Eigenschaften der anderen Flüssigkeiten sich ziemlich von denen des Erdöls unterscheiden.)

Fracking produziert hauptsächlich Schiefergas (eher als Öl), und beim Löwenanteil des Wachstums der globalen „Öl“-Produktion handelt es sich um natürliche Flüssiggase (NGL, in Teilen des Schiefergases]. Aber die grundsätzlichen Bestandteile von NGL [Natural Gas Liquids] sind Ethan und Propan, so dass es sich nicht einfach um einen Ersatz für Erdöl handelt.

 

Energie rein, Energie raus

Das Verhältnis von Energiegewinn zur für die Energiegewinnung aufgewendeten Energie (EROEI oder EROI = Energy Return On Energy Investmented) ist für alle unkonventionellen Arten der Ölproduktion schlechter als für konventionell produziertes Öl.

 Dies bedeutet, dass mehr Energie investiert werden muss, um das Produktionsniveau beizubehalten. Als grober Vergleich, konventionelles Erdöl hat einen EROEI im Bereich von 10–20:1, während fest gebundenes Öl auf 4-5:1 kommt. Öl das durch (Ultra-)Tiefwasserbohrungen gewonnen wird kommt auf 4-7:1, schweres Öl kommt auf 3-5:1, und Ölschiefer (Kerogen) liegt irgendwo bei 1,5-4:1. Teersande liegen bei 6:1, wenn sie im Tagebau gewonnen werden, aber der Wert fällt auf 3:1 wenn das Bitumen „aufgewertet“ wird, indem man es in einen „Öl“-Ersatz verwandelt.

So wie die konventionelle Ölproduktion gefallen ist, so ist auch der EROEI gefallen, weil wir es von immer feindlicheren Orten, und mit neuen Technologien gewinnen. Der Preis eines Barrels Öl hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht, aber die Produktionsmenge ist in etwa gleich geblieben. Wir sind vermutlich dicht an der Obergrenze der globalen Ölproduktion (( J Murray and D King, Nature, 2012, 481, 433 )), und die Aussichten, die Lücke mit alternativen Quellen zu füllen ist entmutigend.

Unterschiedliches Felsgestein

Obwohl Fracking ziemlich große Mengen Öl und Gas in den USA geliefert hat, gibt es keine Garantie, dass ein ähnlicher Erfolg anderswo, einschließlich dem Vereinigten Königreich, erzielt werden kann, teilweise weil die Geologie eine andere ist. Selbst in den USA sind es die guten Stellen (sweet spots) wo man gebohrt hat, und die Schieferformationen anderswo in Nordamerika sind voraussichtlich weniger produktiv (( Anmerkung des Übersetzers: Einem Artikel in der Los Angeles Times vom 20. Mai 2014 kann man entnehmen, dass die amerikanische Energieinformationsbehörde, EIA, die erschließbaren Reserven der Monterey Schieferformation in Kalifornien, von 13,7 Milliarden Barrel auf 600 Millionen Barrel, also um ca. 96%, reduziert hat.)) . Die Schätzung der Schiefergasreserven in Polen wurde von 187 Billionen Kubikfuß (tcf) auf bestenfalls 12-27 Billionen Kubikfuß  reduziert. Das sind kaum 14% der ursprünglichen Schätzung. Und das meiste der Produktion wird voraussichtlich nur Gas sein. Selbst wenn wir große Mengen Gas mit großzügigen Produktionsraten gewinnen können, ist die Umrüstung unseres Transportsystems auf Gas eine beträchtliche Aufgabe, insbesondere angesichts des Zeitrahmens, den der Rückgang der konventionellen Ölproduktion uns vorgibt. Und es gibt viele andere Anwendungen für Öl, als nur Treibstoff, für die ebenfalls Ersatz gefunden werden muss.

Erneuerbare Energien liefern keine vergleichbaren Ersatzstoffe für Erdöl und die flüssigen Treibstoffe, die aus ihm gewonnen werden, daher ist der potentielle Beitrag von Biokraftstoffen relativ klein. Die 34 Millionen Öl getriebenen Fahrzeuge des Vereinigten Königreiches durch elektrisch betriebene Versionen ersetzen zu können, ist eine unwahrscheinliche Annahme, angesichts der Grenzen der verfügbaren Zeit und der Grenzen der Rohstoffvorkommen wie etwa der seltenen Erden (( C J Rhodes, Science Progress,  2011, 94, 323 )). Öffentliche Verkehrsmittel sind die wahrscheinlichere Zukunft für elektrisch betriebenen Transport, als Personenkraftwagen. Das Ende des billigen, persönlichen Transports ist eine reale Möglichkeit und dürfte Veränderungen in unserem Verhalten bewirken, wie etwa den Aufbau von resilienten Gemeinden, die mehr des von ihnen Benötigten, wie Nahrungsmittel und Materialien, auf der lokalen Ebene produzieren.

Es gibt viele Ungewissheiten, aber es scheint klar, dass das Ende des Billigen Öls vorbei ist. Wir betreten eine neue und andere Phase des menschheitlichen Erfahrung.

Chris Rhodes ist ein unabhängiger Berater und hat seinen Sitz in Reading, UK. Er ist der Autor des Romans University shambles.

Unter dem Originalartikel finden sich auch viele interessante Kommentare.

