Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen

Was kommt heraus, wenn ein Anthropologe und Professor für Nachhaltigkeit, der sich mit dem Untergang von Zivilisationen beschäftigt hat, mit einem Ingenieurwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Öl- und Geosystemingenieurwesen zusammensetzen,

und die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zum Anlass nehmen, in einem gemeinsamen Buch ganz grundlegend über Energie, Peak Oil, Komplexität, Wissenschaft und Technik, die Rolle und Quelle der Energie beim Aufstieg und Fall von Zivilisationen und über Tiefseebohrungen und die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu schreiben?
Das Ergebnis ist das 2011 erschienene Buch Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma.  Das Buch ist auch  hier als pdf-Datei im Internet verfügbar.
Das Buch deckt auf über 240 Seiten ein breites Spektrum mit soviel Fakten, Phänomenen, Graphiken und Bildern ab, dass man es nicht wirklich zusammenfassen kann. Man muss es eigentlich lesen. Leider gibt es aber bisher keine deutsche Übersetzung, weshalb ich im Folgenden versuche zumindest die meines Erachtens wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Buch wiederzugeben.

Technologischer Optimismus

Mit der Lektüre begonnen habe ich mittendrin, nachdem ich das Stichwortverzeichnis überflogen und dort, ganz am Schluss, das Stichwort „Technologischer Optimismus“ gefunden habe. Was die Autoren dazu schreiben, hat mich fasziniert:
Das heute weit verbreitet quasi-religiöse Vertrauen in „den Markt“ und in den Erfindungsreichtum der Ingenieure und Naturwissenschaftler,  ist nicht berechtigt.  Vor allem in Kapitel 3 zeigen Tainter und Patzek warum:
Auch in Wissenschaft und Technik werden die am tiefsten hängenden Früchte zuerst geerntet. Die am einfachsten, mit dem geringsten Aufwand möglichen, am meisten bringenden Erkenntnisse und Erfindungen werden zuerst gemacht. Weitere Innovationen erfordern einen immer höheren Aufwand an Personal und Energie und liefern einen immer geringeren Ertrag bzw. Fortschritt.  Die Produktivität der Tätigkeit der einzelnen Wissenschaftler und Erfinder wird mit der Zeit immer geringer.  Ferner wächst die Zahl der Menschen, die für eine neue Entdeckung oder Erfindung im Mittel benötigt werden.  Die Autoren belegen diese Behauptungen mit einer Reihe von historischen Beispielen und Grafiken.

Die praktische Folge ist:

  1.  Innovationen werden immer teurer. Der Versuch, sie zu erzeugen, bindet immer mehr Personal.  In Gedanken kann man das bis zu dem Punkt fortführen, an dem die gesamte Gesellschaft mit Forschung und Entwicklung beschäftigt ist und ihre gesamte Energie dafür aufwendet, um noch letzte fast unendlich geringe Verbesserungen zu realisieren.  Lange vorher wäre eine solche Gesellschaft nicht mehr lebensfähig, weil für alle anderen Bereiche, wie etwa die Energiegewinnung und Nahrungsmittelproduktion die Ressourcen zu knapp würden.
  2. Der scheinbar extrem große Strom an Innovationen in unserer Zeit erklärt sich mit dem hohen weltweiten Aufwand für Forschung und Entwicklung, der heute betrieben wird. Noch nie hat die Menschheit insgesamt so viele Wissenschaftler und Ingenieure beschäftigt wir heute.
  3.  Das Potential von Forschung und Entwicklung zur Lösung unserer absehbaren Energie- und Umweltprobleme ist trotz des weltweit extremen Aufwandes sehr viel geringer als allgemein angenommen.  Der Glaube, dass Wissenschaft und Technik unsere Probleme  schon irgendwie lösen werden, kann als Aberglaube betrachtet werden.  Zumindest sollte man aber vorsichtig sein und sicherheitshalber damit rechnen, dass Forschung und Entwicklung unsere Energie- und Umweltprobleme aus prinzipiellen Gründen nicht, oder bei weitem nicht so gut wie allgemein erhofft, lösen können.

Jevons Paradox oder Rebound-Effekt

Der Begriff geht auf William S. Jevons (1835-1882) zurück. Es handelt sich um die paradoxe Beobachtung, dass Energieeinsparungen durch technologischen Verbesserungen eher zu einer Steigerung des Energieverbrauchs als zu einer Verminderung führen. Der Grund ist, dass durch die Einsparung Mittel für weiteren Konsum und auch für weiteren Energieverbrauch freigesetzt werden. Beispiel: Weil die Heizkostenrechnung dank guter Isolierung geringer ist, werden die Leute mehr Zimmer auf höhere Temperaturen heizen und sie werden außerdem mit dem Gesparten Geld vielleicht noch eine Flugreise unternehmen.  Aktuell rechnet man, dass der Rebound-Effekt 60 % der Energieeinsparung wieder zunichte macht.

Risikomanagement

Das 8. Kapitel des Buches beschäftigt sich mit Hintergründen und Details der technischen Fehler und der Managementfehler, die zur Ölkatastrophe im Golf von  Mexiko geführt haben.  Dabei werden auch andere Katastrophen wie das Unglück der Space Shuttle Challenger betrachtet und es wird nach allgemein gültigen Schlußfolgerungen gesucht.  Sie zitieren dabei auch aus Richard Feynmans Schlußfolgerung seiner Untersuchung des Space Shuttle Unfalls. Das Zitat ist im folgenden wiedergegeben. Wie in Tainter und Patzeks  Buch, sind bestimmte Wörter “[Fahrzeug]”,  “[Shuttle]” und ähnliche in Klammern gesetzt und der Leser wird gebeten sie durch passende Wörter einer anderen Katastrophe, die er gerade betrachtet zu ersetzen:

Es scheint, dass es enorme Meinungsunterschiede bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gibt, bei dem ein [Fahrzeug] oder/und menschliches Leben verloren geht. Die Schätzungen lagen im Bereich von grob 0,01 (1 zu 100) und 0,00001 (1 zu 100.000). Die höheren Zahlen kommen von arbeitenden Ingenieuren und die sehr niedrigen Zahlen vom Management. Was sind die Ursachen und Konsequenzen dieses Mangels an Übereinstimmung? Da eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100.000 bedeuten würde, dass man ein [Shuttle] pro Tag, 300 Jahre lang starten könnte und dabei nur ein einziges verlieren würde, könnten wir korrekt fragen “Was ist die Ursache für den phantastischen Glauben des  Managements in die Technik?” Wir haben ebenso herausgefunden, dass Zertifizierungskriterien für [Flugbereitschafts]-Berichte oft eine graduell nachlassende Genauigkeit entwickelten. Das Argument, dass  dasselbe Risiko vorher ohne Versagen [geflogen] wurde, wird oft als Argument dafür akzeptiert, dass es sicher ist, es wieder zu akzeptieren. Deshalb werden offensichtliche Mängel wieder und wieder akzeptiert, oft ohne ausreichend ernsthafte Versuche, sie zu beseitigen oder einen [Flug]  wegen der weiterhin bestehenden Mängel zu verzögern.

Soweit das Zitat des Zitats von Richard Feynman.

Eine andere in dem Buch erwähnte Beobachtung ist, dass bei katastrophalen Unfällen regelmäßig kleine, wenig im Vergleich zum Schaden und so gut wie nichts kostende Details, Schäden in Milliardenhöhe verursacht haben. Schlechtes Management,  schlechtes Urteilsvermögen und schlechte Handwerksarbeit seien zudem immer beteiligt und so gut wie unmöglich zu vermeiden.

Eine grundlegende Einsicht ist, dass es keinen Sinn macht, bei einer Problemlösung bzw. bei einem Projekt mehr als einen Superlativ anzustreben.  Die Autoren beziehen sich dabei auf das Buch Human Behavior and the Principle of Least Effort:  An Introduction to Human Ecology von George Kingsley Zipf.  Praktisch heißt das, dass z.B. das für  die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verantwortliche Management von BP den Fehler gemacht hat, maximale Sicherheit und minimale Kosten als Ziele anzusehen. Eine solche Zielsetzung ist aber unbestimmt und wertlos, weil sie Zielkonflikte verursacht. Man kann nur einen Superlativ erreichen. Die Folge dieses Managementfehlers bei BP waren extrem mehr als maximale Kosten und der größtmögliche Unfall.
Für mich waren das interessante Denkansätze, die z.B. auch erklären helfen, warum Rüstungsprojekte immer teurer werden als geplant und warum wir das Schlimmste für das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten und Bürger als Folge der “Arbeit” unser Verteidigungsministerin und ihrer externen BeraterInnen befürchten sollten.  Wehe uns, wenn wirklich wie in den letzten 1500 Jahren mindestens 5 mal geschehen, von außerhalb Europas mächtige Gegner überraschend angreifen.

Das Kapitel 8,  Warum das Golf-Desaster passierte, zeigt aber auch, warum hochkomplexe Rüstungsprojekte und Systeme oft nicht funktionieren und es zeigt, dass die Atomkraftgegner im Bezug auf die Sicherheit von Atomkraftwerken und der zugehörigen Systeme durchaus mehr recht haben könnten als das Management der betroffenen Firmen.

Vor- und Nachteile von Komplexität

Mit einem geringen Mehr an Komplexität kann man zunächst oft hohe Gewinne und gute Problemlösungen erzielen.  Komplexität kann Leben retten, Gesellschaften vor dem Untergang bewahren und das Erreichen vieler Ziele überhaupt erst möglich machen.

Jede Steigerung der Komplexität hat aber auch einen Preis. Sie erfordert zusätzlichen Aufwand und sie kostet Energie. Zunächst sind die Gewinne aber oft so groß, das diese Kosten bedeutungslos sind.  Komplexität erzeugt jedoch nicht nur Kosten, sondern auch zusätzliche Probleme,  deren Lösung wiederum eine Steigerung der Komplexität erfordern.  Kosten sind hier nicht nur Kosten in Geld, sondern auch Kosten an Energie.

Mit bei jeder Steigerung der Komplexität bleiben aber die Kosten für die schon vorhanden Komplexität bestehen. Die Kosten für die Gesamte Komplexität steigen also immer weiter. Der zusätzliche Gewinn oder Vorteil durch eine Steigerung der Komplexität wird immer kleiner. Irgendwann erreicht man dann einen Punkt an dem die Kosten für jede weitere Steigerungen der Komplexität größer als die Vorteile werden.  Wenn man diesen Punkt erreicht hat, zerstört man das System, wenn man versucht weitere Probleme mit einer zusätzlichen Steigerung der Komplexität zu lösen.

In dem Buch von Tainter und Patzek geht es vor allem um Erdöl.  Für Deutsche, vor allem wenn sie wie ich ursprünglich aus dem Ruhrgebiet kommen, ist die Geschichte des Kohleabbaus mit dessen allmählicher Komplexitätssteigerung vielleicht interessanter oder mindestens genauso interessant.  Hier daher zunächst ein Link auf den Wikipediaartikel zum Ruhrbergbau.  Dort ist gut beschrieben, wie immer neue Probleme durch steigende Nachfrage nach Kohle und sich erschöpfende Lagerstätten zu immer komplexeren und auch zu immer mehr Energie und Kapital kostenden Problemlösungen führten.  Heute kann man mit schlitzohrigem, vorgetäuschten Optimismus ohne zu lügen sagen, dass unter dem Ruhrgebiet noch immer sehr viel mehr Kohle liegt als man jemals wird abbauen können. Die Wahrheit ist aber auch, dass der früher hohe Gewinne einbringende Ruhrbergbau seit vielen Jahren so teuer ist, dass er hohe Verluste produziert und nur durch staatliche Subventionen am Leben gehalten werden konnte. Man kann auch sagen, dass wir dank  dem dem noch billigen Öl anderer Länder uns den Luxus leisten konnten, im Ruhrgebiet noch Kohle abbauen zu können. Der wichtigste Grund für den Ruhrbergbau war zum Schluss nicht mehr die Energiegewinnung, sondern der Umstand, dass wir Bergbaumaschinen für andere Länder bauen und für die Entwicklung und Erprobung den Ruhrbergbau brauchten.

Erdöl kam teilweise an der Erdoberfläche vor und  wurde schon vor 12000 Jahren verwendet.  Die ersten Bohrungen erfolgten 1856 und1858 in Norddeutschland. Bei der bekannteren ersten “Ölbohrung” in den USA, 1859, hat man 3 m lange Eisenrohre nacheinander in den Grund gehämmert und schon in nur  21 m Tiefe Öl gefunden.  Auf  der Suche nach weiteren Ölfeldern und mit der Erschöpfung der einfachen, leicht zu erschließenden Ölfelder wurde es immer schwieriger, komplizierter und teurer, Öl zu fördern. Heute bohrt man in bis zu etwa 3000 Meter Wassertiefe im offenem Meer mit seinen Stürmen, Wasserströmungen und Wellen. Die tiefste Ölbohrung geht 12345 m tief unter die Erdoberfläche, wo eine Temperatur von 204 °C herrscht. Die im Golf von Mexiko gesunkene Bohrplattform Deepwaterhorizon hatte vor dem Unfall schon einmal 10683 m tief gebohrt. Das Bohrloch, bei dem der Unfall passierte, war “nur” 5577 m tief.  Es sollte auf Wunsch des Auftraggebers 6156 m tief gebohrt werden, aber man kam in diesem Fall nicht tiefer.  Die Baukosten der Bohrinsel hatten ca. 1 Milliarde Dollar betragen und der Einsatz kostete etwa 1/2 Million Dollar pro Tag.  Die Kosten für den Unfall sollen nach neueren im Internet zu findenden Daten mehr als 42,7 Milliarden Dollar betragen.

Energie-Komplexitätsspirale

Das obige Beispiel mit der Ruhrkohle und dem Öl demonstriert bereits die in dem Buch erläuterte Energie-Komplexitäts-Spirale.

Wenn man bei einer endlichen Energieform wie dem Erdöl mehr Energie benötigt, dann steigt mit der Zeit die Komplexität der Problemlösung.  Mit steigender Komplexität steigt aber auch der Energiebedarf für die Problemlösung.  Außerdem entstehen durch die gestiegene Komplexität wieder neue Probleme, die ihrerseits wieder Lösungen erfordern, die die Komplexität und den Energieaufwand für die Energiegewinnung weiter steigern.

Wie das Beispiel der Kohle im Ruhrgebiet aus deutscher Sicht vielleicht am besten zeigt, kann man auf dieser Energie-Komplexitätsspirale nicht unbegrenzt weitermachen. Es kommt bei endlichen, immer schwieriger abzubauenden Rohstoffen irgendwann der Punkt, an dem der Abbau mehr Geld kostet als er einbringt.  Und es kommt auch der Punkt, an dem der Abbau mehr Energie kostet als er einbringt.  Von diesem Punkt an ist es völlig egal, welche Mengen des betreffenden Rohstoffes in dem betreffenden Gebiet noch in der Erde liegen.

Der die durch den Unfall der Bohrinsel Deepwater Horizon ausgelöste Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko war, wie die Nuklearkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima eine extrem viel Energie und Geld kostende Folge der durch den hohen Energiebedarf der modernen  Gesellschaften erforderlichen Steigerung der Komplexität der Energiebeschaffung.

Was passiert, wenn weitere Schritte auf Energie-Komplexitätsspirale mehr Energie kosten als sie einbringen und wenn anders als beim Ruhrbergbau keine billige neue Energiequelle bereit steht, um ein “weiter wie bisher” erträglich zum machen?

Tainter und Patzek führen historische Beispiele an.

Aufstieg und Niedergang des Römischen Reiches

Aufstieg und Komplexität der  modernen Industriegesellschaften ist die Nutzung der in Millionen Jahren von der Natur in Form von  Öl-, Gas- und Kohle gespeicherten und aufbereiteten Sonnenenergie.

Wie haben aber zum Beispiel die Römer die Energie für den Aufbau der Komplexität  und des Luxus in ihrer Zivilisation beschafft? Tainter und Patzek zur Folge konnten die Römer  bis ca. 50 n. Chr.  die Steigerung und Erhaltung der Komplexität ihres Reiches  durchführen, weil sie durch Eroberungen und Plünderungen fremder Völker zusätzliche, über ihre eigenen landwirtschaftlichen Erträge hinausgehende Energiequellen ausgebeutet haben.  Die gespeicherte, der Eroberung und Plünderung erschließbare Energie der anderen Völker bestand damals insbesondere in Edelmetallschätzen, in Sklaven und in Tributzahlungen an Rom.

Dabei gab es erstaunliche Parallelen zur Ausbeutung der fossilen Vorräte durch unsere heutigen Industriegesellschaften. Zunächst haben die Römer Völker in ihrer Nähe unterworfen, geplündert und sie dann als Verstärkung genutzt. Dann haben sie reiche Städte und Völker im Mittelmeerraum unterworfen und geplündert.  Mit der Zeit wurden aber die potentiellen Opfer immer weniger attraktiv. Der Weg zu den verbliebenen möglichen Opfern weiterer Eroberungen wurde länger, deren angehäufte Reichtümer waren oft nicht mehr so groß wie etwa bei den Ägyptern, Griechen oder bei Karthagern, und die potentiellen Opfer wurden wehrhafter. Die Niederlage der Römer im Teuteburger Wald,  der Bau des Limes in Deutschland und der Bau des Hadrianwalls in Schottland zeugen davon, dass das Römische Reich in diesen Bereichen an die Grenzen des militärisch sinnvollen und machbaren gestoßen war.  Die Erschließung neuer Energiequellen wurde für die Römer also immer unergiebiger und teurer. Gleichzeitig wollte man aber die Energie kostende Komplexität der Gesellschaft, das Reich, das Militär, die Verwaltung und für die Elite des Reiches auch den gewohnten Luxus erhalten.  Schulden machen war damals noch nicht in dem Umfang wie heute möglich.  Stattdessen hat man Steuern und Abgaben eingeführt bzw. erhöht und man hat die Währung abgewertet.