Übersetzt von Christoph Becker, Kelberg den 31. August 2014




Frackingfunde und mehr in Stockmans Kontraecke

Auf  David Stockmans Internetseite David Stockman’s Contra Corner lieferte der Suchbegriff “fracking” am 25.8.2014, 19:20 insgesamt 13 Treffer,  von deren Anfang ich hier einige ins Deutsche übersetzt habe:

1. Contra News and Views:

Die Fracking-Tretmühle: Eine andere Deformation des billigen Geldes

Die amerikanische Schieferöl- und Schiefergasindustrie ist wahrscheinlich viel weniger gesund  als viele Leute denken. Eine neue Analyse von Bloomberg-Nachrichten fand überraschend hohe Schuldenniveaus in der Schieferöl- und Schiefergasindustrie. Wobei Firmen damit enttäuschten, dass sie mehr und mehr Geld leihen als sie erwirtschaften …

2. Wolf Richter:

Die Gas-Fracking-Tretmühle: Kein Technikwunder  – Nur Wirtschaft, Dumm!

Diesen Winter, Polarstürme blasen über das Land und treffen den Preis für Erdgas und schicken ihn auf schwindeleregende Spitzen und Tiefen, verstärken die unerwarteten Preisänderungen und Peitschenschlaginduzierenden Wendungen, und einige Händler haben es richtig abgepasst und Geld damit gemacht. Jetzt, wo der Winter ausklingt, stehen wir in einer sehr besonderen Situation da.

Jahre der „Schiefergas-Revolution“ die in eine verrückte, überenthusiastische, durch nichts zu bremsende Landaneignung und zu einem Fracking-Boom führten, verwandelten sich in eine Überproduktion, die den Preis erschlagen hat, was zu nicht berichtetem industriellen Chaos führte, zu Milliarden Abscheibungen und zum Kollaps eines Geschäftsmodells, das in der Annahme bestand, proftitabel nach trocknem Erdgas bohren zu können. Aber nichts kann dauerhaft für weniger als die Produktionskosten verkauft werden.

3.  Stockman’ Best of the Week, Stockman’s Quick Takes:

Cheniere Energy: Paradebeispiel für die Schiefergas-Halluzination

Wie kann diese Verrücktheit passieren? Halluzination als Konsens. Analysten, MPublicity-Manger, Firmenerklärungen, freies Geld der amerikanischen Notenbank, und bereite Händler und Investoren – alle sind ein Teil des Ganzen.

4. Wolf Richter:

Zentralbank-Verzerrungen bei der Arbeit: Billige Kredite und das Fracking-Gelage

Der finanzielle Rummel um das Fracking, die grenzenlose, nahezu kostenlose Liquidität, die von der amerikanischen Notenbank seit 2008 bereitgestellt wird und Investoren die so verzweifelt auf Ertrag aus sind, dass sie bereit sind nahezu jedes Risiko einzugehen, um in ihrer vergeblichen Schlacht führend herauszukommen, haben Wall Street dazu gebracht, Schaum vor dem Mund zu haben … der unbegrenzte Geldstrom hat nach nach einem Platz gesucht zu dem er fließen kann, und er ging in eine wirtschaftliche Aktivität – Fracking – in die Geld wandert, um zu sterben. Was übrigbleibt sind Schulden, und Gas-Brunnen, die nie genug produzieren werden, um Schulden abzuzahlen, die eingegangen worden sind um sie zu bohren.

Wie ich auf David Stockman aufmerksam wurde

Auf David Stockman und seine Internetseite www.davidstockmanscontracorner.com bin ich durch das Inverview aufmerksam geworden, das er mit Chris Martenson am 3.8.2014 geführt hat und das unter dem Titel David Stockman: The Collapse of the American Imperium – A perfect storm of policy failures [David Stockman: Der Zusammenbruch der Amerikanischen Imperiums – Ein perfekter Sturm politischer Fehler] www.peakprosperity.com zu hören ist. Das Transkript des Interviews kann man dort ebenfalls  lesen bzw. herunterladen.

Dieses Interview ist sehr hörens- bzw.  lesenswert. Stockman und Martenson halten die Regierungen in den USA und in Westeuropa insbesondere auch im Bezug auf den Umgang mit Russland und dem Vorgehen in der Ukrainekrise für ziemlich kindisch, ignorant und inkompetent.

Stockman geht davon aus, dass der Zusammenbruch der USA in den nächsten Jahren, vielleicht im Wahljahr 2016, erfolgen wird.

Einige Fragen die sich mir dazu stellen:

Was passiert eigentlich mit dem Gold der Bundesbank, wenn die USA zusammenbrechen und anschließend vermutlich auseinanderbrechen? Was ist, wenn  am Ende Russland die einzige europäischstämmige, wirklich schlagkräftige Militär- und Atommacht ist, die uns in einem künftigen Krieg helfen und retten könnte, wenn die USA sich aus der Weltgeschichte verabschiedet haben?  Dann haben wir in Sachen Ukraine und Putinverunglimpflichung sehr kräftig in den einzigen Brunnen gespuckt, der uns dann voraussichlich noch zum Trinken bleibt.

Kelberg, den 25. August 2014

Christoph Becker




Die Grenzen und das Ende des Wachstums

Was ist aus den Grenzen des Wachstums geworden, die der Club of Rom mit Computersimulationen ermittelt und in seinem als Buch erschienen Bericht 1972 veröffentlicht hat?


Als ich Grenzen des Wachstums Ende der 70er Jahre, als Student der Schiffsbetriebstechnik, auf Empfehlung eines Dozenten für Digitale Simulationstechnik gelesen habe, waren diese Grenzen noch weit weg in der Zukunft, irgendwann in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.  Mein Professor für organische Chemie, im zahnmedizinischen Grundstudium an der Universität Antwerpen, Anfang der 80er Jahre, hatte dann zwar auch noch gemeint, dass Erdöl eigentlich viel zu schade sei, um es als Heizöl zu verbrennen, weil Erdöl ein  so wunderbar vielseitig für die Herstellung chemischer Produkte einsetzbarer Grundstoff ist, während die auf der Welt vorhandene Menge Erdöl aber begrenzt ist.


Aber dann haben selbst viele Grüne als Politiker dicke Autos gefahren und fast alle haben sich faktisch so verhalten, als wären die Rohstoffvorräte dieser Welt und die Umweltbelastbarkeit auf globalem Niveau so gut wie unbegrenzt. Wäre es anders, dann hätte man nie die Wirtschaft und damit den Verbrauch in anderen Ländern gefördert und man hätte auch nicht die EU erweitert.  Man hätte alles getan, um das Wirtschaftswachstum wo immer möglich so gering wie möglich zu halten. Aber, man hatte – und die meisten haben noch immer  – den naiven Glauben, dass zunächst fast unbegrenzt viele Rohstoffe vorhanden sind, und dass wenn irgendwann der eine oder andere Rohstoff knapp werden sollte, der Kapitalismus, die Wissenschaft und die Technik rechtzeitig neue Lösungen hervorbringen würden.

Die von der Mehrheit gewählten Politiker haben jedenfalls alles getan, um das Wirtschaftswachstum weltweit zu fördern und um damit den Verbrauch von Energie, Rohstoffen und Umwelt auf globalem Niveau hemmungslos steigen zu lassen. Die Weltbevölkerung stieg in den letzten 30 Jahren rasant wie nie zuvor und der Glaube, dass Technik und Wissenschaft schon immer wieder einen Weg und eine Lösung finden würden war allgemein verbreitet und schien zunächst vernünftig.

Der Anstieg der Ölpreise (mein Vater hat in den 60er Jahren für einen Liter Heizöl noch 10 Pfennig, also etwa 5 Cent bezahlt!), und der Unfall der Bohrinsel Deep Water Horizon haben mich dann aber doch nachdenklich gestimmt und nach weiteren Informationen suchen lassen. Wenn man schon auf hoher See, in 1500 m Wassertiefe über 5 km tiefe Löcher in den Meeresboden bohrt um eine Ölquelle zu erschließen, dann muss die Lage schon ziemlich beklemmend sein.  Wirklich erschreckend fand ich dann die Berechnungen des amerikanischen Geologen Jeffrey Brown, der sich mit den Veränderungen am Ölmarkt durch den zunehmendem Eigenverbrauch der Förderländer und durch die Zunahme des Verbrauchs von Ländern wie China und Indien befasst hat.  Mit dem Suchbegriff “jeffrey brown oil china” findet google unter anderem diesen Artikel hier. Demnach werden alleine die Atommächte China und Indien, wenn das Wachstum ihrer Ölimporte weiter wie in der Zeit von  2005 bis 2010 ansteigt, im Jahre 2030 alles auf dem Weltmarkt angebotene Erdöl für sich benötigen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Saudi Arabien, der derzeit weltgrößte Exporteur von Erdöl, im Jahr 2030 seine gesamte Ölförderung für den Eigenbedarf benötigen wird, wenn sein Eigenverbrauch weiter wie bisher ansteigt. Hier zugibt es auch einen deutschsprachigen Artikel. Das heißt, für Europa und auch für die USA bliebe nichts mehr übrig.  Medien und Politiker haben zwar vor in den letzten Jahren immer wieder enthusiastisch von neuen Ölquellen in den USA geschwärmt, die durch Fracking erschlossen werden und die die Welt verändern werden, aber in Wirklichkeit handelte es sich dabei offenbar eher um Werbung, mit der man naive Investoren anlocken und mit der man eine neue Finanzblase schaffen wollte. Die Firmen machen mit der Förderung von Öl und Gas per Fracking eher Verluste. Man hat zuerst natürlich die besten Stellen der Öl- und Gasfelder angebohrt und dann hat man die Qualität dieser besten Stellen auf die gesamten Felder hochgerechnet.  Tatsächlich sind die Vorkommen im Mittel aber wesentlich schlechter. Nicht beachtet hat man bei den enthusiastischen Berichten und Hochrechnungen auch, dass die per Fracking erschlossenen Quellen sich sehr schnell erschöpfen.  Außerdem sind die Umweltschäden und auch die Kosten für den Verschleiß der Infrastruktur (Straßen und Brücken) beim Fracking sehr hoch. Sehr gut zusammengefasst, recherchiert und mit Grafiken und Bildern untermalt ist das Kapitel 21, Shale Oil [dt.: Schieferöl], der neuen, 2014er Version des Crash Course [dt.: Schnellkurs] von Chris Martenson. Wer mit dem schnell gesprochenen Englisch von Max Keiser kein Problem hat, kann auch den Max Keiser-Report Nr. 642 vom 18.8.2014 ansehen, dessen erster Teil speziell dem Thema Fracking gewidmet ist.