Der Silberanteil eines römischen Dinar lag ursprünglich bei 98-99%. Von etwa 50 n. Chr. bis zum Jahr 269 n. Chr. war der Silberanteil allmählich auf zuletzt nur noch 1,9 %, gefallen. Das Silber war schließlich im Wesentlichen nur noch eine dünne Silberschicht, die beim Gebrauch der Münzen rasch verloren ging. D.h., die staatliche Münzanstalt hat immer wieder hochwertige alte Denare eingesammelt, eingeschmolzen, den Silbergehalt durch Zugabe billiger Metalle verringert und konnte so zusätzliche Münzen produzieren. Als der Silbergehalt nicht mehr weiter zu verringern war, hat man zweimal neue Münzen eingeführt.  Weil auf diese Weise bei etwa gleichbleibender Energie und Nahrungsproduktion immer mehr Geld in Umlauf kam, kam es zur Inflation. Kostete im 2. Jahrhundert ein Modius Weizen (ca. 9 Liter) bei normalen Ernten noch 1/2 Denar, so wurde der Preis im Jahr 301 auf 100 Denar festgesetzt. Im Jahr 335 kostete ein Modius Weizen in Ägypten über 6000 Denar und 338 sogar über 10000 Denar.
Als das Reich zu zerfallen drohte, haben eine Reihe Reformkaiser, hauptsächlich Diokletian (284-305) und Konstantin (306-337), Reformen durchgeführt, indem sie die Größe und Komplexität der Verwaltung und der Armee vergrößerten. Die Besteuerung der Bürger wurde verstärkt, Bürger wurden dienstverpflichtet und der Staat regulierte das Leben und die Berufe der Bürger. Die Stärke der Armee wurde ungefähr verdoppelt, um mit dem Problem der zunehmenden Angriffe an den Grenzen des Reiches besser fertig werden zu können. Die Stärke der Verwaltung wurde ebenfalls ungefähr verdoppelt, um die höheren Ausgaben für Armee und Verwaltung  durch die neuen, höheren und strengeren Steuern finanzieren zu können und um Rebellionen in den Provinzen zu erschweren. Man hat ,um die Probleme des Reiches zu lösen die Komplexität und damit auch den Energiebedarf des Reiches gesteigert, während aber die Förderrate der Energiequellen (hauptsächlich die Ernten der Landwirtschaft) gleich blieben.  Das hat zunächst insoweit funktioniert, als die Sicherheitslage besser wurde. Die Folge war aber auch, dass die Steuern schließlich so hoch und die Methoden der Finanzverwaltung bei der Steuereintreibung so rücksichtslos waren, dass es sich für immer mehr Bauern nicht mehr lohnte, ihr Land zu bebauen. Bauern, die die Steuern nicht bezahlen konnten, mussten ihre Kinder als Sklaven verkaufen oder wurden Gefängnisse gesteckt oder haben versucht, bei anderen Bauern als Arbeiter unterzukommen. Damit wurde die Zahl und der Nachwuchs der Bauern geringer und es wurden zunehmend landwirtschaftliche Fläche aufgegeben. Die Folge war, dass die letzte große Energiequelle des Reiches, nämlich die landwirtschaftliche Produktion immer unergiebiger wurde.  Die Steigerung der Komplexität war also letztlich kontraproduktiv und führte zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Basis des Reiches. Damit konnte das Militär nicht mehr ausreichend bezahlt werden, als Folge davon konnten Angreifer an den Grenzen des Reiches erfolgreich Provinzen verwüsten und erobern, was wiederum die Besteuerungsmöglichkeiten weiter verschlechterte. Das Weströmische Reich geriet damit in eine Abwärtsspirale, die schließlich zu seinem Untergang führte.

Es gibt zu dieser Entwicklung des Weströmischen Reiches in mehrfacher Hinsicht Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft.  EU-Vorschriften, Verwaltung, Sozialgesetzgebung und Steuergesetzgebung sind auch bei uns heute so, dass  Arbeit sich nicht mehr wirklich lohnt.  Tainter und Patzek wollen aber auf eine andere, weitere Parallelität aufmerksam machen:  Die Erschließung neuer Erdöllagerstätten und überhaupt die Erschließung neuer Energiequellen wird immer komplizierter und teurer, und wir nähern uns dem Punkt, an dem der Aufwand für die Erschließung und Ausbeutung der Energiequellen und auch für die dabei entstandenen oder drohenden Umwelt- und Gesundheitsschäden mehr kostet als der Ertrag. D.h., wir nähern uns dem Punkt, an dem wir mit der Erschließung neuer Energiequellen die Energiebilanz unserer Gesellschaft nicht mehr verbessern, sondern verschlechtern.  Auch wenn wir diesen Punkt erreicht haben, werden wir immer weiter mit neuen Problemen konfrontiert, deren Lösung unseren Energiebedarf weiter steigert. Man denke nur an den aktuellen Zustrom an Asylanten, die indirekt durch Landgrabbing und gestiegene Lebensmittelpreise verursachte Krisen und Kriege getrieben zu uns flüchten, weil die Energiegewinnung weltweit immer schwieriger und teuer wird. Wenn es unbegrenzt billige, umweltfreundliche  Energie gäbe, würde kaum jemand nach Deutschland flüchten wollen. Allerdings steigern diese Flüchtlinge unseren Energiebedarf weiter. Auch das ist ein Teil unseres Teufelskreises.

Das Byzantinische oder Oströmische Reich

Müssen/Werden wir ähnlich wie das Weströmische Reich untergehen? Vielleicht nicht. Das Buch von Tainter und Patzek zeigt jedenfalls eine interessante Alternative, nämlich das Beispiel des Oströmischen oder Byzantinischen Reiches
Auch das byzantinische Reich wäre fast zerbrochen. Auch hier hatte man das Problem, dass die Energieproduktion weitgehend auf die Landwirtschaft begrenzt und damit konstant niedrig war, während die Kosten für Verwaltung und Militär zu hoch waren. Auch hier verlor man dadurch Provinzen am Rand des Reiches, was wiederum die Steuereinnahmen weiter reduzierte. Dazu hatte eine Pestepidemie im Jahre 541 ein 1/4 bis 1/3 der Bevölkerung getötet.  Der Sold des Militärs wurde in mehreren Schritten bis 659 auf 1/4 gekürzt und selbst das war am Ende mehr, als die Regierung bezahlen konnte. Was dann folgte, war eine bis heute in der Geschichte einzigartige Reform einer komplexen Gesellschaft:
Die Soldaten bekamen keinen Sold mehr, sondern es wurde ihnen Land mit der Bedingung zugewiesen, vererblichen  Militärdienst zu leisten. Die Soldaten mussten sich also durch Landbau selbst versorgen und man hat damit gleichzeitig die Kampfmoral gesteigert. Die Verwaltung wurde radikal reduziert. Die zur Finanzierung des Militärs bis dahin nötigen Verwaltungsbeamten wurden komplett eingespart. Die Provinz und die Zentralregierung wurde ebenfalls massiv vereinfacht. Die zivilen Provinzverwaltungen wurden mit den Militärverwaltungen zusammengelegt. Die Städte schrumpften zu befestigten Bergspitzen. Die Wirtschaft entwickelte sich zu einer mittelalterlichen Form die,  um sich selbstversorgende Gutshöfe herum organisiert war. Es gab nur noch wenig Bildung jenseits der Vermittlung einer grundlegenden Fähigkeit zum Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Literatur bestand aus wenig mehr als Geschichten über das Leben von Heiligen. Diese Periode wird manchmal das dunkle byzantinische Zeitalter genannt. Die Vereinfachung verjüngte das byzantinische Reich. Die Bauernsoldaten wurden zu Produzenten statt zu Konsumenten des Wohlstandes des Reichs. Durch die Senkung der Kosten für die militärische Verteidigung verbesserten die Byzantiner sogar den Ertrag dieser, ihrer wichtigsten Investition. Die Soldaten, die für ihr eigenes Land und ihre Familien kämpften, leisteten im Krieg nämlich mehr. Das Reich konnte sich in der Zeit nach diesen Reformen so gar wieder ausdehnen. Alles in allem hatte sich die Reichsgröße bis 840 ungefähr verdoppelt.
Die Byzantiner schafften es vom nahen Zerfall bis zur ersten Macht Europas und des Nahen Ostens zu bringen. Eine Leistung, die man durch die Reduzierung der Komplexität und der Kostenintensität der Problemlösung erreichte.
Tainter und Patzek erklären das Phänomen dann auch noch anhand des Energieflusses: Die Byzantiner antworteten auf einen niedrigeren Energiefluss, indem sie ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systeme vereinfachten und die Energieflussnetzwerke verkürzten.  Man hat für Transaktionen, wie das Einsammeln und Verteilen des für die Bezahlung der Soldaten und Beamten nötigen Geldes eingespart und hat damit  den Energieverbrauch und die Kosten reduziert,  während man gleichzeitig die Produktion verbessert hat.

In meinem obigen Ausführungen habe ich versucht, einige mir besonders wichtig erscheinende Aspekte aus dem Buch  Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma wiederzugeben und teilweise etwas zu ergänzen. Das wird dem Buch nicht wirklich gerecht,  denn es enthält einen Schatz an interessanten Grafiken, guten Bildern, verständlichen Erläuterungen von für jede ernsthafte Debatte über unsere Energie wichtigen Zusammenhängen, Naturgesetzen und Daten.  Dazu enthält es am Ende jedes Kapitels ein Liste mit weiterführender Literatur. Insgesamt ist das Buch ein exzellentes Lehrbuch zweier bemerkenswerter Professoren, das ein sehr breites Spektrum abdeckt. Einziger Nachteile des Buches:  Es gibt keine deutsche Übersetzung und man wünscht sich bei der Lektüre zeitweise, dass es eine revidierte, an den aktuellen Stand der Daten und Fakten angepasste Version gäbe.

Eine zweite in diesem Sinne verbesserte und erweiterte Auflage würde ich sofort kaufen.  Wenn es sich dabei auch noch um eine deutsche Übersetzung handeln würde, würde ich gleich mehrere Exemplare kaufen, um sie zu verschenken.

Die Energiewende in Deutschland bezieht sich nur auf Änderungen der Stromversorgung und auf das Heizen von Wohnungen.  Fragen  wie Mobilität, Transport und Landwirtschaft in Zukunft nachhaltig  erfolgen können, werden  ausgeklammert. Es werden lediglich technisch letztlich unter anderem aus Zeit und Ressourcen-Gründen nicht realisierbare Möglichkeiten wie Elektroautos diskutiert und man verlässt sich auf den quasi-religiösen Glauben, dass Markt, Wissenschaft  und Technik uns schon rechtzeitig auf wunderbare Weise Lösungen aus dem Himmel der Technologie- und Wissenschaftsgläubigen schenken werden.

Wer leben historisch gesehen in einer völlig abnormen Situation. Wir verbrauchen mit den fossilen Brennstoffen  in einer kurzen Zeit Vorräte, die nur einmal vorhanden sind, die nur einmal verbraucht werden können, die endlich sind und für deren Herstellung die Natur  viele Millionen Jahre benötigt hat.  Mehr als 2/3, nach neusten Schätzungen sogar bald 3/4 der Weltbevölkerung können heute nur leben, weil wir mit eben jenen fossilen Brennstoffen unter anderem auch Düngemittel herstellen.  Und das ist nicht das einzige Problem.

Wir werden freiwillig und vernünftig geplant sehr radikale Veränderungen unseres Lebensstils und unserer Gesellschaft vornehmen oder wir werden vom Fluss der Ereignisse vernichtet und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Wenn wir überleben wollen, brauchen wir unter anderem eine vernünftige, erwachsene Debatte über die mittel- und langfristige Zukunft unserer Energieversorgung und unseres Energieverbrauchs. Das oben vorgestellte Buch Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma von Tainter und Patzek kann uns dabei helfen.

Ostfriesland 10.10.2014

Christoph Becker

Nachtrag: am 3. November 2014 hatte ich dazu ein Interview mit Joseph Tainter übersetzt:  Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter




Pulverfass Saudi-Arabien

Bei einer Umfrage im letzten Sommer fanden 92 % der Befragten in Saudi-Arabien,  dass der IS („Terrorgruppe“ Islamischer Staat) sich mit den Werten des Islams und des islamischen Rechts im Einklang befindet ((http://www.al-monitor.com/pulse/politics/2014/07/saudi-families-refuse-condolences-isis-position.html#)).

Auf peakoil.net schreibt Prof. Kjell Aleklett in seinem Beitrag Aging oil fields can turn the Arabian Peninsula into a powder keg [Alternde Ölfelder können die Arabische Halbinsel in ein Pulverfass verwandelt] unter anderem (von mir übersetzt):

Produktion der Riesen-Ölfelder im 21. Jahrhundert (Titel seiner Präsentation bei einer Veranstaltung in Dubai, Ende Oktober 2014)

  • Ungefähr ein Prozent der Ölfelder sind Riesen, aber diese haben ungefähr 65 % der ultimativ förderbaren Ressourcen.
  • Die Produktion der Riesen-Ölfelder beträgt ungefähr 40 Millionen Barrel pro Tag und die Förderrate der landbasierten Felder nimmt ungefähr 4 % jährlich ab, während die der vor den Küsten im Meer liegenden Felder um 9 % pro Jahr sinkt.
  • Die Riesen-Ölfelder sind ausgereift und sie werden sich bald alle in der Phase nachlassender Förderraten befinden. Mit einem durchschnittlichen Sinken der Förderrate um 5 % pro Jahr wird die Welt in 10 Jahren eine Förderrate von 20 Millionen Barrel pro Tag bei den Riesen-Ölfeldern verlieren.

….Die Tatsache, dass die Arabische Halbinsel für unsere Zukunft so wichtig ist bedeutet, dass wir bezüglich des politischen Systems und der Konflikte in diesem Gebiet informiert werden sollten. Die Nahostkorrespondentin der schwedischen Zeitung, Svenska Dagbladet, Bitte Hammargren, hat gerade ein Buch, “Der Golf, Ein Zukünftiges Pulverfass” (in Schwedisch) veröffentlicht. Das Buch bespricht die Mitgliednationen des Golf-Kooperationsrates, aber der Hauptfokus ist auf Saudi-Arabien gerichtet. Dieses ist die einzige Nation in der Welt, die von einem Stamm oder einer Familie geschaffen, nach ihm/ihr benannt wurde und von ihm/ihr kontrolliert wird, dem Haus Saud, das derzeit aus mehr als 10.000 Prinzen und Prinzessinnen besteht. Bitte Hammargren beschreibt es als mittelalterliches Fürstentum. Wenn man nur die Verbindung des Hauses Saud mit Mecca und Medina, den zwei heiligsten Orten der globalen Religion des Islam bedenkt, dann könnte man Parallelen zwischen dem Haus Saud und dem Vatikan der Katholiken ziehen. Wenn man den saudischen Staat nur von der Perspektive seiner kurzen Geschichte und Stammesmachthierarchie aus bedenkt, nimmt dieses trockene Wüstenkönigreich einen der vorderen Plätze in der Rangordnung der am schwierigsten zu beherrschenden Gesellschaften dieser Welt ein. Es ist diese Kombination aus unglaublichen Ölreichtums, religiösem Fokus und mittelalterlicher Machtstruktur, die den saudischen Staat so schwierig, so unberechenbar und ausgesprochen gefährlich für den Rest der Welt macht. Im Buch von Hammargren wird erwähnt, dass dieses Pulverfass explodieren kann, wenn das Einkommen aus dem Ölgeschäft für die Bevölkerungen in diesen Nationen nicht mehr aussreicht – eine direkte Kopplung zu meiner Präsentation “Produktion der Riesen-Ölfelder im 21. Jahrhundert”. Es gibt keine anderen Nationen in der Welt, die so viele Gastarbeiter haben, wie diejenigen des Golf-Kooperationsrates. Ein Drittel von Saudi-Arabiens dreißig Millionen Menschen sind Ausländer ohne saudische Staatsbürgerschaft. In Kuwait ist das Verhältnis zwei Drittel, und in Qatar sind es ~90 %. Aber die Einnahmen durch das Öl erkaufen die Loyalität der Bürger, die nicht zu arbeiten brauchen. Diese erhalten Beiträge vom Staat und müssen keine Steuer bezahlen, so lange sie gehorsam sind und sich ruhig verhalten. Diejenigen, die keine Steuern bezahlen, können eine demokratische Repräsentation in der Regierung nicht erwarten oder der Regierung etwas verlangen, was diese zu geben nicht bereit ist. “Besteuerung ist eine Methode, den Wunsch nach der Demokratie aufzuwecken! ” ist eine Behauptung eines jungen saudi-arabischen Bürgers, im Buch von Bitte Hammargren. Steuerfreie Gesellschaft bedeutet, dass die Einwohner der Nation keinen demokratischen Einfluss darüber verlangen können, wie die Milliarden Dollar aus dem Ölgeschäft verwendet werden. Die 10.000 Prinzen und Prinzessinnen haben Vorrang, wenn er um die Verwendung der Öl-Milliarden geht. In einer Zukunft, in der die Erdölförderung zurückgeht, während gleichzeitig die Bevölkerung schnell zunimmt, werden sie ein Besteuerungssystem einführen müssen. Zurzeit erzeugen die Nationen des Golf-Kooperationsrates 21,4 Millionen Barrel Öl pro Tag (Mb/d, die 2,35 Milliarden Dollar pro Tag einbringen), was 25 % der weltweiten Ölförderung entspricht. Jede Instabilität innerhalb der Nationen des Golf-Kooperationsrates, die die Produktion bedroht, wird einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft verursachen. Saudi-Arabien und die anderen Nationen des Golf-Kooperationsrates tätigen riesige Investitionen, um ihre alten Ölfelder am Leben zu halten und um deren Produktivität zu sichern, aber die Produktion in allen Ölfeldern sinkt schließlich früher oder später. Wir können damit rechnen, dass die Staaten des Golf-Kooperationsrates in irgendwann in der Zukunft ein jährliches Absinken ihrer Produktionsrate von ungefähr 3 % erleben werden. Das bedeutet einen Produktionsrückgang von 10 Mb/d im Laufe nur eines Jahrzehnts. Die Lunte kann lang sein, aber Sie können sicher verstehen, dass sie bereits begonnen hat zu brennen.

Dazu kommt noch das Saudi-Arabien und auch die anderen Golf Staaten immer mehr Öl für ihren Eigenbedarf benötigen:

http://www.peak-oil.com/2012/09/saudi-arabien-vom-ol-exporteur-zum-importeur-bis-2030/

Durch den höheren Eigenbedarf der Staaten des Golf-Kooperationsrates sinken bei gleicher Fördermenge die Exporte. Wenn als Folge davon die Preise auf dem Weltmarkt steigen könnte das den Saudis helfen die Einnahmen zu stabilisieren. Es würde aber Deutschland und andere Länder um so schwerer treffen.

Vor dem Hintergrund der Lage auf der arabischen Halbinsel bedenkenswert ist auch,  dass durch das Fracking in den USA und durch die in vielen Ländern lahmende Konjunktur die Ölpreise zur Zeit relativ niedrig sind, was wiederum die Einahmen Saudi Arabiens und der anderen Golf-Staaten reduziert, was deren Fähigkeit sozialen Frieden zu kaufen reduzieren kann und was dann wiederum dem IS in die Hände spielen kann.

Der IS könnte überhaupt das Pulverfass Saudi-Arabien vorzeitig zur  zur Expolsion und damit die Weltwirtschaft zur Impolsion bringen. Hier ein Artikel mit dessen Überschrift übersetzt Desserteur des Islamischen States sagt, Saudi Arabien sei das nächst Ziel der Gruppe lautet.