Der Crash Course von Chris Martenson ist insgesamt eine sehr gute Einführung – oder wie der Name sagt, ein Schnellkurs – in die verschiedenen, leider zusammenwirkenden Probleme, die auch uns hier in Deutschland und Europa in den nächsten Jahren immer mehr zu schaffen machen werden. Die insgesamt 27 Teile der neuen, 2014er Version des Crash Course von Chris Martenson haben insgesamt eine Länge von 4 Stunden und 36 Minuten. Derzeit sind noch nicht alle Teile frei verfügbar. Es soll jede Woche ein weiterer Teil zum kostenlosen Ansehen freigeschaltet werden. Wer vorher schon alle Teile sehen/hören/lesen will, der muss sich kostenpflichtig anmelden. Das kostet für einen Monat 30 US-Dollar (Vorsicht, wenn man sich für einen Monat anmelden will sollte man die automatische Abo-Erneuerung abschalten).  Es gibt auch eine ältere Version des Crash Course, aus dem Jahre 2008,  die von einem deutsch–schweizer Team sehr gut deutsch synchronisiert wurde und die hier kostenlos angesehen werden kann. Die insgesamt 21 Teile dieser älteren Version haben eine Gesamtdauer von 3 Stunden und 23 Minuten.  Zu allen Interviews und auch zu allen Teilen des Crash Course auf der Webseite www.peakprosperity.com gibt es dort Transkripte, d.h. schriftliche Versionen.  Der Crash Course würde sich daher auch für den Schulunterricht anbieten. Es könnte außerdem nützlich sein, wenn man sich in Familien und  Gemeinden die eine oder andere Version des Crash Course gemeinsam ansieht und darüber spricht.





Ergänzend zu Chris Martensons Crash Course fand ich einige Bücher sehr nützlich und wertvoll. In deutscher Sprache vor allem Das Ende des Wachstums von Richard Heinberg. Heinberg handelt genauso wie Chris Martenson in seinem Crash Course ein ziemlich großes Spektrum an Themen ab. Speziell zum Thema Wasser ist das Buch Wenn die Flüsse versiegen von Fred Pearce empfehlenswert. Ich habe nur die preiswertere englische Originalversion gelesen und habe erst bei der Fertigstellung dieses Artikels gesehen, dass es eine deutsche Übersetzung gibt. Pearce zeigt Probleme rund um das Thema Wasser. Auch solche, mit denen man normalerweise nicht rechnet oder deren Ernst man nicht einschätzen konnte. Wer hätte z.B. gedacht, dass ein Wasserkraftwerk am Amazonas sieben mal soviel klimaschädliche Gase produziert wie ein mit Kohle oder Öl betriebenes Kraftwerk gleicher Leistung? Wer hätte gedacht, dass Staudämme in vielen Fällen durchaus nicht weniger sondern sogar mehr Überschwemmungen verursachen? Ein Augenöffner ist auch das Kapitel über die Wasserprobleme der Palästinenser. Das Kapitel über den Aralsee und seine Zuflüsse zeigt, wie technisch/staatliche Großprojekte ganz anders als geplant, zu einer fulminanten Katastrophe werden können. Das Buch zeigt dies und noch vieles mehr.  Wenn man das Kriegsrisiko und drohende Bevölkerungswanderungen einschätzen will, ist dieses Buch besonders wichtig. Als kurzer Einstieg in die Problematik der Wasserknappheit sind auch die  Folgenden Artikel interessant:

Interessant, aber leider nur in englischer Sprache erhältlich, fand ist ferner Full Planet, Empty Plates: The New Geopolitics of Food Scarcity [dt.: Voller Planet, leere Teller: Die neue Geopolitik des Nahrungsmangels] von Lester R. Brown.


Um die Brisanz zu erkennen ist es nützlich zusätzlch zu den Artikeln und Büchern über Wasser-, Rohstoff und drohenden Nahrungsmangel insbesondere auch Gunnar Heinsohns Buch Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen zu lesen. Die wichtigste These von diesem Buch ist, dass schnell wachsende Bevölkerungen, wie wir sie heute im Orient, in Pakistan und in Indien haben, ganz grundsätzlich für Sicherheitsprobleme sorgen, weil mehr Söhne nachwachsen als angemessene Plätze in der Gesellschaft von den Vätern freigemacht werden. Die überschüssigen Söhne sind dann in der Regel diejenigen die im Ausland und Kriegen ihr Glück suchen. Europas Aufstieg, die Eroberung der Welt durch die Europäer und die Besiedelung Amerikas, Australien und Neuseelands durch die Europäer war im wesentlichen auch eine Folge dieses von Heinsohn beschriebenen Phänomens. Heute haben die Europäer weniger Söhne als Väter Stellen räumen UND andere, nichteuropäische Völker haben ein noch größeres Bevölkerungswachstum als Europa früher, UND die Länder mit dem hohen Bevölkerungswachstum haben massive Wasser- und Umweltprobleme, so daß auf die Söhne dort faktisch sogar noch weniger gute Stellen warten als die Väter hatten. Manche dieser Länder sind zudem Atommächte.

James Howard Kunstler

Jeden Montagabend lese ich inzwischen Kunstlers Clusterfuck Nation – Blog[dt.: Internettagebuch über die Nation (USA), wo alles durch Inkompetenz und Kommunikationsmängel schief geht].

Kunstler hat zwei Sachbücher und drei Romane über das Ende des Ölzeitalters, das Erreichen der Grenzen des Wachstums und andere sich parallel dazu entwickelnden Katastrophen des 21. Jahrhunderts geschrieben. Die Sachbücher sind das 2006 erschienene und 2009 um ein Nachwort erweiterte The Long Emergency: Surviving the End of Oil, Climate Change, and Other Converging Catastrophes of the Twenty-First Century [Der Lange Notfall: Überleben des Ende des Öls, des Klimawandels und anderer sich aufeinander zu bewegender Katastrophen des 21. Jahrhunderts], und das 2012 erschieneneToo Much Magic: Wishful Thinking, Technology, and the Fate of the Nation [dt.: Zuviel Magie: Wunschdenken, Technology und das Schicksal der Nation].  Mit “Zuviel Magie” meint Kunstler den weit verbreiteten Glauben, dass Wissenschaft und Technologie für die Energieprobleme  rechtzeitig geeignete Lösungen finden werden.   Kunstler zeigt überzeugend, dass dieser Glaube nichts weiter als naives Wunschdenken ist. Natürlich wird das Leben weitergehen, wenn das Öl und andere Rohstoffe für uns nicht mehr bezahlbar sind, nur eben nicht so wie das die meisten heute denken und hoffen, sondern eher so wie es vor 150 bis 200 Jahren war. Insbesondere in  Too Much Magic geht Kunstler auch auf die zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen und die Entwicklung der Städte und Dörfer ein. Seine Vorhersage ist, dass die großen Städte drastisch schrumpfen werden.  Das Leben wird sich wieder mehr auf dem Land, in Dörfern und Kleinstädten abspielen. Die Masse der Bevölkerung wird wieder, wie in der meisten Zeit der Menschheitsgeschichte, mit der Nahrungsproduktion beschäftigt sein. Statt großer Landmaschinen werden neben Landarbeitern auch wieder viele Zugtiere eingesetzt werden.  Transport wird in Zukunft voraussichtlich, eben nicht mit Elektro- oder Wasserstoffautos, sondern eher wie wie vor 150 Jahren, wieder  mit Segelschiffen, Eisenbahnen und Pferdefuhrwerken erfolgen.

J.H. Kunstler hat auf Basis der Daten, Nachforschungen, Beobachtungen und Überlegungen, die er in seinen beiden Sachbüchern präsentiert die drei futuristischen Romane

  • A World Made by Hand [dt.: Eine mit der Hand gemachte Welt],

  • The Witch of Hebron [dt.: Die Hexe von Hebron] Das Hebron im Roman ist ein kleiner Ort am Hudson-Fluss und

  • A History of the Future [dt.: Eine Geschichte der Zukunft]




geschrieben, die „das Leben in der nahen Zukunft″, einige Jahre nach dem Zusammenbruch der USA schildern. Der neuste dieser Romane, A History of the Future, ist erst im August 2014 erschienen. In diesem kommt ein junger Mann nach 2 Jahren zurück in die Kleinstadt, die das Zentrum in allen drei Romanen ist. Weil es kein Fernsehen, keine Telefon, keine Funkverbindung und  keine Zeitungen mehr gab, wollte dieser junge Mann zusammen mit einem Altersgenossen erkunden, wie das Leben im Rest der USA sei und ob man dort vielleicht besser leben könne.  Er hat auf seiner Reise interessante Dinge gesehen und erfahren. Der Schiffsverkehr findet auf den großen Seen mit Segelschiffen und auf den Kanälen mit von Treidelpferden oder von Maultieren gezogenen Lastkähnen statt. Hauptverkehrsmittel sind Pferde.  Um Haaresbreite kann er mit einem tödlichen Pistolenschuß und brutaler Gewalt verhindern, dass er und sein Freund in Ketten gelegt und als Sklaven beschäftigt werden.  Dabei raubt er dem Haupttäter soviel Gold und Silber, dass sie sich nach der Flucht in einer Hafenstadt am Eriesee ein Segelboot kaufen können. Nach einiger Zeit geraten sie in einen Sturm, der Freund geht über Bord, das Boot kentert und die Hauptperson, er,  wird später von einem Segelschiff der US-Navy gerettet.  An Bord ist eine Diplomatin, die im Auftrag der Rest-USA mit Kanada verhandeln sollte.  Diese Diplomatin erzählt in groben Zügen, was in der Welt und in den USA passiert ist. Die USA sind in mehrere Teile zerfallen, die teilweise miteinander Krieg führen. Im Süden sind die Farbigen, in der Mitte ist ein faschistisches Reich entstanden, wo eine ex-Countrysängerin als weiblich-amerikanische Hitlerkopie regiert.  Im Osten und Norden gibt es noch ein Gebiet, das sich als Nachfolger der alten USA versteht.  In England soll es heftige Rassenunruhen gegeben haben.  Deutschland hätte sich mit Beschluß des Parlamentes geordnet ins Mittelalter zurückgezogen [has gone medival] . Russland hätte das auch getan, nur chaotischer.