US-Aussenminister Kerry – 1971 und 2014

Hier ist, was [der amerikanische Aussenminister] John Kerry 1971 vor dem Militärausschuss des amerikanischen Senates [Senate Armed Services Committee] aussagte:

„Ich würde gerne aussagen und dabei all jene Veteranen repräsentieren, und sagen, dass wir vor einigen Monaten in Detroit eine Untersuchung hatten bei der 150 ehrenhaft entlassene und viele sehr hoch dekorierte Veteranen Kriegsverbrechen bezeugten, die in Südostasien begangen wurden. Keine isolierten Vorfälle, sondern routinemäßig begangene Verbrechen, die Offizieren auf allen Kommandoebenen voll bewusst waren….

Sie erzählten Geschichten, dass sie persönlich vergewaltigt hätten, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgeschnitten, Kabel von tragbaren Telefonen an menschliche Genitalien geklebt und unter Strom gesetzt, Körperteile abgeschnitten, Körper gesprengt, willkürlich auf Zivilisten geschossen, Dörfer dem Erdboden gleich gemacht in einer Art, die an Dschingis Khan erinnert, Vieh und Hunde zum Spaß erschossen, Lebensmittelvorräte vergiftet und ganz allgemein die ländliche Gegend Süd Vietnams verwüstet haben, zusätzlich zur normalen durch den Krieg verursachten Verwüstung und zur sehr speziellen Verwüstung, die durch amerikanischen Bombenabwürfe verursacht wurde.“

Nun, hier ist was er [der amerikanische Aussenminister John Kerry] am Mittwoch [den 17. September 2014] vor demselben Ausschuss aussagte:

„Weil ISIL [IS bzw. die Organisation “Islamischer Staat”] tötet und vergewaltigt und Frauen verstümmelt. Und weil sie glauben, dass Frauen keine Bildung erhalten sollten. Sie verkaufen Mädchen als Sexsklaven für Djihardisten. Es gibt keine Verhandlung mit ISIL. Es gibt es nichts zu verhandeln. Und sie bieten keinerlei Gesundheitsdienst. Sie bieten keinerlei Bildung.

Für eine ganze Philosophie oder eine Idee oder einen Kult oder was auch immer Sie es nennen wollen, die offen gesagt aus der Steinzeit kommt. Sie sind kaltblütige Killer, die quer durch den Mittleren Osten plündern und eine friedliche Religion zum Gespött machen.“

Wenn Sie die beiden Aussagen vergleichen, kommt die amerikanische Armee in John Kerrys Sicht viel schlechter weg als ISIL.

John Kerry hat in seinem ganzen Leben nichts als Verachtung für die amerikanische Armee ausgedrückt. Er bestätigte seine Aussage von 1971 als er in der Imus Show 2006 auftrat, zu dieser Zeit sagt er, dass amerikanischen Soldaten dumm sind.

Dass John Kerry amerikanischer Außenminister ist, ist ein Hohn und eine Beleidigung aller Amerikaner. Das einzige, was ihn für diese Regierung qualifiziert ist, dass sein Chef seine Einstellung teilt.

Bei dem obigen Text handelt es sich um eine Übersetzung des Abschnitts „John Kerry’s testimony before the Senate: 1971 and Today“ von John Xenakis Internetblog www.generationaldynamics.com

Ein ausführlicher Artikel über die Aussage John Kerrys im Jahre 1971 findet sich hier.




Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen?

Auf der Internetseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.faz.net, wurde am 27.8.2014 der  Artikel Sinkende Ölnachfrage – Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen von Franz Nestler, veröffentlicht.  Da sich der Artikel auf eine Prognose der Internationalen Energieagentur  (IEA) stützt, hier zunächst das Bild einer Grafik aus dem Buch Peaking at Peak Oil, von Prof. Kjell Aleklett, die  die erstaunliche Entwicklung der von der Internationalen Energieagentur in den Jahren 2004 bis 2008 gemachten Ölpreisprognosen bis zum Jahr 2030 wiedergibt.

Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030
Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030

Nach der Voraussage der IEA  von vor nur 10 Jahren, hätten wir also jetzt einen Ölpreis von nur etwas über 20 Dollar und selbst in 15 Jahren wäre der Preis immer noch nur ein Drittel des tatsächlichen heutigen Preises. Wie die Wirklichkeit der Preise seit 2010 aussieht, steht im oben erwähnen Artikel von Franz Nestler auf www.faz.net:

Der Ölpreis pendelt seit etwa vier Jahren um die Marke von 110 Dollar

Eine Tabelle mit historischen Daten für die nominalen und auch für die aus US-amerikanischer Sicht inflationsbereinigten Ölpreise finden sich hier. Auffällig ist zunächst, dass der nominale Ölpreis von 1948 bis 1952 mit nur $ 2,77 gleich blieb. 1973, also mehr als 20 Jahre später überstieg er dann erstmals die Marke von $ 3,60 .  1980 erreichte er mit $ 37,42 einen vorläufigen Gipfel. 1998 betrug der 11,81 $, was zugleich für die Amerikaner auch der niedrigste inflationsbereinigte Ölpreis seit 1946 war. Von da an stieg der Ölpreis. 2005 waren es nominal $ 50,04, 2011 waren es $ 87,04 $ und  2013 $ 91,17.    Von 1998 bis 2013, also in 15 Jahren, ist der Ölpreis nominal um das 7,65-fache, bzw. um 765 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt ist der Preis um das 5,35-fache, also um 535 Prozent gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist die frohe Botschaft in dem Artikel von Franz Nestler in auf www.faz.net eher Pfeifen im Wald. Wenn der Ölpreis binnen weniger Jahre um mehr als das Fünfache gestiegen ist, ohne dass die Produktion desshalb nennenswert gestiegen ist, dann befinden wir uns  seit einigen Jahren in einer Ölkrise und es ist kein Ende in Sicht. Das zeigt auch der Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes. Die von mir angefertigte und auf freizahn.de veröffentlichte deutsche Übersetzung dieses Artikels ist Teil meiner Antwort auf Franz Nestlers Artikel auf www.faz.net


Dass die Nachfrage nach Erdölprodukten in vielen Ländern bei einer derartigen Preissteigerung zurückgegangen ist, war und ist zu erwarten. Ebenso war und ist zu erwarten, dass die Schulden von Staaten und Privathaushalten, die ihren alten Lebensstandart einigermaßen halten wollen, rasant zu nehmen wenn ein für den Lebensstandart so wesentliches Produkt wie Erdöl derart viel teurer wird.  Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in  Griechenland, Spanien,  Frankreich und Italien kann man vor diesem Hintergrund als Symptome der  Ölkrise sehen, in der wir seit einigen Jahren leben.  Selbst die Aufstände in Nordafrika und im Orient, die Spannungen im Südchinesischen Meer und der Ansturm der aus Afrika kommenden Flüchtlinge im Mittelmeer kann man indirekt zu einem großten Teil auf die extrem gestiegenen Ölpreise und die damit verusachte Energieknappung zurückführen.

Die US-amerikanischen Ölproduktionsmengen

Franz Nestler schreibt in seinem Artikel auf www.faz.net über den dank Fracking erfolgten Anstieg der Ölproduktion in den USA.  Laut Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) sollten die USA nächstes Jahr sogar 9,28 Millionen Barrel je Tag fördern. Zur  Verlässlichkeit der Prognosen dieser Argentur siehe die Grafik oben. Aber wie waren die Produktiondaten in den USA in der Vergangenheit? Eine sehr umfassende Tabelle mit den Produktionsdaten von 1860 bis heute findet sich hier, auf der Internetseite der EIA (Energy Information Agency). Die Tabelle kann von jährlicher auf monatliche Ansicht umgeschaltet werden.  Über den Zahlen mit den jährlichen Produktionsmengen findet sich ein graphische Darstellung der Produktionsmengen.  Aus der Tabelle ist kann man entnehmen:

Die größte durschnittliche Fördermenge der USA wurde im November 1970 mit 10044  Barrel/Tag errzielt.  Die in dem FAZ-Artikel genannten, aktuellen 8,5 Millionen Barrel/Tag sind also noch immer mehr als 15% weniger. Und selbst die notorisch zu optimistischen Schätzungen der IEA gehen diesem FAZ-Artikel zur folge von nur 9,28 Millionen Barrel/Tag im Jahr 2015 aus. Das wäre noch immer weniger als die USA schon vor 45 Jahren produziert haben. Dazu kommt noch, das bei der Ermittlung der gesamten Produktionsmengen anders als 1970, heute Gase, Materialien und Flüssigkeiten als Erdöl ausgewiesen werden, die man nicht wirklich als Erdöl bezeichnen kann. Ausserdem ist wegen des stark gestiegenen, für die Öl- und Gasförderung selbst nötigen Energiebedarfs der tatsächlich anderweitig nutzbare Teil der Ölförderung geringer als früher. Zu diesen letzten beiden Aspekten siehe den Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Der wesentliche Unterschiede zu damals sind ferner, dass die Ölbohrungen bzw. Ölquellen heute:

  • drastisch teurer sind
  • auch anfänglich sehr viel weniger Öl pro Bohrung bringen
  • sehr viel schneller nachlassen als konventionelle Ölquellen (über 60% oder sogar 70% pro Jahr, statt unter 10 %, in OPEC-Ländern zum Teil sogar unter 5 %. Das heißt, die Fördermeng der Ölquellen auf Frackingbasis verringert sich 6 bis über 14 mal so schnell wie die klassischer Ölquellen)
  • schneller vollständig versiegen
  • sehr viel umweltschädigender sind.
  • Straßen und andere Infrastruktur mehr belasten (die extrem tiefen Bohrlöcher und die Chemikalien für das Fracking erfordern sehr viele Transporte. Der Abtransport des Öls ist teurer, weil kostensparende Pipelines sich bei den kleineren Ölquellen nicht oder weniger lohnen als bei großen, klassischen, lange und viel Öl liefernden Quellen).


Unklar ist die Größe des gesamten “ökolischen Rucksacks” der neuen, unkonventionellen Formen der Gas- und Ölförderung.  Mit ökologischem Rucksack ist der gesame Umwelt und Rescourcenverbrauch etwa im Sinne des Buches “Grüne Lügen” von Friedrich Schmidt-Bleek gemeint.

Systembedingte Tücken des Ölgeschäfts

Eine systembedingte Tücke des Ölgeschäfts ist, dass die Ölfirmen zunächst nicht sicher wissen, wo eine Bohrung Erfolg hat (es gäbe keine Fehlbohrungen, wenn sie es wüßten). Wenn eine Bohrung Erfolg hat und Öl- und/oder Gas gefördert werden kann, weiß man zunächst nicht, wie lange wieviel gefördert werden kann und wie sich der Öl- oder Gaspreis während der Nutzungsdauer einer Quelle verändert. Erst wenn die Quelle völlig erschöpft ist kann man sicher feststellen wie groß der Gewinn oder Verlust war. Man muß dazu nämlich die Summe der gesamten durch die Öl-/Gasquelle ermöglichten Einnahmen berechnen und davon die gesamten durch die Ölquelle verursachten Kosten abziehen, um den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln.  Das heißt die Firmen können zunächst nur schätzen was sie verdienen werden, und sie können sich dabei irren.

Es kann ausserdem sein, wie zeitweise in den USA bei der Gasförderung durch Fracking, dass in einer allgemeinen Euphorie sehr schnell sehr viele Bohrungen durchgeführt werden. Dadurch kann es am Markt zu Überangeboten von Gas- oder Öl kommen. Weil die Firmen ihre Bohrungen mit Krediten finanziert haben und diese  zurückzahlen und dazu auch Zinsen zahlen müssen, müssen sie das geförderte Öl/Gas auch verkaufen, selbst wenn dies mit Verlust geschieht,  um überhaupt Geld in die Kasse zu bekommen. Wenn nun zuviel gebohrt wurde, kann das Angebot zu groß werden und die Preise können sogar unter die Herstellungskosten fallen.  Die Folge ist, dass Firmen pleite gehen und dass von den Banken vergebebene Kredite oder Einlagen von Investoren abgeschrieben werden müssen.  Insgesamt geben die mit dem Fracking beschäftigten Firmen wesentlich mehr Geld aus als sie einnehmen.  Es gibt dazu mehrere Artikel, wie z.B. Where Money Goes to Die: How Fracking Blows Up Balance Sheets of Oil and Gas Companies von Wolf Richter und einen Report der EIA.  Es kann sein, dass die Firmen momentan einfach nur viel investieren um immer mehr Bohrungen durchzuführen. Es kann aber auch sein – wie viele vermuten – dass das Fracking sich bei den derzeitigen Öl- und Gaspreisen nicht rentiert und dass sich gerade eine neue Kreditblase und Investionsblase bildet, deren Platzen wieder viel Kapital vernichtet.

Man kann ausserdem systembedingt von aktuellen Steigerungen der Fördermengen nicht auf die Größe der Vorräte schließen.  Man stelle sich dazu ein Fass voll Wasser vor, in dass man unten Löcher bohrt. Man kann die Ausfließende Wassermenge steigern indem man immer mehr Löcher in das Fass bohrt. Die maximal aus dem Fass entnehmbare Menge wird damit aber nicht größer.  Wohl aber wird das Ende der Wasserentnahme um so schneller erreicht, um so mehr Löcher man bohrt.

Bei Öl und Gas kommt noch hinzu, dass die geologischen Zusammenhänge etwas kompolizierter sind als viele glauben wollen.  Siehe auch dazu den Artikel  Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Fracking, Preise und Ukrainekrise

Die neuen, unkonventionellen Ölquellen in den USA sind gerade für Europa durchaus auch ein Problem, weil die amerikanischen Firmen in ihrer Europhorie und dank der günstigen Zinsen soviele Bohrungen durchgeführt haben, dass die am Markt erzielbaren Preise für Gas und Öl angesichts der hohen Kosten zu niedrig sind.  DAS könnte die eigentliche Ursache der Ukrainekrise und des amerikanischen Drängens nach Sanktionen gegen Russland sein: Wenn Russland im Gegenzug seine Öl- und Gasexporte drosselt oder wenn die Europäer sich sogar gezwungen sehen sollten statt billigem Russischen Gas teures amerikansiches Flüssiggas zu kaufen, dann würde die Nachfrage in den USA wieder steigen und damit könnte das Fracking in den USA wirtschaftlicher werden.

Das könnte aber auch zu kurz gedacht sein, weil Sanktionen und Handelskrieg letztlich Wirtschaftsaktivitäten insgesamt reduzieren und damit die Nachfrage und die Preise für Öl- und Gas drücken können. Für das was die Europäer nicht mehr für Russland produzieren und liefern können, brauchen sie auch keine Energie.  Dank der Sanktionen nicht nach Russland lieferbare Waren drängen teilweise auf andere Weltmärkte, wo sie die Preis senken und auch amerikanischen Anbietern zu schaffen machen, können – allerdings eher solchen, die nicht im Gas- und Ölgeschäft tätig sind.

Eine Preisexplosion am Ölmarkt düfte angesichts der vielen Krisen der Welt nicht etwa, wie in dem Artikel auf www.faz.net vermutet, durch das Fracking in den USA, oder durch erneuerbare Energien  ausgeblieben sein, sondern eher dadurch, dass der Ölpreis schon jetzt so hoch ist, dass eine weitere Steigerung sich so auf die Nachfrage auswirken würde, dass selbst in Deutschland und anderen Ländern, die sich die hohen Ölpreise derzeit noch leisten können, die Wirtschaft das Schicksal derjenigen Griechenlands und Spaniens ereilen würde.

Fazit

Der Rückgang der konventionellen Ölförderung in den letzten Jahren hat die Ölpreise längst in Höhen getrieben, die zu Unruhen, Schuldenkrisen und zu einem Versagen der zinspolitischen Werkzeuge der Notenbanken geführt haben.  Und doch sind die Ölpreise für die Erschließung und Nutzung der neuen unkonventionellen Ölquellen offensichtlich eher zu niedrig. Gleichzeitig steigt der Energieverbrauch für die Erschließung und Nutzung der neuen, unkonventionellen Ölquellen.

Von “Niewiedersehen, Ölkrisen” kann keine Rede sein. Die Eurokrise, Flüchtlingsströme und Unruhen in unserer Zeit sind auch Symptome zu hoher Ölpreise, bzw. einer zu teuren Ölförderung – die wiederum Folgen der sehr realen Grenzen und der zunehmenden Erschöpfung der klassischen “süßen” Ölquellen sind, denen wir das weltweite Bevölkerungswachstum, das Wirtschaftswachstum der letzten 150 Jahre,  und den einzigartigen Wohlstand der Westlichen Welt in aller erster Linie verdanken. Die Unkonventionellen, neuen Ölquellen und auch die erneuerbaren Energien sind ein kleiner Aufschub, und eine kleine Erleichterung, aber  nicht die Erlösung und Rettung als die sie euphorisch gefeiert werden.

Kelberg, den 31. August 2014

Christoph Becker




Peak Oil ist kein Mythos

Viele Nachrichten und Medienberichte erwecken den Eindruck, dass Fracking und andere unkonventionelle Methoden der Ölgewinnung die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt sind. Aber ist das wirklich so? Auf der Suche nach Antworten fand ich auf der Internetseite der Königlich britischen Gesellschaft für Chemie den Artikel Peak oil is not a myth von Chris Rodes, vom 20. Februar 2014. Im Folgende eine Übersetzung dieses Artikels:

Man kann den Eindruck bekommen, dass hydraulisches Brechen (Fracking) von Schiefervorkommen die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt ist. Gewiss hat Fracking viel Aufmerksamkeit erhalten und es ist viel darin investiert worden, aber die Erfolgsaussichten des Frackings müssen in einem breiteren Zusammenhang bedacht werden (( R G Miller and S R Sorrell, Phil. Trans. R. Soc. A, 2014, 372, 20130179 )) [Anmerkung des Übersetzers: Diese Quellenangabe bezieht sich auf ein Themenheft der Philosphical Tansactions der Royal Society, das am 13. Januar 2014 erschienen ist.   Zu diesem Themenheft findet sich hier  ein einführendes Interview mit Steve Sorell und Richard Miller, auf deren Artikel sich die Quellenangabe von Chris Rodes bezieht.]

In den USA, wo bis heute praktisch alle diese Aktionen durchgeführt werden, steht Fracking nun für 40 % der Gasproduktion im Inland und für 30 % der Ölproduktion. Der Erdgaspreis ist abgestürzt und die gesamte Ölproduktion der USA ist zum ersten Mal seit 1970 wieder gestiegen, während sie andernfalls in Übereinstimmung mit den 1956 von M. King Hubbert gemachten Voraussagen weiter gefallen wäre.