Die Hauptperson erhält dann den Auftrag, die auf junge Männer stehende Diktatorin im faschistischen Teil der USA zu ermorden. Den Mord führt er dann auch aus. Er erlebt vorher aber noch einiges im Reich dieser modernen Faschisten.  Zum Beispiel finden dort noch, wenn auch nur in bescheidenem Maßstab, Autorennen statt und die Diktatorin wohnt in einem Palast mit Klimaanlage und elektronischen Geräten zum Musik abspielen, und sie hat eine Luxuslimosine zur Verfügung.  In der Hauptstadt hat man stunden weise sogar noch eine Straßenbeleuchtung. Möglich ist dieser Rest heutiger Moderne, weil man noch eine kleine Ölquelle hat, von der das Öl für die Hauptstadt mühsam mit Pferdewagen herangeschafft wird. Im wesentlich wird die Bevölkerung in dem faschistischen Teil der USA brutal ausgebeutet, um der Oberschicht noch ein wenig vom Glanz und Technikgenuß der untergegangenen US-amerikanischen Gesellschaft zu ermöglichen.

In dem schon in den ersten beiden Romanen beschriebenen kleinen Ort in der Nähe des Hudson-Flusses, im nördlichen Bundesstaat New York, sind die Menschen Landarbeiter auf den in der Nähe liegenden Farmen. Manche sind Handwerker, es gibt zudem einen Arzt und einen Zahnarzt, die Lösungen suchen müssen, weil es keinen Strom, keine industriell gefertigten Medikamente, kein Einwegmaterial und auch keinen Nachschub an Ausrüstung und Instrumenten mehr gibt. Es gibt ferner Händler, eine Gruppe Menschen verdient ihren Lebensunterhalt damit,  Müllhalden nach brauchbarem Gegenständen suchend umzugraben und leerstehenden Häuser auszuschlachten. Es gibt einen Prediger, der auch der einzige Polizist ist und es gibt eine Gruppe Zugereister  von einer christlichen Sekte, die vor Rassenunruhen im Süden geflüchtet ist.  In der Nähe der kleinen Stadt gibt es einen Großgrundbesitzer, dessen Arbeiterfamilien eher eine Rolle wie Leibeigene im Mittelalter spielen.  Morde, Raubüberfälle, Bandenkriminalität, ein Kinderhändler und Prostitution kommen in den Romanen auch vor.   Ein großer Teil der Bevölkerung ist durch eine Pandemie von der Art der spanischen Grippe und durch eine Reihe andere ansteckende Krankheiten gestorben.  Kunstler versucht, verschiedene soziologische und psychologische Aspekte einer solchen Schrumpfung und Desintegration der Gesellschaft darzustellen. Alleinerziehende Mütter gibt es z.B. nicht mehr. Als im ersten Roman der Mann einer jungen Mutter durch ein Verbrechen umkommt und dann auch noch ihr Haus abbrennt, wird sie kurzerhand Haushaltshilfe und Lebensgefährtin der Hauptperson des ersten Romans, – weil eine Frau in dieser neuen Zeit alleine nicht mehr überleben kann. Die “Hexe von Hebron” ist eine Ausnahme. Sie lebt alleine in einem einsamen Gehöft. Ihre Spezialität ist, Männern die gegen Geld und Tauschgüter in ihrem Haus schlafen erotische Phantasien zu verschaffen. Es gelingt ihr damit sogar dem Pastor des kleinen Ortes seine Potenz zurückzugeben und damit dessen Eheleben aufzufrischen. Aber es gibt dann auch die Szene wo ein Raubmörder versucht die “Hexe von Hebron” zu vergewaltigen, als der zufällig in der Nähe befindliche, entlaufene 12-jährige Sohn des Arztes dazukommt und den Verbrecher beherzt mit einem Messer tötet.  Der selbe Junge führt im selben Haus dann auch eine Blindarm-Operation durch. Natürlich mit primitiven Mitteln und erfolgreich mit glücklichem Ausgang der Geschichte. Die Romane berichten auch von vielen Fällen wo Menschen verzweifelt sind und mit der neuen Situation nicht zurecht kommen. Kunstler zeigt aber auch ein breites Spektrum von Menschen, die mit der neuen Situation gut zurecht kommen. Die Botschaft, dass ein Zusammenbruch unserer technischen Zivilisation keinesfalls ein Weltuntergang ist, sondern dass das Leben danach weitergeht. Die Werte der Menschen sind andere und vieles was heute selbstverständlich und normal ist, wäre dann nicht mehr normal und umgekehrt. Für manche wäre das Leben unerträglich, während andere sich mit der neuen Zeit und ihren Chancen gut arrangieren würden.

Kunstlers Romane zeigen im Wesentlichen die moderne, amerikanische Gesellschaft mehrere Jahre nach einem eher langsamen, sich über Tage, Wochen und Monate hinziehenden, allmählichen Zusammenbruch. One Second After und ähnliche Romane etwa über EMP-Ereignisse, zeigen dagegen die moderne Gesellschaft unmittelbar nach und in den Monaten nach einem extrem plötzlichen Zusammenbruch. Beide Szenarien sind denkbar, insbesondere in Europa sogar noch in Kombination mit einem Krieg, bei dem zum Beispiel die Truppen eines extremen islamistischen Gottesstaates Europa angreifen und die konventionellen Streitkräfte zusammenbrechen, während die USA als Verbündeter ausfallen und während in England und Frankreich Bürgerkriege toben. Hilfe von Aussen wären in keinem der Fälle mehr zu erwarten. Kunstlers Szenarium eines langsammen Zusammenbruchs ist bei alledem die harmloseste Variante. Aber selbst damit wären wir heute in Deutschland überfordert.

Seit ich vor 2 Jahren die beiden Romane gelesen habe, habe ich mich immer wieder gefragt, was man tun könnte, um die Folgen eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation möglichst erträglich und die Verluste und Schäden möglichst gering zu halten. Außerdem habe ich mich gefragt ob und wie man von diesen Bedrohungsszenarien vielleicht sogar profitieren kann.

Nichts tun und glauben, dass entweder nichts passiert oder dass der Staat und die Regierung schon rechtzeitig das Beste tun werden ist die bequemste, beliebteste aber meines Erachtens auch die dümmste und verantwortungsloseste Lösung. Leider hat Vorsorge in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland aber auch wenig Sinn wenn man sie nur als einzelner betreibt.  Im Ernstfall wird man dann voraussichtlich kurzerhand ermordet und ausgeraubt, oder/und der Staat konfisziert in seiner Not alles was man an Lebensmitteln und anderen Hilfsmitteln und Vorräten hat.  Was bleibt dann noch an Möglichkeiten?  Nichtstun, sich auf Selbstmord einstellen und das Leben genießen solange es noch genießbar ist, oder auswandern? Beides sind durchaus vernünftige Lösungen.

Aber was mit denen die Kinder haben, die nicht auswandern können, und die ihr Leben im Ernstfall nicht einfach wegwerfen wollen und die trotzdem vernünftig handeln und den Kopf nicht einfach in den Sand stecken wollen? Für diese gilt Folgendes:

  • Man braucht zunächst Familienverbände, Dorfgemeinschaften, Nachbarschaften und auch Vereine und Gemeinden, die sich darin einig sind, dass unser Staat und die Infrastruktur zusammenbrechen könnten und das man zusammen etwas tun sollte und auch könnte. In Großstädten hat man im Ernstfall so gut wie keine Überlebenschancen, aber in Kleinstädten und Dörfern wird man oft gut überleben können, wenn…



  • Man müsste rechtzeitig anfangen eine robuste, lokale Lebensmittelversorgung aufzubauen. Diese sollte zumindest ausreichen, um im Ernstfall eine Hungersnot in der eigenen Gemeinde zu verhindern. Robust heißt, dass man auch ohne von der Industrie gelieferte Dinge wie Diesel, Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel, Ersatzteile und fremdes, nicht nachziehbares Saatgut auskommt. In weniger fruchtbaren Mittelgebirgslagen wie der Eifel wird das nur gelingen, wenn man rechtzeitig in systematische Bodenverbesserung und Gartenbau investiert, wie dies zum Beispiel in den Büchern Mini-Farming – Autark auf 1000 Quadratmetern von Brett L Markham und How to Grow More Vegetables(, and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops) Than You Ever Thought Possible on Less Land Than You can Imagine [dt.: Wie man mehr Gemüse, Früchte, Nüsse, Beeren, Körner und andere Feldfrüchte anbauen kann als Sie je gedacht haben, auf weniger Land als sie sich vorstellen können] von John Jeavons beschrieben wird. Die Geschichtsbücher der Eifel – und sicher auch die vieler anderer Gegenden – sind beunruhigend, weil sie zeigen, dass die klassische Landwirtschaft in diesen Gegenden selbst für viel kleinere Bevölkerungsdichten früher kaum bis oft nicht ausgereicht hat, um genügend Nahrungsmittel zu produzieren. Es könnte mit dem Wissen und den Informationsmöglichkeiten, die derzeit vorhanden sind bei rechtzeitigem Beginn aber gelingen, eine krisenfeste, lokale Nahrungsmittelproduktion aufzubauen.
  • Neben der Nahrungsmittelversorgung ist der Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, und gerade wenn man Gärten anlegt, auch eine bei langfristigem Stromausfall funktionierende Bewässerung wichtig.
  • Man sollte darüber nachdenken und nach Lösungen suchen, wie man genug Wohnraum ausreichend und ohne Raubbau an der Umwelt heizen kann, wenn Strom, Elektronik, Gasversorgung und Heizöllieferungen vollständig für lange Zeit oder für immer ausfallen.


  • Jede Vorsorge ist völlig sinnlos, wenn man im Ernstfall das Leben und die Vorräte nicht wirksam verteidigen kann. Raub, Raubmord und Bandenkriminalität werden in Krisensituationen sehr weit verbreitet sein. Man muss damit rechnen, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr funktioniert und dass Kriminelle auf verschiedenen Wegen gut mit illegalen Waffen versorgt werden. Dörfer und kleine Städte deren Bürger es nicht schaffen, wirksam und legal gemeinsam die Sicherheit zu gewährleisten, werden keine Überlebenschancen haben. Ideal wäre vor diesem Hintergrund, wenn wir in Deutschland eine Milizarmee ähnlich wie die Schweiz bekämen.  Am Besten würde man eine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und mindestens 60 einführen, wobei die älteren Berufstätigen jedes Jahr wenigstens einige Wochen zum Training einrücken müssten.  In einer Welt, die an die Grenzen des Wachstums stößt, wäre das zumindest für ein Land wie Deutschland die beste, demokratischste  Lösung.  Man wird das selbstverständlich nicht tun und man wird meinen Vorschlag voraussichtlich ziemlich verrückt finden – bis wieder einmal, wie schon 1529 und 1683,  die Truppen eines Kalifat vor Wien stehen und zum weiteren Vorstoß nach Deutschland antreten, oder bis eine Katastrophe unsere moderne Infrastruktur zerstört und das Land ins Chaos gestürzt hat.  Statt einer politisch nicht durchsetzbaren Maximallösung könnte man aber zumindest die bestehenden Gesetze und Möglichkeiten nutzen. Man könnte mehr Schützenvereine gründen. Man könnte mehr Schießstände mit 100, 200 und 300 m Bahnen bauen.  Bestehende Schützenvereine könnten soweit notwendig zu Dachverbänden wechseln die das Training und Wettkämpfe mit Waffen erlauben, mit denen im Ernstfall eine wirksame Verteidigung möglich ist.  Davon abgesehen ist Schießen auch eine sehr nützliche Form der Meditation und eine gute Übung, um den eigenen Realitätsbezug zu testen.  Beim Schießen und beim Programmieren von Computern kann der Mensch objektiv immer wieder Gefühl und Denken mit der Realität abgleichen.  Die Löcher sind tatsächlich ungefähr da in der Zielscheibe wo man sie haben wollte, oder sie sind nicht dort.  Eine derart gnadenlos objektive Rückmeldung über Unterschiede zwischen Wollen, Denken und tatsächlichen Können schadet nicht.  Anderseits kann in einer Krisensituation allein das Wissen um die Existenz eine Vielzahl guter Schützen Leben retten und Verbrechen von vorne herein verhindern.