© Shutterstock

Wie auch immer, dieser letzte Punkt ist der herausragende. Unkonventionelle Ölquellen (unten aufgelistet), wie fest gebundenes Öl [tight oil] (oder Schieferöl, in der öffentlichen Diskussion) sind wirtschaftlich nur wertvoll weil die Notwendigkeit, den Rückgang der konventionellen Ölproduktion auszugleichen, die Ölpreise erhöht hat. Es ist die Produktionsrate des Öls, die die Versorgung mit Öl bestimmt und nicht die Größe der Reserven. „Die Größe es Ölhahns und nicht des Tanks“

Öl Check

Aktuelle Daten für den Rückgang der Produktion der Ölfelder zeigen, dass jedes Jahr eine Fördermenge von etwa 3 Millionen Barrel pro Tag an neuen Produktionsquellen erschlossen werden müssen, wenn man nur das aktuelle Versorgungsniveau halten will (( Anmerkung des Übersetzers: Prof. Kjell Aleklett schreibt in seinem Buch Peeking at Peak Oil, dass nach den Untersuchungen seines Institutes an der Universität Uppsala, Schweden, sich die Abnahme der Ölförderung aus den großen Ölfeldern nach dem Erreichen des Fördergipfels, beschleunigt, je mehr man sich dem Ende der Nutzungsdauer des Ölfeldes nähert. Die durch Förderrückgänge der großen konventionellen Ölfelder auszugleichende Versorgungslücke könnte demnach in Zukunft größer sein und schneller als bisher wachsen.  )). Dies entspricht der Entdeckung eines weiteren Saudi Arabiens alle 3 bis 4 Jahre. In diesen Zusammenhang ist Fracking bestenfalls eine temporäre Notmaßnahme. Für die konventionelle Ölproduktion wird ein Rückgang von über 50% in den nächsten 20 Jahren vorausgesagt, während es unwahrscheinlich ist, dass fest gebundenes Öl [tight Oil] nicht mehr als 6% ersetzen wird.

Sobald der Förderrückgang beim konventionellen Öl die Produktionsrate des unkonventionellen Öls übersteigt, hat die globale Produktion zwangsläufig den Gipfelpunkt erreicht. Die Produktion von leicht zu gewinnendem [sweet = süßem oder köstlichem], leichtem Rohöl hat tatsächlich im Jahr 2005 ihren Höhepunkt erreicht, aber das wurde durch die Zunahme der unkonventionellen Ölproduktion maskiert, ebenso wie durch das Zusammentun von verschiedenen Arten von Materialien mit dem Öl und der gemeinsamen Bezeichnung als „Flüssigkeiten“ [Liquids]. (In letzter Zeit wird die Bezeichnung ‘Flüssigkeiten’ [‘Liquids’] oft zu ‘Öl’ aufgewertet, was etwas irreführend ist, da die Eigenschaften der anderen Flüssigkeiten sich ziemlich von denen des Erdöls unterscheiden.)

Fracking produziert hauptsächlich Schiefergas (eher als Öl), und beim Löwenanteil des Wachstums der globalen „Öl“-Produktion handelt es sich um natürliche Flüssiggase (NGL, in Teilen des Schiefergases]. Aber die grundsätzlichen Bestandteile von NGL [Natural Gas Liquids] sind Ethan und Propan, so dass es sich nicht einfach um einen Ersatz für Erdöl handelt.

 

Energie rein, Energie raus

Das Verhältnis von Energiegewinn zur für die Energiegewinnung aufgewendeten Energie (EROEI oder EROI = Energy Return On Energy Investmented) ist für alle unkonventionellen Arten der Ölproduktion schlechter als für konventionell produziertes Öl.

 Dies bedeutet, dass mehr Energie investiert werden muss, um das Produktionsniveau beizubehalten. Als grober Vergleich, konventionelles Erdöl hat einen EROEI im Bereich von 10–20:1, während fest gebundenes Öl auf 4-5:1 kommt. Öl das durch (Ultra-)Tiefwasserbohrungen gewonnen wird kommt auf 4-7:1, schweres Öl kommt auf 3-5:1, und Ölschiefer (Kerogen) liegt irgendwo bei 1,5-4:1. Teersande liegen bei 6:1, wenn sie im Tagebau gewonnen werden, aber der Wert fällt auf 3:1 wenn das Bitumen „aufgewertet“ wird, indem man es in einen „Öl“-Ersatz verwandelt.

So wie die konventionelle Ölproduktion gefallen ist, so ist auch der EROEI gefallen, weil wir es von immer feindlicheren Orten, und mit neuen Technologien gewinnen. Der Preis eines Barrels Öl hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht, aber die Produktionsmenge ist in etwa gleich geblieben. Wir sind vermutlich dicht an der Obergrenze der globalen Ölproduktion (( J Murray and D King, Nature, 2012, 481, 433 )), und die Aussichten, die Lücke mit alternativen Quellen zu füllen ist entmutigend.

Unterschiedliches Felsgestein

Obwohl Fracking ziemlich große Mengen Öl und Gas in den USA geliefert hat, gibt es keine Garantie, dass ein ähnlicher Erfolg anderswo, einschließlich dem Vereinigten Königreich, erzielt werden kann, teilweise weil die Geologie eine andere ist. Selbst in den USA sind es die guten Stellen (sweet spots) wo man gebohrt hat, und die Schieferformationen anderswo in Nordamerika sind voraussichtlich weniger produktiv (( Anmerkung des Übersetzers: Einem Artikel in der Los Angeles Times vom 20. Mai 2014 kann man entnehmen, dass die amerikanische Energieinformationsbehörde, EIA, die erschließbaren Reserven der Monterey Schieferformation in Kalifornien, von 13,7 Milliarden Barrel auf 600 Millionen Barrel, also um ca. 96%, reduziert hat.)) . Die Schätzung der Schiefergasreserven in Polen wurde von 187 Billionen Kubikfuß (tcf) auf bestenfalls 12-27 Billionen Kubikfuß  reduziert. Das sind kaum 14% der ursprünglichen Schätzung. Und das meiste der Produktion wird voraussichtlich nur Gas sein. Selbst wenn wir große Mengen Gas mit großzügigen Produktionsraten gewinnen können, ist die Umrüstung unseres Transportsystems auf Gas eine beträchtliche Aufgabe, insbesondere angesichts des Zeitrahmens, den der Rückgang der konventionellen Ölproduktion uns vorgibt. Und es gibt viele andere Anwendungen für Öl, als nur Treibstoff, für die ebenfalls Ersatz gefunden werden muss.

Erneuerbare Energien liefern keine vergleichbaren Ersatzstoffe für Erdöl und die flüssigen Treibstoffe, die aus ihm gewonnen werden, daher ist der potentielle Beitrag von Biokraftstoffen relativ klein. Die 34 Millionen Öl getriebenen Fahrzeuge des Vereinigten Königreiches durch elektrisch betriebene Versionen ersetzen zu können, ist eine unwahrscheinliche Annahme, angesichts der Grenzen der verfügbaren Zeit und der Grenzen der Rohstoffvorkommen wie etwa der seltenen Erden (( C J Rhodes, Science Progress,  2011, 94, 323 )). Öffentliche Verkehrsmittel sind die wahrscheinlichere Zukunft für elektrisch betriebenen Transport, als Personenkraftwagen. Das Ende des billigen, persönlichen Transports ist eine reale Möglichkeit und dürfte Veränderungen in unserem Verhalten bewirken, wie etwa den Aufbau von resilienten Gemeinden, die mehr des von ihnen Benötigten, wie Nahrungsmittel und Materialien, auf der lokalen Ebene produzieren.

Es gibt viele Ungewissheiten, aber es scheint klar, dass das Ende des Billigen Öls vorbei ist. Wir betreten eine neue und andere Phase des menschheitlichen Erfahrung.

Chris Rhodes ist ein unabhängiger Berater und hat seinen Sitz in Reading, UK. Er ist der Autor des Romans University shambles.

Unter dem Originalartikel finden sich auch viele interessante Kommentare.

Übersetzt von Christoph Becker, Kelberg den 31. August 2014




Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen

Die Überschrift des  Leitartikels auf Telepolis lautet heute, am 26.8.2014: Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen und der erste Satz lautet:  So unglaublich diese Überschrift auch klingen mag, sie ist doch wahr.

Der Origianlartikel mit dem Titel Why the Ukraine Crisis Is the West’s Fault -The Liberal Delusions That Provoked Putin steht hier.

Der Autor des Artikels auf Telepolis, Roman Bauzus, schreibt im vorletzten Absatz seines Artikels:

Nun, was lässt sich dazu noch sagen? Leser, die des Englischen mächtig sind, sollten den Bericht von John Maersheimer definitiv in Gänze durchlesen. Es lohnt sich! Welche Beweggründe dahinterstecken mögen, dass sich die aktuelle Ausgabe von Foreign Affairs des Council on Foreign Relations derart kritisch mit den geopolitischen Strategien Washingtons und des Westens auseinandersetzt, vermag ich nicht zu sagen.

Ich vermag es schon zu sagen. Ich habe mir nämlich das Original von Herrn John J. Mearsheimer angesehen und bin insbesondere im vorletzten Absatz fündig geworden.  Ich möchte hier diesen vorletzten Absatz übersetzen:

Weiter bei der derzeitigen Politik zu bleiben, würde ausserdem die Beziehungen des Westens mit Moskau im Bezug auf andere Angelegenheiten komplizieren. Die Vereinigten Staaten benötigen Russlands Hilfe für den Rückzug der amerikanischen Ausrüstung aus Afghanistan über russisches Territorium, um ein Nuklearabkommen mit Iran zu erreichen, und um die Situtation in Syrien zu stabilisieren. Faktisch hat Moskau Washington in all diesen drei Angelegenheiten in der Vergangenheit geholfen. Im Sommer 2013 war es Putin, der Obamas Kastanien aus dem Feuer holte, indem er ein Übereinkommen schmiedete, mit dem Syrien der Abgabe seiner chemischen Waffen zustimmte und damit den amerikanischen Militärschlag vermeiden half, mit dem Obama gedroht hatte. Die Vereinigten Staaten werden ausserdem eines Tages Russland benötigen, um ein aufstrebendes China einzudämmen. Die derzeitige amerikanische Politik läuft jedoch darauf hinaus, Moskau und China enger zusammenzubringen.

Dem ist nichts hinzuzufügen, ausser der besorgten Frage, wie es möglich ist, dass Regierungschefs und Aussenminister in den USA und Westeuropa soviel Weitblick und Umsicht offenbar nicht hatten und bis heute auch nicht haben.  Die bittere, offensichtliche  Antwort auf diese Frage ist, dass die westliche Demokratie zumindest in  den USA, in Deutschland, GB und Frankreich nicht mehr in der Lage ist, fähige, verantwortungsbewußte Menschen an die Staatsspitzen und in die Kabinette zu bringen, die der Komplexität dieser Welt gewachsen sind.  Die Konsequenz wird voraussichtlich, frei nach John Castis Theorie über komplexe Systeme ((siehe sein Buch Der plötzliche Kollaps von allem: Wie extreme Ereignisse unsere Zukunft zerstören können))  sein, dass  die Staaten zerfallen und damit die Komplexität reduziert wird.

Gute Artikel zum Thema Ukraine findet man insbesondere auch, wenn man auf  www.peakprosperity.com oder in David Sockman’s Contra Corner mit dem Begriff ‘ukrain’ sucht, wie die vorgenannten Links es bereits tun. Von dem, was ich bisher davon gelesen habe, waren insbesondere  Chris Martensons Artikel vom 4. Mai 2014 Warning: Ukraine Is At A Flashpoint – The stability between Russia & the West is failing [Warnung: Ukraine auf Zündtemperatur – Die Stabilität zwischen Russland und dem Westen versagt] und How This Situation Can Quickly Get Much Worse – We’re teetering on a very slippery slope towards war [Wie diese Situation sich schnell verschlimmern kann – Wir wanken auf einem verhängnissvollen Weg auf Richtung Krieg]  sehr informativ.  Im zweiten Teil geht Chris Martenson u.a. auch auf neue, sehr schnelle und extrem manövrierbare russische Cruisse Missiles ein, die amerikanische Flugzeugträgerverbände und damit die Seemacht, Weltmacht und Europäische Schutzmacht USA in einem richtigen Krieg entwerten könnten.

Andere Probleme sind, dass die USA und ihre Westlichen Partner mit ihrer Ukrainepolitik den Zerfall des Dollars und seines europäischen Anhängsels beschleunigen werden, weil sie Russland,  China und andere dazu bringen, nach Alternativen der Bezahlung bei internationalen Handelsgeschäften suchen lassen, die von westlichen Banken und Währungen unabhängig sind. Ausserdem sind die Sanktionen gegen Russland, insbesondere für Russland, aber auch für andere Länder wie China, ein Anreiz, die eigene Wirtschaft von Importen aus dem Westen unabhängiger zu machen.  Als Vertreter eines exportabhängigen Landes wie Deutschland, hätten Frau Merkel und ihr Wirtschaftsminister Gabriel die Sanktionen gegen Russland daher als “nicht hilfreich” ablehnen müssen.

Zur Möglichkeit, die unsinnige Tragödie in der östlichen Ukraine zu stoppen, die man täglich auf RussiaToday sehen kann, hat David Stockman in seinem Interview mit Chris Martenson am 3. August folgendes gesagt:

Der Punkt ist, dass der Bürgerkrieg heute enden könnte, wenn das Weiße Haus einfach der Regierung in Kiew sagen würde “Hört auf oder die Hilfe[der USA und Europas] hört auf”.

Das im Bürgerkrieg in der Ukraine vergossene Blut und das Elend dort haben damit letztlich neben den Amerikanern auch die EU-Kommission und die Regierungen der westeuropäischen Staaten, einschließlich unserer Bundesregierung und damit auch unserer Bundestages zu verantworten.  Und das gilt ganz besonders für jeden Toten und jeden Verletzten, den es heute und in Zukunft weiterhin dort gibt.

Kelberg, den 26. August 2014, zuletzt überarbeitet am 27. August 2014

Christoph Becker




Frackingfunde und mehr in Stockmans Kontraecke

Auf  David Stockmans Internetseite David Stockman’s Contra Corner lieferte der Suchbegriff “fracking” am 25.8.2014, 19:20 insgesamt 13 Treffer,  von deren Anfang ich hier einige ins Deutsche übersetzt habe:

1. Contra News and Views:

Die Fracking-Tretmühle: Eine andere Deformation des billigen Geldes

Die amerikanische Schieferöl- und Schiefergasindustrie ist wahrscheinlich viel weniger gesund  als viele Leute denken. Eine neue Analyse von Bloomberg-Nachrichten fand überraschend hohe Schuldenniveaus in der Schieferöl- und Schiefergasindustrie. Wobei Firmen damit enttäuschten, dass sie mehr und mehr Geld leihen als sie erwirtschaften …

2. Wolf Richter:

Die Gas-Fracking-Tretmühle: Kein Technikwunder  – Nur Wirtschaft, Dumm!

Diesen Winter, Polarstürme blasen über das Land und treffen den Preis für Erdgas und schicken ihn auf schwindeleregende Spitzen und Tiefen, verstärken die unerwarteten Preisänderungen und Peitschenschlaginduzierenden Wendungen, und einige Händler haben es richtig abgepasst und Geld damit gemacht. Jetzt, wo der Winter ausklingt, stehen wir in einer sehr besonderen Situation da.

Jahre der „Schiefergas-Revolution“ die in eine verrückte, überenthusiastische, durch nichts zu bremsende Landaneignung und zu einem Fracking-Boom führten, verwandelten sich in eine Überproduktion, die den Preis erschlagen hat, was zu nicht berichtetem industriellen Chaos führte, zu Milliarden Abscheibungen und zum Kollaps eines Geschäftsmodells, das in der Annahme bestand, proftitabel nach trocknem Erdgas bohren zu können. Aber nichts kann dauerhaft für weniger als die Produktionskosten verkauft werden.

3.  Stockman’ Best of the Week, Stockman’s Quick Takes:

Cheniere Energy: Paradebeispiel für die Schiefergas-Halluzination

Wie kann diese Verrücktheit passieren? Halluzination als Konsens. Analysten, MPublicity-Manger, Firmenerklärungen, freies Geld der amerikanischen Notenbank, und bereite Händler und Investoren – alle sind ein Teil des Ganzen.

4. Wolf Richter:

Zentralbank-Verzerrungen bei der Arbeit: Billige Kredite und das Fracking-Gelage

Der finanzielle Rummel um das Fracking, die grenzenlose, nahezu kostenlose Liquidität, die von der amerikanischen Notenbank seit 2008 bereitgestellt wird und Investoren die so verzweifelt auf Ertrag aus sind, dass sie bereit sind nahezu jedes Risiko einzugehen, um in ihrer vergeblichen Schlacht führend herauszukommen, haben Wall Street dazu gebracht, Schaum vor dem Mund zu haben … der unbegrenzte Geldstrom hat nach nach einem Platz gesucht zu dem er fließen kann, und er ging in eine wirtschaftliche Aktivität – Fracking – in die Geld wandert, um zu sterben. Was übrigbleibt sind Schulden, und Gas-Brunnen, die nie genug produzieren werden, um Schulden abzuzahlen, die eingegangen worden sind um sie zu bohren.

Wie ich auf David Stockman aufmerksam wurde

Auf David Stockman und seine Internetseite www.davidstockmanscontracorner.com bin ich durch das Inverview aufmerksam geworden, das er mit Chris Martenson am 3.8.2014 geführt hat und das unter dem Titel David Stockman: The Collapse of the American Imperium – A perfect storm of policy failures [David Stockman: Der Zusammenbruch der Amerikanischen Imperiums – Ein perfekter Sturm politischer Fehler] www.peakprosperity.com zu hören ist. Das Transkript des Interviews kann man dort ebenfalls  lesen bzw. herunterladen.

Dieses Interview ist sehr hörens- bzw.  lesenswert. Stockman und Martenson halten die Regierungen in den USA und in Westeuropa insbesondere auch im Bezug auf den Umgang mit Russland und dem Vorgehen in der Ukrainekrise für ziemlich kindisch, ignorant und inkompetent.

Stockman geht davon aus, dass der Zusammenbruch der USA in den nächsten Jahren, vielleicht im Wahljahr 2016, erfolgen wird.

Einige Fragen die sich mir dazu stellen:

Was passiert eigentlich mit dem Gold der Bundesbank, wenn die USA zusammenbrechen und anschließend vermutlich auseinanderbrechen? Was ist, wenn  am Ende Russland die einzige europäischstämmige, wirklich schlagkräftige Militär- und Atommacht ist, die uns in einem künftigen Krieg helfen und retten könnte, wenn die USA sich aus der Weltgeschichte verabschiedet haben?  Dann haben wir in Sachen Ukraine und Putinverunglimpflichung sehr kräftig in den einzigen Brunnen gespuckt, der uns dann voraussichlich noch zum Trinken bleibt.

Kelberg, den 25. August 2014

Christoph Becker




Die Grenzen und das Ende des Wachstums

Was ist aus den Grenzen des Wachstums geworden, die der Club of Rom mit Computersimulationen ermittelt und in seinem als Buch erschienen Bericht 1972 veröffentlicht hat?


Als ich Grenzen des Wachstums Ende der 70er Jahre, als Student der Schiffsbetriebstechnik, auf Empfehlung eines Dozenten für Digitale Simulationstechnik gelesen habe, waren diese Grenzen noch weit weg in der Zukunft, irgendwann in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.  Mein Professor für organische Chemie, im zahnmedizinischen Grundstudium an der Universität Antwerpen, Anfang der 80er Jahre, hatte dann zwar auch noch gemeint, dass Erdöl eigentlich viel zu schade sei, um es als Heizöl zu verbrennen, weil Erdöl ein  so wunderbar vielseitig für die Herstellung chemischer Produkte einsetzbarer Grundstoff ist, während die auf der Welt vorhandene Menge Erdöl aber begrenzt ist.


Aber dann haben selbst viele Grüne als Politiker dicke Autos gefahren und fast alle haben sich faktisch so verhalten, als wären die Rohstoffvorräte dieser Welt und die Umweltbelastbarkeit auf globalem Niveau so gut wie unbegrenzt. Wäre es anders, dann hätte man nie die Wirtschaft und damit den Verbrauch in anderen Ländern gefördert und man hätte auch nicht die EU erweitert.  Man hätte alles getan, um das Wirtschaftswachstum wo immer möglich so gering wie möglich zu halten. Aber, man hatte – und die meisten haben noch immer  – den naiven Glauben, dass zunächst fast unbegrenzt viele Rohstoffe vorhanden sind, und dass wenn irgendwann der eine oder andere Rohstoff knapp werden sollte, der Kapitalismus, die Wissenschaft und die Technik rechtzeitig neue Lösungen hervorbringen würden.

Die von der Mehrheit gewählten Politiker haben jedenfalls alles getan, um das Wirtschaftswachstum weltweit zu fördern und um damit den Verbrauch von Energie, Rohstoffen und Umwelt auf globalem Niveau hemmungslos steigen zu lassen. Die Weltbevölkerung stieg in den letzten 30 Jahren rasant wie nie zuvor und der Glaube, dass Technik und Wissenschaft schon immer wieder einen Weg und eine Lösung finden würden war allgemein verbreitet und schien zunächst vernünftig.

Der Anstieg der Ölpreise (mein Vater hat in den 60er Jahren für einen Liter Heizöl noch 10 Pfennig, also etwa 5 Cent bezahlt!), und der Unfall der Bohrinsel Deep Water Horizon haben mich dann aber doch nachdenklich gestimmt und nach weiteren Informationen suchen lassen. Wenn man schon auf hoher See, in 1500 m Wassertiefe über 5 km tiefe Löcher in den Meeresboden bohrt um eine Ölquelle zu erschließen, dann muss die Lage schon ziemlich beklemmend sein.  Wirklich erschreckend fand ich dann die Berechnungen des amerikanischen Geologen Jeffrey Brown, der sich mit den Veränderungen am Ölmarkt durch den zunehmendem Eigenverbrauch der Förderländer und durch die Zunahme des Verbrauchs von Ländern wie China und Indien befasst hat.  Mit dem Suchbegriff “jeffrey brown oil china” findet google unter anderem diesen Artikel hier. Demnach werden alleine die Atommächte China und Indien, wenn das Wachstum ihrer Ölimporte weiter wie in der Zeit von  2005 bis 2010 ansteigt, im Jahre 2030 alles auf dem Weltmarkt angebotene Erdöl für sich benötigen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Saudi Arabien, der derzeit weltgrößte Exporteur von Erdöl, im Jahr 2030 seine gesamte Ölförderung für den Eigenbedarf benötigen wird, wenn sein Eigenverbrauch weiter wie bisher ansteigt. Hier zugibt es auch einen deutschsprachigen Artikel. Das heißt, für Europa und auch für die USA bliebe nichts mehr übrig.  Medien und Politiker haben zwar vor in den letzten Jahren immer wieder enthusiastisch von neuen Ölquellen in den USA geschwärmt, die durch Fracking erschlossen werden und die die Welt verändern werden, aber in Wirklichkeit handelte es sich dabei offenbar eher um Werbung, mit der man naive Investoren anlocken und mit der man eine neue Finanzblase schaffen wollte. Die Firmen machen mit der Förderung von Öl und Gas per Fracking eher Verluste. Man hat zuerst natürlich die besten Stellen der Öl- und Gasfelder angebohrt und dann hat man die Qualität dieser besten Stellen auf die gesamten Felder hochgerechnet.  Tatsächlich sind die Vorkommen im Mittel aber wesentlich schlechter. Nicht beachtet hat man bei den enthusiastischen Berichten und Hochrechnungen auch, dass die per Fracking erschlossenen Quellen sich sehr schnell erschöpfen.  Außerdem sind die Umweltschäden und auch die Kosten für den Verschleiß der Infrastruktur (Straßen und Brücken) beim Fracking sehr hoch. Sehr gut zusammengefasst, recherchiert und mit Grafiken und Bildern untermalt ist das Kapitel 21, Shale Oil [dt.: Schieferöl], der neuen, 2014er Version des Crash Course [dt.: Schnellkurs] von Chris Martenson. Wer mit dem schnell gesprochenen Englisch von Max Keiser kein Problem hat, kann auch den Max Keiser-Report Nr. 642 vom 18.8.2014 ansehen, dessen erster Teil speziell dem Thema Fracking gewidmet ist.

Der Crash Course von Chris Martenson ist insgesamt eine sehr gute Einführung – oder wie der Name sagt, ein Schnellkurs – in die verschiedenen, leider zusammenwirkenden Probleme, die auch uns hier in Deutschland und Europa in den nächsten Jahren immer mehr zu schaffen machen werden. Die insgesamt 27 Teile der neuen, 2014er Version des Crash Course von Chris Martenson haben insgesamt eine Länge von 4 Stunden und 36 Minuten. Derzeit sind noch nicht alle Teile frei verfügbar. Es soll jede Woche ein weiterer Teil zum kostenlosen Ansehen freigeschaltet werden. Wer vorher schon alle Teile sehen/hören/lesen will, der muss sich kostenpflichtig anmelden. Das kostet für einen Monat 30 US-Dollar (Vorsicht, wenn man sich für einen Monat anmelden will sollte man die automatische Abo-Erneuerung abschalten).  Es gibt auch eine ältere Version des Crash Course, aus dem Jahre 2008,  die von einem deutsch–schweizer Team sehr gut deutsch synchronisiert wurde und die hier kostenlos angesehen werden kann. Die insgesamt 21 Teile dieser älteren Version haben eine Gesamtdauer von 3 Stunden und 23 Minuten.  Zu allen Interviews und auch zu allen Teilen des Crash Course auf der Webseite www.peakprosperity.com gibt es dort Transkripte, d.h. schriftliche Versionen.  Der Crash Course würde sich daher auch für den Schulunterricht anbieten. Es könnte außerdem nützlich sein, wenn man sich in Familien und  Gemeinden die eine oder andere Version des Crash Course gemeinsam ansieht und darüber spricht.





Ergänzend zu Chris Martensons Crash Course fand ich einige Bücher sehr nützlich und wertvoll. In deutscher Sprache vor allem Das Ende des Wachstums von Richard Heinberg. Heinberg handelt genauso wie Chris Martenson in seinem Crash Course ein ziemlich großes Spektrum an Themen ab. Speziell zum Thema Wasser ist das Buch Wenn die Flüsse versiegen von Fred Pearce empfehlenswert. Ich habe nur die preiswertere englische Originalversion gelesen und habe erst bei der Fertigstellung dieses Artikels gesehen, dass es eine deutsche Übersetzung gibt. Pearce zeigt Probleme rund um das Thema Wasser. Auch solche, mit denen man normalerweise nicht rechnet oder deren Ernst man nicht einschätzen konnte. Wer hätte z.B. gedacht, dass ein Wasserkraftwerk am Amazonas sieben mal soviel klimaschädliche Gase produziert wie ein mit Kohle oder Öl betriebenes Kraftwerk gleicher Leistung? Wer hätte gedacht, dass Staudämme in vielen Fällen durchaus nicht weniger sondern sogar mehr Überschwemmungen verursachen? Ein Augenöffner ist auch das Kapitel über die Wasserprobleme der Palästinenser. Das Kapitel über den Aralsee und seine Zuflüsse zeigt, wie technisch/staatliche Großprojekte ganz anders als geplant, zu einer fulminanten Katastrophe werden können. Das Buch zeigt dies und noch vieles mehr.  Wenn man das Kriegsrisiko und drohende Bevölkerungswanderungen einschätzen will, ist dieses Buch besonders wichtig. Als kurzer Einstieg in die Problematik der Wasserknappheit sind auch die  Folgenden Artikel interessant:

Interessant, aber leider nur in englischer Sprache erhältlich, fand ist ferner Full Planet, Empty Plates: The New Geopolitics of Food Scarcity [dt.: Voller Planet, leere Teller: Die neue Geopolitik des Nahrungsmangels] von Lester R. Brown.


Um die Brisanz zu erkennen ist es nützlich zusätzlch zu den Artikeln und Büchern über Wasser-, Rohstoff und drohenden Nahrungsmangel insbesondere auch Gunnar Heinsohns Buch Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen zu lesen. Die wichtigste These von diesem Buch ist, dass schnell wachsende Bevölkerungen, wie wir sie heute im Orient, in Pakistan und in Indien haben, ganz grundsätzlich für Sicherheitsprobleme sorgen, weil mehr Söhne nachwachsen als angemessene Plätze in der Gesellschaft von den Vätern freigemacht werden. Die überschüssigen Söhne sind dann in der Regel diejenigen die im Ausland und Kriegen ihr Glück suchen. Europas Aufstieg, die Eroberung der Welt durch die Europäer und die Besiedelung Amerikas, Australien und Neuseelands durch die Europäer war im wesentlichen auch eine Folge dieses von Heinsohn beschriebenen Phänomens. Heute haben die Europäer weniger Söhne als Väter Stellen räumen UND andere, nichteuropäische Völker haben ein noch größeres Bevölkerungswachstum als Europa früher, UND die Länder mit dem hohen Bevölkerungswachstum haben massive Wasser- und Umweltprobleme, so daß auf die Söhne dort faktisch sogar noch weniger gute Stellen warten als die Väter hatten. Manche dieser Länder sind zudem Atommächte.

James Howard Kunstler

Jeden Montagabend lese ich inzwischen Kunstlers Clusterfuck Nation – Blog[dt.: Internettagebuch über die Nation (USA), wo alles durch Inkompetenz und Kommunikationsmängel schief geht].

Kunstler hat zwei Sachbücher und drei Romane über das Ende des Ölzeitalters, das Erreichen der Grenzen des Wachstums und andere sich parallel dazu entwickelnden Katastrophen des 21. Jahrhunderts geschrieben. Die Sachbücher sind das 2006 erschienene und 2009 um ein Nachwort erweiterte The Long Emergency: Surviving the End of Oil, Climate Change, and Other Converging Catastrophes of the Twenty-First Century [Der Lange Notfall: Überleben des Ende des Öls, des Klimawandels und anderer sich aufeinander zu bewegender Katastrophen des 21. Jahrhunderts], und das 2012 erschieneneToo Much Magic: Wishful Thinking, Technology, and the Fate of the Nation [dt.: Zuviel Magie: Wunschdenken, Technology und das Schicksal der Nation].  Mit “Zuviel Magie” meint Kunstler den weit verbreiteten Glauben, dass Wissenschaft und Technologie für die Energieprobleme  rechtzeitig geeignete Lösungen finden werden.   Kunstler zeigt überzeugend, dass dieser Glaube nichts weiter als naives Wunschdenken ist. Natürlich wird das Leben weitergehen, wenn das Öl und andere Rohstoffe für uns nicht mehr bezahlbar sind, nur eben nicht so wie das die meisten heute denken und hoffen, sondern eher so wie es vor 150 bis 200 Jahren war. Insbesondere in  Too Much Magic geht Kunstler auch auf die zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen und die Entwicklung der Städte und Dörfer ein. Seine Vorhersage ist, dass die großen Städte drastisch schrumpfen werden.  Das Leben wird sich wieder mehr auf dem Land, in Dörfern und Kleinstädten abspielen. Die Masse der Bevölkerung wird wieder, wie in der meisten Zeit der Menschheitsgeschichte, mit der Nahrungsproduktion beschäftigt sein. Statt großer Landmaschinen werden neben Landarbeitern auch wieder viele Zugtiere eingesetzt werden.  Transport wird in Zukunft voraussichtlich, eben nicht mit Elektro- oder Wasserstoffautos, sondern eher wie wie vor 150 Jahren, wieder  mit Segelschiffen, Eisenbahnen und Pferdefuhrwerken erfolgen.

J.H. Kunstler hat auf Basis der Daten, Nachforschungen, Beobachtungen und Überlegungen, die er in seinen beiden Sachbüchern präsentiert die drei futuristischen Romane

  • A World Made by Hand [dt.: Eine mit der Hand gemachte Welt],

  • The Witch of Hebron [dt.: Die Hexe von Hebron] Das Hebron im Roman ist ein kleiner Ort am Hudson-Fluss und

  • A History of the Future [dt.: Eine Geschichte der Zukunft]




geschrieben, die „das Leben in der nahen Zukunft″, einige Jahre nach dem Zusammenbruch der USA schildern. Der neuste dieser Romane, A History of the Future, ist erst im August 2014 erschienen. In diesem kommt ein junger Mann nach 2 Jahren zurück in die Kleinstadt, die das Zentrum in allen drei Romanen ist. Weil es kein Fernsehen, keine Telefon, keine Funkverbindung und  keine Zeitungen mehr gab, wollte dieser junge Mann zusammen mit einem Altersgenossen erkunden, wie das Leben im Rest der USA sei und ob man dort vielleicht besser leben könne.  Er hat auf seiner Reise interessante Dinge gesehen und erfahren. Der Schiffsverkehr findet auf den großen Seen mit Segelschiffen und auf den Kanälen mit von Treidelpferden oder von Maultieren gezogenen Lastkähnen statt. Hauptverkehrsmittel sind Pferde.  Um Haaresbreite kann er mit einem tödlichen Pistolenschuß und brutaler Gewalt verhindern, dass er und sein Freund in Ketten gelegt und als Sklaven beschäftigt werden.  Dabei raubt er dem Haupttäter soviel Gold und Silber, dass sie sich nach der Flucht in einer Hafenstadt am Eriesee ein Segelboot kaufen können. Nach einiger Zeit geraten sie in einen Sturm, der Freund geht über Bord, das Boot kentert und die Hauptperson, er,  wird später von einem Segelschiff der US-Navy gerettet.  An Bord ist eine Diplomatin, die im Auftrag der Rest-USA mit Kanada verhandeln sollte.  Diese Diplomatin erzählt in groben Zügen, was in der Welt und in den USA passiert ist. Die USA sind in mehrere Teile zerfallen, die teilweise miteinander Krieg führen. Im Süden sind die Farbigen, in der Mitte ist ein faschistisches Reich entstanden, wo eine ex-Countrysängerin als weiblich-amerikanische Hitlerkopie regiert.  Im Osten und Norden gibt es noch ein Gebiet, das sich als Nachfolger der alten USA versteht.  In England soll es heftige Rassenunruhen gegeben haben.  Deutschland hätte sich mit Beschluß des Parlamentes geordnet ins Mittelalter zurückgezogen [has gone medival] . Russland hätte das auch getan, nur chaotischer.

Die Hauptperson erhält dann den Auftrag, die auf junge Männer stehende Diktatorin im faschistischen Teil der USA zu ermorden. Den Mord führt er dann auch aus. Er erlebt vorher aber noch einiges im Reich dieser modernen Faschisten.  Zum Beispiel finden dort noch, wenn auch nur in bescheidenem Maßstab, Autorennen statt und die Diktatorin wohnt in einem Palast mit Klimaanlage und elektronischen Geräten zum Musik abspielen, und sie hat eine Luxuslimosine zur Verfügung.  In der Hauptstadt hat man stunden weise sogar noch eine Straßenbeleuchtung. Möglich ist dieser Rest heutiger Moderne, weil man noch eine kleine Ölquelle hat, von der das Öl für die Hauptstadt mühsam mit Pferdewagen herangeschafft wird. Im wesentlich wird die Bevölkerung in dem faschistischen Teil der USA brutal ausgebeutet, um der Oberschicht noch ein wenig vom Glanz und Technikgenuß der untergegangenen US-amerikanischen Gesellschaft zu ermöglichen.

In dem schon in den ersten beiden Romanen beschriebenen kleinen Ort in der Nähe des Hudson-Flusses, im nördlichen Bundesstaat New York, sind die Menschen Landarbeiter auf den in der Nähe liegenden Farmen. Manche sind Handwerker, es gibt zudem einen Arzt und einen Zahnarzt, die Lösungen suchen müssen, weil es keinen Strom, keine industriell gefertigten Medikamente, kein Einwegmaterial und auch keinen Nachschub an Ausrüstung und Instrumenten mehr gibt. Es gibt ferner Händler, eine Gruppe Menschen verdient ihren Lebensunterhalt damit,  Müllhalden nach brauchbarem Gegenständen suchend umzugraben und leerstehenden Häuser auszuschlachten. Es gibt einen Prediger, der auch der einzige Polizist ist und es gibt eine Gruppe Zugereister  von einer christlichen Sekte, die vor Rassenunruhen im Süden geflüchtet ist.  In der Nähe der kleinen Stadt gibt es einen Großgrundbesitzer, dessen Arbeiterfamilien eher eine Rolle wie Leibeigene im Mittelalter spielen.  Morde, Raubüberfälle, Bandenkriminalität, ein Kinderhändler und Prostitution kommen in den Romanen auch vor.   Ein großer Teil der Bevölkerung ist durch eine Pandemie von der Art der spanischen Grippe und durch eine Reihe andere ansteckende Krankheiten gestorben.  Kunstler versucht, verschiedene soziologische und psychologische Aspekte einer solchen Schrumpfung und Desintegration der Gesellschaft darzustellen. Alleinerziehende Mütter gibt es z.B. nicht mehr. Als im ersten Roman der Mann einer jungen Mutter durch ein Verbrechen umkommt und dann auch noch ihr Haus abbrennt, wird sie kurzerhand Haushaltshilfe und Lebensgefährtin der Hauptperson des ersten Romans, – weil eine Frau in dieser neuen Zeit alleine nicht mehr überleben kann. Die “Hexe von Hebron” ist eine Ausnahme. Sie lebt alleine in einem einsamen Gehöft. Ihre Spezialität ist, Männern die gegen Geld und Tauschgüter in ihrem Haus schlafen erotische Phantasien zu verschaffen. Es gelingt ihr damit sogar dem Pastor des kleinen Ortes seine Potenz zurückzugeben und damit dessen Eheleben aufzufrischen. Aber es gibt dann auch die Szene wo ein Raubmörder versucht die “Hexe von Hebron” zu vergewaltigen, als der zufällig in der Nähe befindliche, entlaufene 12-jährige Sohn des Arztes dazukommt und den Verbrecher beherzt mit einem Messer tötet.  Der selbe Junge führt im selben Haus dann auch eine Blindarm-Operation durch. Natürlich mit primitiven Mitteln und erfolgreich mit glücklichem Ausgang der Geschichte. Die Romane berichten auch von vielen Fällen wo Menschen verzweifelt sind und mit der neuen Situation nicht zurecht kommen. Kunstler zeigt aber auch ein breites Spektrum von Menschen, die mit der neuen Situation gut zurecht kommen. Die Botschaft, dass ein Zusammenbruch unserer technischen Zivilisation keinesfalls ein Weltuntergang ist, sondern dass das Leben danach weitergeht. Die Werte der Menschen sind andere und vieles was heute selbstverständlich und normal ist, wäre dann nicht mehr normal und umgekehrt. Für manche wäre das Leben unerträglich, während andere sich mit der neuen Zeit und ihren Chancen gut arrangieren würden.

Kunstlers Romane zeigen im Wesentlichen die moderne, amerikanische Gesellschaft mehrere Jahre nach einem eher langsamen, sich über Tage, Wochen und Monate hinziehenden, allmählichen Zusammenbruch. One Second After und ähnliche Romane etwa über EMP-Ereignisse, zeigen dagegen die moderne Gesellschaft unmittelbar nach und in den Monaten nach einem extrem plötzlichen Zusammenbruch. Beide Szenarien sind denkbar, insbesondere in Europa sogar noch in Kombination mit einem Krieg, bei dem zum Beispiel die Truppen eines extremen islamistischen Gottesstaates Europa angreifen und die konventionellen Streitkräfte zusammenbrechen, während die USA als Verbündeter ausfallen und während in England und Frankreich Bürgerkriege toben. Hilfe von Aussen wären in keinem der Fälle mehr zu erwarten. Kunstlers Szenarium eines langsammen Zusammenbruchs ist bei alledem die harmloseste Variante. Aber selbst damit wären wir heute in Deutschland überfordert.

Seit ich vor 2 Jahren die beiden Romane gelesen habe, habe ich mich immer wieder gefragt, was man tun könnte, um die Folgen eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation möglichst erträglich und die Verluste und Schäden möglichst gering zu halten. Außerdem habe ich mich gefragt ob und wie man von diesen Bedrohungsszenarien vielleicht sogar profitieren kann.

Nichts tun und glauben, dass entweder nichts passiert oder dass der Staat und die Regierung schon rechtzeitig das Beste tun werden ist die bequemste, beliebteste aber meines Erachtens auch die dümmste und verantwortungsloseste Lösung. Leider hat Vorsorge in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland aber auch wenig Sinn wenn man sie nur als einzelner betreibt.  Im Ernstfall wird man dann voraussichtlich kurzerhand ermordet und ausgeraubt, oder/und der Staat konfisziert in seiner Not alles was man an Lebensmitteln und anderen Hilfsmitteln und Vorräten hat.  Was bleibt dann noch an Möglichkeiten?  Nichtstun, sich auf Selbstmord einstellen und das Leben genießen solange es noch genießbar ist, oder auswandern? Beides sind durchaus vernünftige Lösungen.

Aber was mit denen die Kinder haben, die nicht auswandern können, und die ihr Leben im Ernstfall nicht einfach wegwerfen wollen und die trotzdem vernünftig handeln und den Kopf nicht einfach in den Sand stecken wollen? Für diese gilt Folgendes:

  • Man braucht zunächst Familienverbände, Dorfgemeinschaften, Nachbarschaften und auch Vereine und Gemeinden, die sich darin einig sind, dass unser Staat und die Infrastruktur zusammenbrechen könnten und das man zusammen etwas tun sollte und auch könnte. In Großstädten hat man im Ernstfall so gut wie keine Überlebenschancen, aber in Kleinstädten und Dörfern wird man oft gut überleben können, wenn…



  • Man müsste rechtzeitig anfangen eine robuste, lokale Lebensmittelversorgung aufzubauen. Diese sollte zumindest ausreichen, um im Ernstfall eine Hungersnot in der eigenen Gemeinde zu verhindern. Robust heißt, dass man auch ohne von der Industrie gelieferte Dinge wie Diesel, Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel, Ersatzteile und fremdes, nicht nachziehbares Saatgut auskommt. In weniger fruchtbaren Mittelgebirgslagen wie der Eifel wird das nur gelingen, wenn man rechtzeitig in systematische Bodenverbesserung und Gartenbau investiert, wie dies zum Beispiel in den Büchern Mini-Farming – Autark auf 1000 Quadratmetern von Brett L Markham und How to Grow More Vegetables(, and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops) Than You Ever Thought Possible on Less Land Than You can Imagine [dt.: Wie man mehr Gemüse, Früchte, Nüsse, Beeren, Körner und andere Feldfrüchte anbauen kann als Sie je gedacht haben, auf weniger Land als sie sich vorstellen können] von John Jeavons beschrieben wird. Die Geschichtsbücher der Eifel – und sicher auch die vieler anderer Gegenden – sind beunruhigend, weil sie zeigen, dass die klassische Landwirtschaft in diesen Gegenden selbst für viel kleinere Bevölkerungsdichten früher kaum bis oft nicht ausgereicht hat, um genügend Nahrungsmittel zu produzieren. Es könnte mit dem Wissen und den Informationsmöglichkeiten, die derzeit vorhanden sind bei rechtzeitigem Beginn aber gelingen, eine krisenfeste, lokale Nahrungsmittelproduktion aufzubauen.
  • Neben der Nahrungsmittelversorgung ist der Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, und gerade wenn man Gärten anlegt, auch eine bei langfristigem Stromausfall funktionierende Bewässerung wichtig.
  • Man sollte darüber nachdenken und nach Lösungen suchen, wie man genug Wohnraum ausreichend und ohne Raubbau an der Umwelt heizen kann, wenn Strom, Elektronik, Gasversorgung und Heizöllieferungen vollständig für lange Zeit oder für immer ausfallen.


  • Jede Vorsorge ist völlig sinnlos, wenn man im Ernstfall das Leben und die Vorräte nicht wirksam verteidigen kann. Raub, Raubmord und Bandenkriminalität werden in Krisensituationen sehr weit verbreitet sein. Man muss damit rechnen, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr funktioniert und dass Kriminelle auf verschiedenen Wegen gut mit illegalen Waffen versorgt werden. Dörfer und kleine Städte deren Bürger es nicht schaffen, wirksam und legal gemeinsam die Sicherheit zu gewährleisten, werden keine Überlebenschancen haben. Ideal wäre vor diesem Hintergrund, wenn wir in Deutschland eine Milizarmee ähnlich wie die Schweiz bekämen.  Am Besten würde man eine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und mindestens 60 einführen, wobei die älteren Berufstätigen jedes Jahr wenigstens einige Wochen zum Training einrücken müssten.  In einer Welt, die an die Grenzen des Wachstums stößt, wäre das zumindest für ein Land wie Deutschland die beste, demokratischste  Lösung.  Man wird das selbstverständlich nicht tun und man wird meinen Vorschlag voraussichtlich ziemlich verrückt finden – bis wieder einmal, wie schon 1529 und 1683,  die Truppen eines Kalifat vor Wien stehen und zum weiteren Vorstoß nach Deutschland antreten, oder bis eine Katastrophe unsere moderne Infrastruktur zerstört und das Land ins Chaos gestürzt hat.  Statt einer politisch nicht durchsetzbaren Maximallösung könnte man aber zumindest die bestehenden Gesetze und Möglichkeiten nutzen. Man könnte mehr Schützenvereine gründen. Man könnte mehr Schießstände mit 100, 200 und 300 m Bahnen bauen.  Bestehende Schützenvereine könnten soweit notwendig zu Dachverbänden wechseln die das Training und Wettkämpfe mit Waffen erlauben, mit denen im Ernstfall eine wirksame Verteidigung möglich ist.  Davon abgesehen ist Schießen auch eine sehr nützliche Form der Meditation und eine gute Übung, um den eigenen Realitätsbezug zu testen.  Beim Schießen und beim Programmieren von Computern kann der Mensch objektiv immer wieder Gefühl und Denken mit der Realität abgleichen.  Die Löcher sind tatsächlich ungefähr da in der Zielscheibe wo man sie haben wollte, oder sie sind nicht dort.  Eine derart gnadenlos objektive Rückmeldung über Unterschiede zwischen Wollen, Denken und tatsächlichen Können schadet nicht.  Anderseits kann in einer Krisensituation allein das Wissen um die Existenz eine Vielzahl guter Schützen Leben retten und Verbrechen von vorne herein verhindern.


  • Man denke zum Thema Sicherheit auch an den Fall des Norwegers Breivik. Der hat mit seiner Pistole und seinem halbautomatischen Gewehr in etwa 90 Minuten 68 Menschen getötet.  Man stelle sich vor, dass einige zigtausend IS-Kämpfer in Deutschland Wochen und  Monate lang, jeden Tag von morgens bis abends mit solchen Waffen wüten könnten.  Wenn man genug besonnene, gute Schützen hätte wäre der Spuk sehr schnell vorbei und es gäbe kaum Tote – sofern das Wissen um die viele guten Schützen in Deutschland nicht sowieso schon durch pure Abschreckung gewirkt hätte.  Wenn man wissen möchte was passieren kann, wenn man nicht die Möglichkeit hat dem Bösen mit Gewalt Einhalt sind die Bücher Die Lust am Bösen – Warum Gewalt nicht heilbar ist von Egon Sorg und  Zeit der Macheten – Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda von Jean Hatzfeld sehr zu empfehlen. Es gibt Situationen, in denen Waffen genauso wie das Werkzeug eine Chirurgen oder Zahnarztes sinnvoll und nötig sind, um schlimmeres zu verhindern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass solche Krisenszenarien noch ganz anderen Zwecken dienen können als auf den ersten Blick erkennbar ist. Wenn man lokal eine krisenfeste, das heißt auch ohne Industrieprodukte funktionierende Nahrungsmittelproduktion aufbaut, dann steigert das nicht nur die Überlebenschancen der betreffenden Gemeinen bei einer allgemeinen Hungersnot, sondern es kann auch die Qualität der Ernährung in mitten fetter Friedenszeiten verbessern, weil die Nahrungsmittel gesünder und frischer sein könnten.

Wenn die Menschen annehmen, das dass Aufrechterhalten der medizinischen Versorgung und die Versorgung industrielle hergestellten mit Medikamenten schlechter werden oder sogar für lange Zeit völlig ausfallen könnten, dann wäre das ein Anreiz gesundheitsbewusster zu leben. Es könnte ein Anreiz sein mehr Sport zu treiben, gesunder zu essen, abzunehmen und auch Zähne und Zahnersatz gut zu pflegen. Insgesamt könnte man damit die Lebensqualität steigern und die Kosten des Gesundheitswesens reduzieren.

Für ländliche Gegenden wie die Eifel könnte der demographische Trend umgekehrt werden. Es könnten wieder mehr Menschen von den Städten auf das Land ziehen. Das würde aber nur funktionieren, wenn/wo geeignete Maßnahmen von den Gemeinden und den ortsansässigen Vereinen getroffen würden. Damit das funktioniert schlage ich vor, dass man Vereine zur Verbesserung der Überlebenschancen in Katastrophenfällen e. V. gründet. Diese könnten zusammen mit schon vorhandenen Vereinen, wie etwa Schützenvereinen, Vereinen zur Pflege des Brauchtums und alter Handwerkskünste und Gartenbauvereinen zusammenarbeiten oder wenn diese Vereine fehlen, deren Funktion mit übernehmen. Ob das Wirtschaftswachstum von einer Sekunde auf die andere durch ein extremes Ereignis, extrem negativ wird, oder ob es über Tage, Wochen und Monate sinkt und die Importe und Stromversorgung langsam wie in Kunstlers Romanen zusammenbrechen, die Vorbereitung wäre ähnlich und solche Vereine könnten das Wissen, die Möglichkeiten und Initiativen zusammenbringen, um die Bevölkerung auf möglichst breiter Basis krisenfest zu machen und um die Überlebenschancen zu verbessern. Die Existenz und Arbeit solcher Vereine könnte in ländlichen Gegenden wie der Eifel auch in fetten Friedenszeiten die Dörfer wieder insbesondere auch für junge Familien attraktiver machen, sowie die Lebensqualität, die Gesundheit der Bevölkerung und die Infrastruktur verbessern. Man könnte von den Grenzen und dem Ende des Wachstums durchaus profitieren.

Kelberg, den 23. August 2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker




Sun Tzu, schwarze Schwäne und die Weltkriege

Sun Tzu ist ein mehr als 2200 Jahre alter chinesischer Klassiker der Kriegskunst, der uns auch heute immer noch viel zu sagen hat. Persönlich besitze ich seit meiner Studienzeit in Flandern die von Samuel B. Griffith, einem Sinologen, und Brigadegeneral a.D. der US-Maineinfantrie verfasste Übersetzung vom Chinesischen ins Englische.  Der britische Militärhistoriker B.H. Liddell Hart schreibt in seinem Vorwort zu Griffiths Übersetzung ((im Internet kursiert eine pdf-Datei mit Fotokopien der eigentlichen Übersetzung.  Diese enthält aber weder das Vorwort noch die umfassenden sonstigen Ausführungen über die historischen Hintergründe Sun Tuzs und seines Werkes. Griffith weißt in Fußnoten häufig auf verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten hin.  Die Anschaffung des Buches von Griffith ist daher in jedem Fall empfehlenswert, wenn man sich für Sun Tzu interessiert und über ausreichende Englischenkenntnisse verfügt. Ich habe das Werk von Griffith mit einer deutschen und zwei weiteren englischen  Ausgabe von Sun Tzu verglichen.  Das Werk von Samuel Griffith ist, soweit ich das beurteilen kann, aber noch immer die beste Version. Griffith war eben auch General eine Eliteeinheit und sein Buch über Sun Tzu, ist die überarbeitete Version seiner Doktorarbeit, mit der er nach dem Ende seiner militärischen Laufbahn den PhD an der Universität Oxford erworben hat.))

„Der Zivilisation könnte viel von dem Schaden, den sie in den Weltkriegen dieses [des 20.] Jahrhunderts erlitten hat, erspart geblieben sein, wenn Clausewitzs monumentaler Wälzer Vom Kriege, der das militärische Denken in Europa von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg geformt hat, mit der Kenntnis von Sun Tzus Darlegung der Kriegskunst gemischt und ausbalanziert worden wäre. …..  Die Klarheit von Sun Tzu’s Denken könnte die Unklarheit von Clausewitzs korrigiert haben…“

Hier die Ausführungen von Sun Tzu zur Vorbereitung und Aufstellung für einen Krieg:

Kapitel IV, Aufstellung ( hier auch Anordnung und Formation)

„Sun Tzu sagte:

  1. In uralten Zeiten haben die geschickten Krieger sich selbst unbesiegbar gemacht und den Moment der Verwundbarkeit des Feindes abgewartet.
  2. Unbesiegbarkeit hängt von einem selber ab; die Verwundbarkeit des Feindes von ihm.
  3. Daraus folgt, dass die im Kriege geschickten sich selbst unbesiegbar machen können, aber sie können den Feind nicht mit Sicherheit dazu bringen, verwundbar zu werden.
  4. Daher wird gesagt, dass man zwar wissen kann, wie man gewinnen kann, aber man kann es notwendigerweise nicht tun.
  5. Unbesiegbarkeit liegt in der Verteidigung; die Möglichkeit zu siegen im Angriff
  6. Man verteidigt sich, wenn die eigene Stärke unzureichend ist, man greift an, wenn die eigene Stärke üppig ist.
  7. Die Experten der Verteidigung verbergen sich selbst wie unter der 9-fachen Erde; die im Angriff geschickten greifen an wie von oberhalb des 9-fachen Himmels. So sind sie fähig sich selbst zu schützen und vollständige Siege zu erringen.
  8. Einen Sieg vorauszusehen, den ein einfacher Mann voraussehen kann, ist nicht der Gipfel der Kunst.
  9. In der Schlacht zu triumphieren und allgemein als „Experte“ gefeiert zu werden ist nicht der Gipfel der Kunst. Ein heruntergefallenes Blatt im Herbst aufzuheben erfordert keine große Kraft; zwischen Mond und Sonne unterscheiden zu können, ist kein Test der Sehschärfe; einen Donnerschlag zu hören ist kein Hinweis auf Feinhörigkeit.((Griffiths Anmerkung dazu: Eine Schlacht nach schweren Kämpfen zu gewinnen oder eine Schlacht durch Zufall zu gewinnen ist kein Hinweis auf gute Fähigkeiten ))
  10. In uralten Zeiten besiegten die geschickten Krieger einen Feind, der leicht zu besiegen war.
  11. Und daher bringen die Siege, die ein Meister des Krieges erringt, ihm weder einen guten Ruf der Weisheit noch Verdienste für Tapferkeit.
  12. Das ist so, weil er Siege ohne Verfehlung erringt. ‘Ohne Verfehlung’ bedeutet, dass was immer er tut, sichert seinen Sieg, er besiegt einen Feind der bereits geschlagen ist.
  13. Aus diesem Grund nimmt der geschicke Kommandeur Positionen ein, in denen er nicht besiegt werden kann und läßt keine Gelegenheit aus, seinen Gegner zu überwältigen.
  14. Daher erringt eine siegreiche Armee ihre Siege, bevor sie in die Schlacht zieht; eine zum Verlieren bestimmte Armee kämpt in der Hoffnung zu gewinnen.
  15. Die in der Kriegführung geschickten kultivieren das Tao und schützen die Gesetze und sind deshalb in der Lage siegreiche Politiken zu formulieren. (Dazu der Kommentator Tu Mu: Das Tao ist der Weg der Humanität und Gerechtigkeit; ‘Gesetze’ sind Regelwerke und Institutionen. Diejenigen, die sich im Kriege selbst übertreffen, kultivieren zuerst ihre Humanität und Gerechtigkeit und sie erhalten ihre Gesetze und Institutionen. Auf diese Weise machen sie ihre Regierungen unbesiegbar.)
  16. Nun sind die Elemente der Kriegskunst erstens das Messen des Raumes, zweitens Schätzung der Mengen, drittens Berechnungen, viertens Vergleich, und fünftens Siegeswahrscheinlichkeiten.
  17. Messungen des Raumes werden aus dem Gelände abgeleitet.
  18. Mengen folgen aus Messungen, Zahlen aus Mengen, Vergleiche aus Zahlen, und Siege aus Vergleichen.
  19. Daher ist eine siegreiche Armee wie ein Zentner, der gegen ein Getreidekorn gewogen wird.
  20. Es liegt an der Aufstellung (auch Anordnung und Formation), dass ein siegreicher General in der Lage ist, seine Leute so zum Kämpfen zu bringen, dass sie wie aufgestautes Wasser wirken welchem plötzlich freier Lauf gelassen wird und welches in einen bodenlosen Abgrund stürzt. (Dazu der Kommentator Chang Yü: Die Natur des Wassers ist die, dass es Höhen vermeidet und in das flache Land eilt. Wenn ein Damm gebrochen ist stürzt das Wasser mit unwiderstehlicher Gewalt herab. Die Form  einer Armee  ähnelt Wasser. Nutze die Unvorbereitetheit des Gegners; greife ihn dort an, wo er es nicht erwartet; vermeide seine Stärken und treffe seine Leere, und wie Wasser kann dir niemand Widersand leisten.

Was kann nun daraus für den 1. Weltkrieg lernen? Deutschland war, wie wir heute wissen, wirklich in einer sehr gefährlichen Lage.  Es hätte aber die Möglichkeit gegeben, in den Jahren vor 1914 die Entwicklung der Technik so zu nutzen, dass man 1914 auf eine Mobilmachung hätte verzichten können, selbst einen gleichzeitigen Angriff Russlands und Frankreichs hätte man zurückschlagen und auch eine Blockade der Handeslverbindungen aussitzen können:

Man hätte statt der teuren Großkampfschiffe, für die für einen sicheren Sieg gegen England ohnehin zu schwachen Marine die Marine hauptsächlich auf kleinere Torpedoboote, Minenleger und später  auch U-Boote beschränken sollen. England hätte sich dann nicht bedroht gefühlt.  Mit dem gesparten Geld hätte man  Maschinengewehre und leichte, schnellfeuernde Kanonen kaufen und in den Grenzregionen Bunker und Schützengräben vorbereiteten können.  Man hätte zudem darüber nachdenken sollen zumindest in einem Breiten Grenzstreifen den Soldaten nach dem Wehrdienst, ähnlich wie noch heute in der Schweiz, ihre Waffen mit nach Hause zu geben, so dass man im Ernstfall in den Grenzregionen in kürzester Zeit nach Bedarf hätte mobil machen können.  Ziel hätte jedenfalls sein müssen ein System zu entwickeln, das eine auf Angreifer abschreckende und bei einem tatsächlichen Angriff eine äusserst wirksame Verteidigung gewesen wäre. Das Wahnsinnige der deutschen Politik 1914 war jedenfalls angesichts des vermeindlich drohenden russischen und französischen Angriffs nur eine Möglichkeit zu sehen, nämlich angreifen zu müssen.

Um eine Handelsblockade aussitzen zu können, hätte Deutschland vor 1914 durch Zölle und Subventionen dafür sorgen können und müssen, dass in Deutschland auch bei einem Totalausfall des internationalen Handels genügend Nahrungsmittel produziert werden, um eine Hungersnot wie die im Winter 1917/18 zu verhindern.

Am zweiten Weltkrieg sind mit Blick auf Sun Tzu zunächst die deutschen Angriffe gegen Polen im Herbst 1939, im Mai 1940 gegen Frankreich, die Niederlande und Belgien und im Sommer 1941 gegen die UdSSR interessant. Vor allem Frankreich und Belgien hatten dabei  ihre Grenzen nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges optimal geschützt.  Die Deutschen haben aber jeweils durch geschickte Ausnutzung der neuen technischen Möglichkeiten und der geographischen Lagen “wie von über dem 9-fachen Himmel angegriffen”.  Die neuen belgischen Grenzbefestigungen wurden in kürzester Zeit überwunden und die französischen Befestigungen wurden durch die Wahl einer nicht für möglich gehaltenen Angriffsrichtung bei gleichzeitiger Vortäuschung eines ganz anderen Angriffs geschickt umgangen.



Die UdSSR Stalins war angesichts ihrer immensen zahlenmäßigen Überlegenheit naiv und arrogant.  Ausserdem war sie offenbar mit der Vorbereitung eines Angriffs auf Deutschland und Europa beschäftigt((siehe hierzu die Bücher: Stalins verhinderter Erstschlag – Hitler erstickt die Weltrevolution des ehemaligen sowjetischen Generalstabsoffiziers Viktor Suworow und Kampfplatz Deutschland: Stalins Kriegspläne gegen den Westen des polnischen Historikers Bogdal Musial)). Ein deutscher Angriff wurde jedenfalls von Stalin für so unmöglich gehalten, dass er es erst glauben konnte, als die Deutschen schon auf sowjetischen Gebiet waren und rasant vorstießen.  Alle großen  Angriffe der Deutschen im Osten und Westen waren bis 1941 Angriffe, die man so wie sie erfolgten für unmöglich oder extrem unwahrscheinlich gehalten hatte.  Man war nicht vorbereitet obwohl die Mittel und auch die Zeit für eine Vorbereitung gereicht hätten. Die sehr realen, das weitere Schicksals Europas prägenden militärischen Angriffe der Deutschen Wehrmacht waren daher schwarze Schwäne im Sinne von Nassim Nicholas Talebs Buch Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlichker Ereignisse. Das Gleiche gilt aber auch für den Brand Moskaus und den anschließenden Untergang von Napoleons Großer Armee, sowie für den Sieg der Germanen über die Römer bei der Schlacht im Teuteburger Wald. Immer wieder entschieden Schwarze Schwäne, also von den Besiegten vorher für unmöglich gehaltene Ereignisse über Sieg und Niederlage, und immer wieder wurden  Sun Tzu und Nassim Nicholas Taleb bestätigt.

Die Vorbereitung einer im Ernstfall wirklich wirksamen Verteidigung kann also misslingen, wenn man technische Entwicklungen und technische Möglichkeiten nicht berücksichtigt und wenn man sich auf scheinbar “unmögliche”  und “unwahrscheinliche” Angriffe, Kriege und Ereignisse nicht vorbereitet.  Denkbare Gefahren heute sind z.B.:

  • Die Kalifat-Bewegung der ISIS erfaßt Saudi Arabien und dann vielleicht die Türkei oder sogar Teile Frankreichs.  Der Fernsehsender Russia Today hat am 18. 8.2014 von einer Umfrage über die Unterstützung der extremen ISIS-Bewegung in Europa berichtet wonach 27% der Franzosen im Alter von 18-24 mit der ISIS sympathisieren. In Deutschland waren es 3% und in England immerhin noch 7%. Wenn nur Saudi Arabien von der ISIS-Bewegung erfaßt wird, würden die Ölspezialisten dort voraussichtlich fliehen und der Ölmarkt könnte zusammenbrechen.  Alleine das könnte uns in größte Schwierigkeiten bringen. Wenn die Türkei Teil des Kalifats der ISIS würde, wäre das derzeit wohl das Ende Europas.  Nicht auszudenken auch, wenn in Frankreich Teile der Streitkräfte oder sogar die Atomstreitkräfte von Sympathisanten der ISIS übernommen werden.
  • Der Zusammenbruch der USA.  Das ist ein sehr wahrscheinliches Szenarium.  Deutschland und Europa könnten sich damit ziemlich plötzlich ohne die militärische Schutzmacht USA sehen.
  • Eine Weltweite Pandemie wie die spanische Grippe. Egal ob sie auf natürlichem Wege entstanden ist oder ob sie aus einem Forschungslabor stammt.  Die Importe von Nahrungsmitten, Öl und Rohstoffen könnten als Folge davon ausfallen.
  • Sonnenstürme und EMP-Angriffe hatte ich schon hier und hier abgehandelt .


Haben wir aus der Geschichte gelernt? Sind wir für den 3. Weltkrieg und andere mögliche Katastrophen des 21. Jahrhunderts und die damit verbundenen schwarzen Schwäne im Sinne von Sun Tzu und Nassim Nicholas Taleb vorbereitet? Ich glaube wir sind überhaupt nicht vorbereitet. Ich glaube aber auch an den gesunden Menschenverstand und damit daran, dass wir etwas tun könnten, etwas tun sollten und dass wir damit sehr viel Elend verhindern und Schäden und Verluste mildern können.  Ich hoffe das meine Webseite www.freizahn.de in diesem Sinne zum Nachdenken anregt und auch zu vernüftigen Vorbereitungen im Sinne von Sun Tzu und Nassim Nichloas Taleb beiträgt.

Kelberg, den 22. August 2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker,

 




Reich der Illusionen

Der amerikanische Theologe, Journalist und Autor Chris Hedges hat unter anderem ein Buch mit dem Titel Empire of Illusion – The End of Literacy and the Triumph of Spectale geschrieben. Übersetzt  Großreich der Illusionen – Das Ende der Bildung und der Sieg des Schauspiels. Das Buch hat fünf Kapitel:

1. Die Illusion der Bildung.


Hier nimmt er die Welt der Reality TV-Shows, die TV-Serien und den hohen Prozentsatz der vollständigen und der funktionellen Analphabeten in Nordamerika aufs Korn. Gut 4 von 10 amerikanischen und kanadischen Bürgern sind offenbar nicht in der Lage, längere Texte zu lesen und zu verstehen. 8 von 10 Familien in den USA haben 2007 kein Buch gekauft. Show, Schein und Berühmtheit (…  Next Top Modell, Big Brother usw) sind Trumpf. Die Fähigkeit Wahrheit von Lüge zu unterscheiden und gefährliche Entwicklung und drohende Katastrophen zu erkennen, bleibt auf der Strecke.

2. Die Illusion der Liebe

Hier berichtet er aus der Pornoindustrie in Las Vegas und zeigt, wie kaputt die Pornodarsteller oft tatsächlich sind, und dass diese Pornos eben auch nur Illusionen sind. Bemerkenswert an dieser Reportage fand ich auch die indirekte Botschaft, dass die Nachfrage nach der Illusion von Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren massiv gestiegen zu sein scheint. Die offiziellen Trends und Bemühungen zur Gleichstellung der Frauen, zu Gendermainstreaming, Gleichstellungsbeauftragten, Frauenquoten usw. laufen also faktisch parallel mit einer steigenden Nachfrage nach immer krasseren Illusionen von Gewalt gegen Frauen. Die beunruhigende Frage, die ich mir dazu stelle ist, was wohl passieren wird, wenn die Staatsgewalt in den westlichen Industrieländern durch Kriege oder Katastrophen ausfällt. Der amerikanische Autor James Howard Kunstler mein, dass dann wohl eine Mengen sehr unschöne Dinge passieren werden. Chris Hedges beschließt das Kapitel wie folgt:

Sie [die Pornographie] ersetzt Empathie, Eros, und Mitgefühl mit der Illusion, dass wir Götter sind. Pornographie ist die glitzernde Fassade, wie die Kasinos und Urlaubsorte in Las Vegas, wie der Rest der Phantasie die Amerika ist, von einer Kultur, die vom Tod verführt ist.

3. Die Illusion der Weisheit

Hier geht es um die Universitäten. Man bedenke, dass Chris Hedges selber an der Harvard Universität einen Master in  Theologie erworben hat. Seine Ausführungen über modernen Atheismus und über den Sinn von Religion sind das Beste und Scharfsinnigste,  was ich bis heute von einem evangelischen Theologen vernommen habe. Doch hier nun Zitate aus seinem Kapitel über die Illusion der Weisheit:

Die Eliteuniversitäten verachten seriöse intellektuelle Untersuchungen, welche von ihrer Natur her misstrauisch gegenüber Autoritäten, leidenschaftlich unabhängig und oft umstürzlerisch sind. Sie organisieren das Studium, um sehr hoch spezialisierte Disziplinen, eng begrenzte Antworten und starre Strukturen die dazu entworfen sind solche Antworten zu geben.

Sinngemäß führt er aus, dass amerikanische Hochschulen faktisch nur noch Berufsschulen sind, deren Aufgabe darin besteht für die Industrie und Konzerne nützliche Fachidioten mit Scheuklappen und Tunnelblick zu produzieren.

Obama ist ein Produkt dieses elitären Systems. Genauso wie die Diplom geschmückten Mitglieder seines Kabinetts. Die kommen von Harvard, Yale, Wellesley und Princeton. ……. Unsere Machtelite hat einen blinden Glauben in ein zerfallendes politisches und finanzielles System, das sie genährt, bereichert und zur Macht gebracht hat. Aber diese Elite kann unsere Probleme nicht lösen. …… Der Elite, und denen die für sie arbeiten, hat niemand beigebracht die Annahmen ihres Zeitalters zu hinterfragen. Das sozial wichtige Wissen und die kulturellen Ideen die in der Geschichte, Literatur, Philosophie und Religion enthalten sind, und die in ihrem Kern umstürzlerisch und bedrohend für Autoritäten sind, wurden von der öffentlichen Diskussion verbannt.

Ironischerweise haben die Universitäten hunderttausende von Absolventen für Beschäftigungen ausgebildet, die es bald nicht mehr geben wird. Sie haben Leute ausgebildet, um ein System zu erhalten das nicht erhalten werden kann. Die Elite, genauso wie jene mit den schmalspurigem, speziellen Berufsbildungen, weiß nur wie man das Ungeheuer füttert bis es stirbt. Wenn es erst einmal tot ist, sind sie hilflos. Glaubt nicht, dass sie uns retten. Sie wissen  nicht wie. Sie wissen nicht einmal, wie man die Fragen stellen muss. Und wenn alles zusammenbricht, wenn unser verrottetes Finanzsystem mit seinen Billionen wertlosen Werten implodiert und unsere imperialen Kriege mit Demütigungen und Niederlagen enden, dann wird die Machtelite sich als genauso hilflos und von sich selbst getäuscht erweisen wie der Rest von uns.

4. Die Illusion des Glücks

Hier geht es um die positive Psychologie. Persönlich meine ich schon, dass man durchaus in fast jeder Situation ganz real und nüchtern betrachtet auch Positives und neue, interessante Möglichkeiten finden kann. Ob und wie gut das gelingt, wird aber von einer Reihe von Faktoren abhängen.

Was Chris Hedges an der positiven Psychologie kritisiert ist, dass sie offenbar oft wie eine Droge missbraucht wird, um den Blick auf die Realität zu vernebeln. Wer kritiklos und naiv nur positiv denkt und die Welt nur durch eine rosarote Brille sieht, der ist vielleicht für die Regierung, Unternehmen und Vorgesetzte pflegeleicht. Wenn positives Denken aber reale Tatsachen und Probleme ignoriert und positive Veränderungen verhindert, weil ja alles schon positiv ist oder sein sollte, dann hat man ein Problem.  Wenn die erfahrene Wirklichkeit so gar nicht zu dem positiv (vor)gedachten und übermittelten  Bild passt, kommt es zu Spannungen, Minderwertigkeitsgefühlen und Ängsten.

Hier das Zitat des letzten Abschnitts dieses Kapitels (S.: 138–139):

Die von den Vertretern der positiven Psychologie propagierte Ideologie hat eine dunkle, heimtückische Eigenschaft. Sie verurteilen jede soziale Kritik und Bilderstürmer, die Dissidenten und Individualisten, weil sie sich nicht unterwerfen und keine Erfüllung im kollektiven Muhen der Herde der großen Unternehmen finden. Sie ersticken Kreativität und moralische Selbständigkeit. Sie versuchen individuelle Menschen so zu formen und so anzupassen, dass sie Teil eines willfährigen Kollektivs werden. Die Hauptlehre dieser Bewegung, die die Ideologie des Staates der großen Firmen widerspiegelt, ist dass Erfüllung in der vollständigen und totalen sozialen Übereinstimmung zu finden ist, eine Übereinstimmung die alle totalitären und autoritären Strukturen denen, die sie dominieren aufzuzwingen versuchen. Ihre falschen Versprechen von Harmonie und Glück steigern nur interne Ängste und Gefühle der Unzulänglichkeit. Die drängenden Unterströmungen der Entfremdung und der ständige Druck falsche Begeisterung und falschen Elan zur Schau stellen zu müssen, zerstört reale Beziehungen. Die Einsamkeit eines Arbeitslebens, wo Selbstdarstellung wichtiger ist als Echtheit und wo man immer fröhlich, optimistisch und positiv sein muss, egal in welcher Stimmung oder Situation man sich befindet, ist verwirrend und belastend. Das schreckliche Gefühl, dass positiv sein in Wirklichkeit nicht funktioniert, wenn man seine Arbeit verliert, muss begraben und unterdrückt werden. Hier im Land der glücklichen Gedanken gibt es keine groben Ungerechtigkeiten, keinen Missbrauch von Autorität, keine in Frage zu stellenden wirtschaftlichen und politischen Systeme, und keinen Grund sich zu beschweren. Hier sind wir alle glücklich.

5. Die Illusion von Amerika

Hedges beginnt damit, dass die USA seiner Vorfahren und auch seiner Kindheit und Jugend zwar durchaus Mängel hatten, aber insgesamt doch gut und ehrwürdig waren. Die Demokratie, die Presse, die Wirtschaft und die Gesellschaft und Ihre Institutionen hätten im wesentlichen funktioniert. Er war dann zwanzig Jahre als Auslandskorrespondent vor allem in Kriegs- und Krisengebieten im Einsatz und kaum in den USA. Die heutigen USA, die er bei seiner Rückkehr vorgefunden habe, würden zwar immer noch dieselbe Sprache, die selben Symbole und die selben nationalen Mythen benutzen wie früher, aber das sei alles nur noch eine leere Hülle. Die alten USA seien weitgehend verschwunden und unkenntlich geworden. (Zitat S. 142-143):

Unsere Nation ist von Oligarchen gekapert, große Firmen und eine kleine, selbstsüchtige politische und wirtschaftliche Elite, eine kleine privilegierte Gruppe die regiert und oft aus finanziellem Interesse stiehlt. Diese Elite hat im Namen von Patriotismus und Demokratie, im Namen all der Werte die einmal Teil des amerikanischen Systems waren und die die protestantische Arbeitsethik begründete haben, systematisch unsere Produktionssektor zerstört, unsere Staatsfinanzen geplündert unser Demokratie korrumpiert und unser Finanzsystem zerstört. Während dieser Plünderung sind wir passiv geblieben, hypnotisiert von den verlockenden Schatten an der Wand, die uns versprachen, dass unsere Fahrkarten zu Erfolg, Wachstum und Glück gleich um die Ecke auf uns warteten.

Die Regierung, von jeder wirklichen Souveränität befreit, bietet wenig mehr als technische Expertise für Eliten und große Firmen, denen moralische Schranken und ein Konzept des Allgemeingutes fehlen. Amerika ist eine Fassade geworden. Es ist die größte Illusion in einer Kultur der Illusionen. Es repräsentiert eine Macht und eine demokratische Ethik, die es nicht besitzt. Es versucht unendliches Wachstum durch das Leihen von Billionen Dollar, die es niemals zurückzahlen kann zu generieren. ….. Wir fahren fort unseren Glauben in eine Phantomwirtschaft zu setzen, eine die durch Betrug und Lügen charakterisiert ist, die die reichsten 10 Prozent erhält. …. Wir versuchen vergeblich zu einer Blasenwirtschaft zurückzukehren, anstatt uns mit der harten Realität zu konfrontieren, die vor uns liegt. ….. Wir bleiben der Versuchung zu der Selbsttäuschung erlegen, dass wir immer noch alle reich werden können. …..

Weiter auf S. 143:

Kulturen, die nicht zwischen Illusion und Realität unterscheiden können, sterben. Die letzten Atemzüge aller sterbenden Reiche, von den Azteken zu den alten Römern, zum französischen Königreich und dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich, hatten gemeinsam, dass der Bezug der Eliten zur Realität verloren war. Die Eliten waren von absurden Phantasien der Allmacht und Macht geblendet die ihre Zivilisationen untergehen ließ. ……

In keiner Periode der amerikanischen Geschichte war unsere Demokratie so in Gefahr und Totalitarismus so wahrscheinlich wie heute. Unsere Art zu Leben ist vorbei. Unsere verschwenderischer Konsum ist zu Ende. Das ist die trostlose Zukunft. Das ist Realität. …..

Wie werden wir mit unserem Abstieg umgehen?

Aktuell versuchen sich die Amerikaner mit der auch in deutschen Medien teilweise enthusiastisch gefeierten Schieferöl- und Fracking- Geschichte neuen Mut zu machen. Nüchterne Analysen wie sie z.B. in Kapitel 21, Shale Oil, der neusten Version von Chris Martensons Crash Course gut und übersichtlich dargestellt werden, zeigen aber, dass auch der angebliche neue, durch Fracking und Schieferöl ermöglichte Ölboom eher eine Illusion ist. Diese Meinung vertreten  auch Max Keiser und die in der Sendung  von seiner Kollegin Stacey Herbert zitierten Quellen im Keiser-Report Nr. 642 vom 18. August 2014. Danach ist die Schieferöl- und Schiefergaseuphorie in den USA nur eine weitere Finanzblase, die ähnlich wie die 2008 in den USA geplatzte Hypothekenblase bersten wird.  Der amerikanische Autor und Blogger James Howard Kunstler schrieb zum Schluß seines Blogbeitrags vom 11.08.2014 sogar:

Die Schieferölgeschichte ist falsch. Nach meiner Berechnung hat unsere … Wirtschaft  noch ein Jahr, bevor die Öffentlichkeit auf breiter Basis begreift, in welchen Schwierigkeiten wir stecken. Das Erstaunliche ist, dass die Öffenlichkeit das noch vor ihrer politischen Führung begreifen könnte. Diese Dynamik führt direkt zum zumindest in den letzten 150 Jahren Undenkbaren, dem Auseinanderbrechen der Vereinigten Staaten.


Doch nun weiter auf S. 190 in dem Buch von Chris Hedges:

Je schlimmer die Realität wird, desto weniger möchte eine bedrängte Bevölkerung von ihr hören und je mehr lenkt sie sich mit erbärmlichen Pseudo-Ereignissen des Unglücks von Berühmtheiten, Klatsch und belanglosem Zeug ab. Diese sind die verdorbenen Orgien einer sterbenden Zivilisation. Die verhängnisvollste kulturelle Trennung liegt zwischen denen, die fabrizierten Illusionen nachjagen und denen, die fähig sind die Illusionen anzustechen und mit der Realität zu konfrontieren. Mehr als die Trennung der Rassen, Klassen, oder Geschlechter, mehr als ländlich oder städtisch, mehr als roter oder blauer Staat [rot und blau sind Farben der beiden großen Parteien in den USA], hat sich unsere Kultur in radikal unterschiedliche, unüberbrückbare, gegensätzliche Einheiten gemeißelt, die nicht länger die selbe Sprache sprechen und die nicht mehr kommunizieren können. Dies ist die Grenze zwischen einer gebildeten, an den Rand gedrängten Minderheit und jenen, die von einer ungebildeten Massenkultur vereinnahmt werden.

Die Massenkultur ist eine Peter-Pan Kultur. Sie erzählt uns, dass unser Leben harmonisch und vollständig sein wird, wenn wir unsere Augen schließen, wenn wir uns vorstellen, was wir wünschen, wenn wir an uns selbst glauben, wenn wir Gott erzählen das wir an Wunder glauben, wenn wir unsere inneren Stärken anzapfen, wenn wir verinnerlichen, das wir wirklich außergewöhnlich sind, wenn wir uns auf Glücklichsein konzentrieren. Dieser kulturelle Rückzug in Illusionen, ob er nun von positiven Psychologen verbreitet wird, von Hollywood oder christlichen Priestern, ist eine Form des magischen Denkens. Dieser Rückzug in Illusionen macht aus wertlosen Hypotheken und Schulden Reichtum. Er macht aus der Zerstörung unserer Produktionsbasis eine Gelegenheit zum Wachstum. Er macht aus Entfremdung und Angst eine fröhliche Übereinstimmung. Er macht aus einer Nation die illegale Kriege führt und Strafkolonien in Übersee unterhält, wo offen Folterpraktiken angewendet werden, die größte Demokratie der Welt.

Die Welt, die uns erwartet wird schmerzhaft und schwierig sein. Wir werden zurück zur Realität gezerrt werden, zu dem Verständnis, dass wir die Realität nicht nach unseren Wünschen formen können, oder wir werden in Despotie abgleiten. Wir werden lernen unsere Lebensstile radikal anzupassen, so dass sie mit den schrumpfenden Mitteln, Umweltschäden und einer schrumpfenden Wirtschaft ebenso wie mit unserem Abstieg als Militärmacht fertig werden, oder wir werden uns an unsere Illusionen klammernd sterben. Dies sind die harten Wahlmöglichkeiten die vor uns liegen.

Vieles was Chris Hedges aus seiner Sicht als Amerikaner über die amerikanische Gesellschaft schreibt, trifft auch auf Deutschland und Europa zu. Manche seiner Beobachtungen erinnern zudem an Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus. Manches erinnert an den Film Der Untergang in dem die Hitlers letzte Tage geschildert werden.

Aus deutscher und europäischer Sicht kommt aber noch hinzu, dass mit dem Niedergang der USA  unsere militärische Schutzmacht ausfallen wird und das unsere geopolitische Lage eine andere ist. Dass Chris Hedges in seinem Buch die USA mit dem morschen österreichisch-ungarischen Kaiserreich vor dem 1. Weltkrieg vergleicht, das 1914 Deutschlands wichtigster Verbündeter war und dessen Instabilität und Illusionen wesentliche Ursache für den 1. Weltkrieg mit allen Folgen die er für Deutschland hatte, war, sollte uns in Deutschland besonders nachdenklich stimmen. Unser wichtigster Verbündeter ist heute jedenfalls wieder ein morsches, in Illusionen schwelgendes Großreich. Aber auch das deutsche Kaiserreich hat damals eine Menge Illusionen gepflegt und sich mehr der Realität verweigert als gut war. Sind wir heute besser? Wenn nicht, könnten wir vielleicht besser, realistischer und damit überlebensfähiger werden?

Kelberg, den 19.8.2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker




Nur noch Schmusekatzen

In der Wochenzeitung Junge Freiheit vom 15. August 2014 findet sich auf Seite 18 ein Artikel des Militärhistorikers und Militärtheoretikers Prof. Dr. Martin van Creveld.  Über dem Artikel sind 3 Spielzeugsoldaten aus Plastik abgebildet. Daneben steht

Spielzeugsoldaten:

Soldaten, deren Hauptanliegen darin besteht, nicht getötet zu werden, sind nie in der Lage gewesen zu kämpfen, geschweige denn zu siegen.

Die Artikelüberschrift lautet:

Westliche Armeen

Schmusekatzen

Die fett hervorgehobenen Texte lauten:

Die westlichen Gesellschaften ehren ihre Soldaten nicht, im Gegenteil: Während der Ausbildung und der Kasernierung unterliegen sie zahllosen Vorschriften, die sie daran hindern, das zu tun, was für jeden Zivilisten das Normalste der Welt ist.

und

Eine Wichtige Rolle bei all dem spielen weibliche Soldaten und der Femininismus im allgemeinen. In jeder bekannten menschlichen Gesellschaftsordnung seit Anbeginn der Dinge galt eine Behandlung, die für Männer als angebracht erschien als zu hart für Frauen.

Die abschließenden Sätze des Artikels:

Und nicht zuletzt sind da die feministischen Organisationen, die stets und ständig auf der “Gleichstellung” (im Klartext der Previligierung) der Frauen bestehen, auch wenn dies bedeutet, über die Leichen zahlloser “Schwestern” zu gehen und das Militär ihrer jeweiligen Länder zugrunde zu richten.

Abschließend sind noch zwei Punkte anzumerken: Zum einen haben, wie ihre zahlreichen Siege deutlich machen, die Taliban, ihre Waffenbrüder in anderen Ländern und die Gesellschaften außerhalb der westlichen Welt im allgemeinen gut erkannt, dass es nicht ratsam ist, dem Westen auf seinem selbstzerstörerischen Weg zu folgen. Zum anderen sind Gesellschaften, die ihre Kampfkraft verlieren, indem sie ihr Militär so behandeln wie der Westen, zum Untergang verurteilt. Früher oder später wird jemand mit einem scharfen Schwert daherkommen und ihnen den Kopf abschlagen.

Wer Ohren hat der höre.

Beängstigende Worte, wenn man bedenkt, dass alleine schon  der kleine Rest des osmanischen Reiches, der sich heute Türkei nennt, über mehr als 12 mal soviele schwere Kampfpanzer und über mehr als doppelt soviele Soldaten verfügt wie Deutschland oder Frankreich.  Wenn man alle muslimischen Länder des ehemaligen Osmanischen Reiches zusammenrechnet, kommt man auf eine Streitmacht, die schon rein zahlenmäßig dem Rest Europas extrem überlegen ist. Man stelle sich nun vor, dass das Kalifat der ISIS sich weiter ausbreitet und in wenigen Jahren auch Saudi Arabien und in dann vielleicht sogar die Türkei umfasst, während Wassermangel den Orient weitgehend unbewohnbar macht. Oder man stelle sich vor, dass sich China wegen seiner Umweltprobleme und wegen Wassermangel zu Eroberungskriegen gezwungen sieht und sich deshalb mit islamischen Staaten verbündet und dass Regierungen ausserhalb Europas, Europa als geeigneten, wassereichen, fruchtbaren, kaum noch verteidigten neuen Lebensraum ausmachen, den zu erobern und neu zu besiedeln eine Möglichkeit ist, um Revolutionen im eigenen Land zu verhindern. Das wäre ausserdem attraktiv weil die Weißen in Europa und wohl auch in den USA dann in Zukunft auch als lästige Verbraucher und Konkurrenten bei der Verteilung der verbliebenen, knappen, wirtschaftlich nutzbare Rohstoffe und Ölvorräte dieser Welt ausfallen würden.

Besonders interssant würde so ein konventioneller Angriff auf Europa, wenn vorher schon ein EMP-Angriff wie in One Second After beschrieben, erfolgt ist, und wenn die Angreifer flankierend per organisiertem Verbrechen jede Menge illegale Waffen in den deutschen und europäischen Großstädten an ausgewählte Bevölkerungsgruppen verteilt haben und dann erst ein paar Monate abwarten,  bis Hungersnöte, Gewaltverbrechen und Krankheiten die Europäer dezimiert und maximal geschwächt haben.

Es wird nicht ausreichen, dass man sich darauf verlassen kann, dass Frau Merkel das dann alles als “nicht hilfreich” bezeichnet, “besorgt” ist und dass Frau von der Leyen den Angriff vielleicht als “nicht zeitgemäß” mit Worten und Hinweisen auf die Nato und auf die abschreckende Wirkung unserer Soldatinnen, Gleichstellungsbeauftragten, Frauenquoten und von Kindergärten in den Kasernen, zurückweisen wird, während Frau Roth von den Grünen sich ganz sicher empört zeigen und heulen wird.

Kelberg den 15.8.2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker




Eine Sekunde danach

Buchbesprechung zu dem auf den Tag genau 100 Jahre nach dem Beginn des 1. Weltkrieges in deutscher Sprache erschienenen Roman “One Second After – Die Welt ohne Strom. “One Second After” heißt auf Deutsch “Eine Sekunde danach” oder “Eine Sekunde später”. Der Roman  One Second After – Die Welt ohne Strom von William R. Forstchen ist ein Fiction Roman. Die Arbeit an dem Buch wurde im Juli  2008 beendet und es erschien 2009 in den USA. Im Juli 2008 erschien  etwa zeitgleich mit der Fertigstellung des Romans der abschließende, sehr umfassende Bericht der EMP-Kommision des amerikanischen Kongresses.  Der Roman wurde von einem Professor für Militärgeschichte geschrieben. Als Berater standen dem Autor sein Hausarzt, ein Apotheker, ein Polizeichef, der mit der  EMP-Problematik und dem Einsatz von Atomwaffen seit vielen Jahren befasste Kapitän zur See Bill Sanders und die beiden seit vielen Jahren mit Sicherheitspolitik befassten und für die Berufung der EMP-Kommission maßgeblichen Abgeordneten des amerikanischen Repräsentantenhauses Newt Gingrich und Roscoe Bartlett zur Seite. Newt Gingrich hat das Vorwort zu dem Roman geschrieben.  Bill Saunders hat das Nachwort geschrieben. Roscoe Bartlet hat bei verschiedenen Reden die Romane One Second After von William Forstchen  und SS-18: The Satan Legacy
von Patrick Lowrie empfohlen. Er, Bartlett, lese zwar im Allgemeinen keine Romane, aber bei  diesen beiden sei das anders.

“One Second After – Die Welt ohne Strom” ist daher nicht einfach ein Roman, sondern faktisch ein in Romanform sehr gelungenes und spannend geschriebenes, inspirierendes, in die Problematik eines EMP-Angriffs oder extremen Sonnenstrum einführendes Lehrbuch für einfache Bürger  und Wähler ebenso wie für Politiker aller Ebenen, für Militärs und auch für Polizeichefs, Feuerwehrchefs, Ärzte und viele andere.

Die unserer westlichen Zivilisation drohende Katastrophe, die der Roman unter Bezug auf eine Vielzahl von Fakten schildert, könnte alleine in Deutschland mehr Tote fordern als beide Weltkriege zusammen an allen Fronten weltweit gefordert haben. Das heißt, es könnten ohne weiteres mehr als 10 mal soviele Bürger der Bundesrepublik umkommen wie durch die Massenmorde der Nazis an den Juden.

Der Roman erzählt das Leben und Sterben in einer kleinen Stadt in den Bergen im amerikanischen Bundesstaat Nord Carolina kurz vor, kurz nach und dann in den Tagen und Monaten nachdem eine Rakete mit drei Atomsprengköpfen von einem unscheinbaren Fachtschiff vor der amerikanischen Küste abgeschossen wurde. Die Sprengköpfe wurden in großer Höhe an drei gut gewählten Stellen der USA gezündet und haben die Stromnetze der USA vollständig und die Elektronik in den USA zum größten Teil zerstört.  Der Roman endet nach einem Jahr, als erstmals ein Militärkonvoi  die kleine Stadt erreicht und die ersten Nahrungsmittel und Medikamente seit dem Angriff bringt. In der kleinen Stadt in den Bergen sind bis dahin “nur” 8 von 10 Menschen an Hunger, Krankheiten und Gewalt gestorben.  Der den Konvoi mit den  Hilfsgütern führende Offizier bringt auch die ersten verlässlichen Nachrichten über die Gesamtlage.  Er sagt es gäbe in den USA wahrscheinlich nur 30 Millionen Überlebende (von  ca. 300 Millionen Einwohnern vor dem Angriff). New York hätte man nach dem Ausbruch einer Seuche vollständig abriegeln müssen und es gäbe dort wahrscheinlich nur noch 25-Tausend Einwohner.  In Florida gäbe es so gut wie keine Überlebenden. In den ländlichen Gebieten des  Mittleren Westens hätten aber mehr als die Hälfte der Bevölkerung überlebt.  Man habe nie herausgefunden, wer die Angreifer waren. Vermutlich wären es Terroristen gewesen.  Weltweit habe es drei solche Schiffe und entsprechende Angriffe gegeben. Einen  Angriff auf Japan und Südkorea, einer  sei aus dem Seegebiet um Island erfolgt und habe Russland getroffen. Man nehme aber an, es handele sich um eine technische Panne, und der Angriff habe eigentlich Westeuropa treffen sollen. Alle drei Schiffe seien unmittelbar nach dem Angriff explodiert, so daß es keine Spuren gäbe.

60 Tage nach dem Angriff seien an der amerikanischen Pazifikküste chinesische Soldaten gelandet um der hungernden amerikanischen Bevölkerung zu helfen. Die Chinesen hätten nun eine halbe Million Soldaten im Westen der USA stehen und von Abzug sei keine Rede. Mexiko habe weite Teile des Südens der USA besetzt um ein weiteres Vordringen der Chinesen zu verhindern. Die USA seien regelrecht zu Brei geschlagen worden.

Der Roman enthält sehr viele interessante Details und Geschichten aus der kleinen Stadt und auch von historischen Ereignisssen wie der Belagerung von Leningrad wird erzählt. Dem Leser wird dabei auf spannende, unterhaltsamme Weise ein Eindruck von die Tragik, der enormen Vielfalt der Probleme und auch von den menschlichen Abgründen vermittelt,  mit denen man es zu tun bekommt wenn eine moderne westliche Gesellschaft durch ein Großereignis wie einem EMP-Angriff ohne Vorbereitung kollabiert.

Insgesamt ist “One Second After – Die Welt ohne Strom” auch für jene, die normalerweise keine Romane lesen eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Kelberg, den 6. August 2014

Christoph Becker