  • Man denke zum Thema Sicherheit auch an den Fall des Norwegers Breivik. Der hat mit seiner Pistole und seinem halbautomatischen Gewehr in etwa 90 Minuten 68 Menschen getötet.  Man stelle sich vor, dass einige zigtausend IS-Kämpfer in Deutschland Wochen und  Monate lang, jeden Tag von morgens bis abends mit solchen Waffen wüten könnten.  Wenn man genug besonnene, gute Schützen hätte wäre der Spuk sehr schnell vorbei und es gäbe kaum Tote – sofern das Wissen um die viele guten Schützen in Deutschland nicht sowieso schon durch pure Abschreckung gewirkt hätte.  Wenn man wissen möchte was passieren kann, wenn man nicht die Möglichkeit hat dem Bösen mit Gewalt Einhalt sind die Bücher Die Lust am Bösen – Warum Gewalt nicht heilbar ist von Egon Sorg und  Zeit der Macheten – Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda von Jean Hatzfeld sehr zu empfehlen. Es gibt Situationen, in denen Waffen genauso wie das Werkzeug eine Chirurgen oder Zahnarztes sinnvoll und nötig sind, um schlimmeres zu verhindern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass solche Krisenszenarien noch ganz anderen Zwecken dienen können als auf den ersten Blick erkennbar ist. Wenn man lokal eine krisenfeste, das heißt auch ohne Industrieprodukte funktionierende Nahrungsmittelproduktion aufbaut, dann steigert das nicht nur die Überlebenschancen der betreffenden Gemeinen bei einer allgemeinen Hungersnot, sondern es kann auch die Qualität der Ernährung in mitten fetter Friedenszeiten verbessern, weil die Nahrungsmittel gesünder und frischer sein könnten.

Wenn die Menschen annehmen, das dass Aufrechterhalten der medizinischen Versorgung und die Versorgung industrielle hergestellten mit Medikamenten schlechter werden oder sogar für lange Zeit völlig ausfallen könnten, dann wäre das ein Anreiz gesundheitsbewusster zu leben. Es könnte ein Anreiz sein mehr Sport zu treiben, gesunder zu essen, abzunehmen und auch Zähne und Zahnersatz gut zu pflegen. Insgesamt könnte man damit die Lebensqualität steigern und die Kosten des Gesundheitswesens reduzieren.

Für ländliche Gegenden wie die Eifel könnte der demographische Trend umgekehrt werden. Es könnten wieder mehr Menschen von den Städten auf das Land ziehen. Das würde aber nur funktionieren, wenn/wo geeignete Maßnahmen von den Gemeinden und den ortsansässigen Vereinen getroffen würden. Damit das funktioniert schlage ich vor, dass man Vereine zur Verbesserung der Überlebenschancen in Katastrophenfällen e. V. gründet. Diese könnten zusammen mit schon vorhandenen Vereinen, wie etwa Schützenvereinen, Vereinen zur Pflege des Brauchtums und alter Handwerkskünste und Gartenbauvereinen zusammenarbeiten oder wenn diese Vereine fehlen, deren Funktion mit übernehmen. Ob das Wirtschaftswachstum von einer Sekunde auf die andere durch ein extremes Ereignis, extrem negativ wird, oder ob es über Tage, Wochen und Monate sinkt und die Importe und Stromversorgung langsam wie in Kunstlers Romanen zusammenbrechen, die Vorbereitung wäre ähnlich und solche Vereine könnten das Wissen, die Möglichkeiten und Initiativen zusammenbringen, um die Bevölkerung auf möglichst breiter Basis krisenfest zu machen und um die Überlebenschancen zu verbessern. Die Existenz und Arbeit solcher Vereine könnte in ländlichen Gegenden wie der Eifel auch in fetten Friedenszeiten die Dörfer wieder insbesondere auch für junge Familien attraktiver machen, sowie die Lebensqualität, die Gesundheit der Bevölkerung und die Infrastruktur verbessern. Man könnte von den Grenzen und dem Ende des Wachstums durchaus profitieren.

Kelberg, den 23. August 2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker