US-Aussenminister Kerry – 1971 und 2014

Hier ist, was [der amerikanische Aussenminister] John Kerry 1971 vor dem Militärausschuss des amerikanischen Senates [Senate Armed Services Committee] aussagte:

„Ich würde gerne aussagen und dabei all jene Veteranen repräsentieren, und sagen, dass wir vor einigen Monaten in Detroit eine Untersuchung hatten bei der 150 ehrenhaft entlassene und viele sehr hoch dekorierte Veteranen Kriegsverbrechen bezeugten, die in Südostasien begangen wurden. Keine isolierten Vorfälle, sondern routinemäßig begangene Verbrechen, die Offizieren auf allen Kommandoebenen voll bewusst waren….

Sie erzählten Geschichten, dass sie persönlich vergewaltigt hätten, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgeschnitten, Kabel von tragbaren Telefonen an menschliche Genitalien geklebt und unter Strom gesetzt, Körperteile abgeschnitten, Körper gesprengt, willkürlich auf Zivilisten geschossen, Dörfer dem Erdboden gleich gemacht in einer Art, die an Dschingis Khan erinnert, Vieh und Hunde zum Spaß erschossen, Lebensmittelvorräte vergiftet und ganz allgemein die ländliche Gegend Süd Vietnams verwüstet haben, zusätzlich zur normalen durch den Krieg verursachten Verwüstung und zur sehr speziellen Verwüstung, die durch amerikanischen Bombenabwürfe verursacht wurde.“

Nun, hier ist was er [der amerikanische Aussenminister John Kerry] am Mittwoch [den 17. September 2014] vor demselben Ausschuss aussagte:

„Weil ISIL [IS bzw. die Organisation “Islamischer Staat”] tötet und vergewaltigt und Frauen verstümmelt. Und weil sie glauben, dass Frauen keine Bildung erhalten sollten. Sie verkaufen Mädchen als Sexsklaven für Djihardisten. Es gibt keine Verhandlung mit ISIL. Es gibt es nichts zu verhandeln. Und sie bieten keinerlei Gesundheitsdienst. Sie bieten keinerlei Bildung.

Für eine ganze Philosophie oder eine Idee oder einen Kult oder was auch immer Sie es nennen wollen, die offen gesagt aus der Steinzeit kommt. Sie sind kaltblütige Killer, die quer durch den Mittleren Osten plündern und eine friedliche Religion zum Gespött machen.“

Wenn Sie die beiden Aussagen vergleichen, kommt die amerikanische Armee in John Kerrys Sicht viel schlechter weg als ISIL.

John Kerry hat in seinem ganzen Leben nichts als Verachtung für die amerikanische Armee ausgedrückt. Er bestätigte seine Aussage von 1971 als er in der Imus Show 2006 auftrat, zu dieser Zeit sagt er, dass amerikanischen Soldaten dumm sind.

Dass John Kerry amerikanischer Außenminister ist, ist ein Hohn und eine Beleidigung aller Amerikaner. Das einzige, was ihn für diese Regierung qualifiziert ist, dass sein Chef seine Einstellung teilt.

Bei dem obigen Text handelt es sich um eine Übersetzung des Abschnitts „John Kerry’s testimony before the Senate: 1971 and Today“ von John Xenakis Internetblog www.generationaldynamics.com

Ein ausführlicher Artikel über die Aussage John Kerrys im Jahre 1971 findet sich hier.




Scholl-Latours neustes Buch

Gerade habe ich Der Fluch der bösen Tat: Das Scheitern des Westens im Orient von Peter Scholl-Latour zu Ende gelesen. Meine Eindrücke und Erinnerungen an dieses Buch, und meine Überlegungen und Feststellungen bei der Lektüre:

Eigentlich muss man das Buch zweimal lesen. Herr Scholl-Latour hat sehr viel zu sagen und wußte beim Schreiben wohl, dass er nur noch dieses eine Buch würde schreiben können und dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Das Buch ist wie ein sehr großes, großartiges, detailreiches Gemälde der Geschichte und Gegenwart des Orients, aber auch dessen Umfeldes, einschließlich Russlands, der Ukraine und Europas.


Der Gesamteindruck: Der Orient war und ist eine sehr vielfältige mulitikulturelle und multiethnische Gesellschaft mit oft schrecklichen Risiken und Nebenwirkungen.  Die Regierungen, Politiker, Geheimdienste, Militärs und Journalisten des Westens haben im Orient, aber auch in der Ukrainekrise, versagt. Sie waren nicht in der Lage, die zur Verfügung stehenden Informationsquellen sinnvoll zu nutzen. Es fehlt im Westen an Geschichtskenntnissen, an wirklicher Wertschätzung für fremde Kulturen und am Verständnis fremder Kulturen. Die Amerikaner können fast alle E-Mails, und Telefongespräche dieser Welt abhören und speichern, aber sie sind offenbar nicht in der Lage, diese und andere Daten sinnvoll auszuwerten.

Die EU, Nato und USA haben die Unverschämtheit und Taktlosigkeit besessen, den russischen Einflußbereich mit dem Griff nach der Ukraine ziemlich genau auf eben jene Grenze zurückdrängen zu wollen, den der deutsche Generalstab Russen im  Friedensvertrag von Brest-Litowsk 1917/18 diktiert hatte.

Der nun im Orient für Angst und Schrecken sorgende „Islamische Staat“, abgekürzt auch als IS oder ISIS bekannt, ist letztlich ein Produkt der USA und ihrer Verbündeten. Das Nato-Mitglied Türkei hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass der „Islamische Staat“ mit Waffen, Geld und Freiwilligen versorgt werden konnte. Alleine aus der Türkei konnte der „Islamische Staat“ offenbar über 1000 Freiwillige anwerben und er hat dort Rekturierungsstellen. Die Durchlässigkeit der türkischen Grenze war wesentlich für das Erstarken des „Islamischen Staates“. Der Aufstand in Syrien ist mutwillig insbesondere auch von den Amerikanern provoziert worden. Es könnte sein, dass der “Islamische Staat” sich rasant bis in den Süden der arabischen Halbinsel, in Nordafrika und vielleicht auch in die Türkei ausdehnt.

Wenn der Westen vernünftig gewesen wäre, hätte er Baschar al-Assad als das geringere Übel in Ruhe gelassen.  Statt des extrem intoleranten, antichristlichen Regimes in Saudi Arabien hätten wir besser den Iran unterstützt. Iran und auch Russland haben, wenn wir gut nachdenken, vielleicht durchaus ähnliche Interessen wie Deutschland und Europa. Oder anders ausgedrückt, wir schwächen mit den Sanktionen und unserer feindlichen Politik vielleicht gerade die potentiellen Verbündeten, die wir im nächsten großen Krieg bitter nötig haben könnten.

Der Westen ist zudem extrem scheinheilig und verlogen. Saddam Hussein hat offenbar mit amerikanischer, deutscher und sowjetischer Hilfe Giftgas produziert und dies mit amerikanischer Billigung im Iran-Irak-Krieg gegen iranische Soldaten einsetzen können.

In den Tagen, in denen ich Scholl-Latours Buch Der Fluch der Bösen Tat gelesen habe, sendete der englischsprachige Sender RT (rt.com) sinnigerweise die Dokumentation Vietnam: My orange pain . Man muss es sehen, man kann es sich nicht vorstellen, was für ein Grauen und welchen Terror die USA mit ihrem sinnlosen Krieg in Vietnam angerichtet haben und noch heute anrichten.  Noch heute 5 Millionen Krüppel und zum Teil schwerst Behinderte durch genetische Defekte als Folge des Einsatzes der amerikanischen Chemiewaffen vom Typ Agent Orange. Dazu kommt, dass von den 15 Millionen Tonnen Bomben und Granaten, die die USA in Vietnam abgeworfen bzw. verschossen haben ca. 10 Prozent, also 1,5 Millionen Tonnen, nicht sofort gezündet haben und nun für tückische Spätfolgen und faktisch für Terror in Feldern und Wäldern Vietnams sorgen. Wie der in der Doku interviewte amerikanische Exsoldat, der nun schon Jahrzente in Vietnam als Sprengmittelräumer arbeitet, bitter feststellt, haben die USA aus der Tragödie in Vietnam nicht gelernt, sondern machen dasselbe seitdem immer wieder und wieder in anderen Ländern.

Zur Entschuldigung der USA und auch der EU und der deutschen Regierungen habe ich aber ebenfalls parallel zu meiner Lektüre von Scholl-Latours Buch, den Blogbeitrag des amerikanisch-russischen Blogers und Autors Dimitri Orlov über die Dummheit großer Organisationen mit dem Titel  Understanding Organisational Stupidity, gefunden. Demnach kann der Westen wohl nichts für die unvorstellbare Dummheit und Unfähigkeit seiner Regierungen, weil große Organisationen systembedingt zu Dummheit neigen.

Tatsächlich zeigt Peter Scholl-Latour in seiner Darstellung des Orients auch, dass im Orient große Organisationen wie das osmanische Reich ebenfalls dumm waren und nach einiger Zeit gescheitert sind. Auf dem Weg bis zum Scheitern ist das Osmanische Reich allerdings zweimal bis Wien vorgestoßen und auch die Araber waren bekanntlich bis Spanien und Südfrankreich gekommen.

Die hoffungsvolle Schlußfolgerung aus der Lektüre von Der Fluch der bösen Tat ist für mich, dass die Spaltungen, Dummheiten und Eitelkeiten des Orients letztlich Europa und Deutschland vielleicht retten könnten, wenn wir es schaffen würden, rechtzeitig insbesondere in der Aussen- und Verteidigungspolitik zu einer klugen, umsichtigen und vorausschauenden Politik zu finden.

Peter Scholl-Latour hat vor dem Hintergrund all seines Wissens und seiner Erfahrung offenbar recht dunkle Vorahnungen im Bezug auf Europas Zukunft. Auf Seite 286 schreibt er

Man wünschte sich, daß die zuständigen Planungsstäbe der Bundeswehr mit ähnlich robuster Offenheit und Illusionslosigkeit den deutschen Ministern und Parlamentarien ein ungeschminktes Bild der Gefährdungen und Ungewißheiten entwürfen, denen die kampfuntauglichen Armeen Europas in naher Zukunft ausgesetzt sein dürften.

Aber wenn sie es würden, würde unsere Kanzlerin das sicher wieder „nicht hilfreich“ finden. Auf die schlimmsten dieser Gefährdungen habe ich zudem schon auf meiner Webseite freizahn.de in einigen Beiträgen hingewiesen – um mein Gewissen zu entlasten.

Peter Scholl-Latour hat mit seinem Buch Der Fluch der Bösen Tat: Das Scheitern des Westens im Orient wohl auch ähnlich gehandelt, nur besser und professioneller. Er hat die  Pflicht erfüllt, die er angesichts seiner Ausbildung, seiner Möglichkeiten und seiner daraus resultierenden Erfahrungen und Einsichten hatte. Ich finde, er hat es gut gemacht, und ich hoffe, so wie er es wohl gehofft hat, dass seine Saat überwiegend auf fruchtbaren Boden und nicht fast nur auf Fels oder unter Unkraut fällt.

Kelberg, den 22. September 2014

Christoph Becker




Die Ratten verlassen das Schiff

Die in den letzten Jahren als Rettung von unseren Energieproblemen gefeierte Weiterentwicklung des Frackings war wohl nicht das was man meinte. Einige der ganz großen Investoren steigen jedenfalls aus. Auch am amerikanischen Immobilienmarkt ziehen wieder dunkle Wolken auf.Tom Lewis veröffentlichte am 6. September 2014, auf seiner Internetseite The Daily Impact – Chronicling the Crash of the Industrial Age [Der tägliche Einschlag – Erstellen einer Chronik vom  Absturz des Industriezeitalters] einen interessanten Artikel mit der Überschrift „Rats starts to leave the Fracking Ship“ [Ratten beginnen das Fracking-Schiff zu verlassen] . Demnach hält  Andrew John Hall, einer der großen Investoren und ein sehr erfolgreicher Spekulant und Vermögensverwalter im Ölgeschäft, nicht mehr viel vom Fracking, unter anderem weil es zu teuer ist, weil die damit erschlossenen Ölquellen ziemlich schnell versiegen, und weil die besten Stellen schon ausgebeutet sind.  Die Mineralölkonzerne Shell und BP sind zudem bereits aus dem Fracking-Geschäft ausgestiegen bzw. bereiten den Ausstieg offenbar vor.

Nachdenklich stimmt auch der Artikel Former BP chief warns on Russia sanctions [Ehemaliger BP-Chef warnt vor Sanktionen gegen Russland] in der Financial Times vom 14.9.2014.  Der Artikel erklärt, dass der Ölpreis angesichts der aktuellen Krisen längst um über die Hälfte höher wäre als er es tatsächlich ist, wenn die in den USA derzeit nicht so viel Öl durch die Fracking-Methode gefördert würde.  Dazu ein Zitat aus dem Artikel:

“Die Welt wiegt sich wegen dem was in den USA passiert in einem falschen Sicherheitsgefühl” sagte Herr Hayward [früherer BP-Chef] in einem Interview mit der Financial Times, und bezieht sich dabei auf den Schieferölboom, der die amerikanischen Rohölproduktion seit 2008 um 60% gesteigert hat. Aber, fragte er: “Wenn die US-amerikanische Förderung ihren Gipfel erreicht, wo wird dann die neue Förderung herkommen?”

Es erscheint daher  sinnvoll sich darauf ein zu stellen, dass die von der Frackingeuphorie verursachte Investitionsblase in den nächsten Monaten, oder im nächsten Jahr platzt. Die Sanktionen gegen Russland könnten die Entwicklung beschleunigen und die Folgen erheblich verschlimmern.

Parallel dazu droht weiteres Ungemach im Immobiliensektor der USA, der neben den damals sehr hohen Ölpreisen schon für die Finanzkrise im Jahre 2008 mitverantwortlich war.

Die amerikanische Regierung hat die Lösung der Hypothekenkreis teilweise nur auf 2015 verschoben, indem sie die Tilgung der Hypotheken per Gesetz für einige Jahre ausgesetzt hat. Auch hat man zur Schonung der Hausbesitzer teilweise die Zinsen reduziert. Beides Regelungen zum Schutz der hochverschuldeten Hausbesitzer laufen aus. Viele Hausbesitzer müssen ab nächstem Jahr anfangen ihre Hypotheken zu tilgen, und nicht nur Zinsen zu bezahlen. Außerdem werden die Zinsen steigen wo durch ein Programm der Regierung die Zinsen zum Schutz der Hausbesitzer sehr niedrig gehalten wurden. Die Einkommenssituation vieler betroffener Hausbesitzer hat sich aber trotz aller Versuche zur Konjunkturbelebung nicht verbessert.

Aber das ist noch nicht alles. Während man die Finanzkrise vor allem damit verursacht hat, dass man massenweise Hypotheken an nicht oder wenig zahlungsfähige Hausbesitzer vergeben hat, um diese unsicheren Hypotheken dann zu Bündeln und Anteile an diesen Bündeln mit satten Gewinnen an naive Investoren aus Europa und anderswo zu verkaufen, hat man nun ein sehr ähnliches Geschäftsmodell entwickelt: Man bündelt Häuser die angeblich vermietet sind oder sein sollten zu neuen Finanzprodukten und handelt mit Anteilen von diesen, obwohl die Mieteinnahmen und Renditen bei weitem nicht das sind was man verspricht. Siehe dazu von Tom Lewis, vom 15. Septemeber2014, den Artikel „Housing Bubble II Deja Vu, Again“ [Häuserblase 2, Déjà-vu, wieder]. Ein Déjà-vu ist eine Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes schon einmal erlebt zu haben.

Bei den großen Betrügereien und dem Platzen von Investitionsblasen in den USA werden auch sicher geglaubte Altersversorgungen von vielen Deutschen Anlegern und Versicherten leiden.

Vor diesem Hintergrund gibt es aus deutscher Sicht, in deutscher Sprache eine zwar bedrückende, aber doch auch sehr amüsante Sendung des Kabarettisten Volker Pispers, die gerade gestern, im Fernsehen zu sehen war: Volker Pispers, bis Neulich vom 14.9.2014. Herr Pispers hat das Problem der knapper und teuer werdenden Energie und Rohstoffe, mit allen Konsequenzen noch nicht einmal erkannt und eingerechnet, so dass die Zukunft noch bitterer zu werden droht als es seine ätzende Scherze und Analysen der bundesrepublikanischen Lage und Politik nahe legen. Aber alleine seine sehr wahre Beschreibung der Qualität, des Stils und der Kompetenz unserer Regierung und Kanzlerin ist köstlich und unbedingt sehens und hörenswert.

Christoph Becker, Kelberg, den 15. September 2014

 




Drei Wachstumsgrenzen

Wirtschaftswachstum kann in bestimmten Fällen mehr schaden als es nützen.  Wirtschaftswachstum kann auch ärmer und unglücklicher machen. Das Anstreben von Wirtschaftswachstum – und eine Politik die dazu führen soll – kann auch dumm und sogar existenzbedrohend sein. 

Im Folgenden haben ich den hier, auf steadystate.org,  am  erschienen Artikel von Prof. Herman Daly ins Deutsche übersetzt. Die Ausführungen von Prof. Daly erscheinen mir in vieler Hinsicht sehr aktuell und nachdenkenswert.

Drei Grenzen des Wachstums

von Herman Daly

DalyHerman

Während die Produktion (reales Bruttosozialprodukt) wächst, sinkt deren Grenznutzen, weil wir unserer wichtigsten Bedürfnisse zuerst befriedigen. Entsprechend steigt der durch das Wachstum bedingte Grenz-Nicht-Nutzen, weil wir unsere unbedeutensten Umweltdienste – soweit wir sie kennen – zuerst opfern wenn die Wirtschaft in die Ökosphäre expandiert. Dieses Steigen der Kosten und Sinken des Vorteils des Wachstums sind in dem untenstehenden Diagramm bildlich dargestellt.

3-Grenzen-Graphik

 

Aus dem Diagramm können wir drei Konzepte für Wachstumsgrenzen erkennen.

1. Die „Sinnlosigkeitsgrenze“ wird erreicht wenn der Grenznutzen der Produktion Null erreicht. Selbst wenn die Produktion nichts kostet gibt es eine Grenze dafür, wieviel wir konsumieren und zugleich noch genießen können. Es gibt eine Grenze dafür, wieviele Güter wir in einer gegebenen Zeitperiode genießen können, ebenso wie es eine Grenze des Fassungsvermögens unseres Magens und eine Verarbeitungsgrenze für unser Nervensystem gibt. In einer Welt mit beträchtlicher Armut, und in der die Armen die Reichen dabei beobachten, das diese ihren zusätzlichen Wohlstand noch genießen, denkt man, dass diese Sinnlosigkeitsgrenze weit entfernt ist, und zwar nicht nur für die Armen, sondern für jedermann. Mit ihrem „Unersättlichkeits“-Postulat verneint die klassische Wirtschaftswissenschaft formal das Konzept einer Sinnlosigkeitsgrenze. Wie auch immer, Studien zeigen, dass jenseits eines Schwellenwertes die selbst-bewertete Glücklichkeit (totale Nützlichkeit) aufhört, weiter mit dem Bruttosozialprodukt zu wachsen, was die Relevanz einer Sinnlosigkeitsgrenze bestärkt.

2. Die „ökologische Katastrophen Grenze“ wird durch einen scharfen Anstieg der Kurve für die Grenzkosten, in Richtung Vertikale, dargestellt. Menschliche Aktivitäten, oder neuartige Kombinationen von Aktivitäten, können eine Kettenreaktion auslösen, oder einen Kipppunkt, und unsere ökologische Nische kollabieren lassen. Der führende Kandidat für eine Katastrophengrenze ist derzeit ein davonlaufender Klimanwandel, der durch Treibhausgase verursacht wird, die durch das Streben nach Wirtschaftswachstum freigesetzt werden. Wo dies auf der horizontalen Achse passiert, mag unsicher sein. Ich sollte anmerken, dass die Annahme eines kontinuierlichen und sanften Anstiegs der Grenzkostenkurve (Nicht-Nützlichkeit) ziemlich optimistisch ist. Angesichts unseres begrenzten Verständnisses der Funktion des Ökosystems können wir nicht sicher sein, ob wir unsere wachstumsbedingten Opfer ökologischer Dienstleistungen wirklich in der Reihenfolge von der unwichtigsten zur wichtigsten Dienstleistung machen. Im Streben nach Wachstum kann es sein, dass wir ignoranterweise einen vitalen Dienst des Ökosystems vor einem unwichtigen opfern. Daher könnte die Grenzkostenkurve in der Realität nicht kontinuierlich im Zigzack hoch und runter gehen, was es schwieriger machen könnte, die Katastrophengrenze von der dritten und wichtigsten Grenze, nämlich der wirtschaftlichen Grenze zu trennen.

3. Die „wirtschaftliche oder ökonomische Grenze“ ist dadurch definiert, dass dort Grenzkosten den Grenznutzen erreichen, und dass dort damit das Maximum des Netto-Nutzens erreicht wird. Die gute Sache an der wirtschaftlichen Grenze ist, dass sie die erste Grenze ist, die erreicht wird. Sie wird sicher vor der Sinnlosigkeitsgrenze erreicht und wahrscheinlich vor der Katastrophengrenze, obwohl letzteres, wie soeben angemerkt, unsicher ist. Im schlimmsten Fall fällt die Katastrophengrenzen mit der Wirtschaftlichkeitsgrenze zusammen und bestimmt diese diskontinuierlich. Daher ist es sehr wichtig, die Risiken von Katastrophen zu schätzen und diese als Kosten in der Nicht-Nützlichkeits-Kurve einzurechnen, soweit dies möglich ist.

Aus der Graphik ist es ersichtlich, dass wachsende Produktion und Verbrauch nur bis zur Wirtschaftlichkeitsgrenze korrekt als Wirtschaftswachstum bezeichnet werden können. Jenseits davon wird es unwirtschaftliches Wachstum, weil die Kosten stärker steigen als der Nutzen, was uns ärmer und nicht reicher macht. Unglücklicherweise scheint es, dass wir dieses Wachstum perverserweise weiter Wirtschaftswachstum nennen! In der Tat werden sie den Begriff „unwirtschaftliches Wachstum“ in keinem Lehrbuch für Makroökonomie finden. Jedes Wachstum des realen Bruttosozialprodukte wird „Wirtschaftswachstum“ genant, selbst wenn dadurch die Kosten schneller steigen als der Nutzen.

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Die Makroökonomie ist nicht das Ganze, sondern eher ein Teil des endlichen Ganzen. Foto von : Beth Scupham

 

Wirtschaftswissenschaftler werden anmerken, dass die gerade angewendete Logik in der Mikroökonomie üblich ist – Grenzkosten gleich Grenznutzen definiert die optimale Größe einer Mikroökonomischen Einheit, egal ob dies eine Firma oder ein Haushalt ist. Diese Logik wird gewöhnlich jedoch nicht in der Makroökonomie angewendet, weil letztere, warum auch immer, als das Ganze und eher nicht als ein Teil eines Ganzen angesehen wird. Wenn ein Teil in das endliche Ganze expandiert, dann drängt es anderen Teilen Gelegenheitskosten auf, die für es Platz machen müssen. Wenn das Ganze selbst expandiert, geht man davon aus, dass es keine Gelegenheitskosten aufdrängt, weil es nichts verdrängt, weil man annimmt, dass es in die Leere expandiert. Aber die Makroökonomie ist nicht das Ganze. Sie ist auch ein Teil der größeren natürlichen Wirtschaft, der Ökosphäre, und ihr Wachstum drückt dem endlichen Ganzen Gelegenheitskosten auf, die man berücksichtigen muß. Das Ignorieren dieser Tatsache bringt viele Wirtschaftswissenschaftler dazu zu glauben, dass das Wachstum des Bruttosozialproduktes niemals unwirtschaftlich sein kann.

Standardwirtsschaftswissenschaflter könnten das Diagram als ein statisches Bild akzeptieren, aber argumentieren, dass in einer dynamischen Welt die Technologie die Grenznutzenkurve nach oben verschiebt und die Grenzkostenkostenkurve nach unten, was den Schnittpunkt der Linien (wirtschaftliche Grenze) immer weiter nach rechts verschiebt, so dass kontinuierliches Wachstum wünschenswert und möglich bleibt. Wie auch immer, die makroökonomischen Kurvenverschieber müssen drei Dinge bedenken. Erstens, die physikalisch wachsende Makroökonomie bleibt dennoch durch ihre Verdrängung der endlichen Ökosphäre begrenzt, und durch die entrophische Natur der Aufrechterhaltung ihres Durchsatzes. Zweitens, das Timing neuer Technologien ist ungewiss. Die erwartete Technologie könnte nicht rechtzeitig vor dem Überschreiten der wirtschaftlichen Grenzen erfunden oder eingeführt werden. Können wir unwirtschaftliches Wachstum aushalten, während wir warten und hoffen, dass die Kurven sich verschieben? Drittens, lassen Sie uns und daran erinnern, dass die Kurven sich auch in die falsche Richtung verschieben, und die wirtschaftliche Grenze zurück nach links bewegen können. Hat der technische Fortschritt von Tetraethylblei and Chlorofluorkohlenstoffen die Kostenkurve nach unten oder nach oben verschoben? Was ist mit der Atomenergie? Das Übernehmen einer Gleichgewichtsökonomie erlaubt es uns zu vermeiden, dass wir über die wirtschaftliche Grenze geschoben werden. Wir können uns Zeit nehmen, neue Technologien zu evaluieren, anstatt sie blind Wachstum anschieben zu lassen, das sich als unwirtschaftlich erweisen kann. Das Gleichgewicht sichert uns etwas gegen die Risiken ökologischer Katastrophen ab, während diese mit Wachstumsbesessenheit und technologischer Ungeduld zunehmen.

Anmerkungen des Übersetzers:

In meinem Bereich, der Zahnmedizin gibt es eine ganze Reihe von Entwicklungen, Vorschriften und Umständen, die zwar das Wirtschaftswachstum fördern, und die viel kosten, aber die  der Bevölkerung und den Patienten nichts oder fast nichts nützen, oder die sogar mehr schaden als sie nützen, oder die sogar fast nur schaden und kaum etwas oder sogar garnichts nutzen. Alleine in meinem kleinen Bereich der Zahnmedizin könnte ich mir jedenfalls verschiedene Beiträge zu einem negativen Wirtschaftswachstum, also zu einer Schrumpfung der Wirtschaft vorstellen, die zugleich die Lebensqualität der Bevölkerung steigern könnten.

Als Bürger und Konsument sehe ich weitere Möglichkeiten. Das heißt, wir könnten sehr wohl unsere Wirtschaft schrumpfen lassen ohne wirklich an Lebensqualität zu verlieren, oder wir könnten durch das Schrumpfen der Wirtschaft sogar mehr Lebensqualität gewinnen, zumindest teilweise und wenn wir intelligent vorgehen.




Eine islamistische Weltsicht

In der ersten  Septemberwoche 2014, in  der die Berichte über die Wuppertaler „Scharia Polizei“ (A, B, C, D)  für Aufsehen sorgten, sendete RT ein denkwürdiges, verstörendes Interview mit dem britischen Rechtsanwalt und Islamgelehrten´ Anjem Choudary.  Wie sieht und verteidigt dieser britische Islamgelehrte die Terrororganisation “Islamischer Staat”?  Was sagt er zu den öffentlichen Enthauptungen amerikanischer Journalisten?  Was ist die Vision dieses  britischen Muslims von der Zukunft Europas und der Welt?

Das folgende Interview mit Herrn Anjem Choudary hat die Journalistin Oksana Boyko im Rahmen ihrer Fersehshow „World’s Apart“ geführt. World’s Apart übersetzt man hier am Besten mit „Ansichten und Meinungen zwischen denen [und unserer] Welten liegen“ übersetzt.

Das Transkript, also den geschriebenen Text des Interviews ist die Grundlage der folgenden Übersetzung. Es findet sich unter der herunterladbaren Videoversion des Interviews.

Selbstdarstellung von Frau Boyko auf Twitter.com : Gastgeber von „World’s Apart“, eine zweimal wöchentlich (oder zweiwöchentlichen??) Debatten-Show auf RT. Bevorzugt gesunden Menschenverstand gegenüber politischer Korrektheit.

Kurzvorstellung von „World’s Apart“ auf www.rt.com : „Worlds Apart“ ist eine tiefgehende Diskussion mit großem Tempo über die am meisten drängenden Probleme der heutigen Welt. Sie strebt danach von der traditionellen Frage-und-Antwort-Form des Interviews abzuweichen um eine emotionalere und engagiertere Unterhaltung zu bevorzugen. Gastgeberin Oksana Boyko fürchtet sich nicht harte Fragen mit dem Ziel zu stellen, eine intelligente, öffentliche Debatte zu fördern.

Hier nun die Übersetzung des Interviews:

Islamisches Kaliphass?

4. September 2014 11:30

Anjem Choudary: Gerne.

OB: Nun, in meiner Einleitung benutzte ich gerade Terrorismus, welches einer der am häufigsten gebrauchten Ausdrücke in der Geopolitik dieser Tage ist. Aber trotz der breiten Verwendung ist es der internationalen Gemeinschaft bis heute nicht gelungen, eine allgemein anerkannte und akzeptierte Definition hervorzubringen. Und ich bin neugierig darauf zu erfahren, wie sie Terrorismus definieren.

AC: Nun, wenn Sie im Oxford Wörterbuch nachsehen, versteht man unter Terrorismus den Gebrauch von Gewalt gegen eine Gemeinschaft oder einen Teil einer Gemeinschaft aus politischen Gründen. Somit würde ich sagen, dass die normale englische Bedeutung genau das ist, was die Amerikaner und die Briten in Afghanistan tun und was sie vorher im Irak getan haben, nämlich das Etablieren ihrer eigenen militärischen und ökonomischen Interessen, ohne Rücksicht auf die Kosten für das Leben und den Wohlstand der Bevölkerung. Daher denke ich, dass dies eine Art des Terrorismus ist. Aber ich denke, dass es Terrorismus gibt, der für das Leben ist und Terrorismus der gegen das Leben ist. Wissen Sie, Sie können den Feind terrorisieren um dafür zu sorgen, dass der Krieg schnell endet. Und ich denke, das ist es was der „Islamische Staat“ faktisch zu tun versucht, die Amerikaner und ihre Verbündeten in Syrien und im Irak zu verscheuchen. Und dann gibt es Terrorismus der gegen das Leben ist, wie zum Beispiel Bombenteppiche, das Abwerfen von Atombomben und die Schock und Ehrfurcht Methode (shock and awe) die wir vorher im Irak gesehen haben. Also wissen Sie, ich denke es hat viele Nuancen. Aber wenn Sie die normale englische Definition betrachten, denke ich, dass es da etwas gibt das man Staatsterrorismus nennt, und dies faktisch das ist, was die Amerikaner mit ziemlicher Regelmäßigkeit ausüben.

OB: Nun, Herr Choudary, ich habe sie schon vorher ähnliche Ausführung machen hören. Kürzlich sagten auf CNN, dass die Enthauptung des Fotojournalisten James Foley faktisch ein Versuch des „Islamischen Staates“ war, seine Gegner zu terrorisieren, die in diesem Fall die Vereinigten Staaten sind. Und zu einem gewissen Grade wurde dieses Ziel erreicht, wenn man die Öffentlichkeitswirkung bedenkt, die die Tötung generierte. Aber ich bin neugierig, ob etwas wie diese durch das Gesetz der Scharia gerechtfertigt werden kann? Ist so etwas im Islam legal?

AC: Nun, wissen Sie, als ein Lehrer des Schariagesetzes sage ich zu den Menschen Russlands, den Muslimen und Nicht-Muslimen, dass jede Aktion für einen Muslim auf dem Koran beruhen muss, das Wort Allahs und die Lehre des Botschafters Mohammed, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm], der der endgültige Bote für die Menschheit ist. Ich meine ich sollte zunächst die Menschen einladen über den Islam nachzudenken und ihm beizutreten. Aber jene, die bereits Muslime sind müssen wissen, dass aber im Koran in der Tat, wenn Sie Kapitel 8 sehen, Vers 60, sagt er “Bereite so viele Schlachtrösser vor wie du kannst um den Gegner zu terrorisieren.” Also ist das Terrorisieren des Gegners in der Tat ein Teil des Islams. Ich meine dieses ist etwas was man verinnerlichen und verstehen muss soweit die Rechtsauslegung des Heiligen Krieges [Djihad] betroffen ist. Zweitens denke ich, dass man akzeptieren sollte, dass die Muslime im Kriege im allgemeinen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Militärs machen. Der Grund ist, dass die Zivilisten jene sind die die Menschen beauftragen und die Menschen, die beauftragt sind – Barack Obama und andere – schicken ihre Truppen in die muslimischen Länder. Deshalb machen sie diese Unterscheidung nicht, schon gar nicht zwischen Leuten die Journalisten sind, von denen man annimmt, dass sie die rechte Hand und praktisch die Propagandamaschine der Obama Administration sind.

OB: Herr Choudary, obwohl ich selber Journalistin bin, beanspruche ich kein spezielles Privileg für Journalisten. Aber soweit ich weiß hat James Foley kurz vor seiner Hinrichtung öffentlich die Aktionen seiner Regierung angeprangert und nach dem was wir wissen, hat er niemanden Leid zugefügt und er hat niemanden getötet. Das Einzige weswegen er angeklagt wurde, ist im Wesentlichen seine amerikanische Staatsangehörigkeit. Und das ist etwas womit man im Wesentlichen geboren wird, man kann das nicht ändern. Wenn man sich die islamische Sichtweise zu eigen macht, kann man sogar behaupten, dass dies etwas ist, das Allah für ihn vorgesehen hatte. Ist es daher in der Tat nach islamischem Recht erlaubt, eine Person dafür zu töten wie sie geboren wurde – nicht dafür wer sie später wurde sondern für das als was sie geboren wurde?

AC: Nun, wissen Sie in der jetzigen Zeit, in Gegenden wie Syrien und Irak und faktischen in jedem muslimischen Land, gibt es keine Heiligkeit((sancticy = Recht auf Unversehrtheit von Leben und Gesundheit)) für Nicht-Muslime, weil niemand da ist der ihnen dieser Heiligkeit gibt. Nun haben wir eine Scharia und das Kalifat, und diese bieten den Nicht-Muslimen an, entweder zum Islam überzutreten oder als Dhimmis((Zitat von http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Dhimmi.html: Wer kann Dhimmi sein? Dhimmi können eigentlich nur Juden und Christen sein da nur sie als Monotheisten zur so genannten Ahl al-Kitab “Familie des Buches” gehören. Sie werden nicht wie ein Polytheist ein so genannter Kafir vor die Wahl gestellt zum Islam überzutreten oder getötet zu werden (Unser Wort “Kaffer” das zum Beispiel in ” Kaffernbüffel ” geläufig ist kommt übrigens von Kafir ). Außerdem muss ein Dhimmi alle Regeln die sich nicht nur auf Muslime beziehen befolgen. So ist die christliche Mission nach der Schari’a unter Todesstrafe verboten. Im Klartext würde diese bedeuten, dass die meisten heutigen Europäer, weil sie weder Christen noch Juden sind, in einem islamistischen Gottesstaat nur die Wahl hätten, sich zum Islam zu bekennen oder getötet zu werden. Den dann im öffentlichen Raum ausschließlich geltenden geltenden Gesetz der Scharia, müßten sich zudem alle unterwerfen.)) zu leben und den Gesetzen des Landes zu unterwerfen. Aber für die anderen Menschen wissen Sie, wenn die Scharia in das Gebiet kommt oder wenn die Muslime in das Gebiet kommen und sie finden Menschen die zum Beispiel Zivilisten sind, die für das amerikanische Establishment gestimmt haben oder die Teil von ihm sind, oder die Journalisten sind, die das Bild der Muslime beflecken – die allgemeine Regel für diese Menschen auf dem Schlachtfeld, auf diesen Schlachtfeldern, auf diesen Gebieten, ist dass es keine Heiligkeit gibt. Daher wurde dieses Individuum als Geisel genommen. Nun offensichtlich haben die Muslime eine Wahl, sie können ihn weiterleiten, sie können ihn gegen Muslime einlösen, und in der Tat haben sie angeboten ihn gegen Schwester Aafia Sddiqui auszutauschen, sie haben angeboten ihn gegen Geld einzulösen, aber die amerikanische Regierung wollte, wenn Sie so wollen, offensichtlich nichts mit ihren eigenen Zivilisten zu tun haben. Wie kommt es dass die Italiener und die Franzosen und andere in der Tat ihre Geißeln gegen Muslime getauscht haben? Und trotzdem wünschen die Amerikaner das nicht zu tun. Daher …

OB: Herr Choudary, es tut mir leid Sie zu unterbrechen, aber wir sprechen nicht über die Aktion der amerikanischen Regierung. Ich habe Sie spezifisch über die Aktion der Muslime hier gefragt. Und ich bin offensichtlich kein Experte des Islams, aber eine Sache die ich verstehe ist, dass der Islam anders als das Christentum, Heiligenverehrung zurückweist – damit meine ich Dingen und Personen eine symbolische, göttliche Bedeutung zu geben. Und wenn eine Person speziell wegen ihrer Staatsbürgerschaft getötet wird, was ist das dann?Ich denke es sieht sehr aus wie ein Akt der Götzenverehrung, die Person wird zu einem Symbol der Vereinigten Staaten gemacht.

AC: Nun, sehen Sie, Sie wünschen in Begriffen von Individuen zu sprechen, und wenn ich in Begriffen von Individuen spreche die von den Russen in Tschechnien getötet wurden, oder von Individuen die von den Amerikanern in Guantanamo Bay, in Bagram, im Irak und Afghanistan usw. getötet wurden. Offensichtlich kennen wir ihre Namen nicht, weil wir an den Individuen der Muslime nicht wirklich interessiert sind.

OB: Ich stimme mit Ihnen darin überein, aber ich frage Sie –

AC: – Nun, warten sie eine Sekunde, lassen Sie mich gerade meinen Satz beenden. Wir sprechen also in allgemeinen Begriffen, und ich antworte Ihnen in allgemeinen Begriffen, weil ich die Details von Herrn James Foley nicht kenne. Dieses ist was sie sagen, offensichtlich haben die Muslime eine andere Sichtweise. Es könnte sein, dass sie ihn als jemanden sehen, der Propaganda gegen die Muslime macht, sie könnten ihn vielleicht als Spion unter den Muslimen sehen. Also ich kenne die genauen Details nicht. Aber was ich Ihnen definitiv sagen kann, ist dass Journalisten aus dem Westen, im Allgemeinen die Zivilisten aus Gegenden wie Amerika, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sich in einer Position befinden, in der es für sie in dem muslimischen Ländern keine Heiligkeit gibt. Es gibt niemanden der ihnen dieser Heiligkeit gibt. Wir erheben uns gegen unsere eigenen Regierungen, und sie werden als Feinde der Usama Muslime gesehen. Und sie müssen nur sehen wie zum Beispiel in der die Berichterstattung über Gaza, das Abschlachten von 2000 Menschen von diesen westlichen Journalisten als Selbstverteidigung von Ihnen oder den Juden angesehen wird. Also wissen Sie, ich meine die Propaganda ist da. Und offen gesagt braucht niemand mehr die CNN oder sogar RT oder Fox News oder die BBC. Jeder hat ein Mobiltelefon, jeder ist an soziale Medien angeschlossen. So können Sie Nachrichten aus 1. Hand bekommen. Ich brauche Sie nicht damit Sie mir über James Foley berichten. Ich kann meine Freunde in der Gegend anrufen, und Sie werden mir sagen wie die Situation ist. Ich denke da sie sollten vorsichtig sein. Die Menschen beziehen sich nicht mehr wirklich auf Sie um die Fakten in Erfahrung zu bringen.

OB: Nun ich beanspruche nicht die ultimative Autorität hierzu sein und ich denke wir, beide von uns, sollten die Menschen respektieren, die diese Sendung eingeschaltet haben. Ich meine, aus einigen Gründen, haben sie sich entschlossen diese Zeit zu verbringen und sie hören Ihnen geradezu, also lassen Sie uns Ihnen gegenüber nicht respektlos sein. Das ist das Mindeste was wir ihnen geben können. Aber, wissen Sie, mein Punkt war anders. Ich verteidige nicht die Aktionen der amerikanischen Regierung. Ich verteidige nicht die Aktion der russischen Regierung. Ich verteidige nicht einmal dem Beruf des Journalisten hier. Ich frage Sie in Ihrer Rolle als Rechtsgelehrten des Islam, ob sie wirklich ein Individuum für die Aktionen seines Staates verantwortlich machen können? Können Sie aus ihm ein Symbol für die Sünden machen, die sein Land begangen hat?

AC: Faktisch, wissen Sie, wenn Sie in die Zeit des Propheten Mohammeds zurücksehen, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm], wissen Sie, der Prophet hat selbst Geiseln genommen von einem Stamm der mit einem anderen Stamm verbündet war, der Muslime als Geiseln genommen hatte. Und er sagte das er sie behalten wird bis die Muslime, seine eigenen Kameraden, freigelassen sind. Also wissen Sie, es gibt gewisse Beispiele in der Geschichte des Islam, von der Zeit des Propheten, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm] und später, die zeigen, dass es für Geiseln je nach Szenarium unterschiedliche Situationen gibt. Auf diese Weise gehe ich nicht an die Realität heran. Aber was ich Ihnen definitiv sagen kann ist, dass es in der gegenwärtigen Zeit im muslimischen Ländern keine Heiligkeit für Nicht-Muslime gibt, die Bürger von jenen Regimen sind, die gegen die Muslime kämpfen. Daher ist mein Rat an Sie, und es ist ein guter Rat, Ihre eigenen Zivilisten, Ihre eigenen Journalisten und ihre eigenen Armeen vollständig aus den muslimischen Ländern zurückzuziehen. Weil sie eine Quelle der Instabilität in diesen Ländern sind und ein Grund für Unsicherheit, nicht nur dort, sondern auch zurück [bei ihnen] zuhause. Und wissen Sie, wenn Sie über mangelnden Respekt für die Menschen die dieses Programm sehen sprechen – die Leute die dieses Programm sehen sollten wissen, dass es eine andere Perspektive gibt. Es gibt er die Perspektive der Menschen in Tschetschenien, es gibt die Perspektive der Menschen die zum Beispiel in der Ukraine leiden. Welche Art Berichterstattung gab es in Russland über diese Menschen dort? Sie können sehen dass da Propaganda ist. Daher –

OB: Nun, Herr Choudary, wenn sie sich damit abgegeben hätten RT zu sehen, würden sie herausgefunden haben, dass eine Menge Medienzeit, eine Menge Sendezeit, für beide, die Perspektiven der Ukrainer und die Perspektiven der Tschechenen aufgewendet wurden. Aber da sie über Propaganda sprechen, Herr Foley, war soweit ich weiß – und ich habe selbst umfassend über den Syrien-Konflikt berichtet – Herr Foley hat von diesen Konflikt auf der Seite der Rebellen berichtet. Also, wenn überhaupt etwas, dann hat das Material das er produziert hat in die Hände von manchen Rebellengruppen dort gespielt, und vielleicht hat es dem „Islamischen Staat“ geholfen so stark zu werden wir er nun ist. Also, wenn Sie auf dies aus einer anderen Richtung sehen, dann könnte man tatsächlich behaupten, dass seine Arbeit in Wirklichkeit – wenn sie nicht für die ISIS war, doch für den Aufstieg der ISIS in mancher Beziehung vorteilhaft war?

AC: Wissen Sie, Ihre Besessenheit von dem Fall James Foley und das Andauern Ihrer Fragen an mich über dieses Individuum und seine Heiligkeit, zeigen mir, dass ihr Kanal an den Muslimen nicht wirklich interessiert ist. Wissen Sie, die Amerikaner haben Bombenteppiche in Afghanistan und Irak gelegt. Den Schock und die Ehrfurcht (shock an awe) die sie im Fall James Foley zu haben scheinen, war faktisch amerikanische Politik, erinnern Sie, 2003, als sie 100-tausende Menschen töteten. Wie viele Muslime wurden gefoltert , in Guantanamo Bay, in Abu Ghraib, in Bagram? Und trotzdem kennen Sie ihre Namen nicht. Sie fragen mich nicht über jeden einzelnen dieser Individuen, was sie getan haben. Die Leute sind unschuldig, wissen Sie, junge Kinder wurden in Guantanamo Bay gefangen gehalten und wurden dort alt – wir kennen ihre Namen weil wir nicht wirklich an den Muslimen interessiert sind.

OB: Aber –

AC: – Warten Sie eine Sekunde. Muslimisches Blut kann wie Wasser fließen, weil es kein echtes Blut ist. Nur das Blut der Russen der Amerikaner –

OB: (dazwischensprechend) Das ist nicht wahr. Nun, dass ist nicht wahr, um ehrlich zu sein.

AC:… Und diese Leute die sich nun gegen die Muslime verschwören, dass ist echtes Blut. Wir sind nicht die Leute die Tschetschenien besetzt haben. Wesentlich die Leute die Kaschmir besetzen. Wir sind nicht die Leute die Burma besetzen und andere Plätze, ich denke das ist Ihre Politik. Oder wissen Sie, wenn Menschen sich gegen Regime erheben, und sie sehen Menschen die die Propaganda dieser Regime sind, sollten sie davon nicht überrascht sein. Leute töten sich gegenseitig im Krieg. Sie lieben sich nicht. Dies ist die Realität des Krieges und das ist es was in Syrien passiert. Also James Foley und andere Journalisten sollten das Gebiet verlassen haben.

OB:Herr Choudary, kann ich gerade – also das Video das wir gerade gezeigt haben zeigte einen muslimischen Mann – der vielleicht sehr berechtigte Beschwerden hatte – aber es zeigt muslimische Männer als herzlose Aggressoren, und es zeigt einen amerikanischen Journalisten als ein Opfer. Und meine Frage an Sie ist, ob Sie denken, dass diese Art Video nicht vielleicht in die Hände der Amerikaner spielen könnte? Weil es ihn eine perfekt Vorlage gibt um das zu rechtfertigen was sie die ganze Zeit getan haben. Die amerikanischen Militärbefehlshaber sind bereits dabei Pläne für zusätzliche Angriffe in dem Gebiet zu entwerfen. Also das erscheint mir wie etwas das wiederum das Leben von unschuldigen muslimischen Frauen und Kindern beeinträchtigt. Sind sie darüber nicht besorgt?

AC: Wissen, Sie wir leben mit der sehr befremdlichen Vorstellung, dass Muslime nie das Ziel von Angriffen sind. Die Amerikaner unterstützen bereits den Piratenstaat Israel der Tausende Menschen ab schlachtete. Sie bombten einseitig Afghanistan und Irak, die brauchten keine Erlaubnis von irgendwem. Sie töteten 100-tausende Menschen. Sie folterten Menschen. Sie änderten ihre eigenen Gesetze und Prinzipien und Werte um Leute in Guantanamo Bay festhalten zu können, um sie in Bagram rituell missbrauchen zu können. Wissen Sie, die Tötung von James Foley verändert nicht die ruchlose, sehr barbarische, kriminelle Natur der amerikanischen Regierung und der Geschichte der Gräueltaten gegen Muslime. Wissen Sie, wenn irgendetwas, dann wird dies zeigen dass jede Ursache eine Wirkung hat. Die amerikanische Politik der letzten 10 Jahre hat für die gesamte Region einen sehr brutalen Effekt gehabt. Sie können sehen was mit den Taliban passiert ist, was mit dem „Islamischen Staat“ passiert und was mit den Amerikanern und ihren eigenen Verbündeten in dem Gebiet passiert, es ist das direkte Resultat ihrer eigenen Politik, während der letzten 10 Jahre. Ich denke nun, dass sie Dinge wie James Foley haben und sie haben Dinge wie, wissen Sie, dass das mit den Aziris und allem anderen – dies zeigt Ihnen das ein richtiger Konflikt stattfindet. Jetzt haben es die Amerikaner nicht mehr nur mit Guerillakrieg zu tun. Sie haben es mit einem Staat zu tun, die haben es mit einer staatlichen Armee zu tun. Und wissen Sie das ist es warum nun plötzlich die Amerikaner Freunde von Bashar al-Assad sind, und warum sie die Freunde der Iraner sind und alle können sich zusammen treffen. Aber am Ende des Tages, wenn Sie auf alle diese Regime sehen, China besetzt und foltert Leute in Xinjiang. Die Russen machen es in Tschetschenien. Die Burmesen machen es mit den Muslimen in Burma. Die Inder machen es in Kaschmir. Wir sind die einzigen die uns selbst verteidigen wir erheben uns. Wir wissen wenn Völker sich erheben dann gibt es selbstverständlich Verluste. Was ich Ihnen sagen möchte ist, dass Sie das gesamte Bild sehen sollten.

OB: (dazwischenprechend) Nun Herr Choudary, ich muss Sie hier für die Pause unterbrechen, weil wir jetzt eine Pause machen müssen. Aber Herr Choudary, da sie ein solcher Experte in Bezug auf Tschetschenien zu sein scheinen, bin ich neugierig wann sie das letzte mal dort waren? Und zwar deshalb, weil Tschetschenien jetzt eine der am besten entwickelten Regionen Russlands ist. Niemand unterdrückt die Tschechenen heute. Ich denke sie haben Lebensstandards die besser sind als die der meisten Russen. Aber wir müssen hier für die Pause unterbrechen. Wir werden zu dieser der hitzigen Diskussion in wenigen Augenblicken zurück kommen.

2. Teil, nach der Pause

OB: Willkommen zurück in „Worlds Appart“ wo wir über die Ursprünge der Gewalt im mittleren Osten mit Iman Anjem Choudary diskutieren. Herr Choudary, kurz vor der Pause hatten wir diese sehr hitzige Diskussion über Gewalt und die Tatsache, dass die westliche Politik gegenüber muslimischen Ländern extrem gewalttätig sind und dass manche Muslime auf diese Gewalt mit Gewalt antworten. Und ich stimme mit Ihnen in dem Punkt über ein, dass der Westen und vielleicht sogar die breitere internationale Gemeinschaft mitverantwortlich ist für das Blutvergießen und das Chaos, das im Nahen Osten stattfindet. Aber nachdem ich das gesagt habe bin ich doch neugierig ob sie sich jemals ungemütlich fühlen, bei dem Filmmaterial, das wir aus Syrien und aus dem Irak sehen können, und das einige der Taktiken zeigt, die der „Isalmische Staat“ anwendet – bereitet es Ihnen jemals einen ungemütliches Gefühl oder bringt es sie vielleicht sogar dazu zu fragen was die da machen? Nicht als ein Muslim, aber als ein menschliches Wesen, zum Beispiel?

AC: Wissen Sie, ich glaube das Hmm, … ja selbstverständlich, ich bin ein muslimisches, menschliches Wesen, aber der Punkt ist selbstverständlich, dass ich als Muslim glaube, Frauen und Kinder sollten nie angegriffen werden und ich glaube nicht, dass sie es durch den „Islamischen Staat“ werden. Ich glaube ebenfalls, dass den Menschen angeboten werden sollte zum Islam überzutreten. Und wenn Menschen zum Islam übertreten, dann werde ihnen in jeder Hinsicht ihre bisherigen Sünden vergeben. Sie sollten unter der Scharia nach dem islamischen Recht leben. Aber ich glaube, dass die Journalisten in der heutigen Zeit sich aus den muslimischen Ländern zurückziehen sollten weil sie als Propaganda der Amerikaner und ihrer Verbündeten wahrgenommen werden. Und daher ist dies mein Appell. Ich denke das durch die Propaganda Instablität verursacht wird. Und wissen Sie, heutzutage haben wir es nicht nur mit der Tatsache der militärischen Besetzung der muslimischen Länder zu tun. Wir haben ebenfalls sehr, sehr verwerfliche Propaganda die der Wegbereiter ist von Vakuumbomben, Daisy Cutter,  und Drohnen, und all den anderen Dingen die wir sehen. Wissen Sie, gewiss machen Menschen Fehler. Der Prophet Mohammed, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm] sagt, jeder Sohn Adams macht Fehler. Und die Besten unter ihnen sind jene die nach Vergebung fragen. Ich habe daher keine Zweifel, dass selbst auf dem Schlachtfeld Fehler gemacht werden.

OB: Nun, Herr Choudary, ich denke das Wort Fehler ist vielleicht etwas zu zu weich um einige der Taktiken zu beschreiben, die von dem „Islamischen Staat“ angewendet wurden. Und ich denke es ist kaum überraschend, dass selbst Al Qaida – so wird zumindest berichtet – deren Taktiken, tja, mit Abstand zu heftig fand. Man nimmt an, dass dies der Grund ist warum diese beiden Gruppen gespalten sind. Aber –

AC: Nein, nein, das stimmt nicht, das ist nicht wirklich wahr. Al Qaida, Scheich Ayman Al-Zawahiri, Allah schütze ihn, wissen Sie, sie haben eine juristische Meinungsverschiedenheit, sie verdammen nicht die Muslime in dem „Islamischen Staat“. Sie sagen nur, dass die Kriterien zur gegenwärtigen Zeit für sie –

OB: (dazwischen sprechend) aber ich denke sie unterscheiden sich in der Weise in der sie dieses Propaganda Ding angehen. Aber mein Punkt ist, dass wenn wir sehen wie Al Qaida ihr Werbeprogramm für die Anwerbung genutzt hat, dann haben die sich bei ihrer Botschaft eher auf das Leiden unschuldiger Frauen und Kinder konzentriert. Das ist die Art wie Sie neue Konvertiten rekrutiert haben. Wenn wir das damit vergleichen was ISIS tut, die sind sehr sehr bildlich im Bezug auf die Dokumentation ihrer eigenen Tötungen. Und ich bin neugierig wie sie diesen Wechsel von der Konzentration auf das Leiden unschuldiger Frauen und Kinder zum tatsächlichen Tun des eigenen Tötens und des Tötens von Ungläubigen erklären, was haben Sie?

AC: Nun ich will Ihnen das Folgende sagen. Als allgemeine Regel ist es niemals gerechtfertigt Frauen und Kinder zu töten. Niemand wird das Töten von Frauen und Kindern glorifizieren. Viele der Bilder die Sie von anderen Schlachtfeldern sehen, von den Nusayris [Alawiten] zum Beispiel in Syrien, von Hizbullah im Iran, die Frauen und Kinder getötet haben und die die Muslime beschuldigen, die decken sie mit anderen Kleidern zu und die sagen dass es in Wirklichkeit die Sunnis waren, die es getan haben. Und die haben dies eine lange Zeit gemacht, nebenbei bemerkt, bevor der „Islamische Staat“ für ausgerufen war. Und zweitens, wissen Sie, Al Qaida und der „Islamische Staat“ – keiner der islamischen Glaubenskämpfer in der Welt streitet die die Tatsache ab, dass sie gegen das amerikanische Establishment sind und gegen die Außenpolitik und die Besatzung. Sie stimmen in diesem Punkt alle über ein. Sie haben juristische Meinungsverscheidenheiten, wie etwa was die Kriterien für das Kaliphat sind und ob es die richtige Zeit ist dem „Islamischen Staat“ auszurufen. Aber was ich Ihnen sagen will ist, dass die Bilder die von dem Krieg kommen, vom „Islamischen Staat“ selbst, nicht über Kinder und Frauen sind. Es geht in den Bildern um das friedliche Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen unter dem „Islamischen Staat“, unter der Scharia. Sie haben freie Verpflegung, Kleidung und Unterkunft. Ihr Leben, ihre Ehre, ihr Wohlstand ist geschützt. Sie können Ihre eigenen Kirchen und Synagogen haben ja, ihre Schreine wurden zerstört, weil wir keine Schreine und Idole im öffentlichen Bereich haben. Zu alledem können Sie Bilder von Christen sehen die zurück nach Modul kommen, die Yaziris, viele von diesen bekehren sich zum Islam. Lügen über diese wurden von den Muslimen bloßgestellt –

OB: (dazwischen sprechend) Aber Herr Choudary, wir sehen auch Bilder von Menschen die die hingerichtet werden, Soldaten, syrische Soldaten die massenweise hingerichtet und den Massengräber gelegt werden. Ich meine diese Bilder existieren.

AC: Erinnern Sie sich, wir sprechen über Leute die Kriminelle sind. Die Soldaten des syrischen Regimes gingen horrende Verbrechen. Erinnern Sie sich, die Nusayris [Alewiten] in Syrien sind Menschen die die Sunnis als Tieren ähnlich betrachten, selbst Kinder und Frauen sind Tiere. Sie schlachten sie wie sie es mit einem Hund oder eine Katze machen würden.

OB: Nun, Herr Choudary des ist einfach nicht wahr, ich weiß nicht ob Sie irgendeine Möglichkeit hat mit diesem Soldaten in der syrischen Armee zu sprechen, ich hatte sie. Viele von ihnen sind Wehrpflichtige, sie sind die 18- oder 19-jährige Jungen. Ich meine, was wissen die, die haben nur Befehle erhalten zum Schlachtfeld zu ziehen. Haben Sie kein Erbarmen mit diesen jungen Männern?

AC: Sehen Sie, ich weiß dass sie es nicht mögen die Wahrheit zu hören, wissen Sie. Aber die Realität ist, dass diese Soldaten die im Namen von Bashar al-Assad kämpfen und im Namen des Nusayri Regimes in Syrien, und die Leute die für Nouri al-Maliki kämpfen – erinnern Sie, die Yaziris unterstützten Nouri al-Maliki im Bezug auf die amerikanische Besetzung. Es gibt daher offensichtlich einige unter ihnen, die viele Verbrechen begangen haben. Nun, ich denke, dass diese Leute vor Gericht kommen, und viele von denen, offensichtlich wegen der Verbrechen die sie begangen haben, schwer bestraft werden. Aber es ist nicht der Fall von Leuten, die einfach in ein Dorf gehen und einfach jeden töten, wie die Amerikaner und andere Sie glauben machen wollen.

OB:Aber Herr Choudary, sie wurden zu hunderten getötet ich bin neugierig wie Sie wirklich –

AC: – Also was ich sagen möchte, bitte prüfen Sie durch Befragen der Muslime.

OB: Da Menschen zu hunderten getötet wurden, und wir sahen einige dieser Massenhinrichtungen von syrischen Soldaten, wie können Sie da auch auch nur deren Schuld ermitteln? Ich meine, sie sind im Feld getötet worden, da war keine Zeit für irgendwelcher Gerichtsverfahren?

AC: Okay, lassen Sie mich Sie etwas fragen. Was denken Sie, was die syrischen Soldaten in den letzten paar Jahren gemacht haben? Was denken Sie wie die 200.000 Menschen abgeschlachtet wurden? Denken Sie, sie starben einfach durch natürliche Ursachen, oder denken Sie dass die syrischen Soldaten die Verbrechen begingen?

OB: Nun, ich denke da war, und es ist noch immer, Bürgerkrieg in Syrien und ich denke nicht –

AC: (dazwischen redend) Genau. Sie wissen sehr wohl, dass es die syrischen Soldaten waren, lassen Sie uns nicht annehmen das die syrischen Soldaten herumgesessen haben und Kaffee in den Cafés getrunken haben –

OB: (dazwischen redend) Ich behaupte nicht, Herr Choudary, ich habe eine ganze Menge Zeit in Syrien verbracht und ich bin zu meinem Gesichtspunkt genauso berechtigt wie Sie es sind.

AC: Warten Sie eine Sekunde, sie haben Verbrechen begangen, haben sie nicht? Was passierte genau bei den Nürnberger Prozessen? Wie viele Menschen wurden von den Nazis im Zweiten Weltkrieg hingerichtet? Wir müssen wach werden und realisieren, dass Menschen Verbrechen gegen Muslime begangen haben und sie gehören definitiv vor Gericht. Heute sehen sie nicht einfach auf die Bilder von jemandem der getötet wird. Sie wissen ziemlich genau, wenn jemand von einem Bus überfahren wird und wir seinen Namen nicht kennen –

OB: Aber Herr Choudary, das war genau mein Punkt. Wann wurden sie verurteilt? Sie wurden im Feld hingerichtet – wann wurden sie verurteilt? Wie können Sie ihre Vergehen nachweisen, ihre Schuld, um es genauer zu sagen?

AC: Tragen Sie mit mir eine Sekunde. Wenn Sie sehen, dass ein normaler Mann von einem Bus überfahren wird, und wir nicht wissen wer er ist, dann empfinden wir Bedauern für ihn. Aber wenn es Ariel Sharon war, zum Beispiel, oder wenn es Barack Obama war – dann würden die Muslime das meines Erachtens ganz offen feiern, weil diese Leute Kriminelle sind. Als ich denke es hängt davon ab wer es ist. Nun stimmen Sie mit mir darin über ein, dass [unhörbar] syrische Soldaten, und nach allen Berichten glaube ich, dass die Leute wahrscheinlich verurteilt wurden, und vielleicht sehen sie die schweren Bestrafungen entgegen. Es ist nicht der Fall, dass sie Leute willkürlich herausgegriffen haben. Wissen Sie im Krieg töten sich Menschen gegenseitig, lassen Sie uns das realisieren. Wie viele Tschechenen haben die Russen getötet? Wie viele haben die Chinesen in Xinjiang getötet? Wie kommt es dass Sie immer mit dem Finger auf die Muslime zeigen? Sie interessieren sich nicht für die getöteten Muslime?

OB: Ich zeige nicht mit dem Finger auf die Muslime. Ich denke viele der syrischen Soldaten hielten sich selbst für Muslime. Aber wie auch immer, lassen Sie uns hier ein wenig die Gänge wechseln. Das was mich hier interessiert ist nämlich, wie diese Gewalt beendet werden kann. Und meine Frage an Sie ist, wenn wir Medienberichte sehen, ist es wahr dass viele der IS Kämpfer als barbarisch beschrieben werden, sie wurden in westlichen Medien als sadistische Psychopathen bezeichnet, was haben Sie? Aber ich denke das ist typisch für die westliche Darstellung – wissen Sie, Ihre Gegner zu dämonisieren. Aber meine Frage an Sie ist, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, was auch immer diese sei, für die Vereinigten Staaten und den „Islamischen Staat“ auf die eine oder andere Art zu unterhandeln? Weil, wissen Sie, vor einigen Jahren, wurden solche Unterhandlungen mit den Taliban vollständig ausgeschlossen aber die Vereinigten Staaten haben ihre Einstellung später geändert. Denken Sie das etwas in dieser Art in diesem Fall passieren könnte?

AC: Ich denke, was wir sehen ist die Erfüllung der Prophzeiung des Propheten Mohammed, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm]. Der Prophet sagte Allah hat mir den Osten des Ostens und den Westen des Westens gezeigt und die Herrschaft meiner Glaubensgemeinschaft war über dem Ganzen. Daher glaube ich, dass eines Tages die Scharia in Russland und in China und Amerika implementiert wird. Es gibt, wenn Sie so wollen, keinen permanenten Vertrag zwischen dem „Islamischen Staat“ und irgendeiner Nation, die nicht-islamisches Recht anwendet. Es kann einen vorübergehenden Waffenstillstand zwischen solchen Völkern geben, die keine Feinde der Muslime sind. Aber ganz eindeutig, wegen der Aggression der Amerikaner und der Briten und anderer, wird es niemals einen Vertrag mit diesen Völkern geben. Ich denke sie werden schließlich unterworfen. Und ich kann Ihnen etwas anderes sagen – über die Geschichte des „Islamischen Staates“, wenn Sie vorher auf sie sehen – in der Tat, der „Islamische Staat“ wurde durch die Hände der Franzosen, und der Briten sowie deren Marionette Mustafa Kemal Attatürk ,1924 zerstört. Und wissen Sie, Lord Curzon, der britische Außenminister zu jener Zeit, sagte, “wir haben die Stärke der Muslime getötet, sie zerstört” nun sehen wir das Wiederkommen des Kaliphats, wir können eine neue Weltordnung sehen. Schließlich, haben wir einen Staat, wo die Muslime die Scharia implementieren, und er expandiert wieder, und inshalla, wird die ganze Welt durch die Scharia regiert. Daher sehe ich nicht, dass die Muslime jemals die Vereinten Nationen, die NATO oder Amerika anerkennen werden.

OB: Dies ist eine der Befürchtungen die viele Menschen in westlichen Ländern haben. Aber soweit ich weiß, und korrigieren Sie mich wenn ich mich irre, ist die Scharia nichts was man einer Person aufzwingen kann. Sie wissen, Scharia ist etwas, das nur von einer Person akzeptiert werden kann wenn er oder sie sich dem Islam unterwirft. Wenn Sie also sagen das diese Menschen, diese Länder erobert werden, misinterpretieren Sie dann nicht die Botschaft Ihres eigenen Propheten?

AC: Nein, nein, das tue ich überhaupt nicht, nein. Sie sagten ich soll sie korrigieren, wenn sie sich irren – sie irren sich. Die aussenpolitische Doktrin des „Islamischen Staates“ ist, dass sie alle Widerstände beseitigen müssen die einer Implementierung der Scharia im Weg stehen. Es gibt keine Person die jemanden dazu zwingt Muslim zu werden. Aber grundsätzlich, soweit das Gesetz und die Ordnung betroffen sind, wir dieses energisch implementiert. Die Scharia, das göttliche Gesetz, wird implementiert und die Korruption und die Unterdrückung und die Ungerechtigkeiten von Menschen gemachter Gesetze, wo immer sie in dieser Welt ist, wird beseitigt. Es gibt eine energische Implementierung der Scharia und Befolgen der Gebote Gottes, soweit der öffentliche Bereich betroffen ist, sozial ökonomisch, juristisch, durch die Politik. Und wenn wir auf die Geschichte des islamischen Staates sehen , auf dem ganzen Weg von China bis in das Herz Europas – wissen Sie, die Juden und Christen waren sehr glücklich, wissen Sie, in Europa führte es in die Renaissance. 800 Jahre Scharia im Herzen Europas. Dies ist also für die westliche Zivilisation nicht fremd. Lassen Sie uns einen guten Blick auf unsere Geschichte werfen und die Schönheit des Islams sehen, als die Menschen im dunklen Zeitalter lebten, war die muslimische Zivilisation an der vordersten Front der materiellen Entwicklung, und dies war so wegen unseres eigenen aqidah, unserem Glauben.

OB: Herr Choudary, ich denke die muslimische Zivilisation hat gewiss ihren berechtigten Platz in einer breiteren menschlichen Zivilisation. Dass ist aber nicht das worüber wir hier sprechen, und niemand versucht tatsächlich den Islam zu verletzen, ungeachtet dessen was sie zu sugestieren versuchen.

AC: Ich gebe nur einen Einblick über das was die Scharia macht, wenn sie auf staatlichem Niveau implementiert wird, wissen Sie, wir haben bereits ein Beispiel durch unsere Geschichte, und wir werden, inshallah, in den kommenden Jahren ein anderes Beispiel sehen.

OB: Nun Mr. Choudary, da uns die Zeit ausgeht, lassen Sie mich Ihnen eine letzte Frage stellen. Sie haben gerade erwähnt, dass der „Islamische Staat“ keine der existierenden internationalen Organisationen oder Institutionen anerkennen wird. Daher ist es kein Wunder dass viele Regierungen so besorgt sind, einschließlich der britischen Regierung, der Regierung ihres eigenen Landes, die nun ein Bündel von Maßnahmen erwägt, einschließlich dem Einzug der Pässe potentieller Dschihadisten. Und der Bürgermeister von London, Boris Johnson, hat sogar vorgeschlagen solche Leute als schuldig zu behandeln bis die Unschuld nachgewiesen ist. Das ist eine sehr sehr interessante Auffassung von Menschenrechten und Gleichheit ist. Aber angesichts dessen was Sie über das Recht des Landes in dem man lebt sagen, und über das akzeptieren müssen der Gesetze des Landes wo sie leben, haben sie [die britische Regierung] nicht auch das Recht das zu tun?

AC: Wissen Sie, die Briten und deren Vebündete, die machen ihre Gesetze im Vorbeigehen. Sie ändern die Grenzen, sie ändern Prinzipien und Werte. Kennen Sie die Qureshi, die Götzenverehrer zur Zeit des Propheten, die hatten die Gewohnheits Götzen mit Verfallsdatum zu machen. Und wenn Sie hungrig wurden hatten sie die Gewohnheit sie auf zu essen und machten sich andere Götzen. Ähnlich, wissen Sie, machen die Briten ihre Gesetze, sie haben gewisse Werte – Unschuld bis zur erwiesenen Schuld, Freiheit des Ausdrucks – und wenn Sie hungrig werden, essen Sie sie auf und machen neue Gesetze. Es überrascht mich also nicht, dass es die Natur Menschen gemachter Gesetze ist, es ist Unterdrückung. Wissen Sie, wenn Freiheit und Demokratie und Liberalismus usw. sind nicht gut genug für die Briten sind, warum sterben ihre eigenen Soldaten für deren Verteidigung in Afghanistan und Irak? Es macht keinen Sinn. Dies ist der Grund warum wir sagen [auf Arabisch], Islam ist überlegen, er wird niemals übertroffen. Wir ändern niemals unsere Werte, wir ändern niemals unsere Prinzipien. Sie bleiben gleich von der Zeit des Propheten, sallalahu alayhi wasallam [Friede sei mit ihm], bis heute. Sie sind diejenigen die immer ihre Gesetze verändern. Und dann datieren Sie sie zurück. Sie machen etwas heute völlig Legales, und dann werden sie zurückdatiert und man wird für etwas verhaftet dass man gestern getan hat.

OB: Nun, Herr Choudary, da wir einem Punkt angekommen sind wo Sie mich in dieselbe Kategorie stecken wie die westlichen Entscheidungsträger, von denen ich, wie die regelmäßige Zuschauer dieses Programms wissen werden, kein Fan bin, denke ich, dass es eine gute Anmerkung ist um dieses Programm damit zu beenden. Ich schätze es dass sie hier waren.

AC: Gerne.

OB: Und an unsere Zuschauer, bitte halten Sie die Konversatiion und am Laufen auf unserem Twitter, YouTube und Facebook Seiten, und ich hoffe sie wieder zu sehen, selber Platz selbe Zeit hier in „World’s Apart“ [Welten auseinanderliegend]

Übersetzt von Christoph Becker,

Kelberg den 10. September 2014




Anjem Choudary

Anläßlich meiner Übersetzung des am 4.9.2014 auf RT geführten Interviews von Frau Oksana Boyko mit dem britischen Haßprediger und Extremisten Anjem Choudray, möchte ich hier zur weiteren Information einige deutschsprachige Links zu Anjem Choudary auflisten. Choudary spricht und träumt  als islamistischer Prediger brutal und offen von ziemlich genau jenen Entwicklungen,  vor denen der norwegische Attentäter Breivik mit seinen Anschläge und seinem Manifest warnen wollte – während die Erfolge und das Vorgehen des “Islamischen Staates” dem ganzen einen schaurigen Realitätsbezug bescheinigen.

Hier einige Links die ich fand, indem ich bei google mit “Anjem Choudray” gesucht und dabei die Suche auf deutsche Webseiten eingegrenzt habe. Manche Links beruhen auf dem selben ursprünglichen Artikeln. Ich gebe sie trotzdem an, weil sie unterschiedliche Kommentare enthalten können und weil der eine oder andere Link ausfallen könnte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Anjem_Choudary

http://www.pi-news.net/?s=anjem+choudary

http://zoelibat.blogspot.de/2012/08/anjem-choudary-scharia-grossbritannien.html

http://zoelibat.blogspot.de/2010/11/anjem-choudary.html

https://derhonigmannsagt.wordpress.com/tag/anjem-choudary/

http://www.freiewelt.net/das-sozialsystem-die-machtuebernahme-der-moslems-und-kulturelle-massenvergewaltigungen-in-oesterreich-10020640/

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/attentat-in-london-verschuechtert-sind-die-friedfertigen-12193911.html

http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/2895236/die-beil-moerder-mit-londoner-akzent.html

http://www.unzensuriert.at/content/0012991-Islamisten-pl-ndern-Europ-er-bewusst-aus

http://koptisch.wordpress.com/2014/08/29/terrorist-anjem-choudary-rechtfertigt-die-enthauptung-von-james-foley/

https://volksbetrugpunktnet.wordpress.com/tag/islamistischen-predigers-anjem-choudary/

http://dolomitengeistblog.wordpress.com/2013/06/17/islam-gbist-der-hasprediger-anjem-choudary-selbst-ein-fall-fur-die-anwendung-der-schariaislam-gbist-der-hasprediger-anjem-choudary-selbst-ein-fall-fur-die-anwendung-der-scharia/

http://boxvogel.blogspot.de/2012/08/anjem-choudary-und-die-4-millionen.html

http://www.katholisches.info/2013/05/14/islamprediger-nehmen-wir-uns-europa-und-lassen-uns-dabei-von-den-europaern-aushalten/




Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen?

Auf der Internetseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.faz.net, wurde am 27.8.2014 der  Artikel Sinkende Ölnachfrage – Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen von Franz Nestler, veröffentlicht.  Da sich der Artikel auf eine Prognose der Internationalen Energieagentur  (IEA) stützt, hier zunächst das Bild einer Grafik aus dem Buch Peaking at Peak Oil, von Prof. Kjell Aleklett, die  die erstaunliche Entwicklung der von der Internationalen Energieagentur in den Jahren 2004 bis 2008 gemachten Ölpreisprognosen bis zum Jahr 2030 wiedergibt.

Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030
Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030

Nach der Voraussage der IEA  von vor nur 10 Jahren, hätten wir also jetzt einen Ölpreis von nur etwas über 20 Dollar und selbst in 15 Jahren wäre der Preis immer noch nur ein Drittel des tatsächlichen heutigen Preises. Wie die Wirklichkeit der Preise seit 2010 aussieht, steht im oben erwähnen Artikel von Franz Nestler auf www.faz.net:

Der Ölpreis pendelt seit etwa vier Jahren um die Marke von 110 Dollar

Eine Tabelle mit historischen Daten für die nominalen und auch für die aus US-amerikanischer Sicht inflationsbereinigten Ölpreise finden sich hier. Auffällig ist zunächst, dass der nominale Ölpreis von 1948 bis 1952 mit nur $ 2,77 gleich blieb. 1973, also mehr als 20 Jahre später überstieg er dann erstmals die Marke von $ 3,60 .  1980 erreichte er mit $ 37,42 einen vorläufigen Gipfel. 1998 betrug der 11,81 $, was zugleich für die Amerikaner auch der niedrigste inflationsbereinigte Ölpreis seit 1946 war. Von da an stieg der Ölpreis. 2005 waren es nominal $ 50,04, 2011 waren es $ 87,04 $ und  2013 $ 91,17.    Von 1998 bis 2013, also in 15 Jahren, ist der Ölpreis nominal um das 7,65-fache, bzw. um 765 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt ist der Preis um das 5,35-fache, also um 535 Prozent gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist die frohe Botschaft in dem Artikel von Franz Nestler in auf www.faz.net eher Pfeifen im Wald. Wenn der Ölpreis binnen weniger Jahre um mehr als das Fünfache gestiegen ist, ohne dass die Produktion desshalb nennenswert gestiegen ist, dann befinden wir uns  seit einigen Jahren in einer Ölkrise und es ist kein Ende in Sicht. Das zeigt auch der Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes. Die von mir angefertigte und auf freizahn.de veröffentlichte deutsche Übersetzung dieses Artikels ist Teil meiner Antwort auf Franz Nestlers Artikel auf www.faz.net


Dass die Nachfrage nach Erdölprodukten in vielen Ländern bei einer derartigen Preissteigerung zurückgegangen ist, war und ist zu erwarten. Ebenso war und ist zu erwarten, dass die Schulden von Staaten und Privathaushalten, die ihren alten Lebensstandart einigermaßen halten wollen, rasant zu nehmen wenn ein für den Lebensstandart so wesentliches Produkt wie Erdöl derart viel teurer wird.  Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in  Griechenland, Spanien,  Frankreich und Italien kann man vor diesem Hintergrund als Symptome der  Ölkrise sehen, in der wir seit einigen Jahren leben.  Selbst die Aufstände in Nordafrika und im Orient, die Spannungen im Südchinesischen Meer und der Ansturm der aus Afrika kommenden Flüchtlinge im Mittelmeer kann man indirekt zu einem großten Teil auf die extrem gestiegenen Ölpreise und die damit verusachte Energieknappung zurückführen.

Die US-amerikanischen Ölproduktionsmengen

Franz Nestler schreibt in seinem Artikel auf www.faz.net über den dank Fracking erfolgten Anstieg der Ölproduktion in den USA.  Laut Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) sollten die USA nächstes Jahr sogar 9,28 Millionen Barrel je Tag fördern. Zur  Verlässlichkeit der Prognosen dieser Argentur siehe die Grafik oben. Aber wie waren die Produktiondaten in den USA in der Vergangenheit? Eine sehr umfassende Tabelle mit den Produktionsdaten von 1860 bis heute findet sich hier, auf der Internetseite der EIA (Energy Information Agency). Die Tabelle kann von jährlicher auf monatliche Ansicht umgeschaltet werden.  Über den Zahlen mit den jährlichen Produktionsmengen findet sich ein graphische Darstellung der Produktionsmengen.  Aus der Tabelle ist kann man entnehmen:

Die größte durschnittliche Fördermenge der USA wurde im November 1970 mit 10044  Barrel/Tag errzielt.  Die in dem FAZ-Artikel genannten, aktuellen 8,5 Millionen Barrel/Tag sind also noch immer mehr als 15% weniger. Und selbst die notorisch zu optimistischen Schätzungen der IEA gehen diesem FAZ-Artikel zur folge von nur 9,28 Millionen Barrel/Tag im Jahr 2015 aus. Das wäre noch immer weniger als die USA schon vor 45 Jahren produziert haben. Dazu kommt noch, das bei der Ermittlung der gesamten Produktionsmengen anders als 1970, heute Gase, Materialien und Flüssigkeiten als Erdöl ausgewiesen werden, die man nicht wirklich als Erdöl bezeichnen kann. Ausserdem ist wegen des stark gestiegenen, für die Öl- und Gasförderung selbst nötigen Energiebedarfs der tatsächlich anderweitig nutzbare Teil der Ölförderung geringer als früher. Zu diesen letzten beiden Aspekten siehe den Artikel Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Der wesentliche Unterschiede zu damals sind ferner, dass die Ölbohrungen bzw. Ölquellen heute:

  • drastisch teurer sind
  • auch anfänglich sehr viel weniger Öl pro Bohrung bringen
  • sehr viel schneller nachlassen als konventionelle Ölquellen (über 60% oder sogar 70% pro Jahr, statt unter 10 %, in OPEC-Ländern zum Teil sogar unter 5 %. Das heißt, die Fördermeng der Ölquellen auf Frackingbasis verringert sich 6 bis über 14 mal so schnell wie die klassischer Ölquellen)
  • schneller vollständig versiegen
  • sehr viel umweltschädigender sind.
  • Straßen und andere Infrastruktur mehr belasten (die extrem tiefen Bohrlöcher und die Chemikalien für das Fracking erfordern sehr viele Transporte. Der Abtransport des Öls ist teurer, weil kostensparende Pipelines sich bei den kleineren Ölquellen nicht oder weniger lohnen als bei großen, klassischen, lange und viel Öl liefernden Quellen).


Unklar ist die Größe des gesamten “ökolischen Rucksacks” der neuen, unkonventionellen Formen der Gas- und Ölförderung.  Mit ökologischem Rucksack ist der gesame Umwelt und Rescourcenverbrauch etwa im Sinne des Buches “Grüne Lügen” von Friedrich Schmidt-Bleek gemeint.

Systembedingte Tücken des Ölgeschäfts

Eine systembedingte Tücke des Ölgeschäfts ist, dass die Ölfirmen zunächst nicht sicher wissen, wo eine Bohrung Erfolg hat (es gäbe keine Fehlbohrungen, wenn sie es wüßten). Wenn eine Bohrung Erfolg hat und Öl- und/oder Gas gefördert werden kann, weiß man zunächst nicht, wie lange wieviel gefördert werden kann und wie sich der Öl- oder Gaspreis während der Nutzungsdauer einer Quelle verändert. Erst wenn die Quelle völlig erschöpft ist kann man sicher feststellen wie groß der Gewinn oder Verlust war. Man muß dazu nämlich die Summe der gesamten durch die Öl-/Gasquelle ermöglichten Einnahmen berechnen und davon die gesamten durch die Ölquelle verursachten Kosten abziehen, um den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln.  Das heißt die Firmen können zunächst nur schätzen was sie verdienen werden, und sie können sich dabei irren.

Es kann ausserdem sein, wie zeitweise in den USA bei der Gasförderung durch Fracking, dass in einer allgemeinen Euphorie sehr schnell sehr viele Bohrungen durchgeführt werden. Dadurch kann es am Markt zu Überangeboten von Gas- oder Öl kommen. Weil die Firmen ihre Bohrungen mit Krediten finanziert haben und diese  zurückzahlen und dazu auch Zinsen zahlen müssen, müssen sie das geförderte Öl/Gas auch verkaufen, selbst wenn dies mit Verlust geschieht,  um überhaupt Geld in die Kasse zu bekommen. Wenn nun zuviel gebohrt wurde, kann das Angebot zu groß werden und die Preise können sogar unter die Herstellungskosten fallen.  Die Folge ist, dass Firmen pleite gehen und dass von den Banken vergebebene Kredite oder Einlagen von Investoren abgeschrieben werden müssen.  Insgesamt geben die mit dem Fracking beschäftigten Firmen wesentlich mehr Geld aus als sie einnehmen.  Es gibt dazu mehrere Artikel, wie z.B. Where Money Goes to Die: How Fracking Blows Up Balance Sheets of Oil and Gas Companies von Wolf Richter und einen Report der EIA.  Es kann sein, dass die Firmen momentan einfach nur viel investieren um immer mehr Bohrungen durchzuführen. Es kann aber auch sein – wie viele vermuten – dass das Fracking sich bei den derzeitigen Öl- und Gaspreisen nicht rentiert und dass sich gerade eine neue Kreditblase und Investionsblase bildet, deren Platzen wieder viel Kapital vernichtet.

Man kann ausserdem systembedingt von aktuellen Steigerungen der Fördermengen nicht auf die Größe der Vorräte schließen.  Man stelle sich dazu ein Fass voll Wasser vor, in dass man unten Löcher bohrt. Man kann die Ausfließende Wassermenge steigern indem man immer mehr Löcher in das Fass bohrt. Die maximal aus dem Fass entnehmbare Menge wird damit aber nicht größer.  Wohl aber wird das Ende der Wasserentnahme um so schneller erreicht, um so mehr Löcher man bohrt.

Bei Öl und Gas kommt noch hinzu, dass die geologischen Zusammenhänge etwas kompolizierter sind als viele glauben wollen.  Siehe auch dazu den Artikel  Peak Oil ist kein Mythos, von Chris Rhodes.

Fracking, Preise und Ukrainekrise

Die neuen, unkonventionellen Ölquellen in den USA sind gerade für Europa durchaus auch ein Problem, weil die amerikanischen Firmen in ihrer Europhorie und dank der günstigen Zinsen soviele Bohrungen durchgeführt haben, dass die am Markt erzielbaren Preise für Gas und Öl angesichts der hohen Kosten zu niedrig sind.  DAS könnte die eigentliche Ursache der Ukrainekrise und des amerikanischen Drängens nach Sanktionen gegen Russland sein: Wenn Russland im Gegenzug seine Öl- und Gasexporte drosselt oder wenn die Europäer sich sogar gezwungen sehen sollten statt billigem Russischen Gas teures amerikansiches Flüssiggas zu kaufen, dann würde die Nachfrage in den USA wieder steigen und damit könnte das Fracking in den USA wirtschaftlicher werden.

Das könnte aber auch zu kurz gedacht sein, weil Sanktionen und Handelskrieg letztlich Wirtschaftsaktivitäten insgesamt reduzieren und damit die Nachfrage und die Preise für Öl- und Gas drücken können. Für das was die Europäer nicht mehr für Russland produzieren und liefern können, brauchen sie auch keine Energie.  Dank der Sanktionen nicht nach Russland lieferbare Waren drängen teilweise auf andere Weltmärkte, wo sie die Preis senken und auch amerikanischen Anbietern zu schaffen machen, können – allerdings eher solchen, die nicht im Gas- und Ölgeschäft tätig sind.

Eine Preisexplosion am Ölmarkt düfte angesichts der vielen Krisen der Welt nicht etwa, wie in dem Artikel auf www.faz.net vermutet, durch das Fracking in den USA, oder durch erneuerbare Energien  ausgeblieben sein, sondern eher dadurch, dass der Ölpreis schon jetzt so hoch ist, dass eine weitere Steigerung sich so auf die Nachfrage auswirken würde, dass selbst in Deutschland und anderen Ländern, die sich die hohen Ölpreise derzeit noch leisten können, die Wirtschaft das Schicksal derjenigen Griechenlands und Spaniens ereilen würde.

Fazit

Der Rückgang der konventionellen Ölförderung in den letzten Jahren hat die Ölpreise längst in Höhen getrieben, die zu Unruhen, Schuldenkrisen und zu einem Versagen der zinspolitischen Werkzeuge der Notenbanken geführt haben.  Und doch sind die Ölpreise für die Erschließung und Nutzung der neuen unkonventionellen Ölquellen offensichtlich eher zu niedrig. Gleichzeitig steigt der Energieverbrauch für die Erschließung und Nutzung der neuen, unkonventionellen Ölquellen.

Von “Niewiedersehen, Ölkrisen” kann keine Rede sein. Die Eurokrise, Flüchtlingsströme und Unruhen in unserer Zeit sind auch Symptome zu hoher Ölpreise, bzw. einer zu teuren Ölförderung – die wiederum Folgen der sehr realen Grenzen und der zunehmenden Erschöpfung der klassischen “süßen” Ölquellen sind, denen wir das weltweite Bevölkerungswachstum, das Wirtschaftswachstum der letzten 150 Jahre,  und den einzigartigen Wohlstand der Westlichen Welt in aller erster Linie verdanken. Die Unkonventionellen, neuen Ölquellen und auch die erneuerbaren Energien sind ein kleiner Aufschub, und eine kleine Erleichterung, aber  nicht die Erlösung und Rettung als die sie euphorisch gefeiert werden.

Kelberg, den 31. August 2014

Christoph Becker




Peak Oil ist kein Mythos

Viele Nachrichten und Medienberichte erwecken den Eindruck, dass Fracking und andere unkonventionelle Methoden der Ölgewinnung die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt sind. Aber ist das wirklich so? Auf der Suche nach Antworten fand ich auf der Internetseite der Königlich britischen Gesellschaft für Chemie den Artikel Peak oil is not a myth von Chris Rodes, vom 20. Februar 2014. Im Folgende eine Übersetzung dieses Artikels:

Man kann den Eindruck bekommen, dass hydraulisches Brechen (Fracking) von Schiefervorkommen die Antwort für die Sicherheit der Energieversorgung der Welt ist. Gewiss hat Fracking viel Aufmerksamkeit erhalten und es ist viel darin investiert worden, aber die Erfolgsaussichten des Frackings müssen in einem breiteren Zusammenhang bedacht werden (( R G Miller and S R Sorrell, Phil. Trans. R. Soc. A, 2014, 372, 20130179 )) [Anmerkung des Übersetzers: Diese Quellenangabe bezieht sich auf ein Themenheft der Philosphical Tansactions der Royal Society, das am 13. Januar 2014 erschienen ist.   Zu diesem Themenheft findet sich hier  ein einführendes Interview mit Steve Sorell und Richard Miller, auf deren Artikel sich die Quellenangabe von Chris Rodes bezieht.]

In den USA, wo bis heute praktisch alle diese Aktionen durchgeführt werden, steht Fracking nun für 40 % der Gasproduktion im Inland und für 30 % der Ölproduktion. Der Erdgaspreis ist abgestürzt und die gesamte Ölproduktion der USA ist zum ersten Mal seit 1970 wieder gestiegen, während sie andernfalls in Übereinstimmung mit den 1956 von M. King Hubbert gemachten Voraussagen weiter gefallen wäre.

© Shutterstock

Wie auch immer, dieser letzte Punkt ist der herausragende. Unkonventionelle Ölquellen (unten aufgelistet), wie fest gebundenes Öl [tight oil] (oder Schieferöl, in der öffentlichen Diskussion) sind wirtschaftlich nur wertvoll weil die Notwendigkeit, den Rückgang der konventionellen Ölproduktion auszugleichen, die Ölpreise erhöht hat. Es ist die Produktionsrate des Öls, die die Versorgung mit Öl bestimmt und nicht die Größe der Reserven. „Die Größe es Ölhahns und nicht des Tanks“

Öl Check

Aktuelle Daten für den Rückgang der Produktion der Ölfelder zeigen, dass jedes Jahr eine Fördermenge von etwa 3 Millionen Barrel pro Tag an neuen Produktionsquellen erschlossen werden müssen, wenn man nur das aktuelle Versorgungsniveau halten will (( Anmerkung des Übersetzers: Prof. Kjell Aleklett schreibt in seinem Buch Peeking at Peak Oil, dass nach den Untersuchungen seines Institutes an der Universität Uppsala, Schweden, sich die Abnahme der Ölförderung aus den großen Ölfeldern nach dem Erreichen des Fördergipfels, beschleunigt, je mehr man sich dem Ende der Nutzungsdauer des Ölfeldes nähert. Die durch Förderrückgänge der großen konventionellen Ölfelder auszugleichende Versorgungslücke könnte demnach in Zukunft größer sein und schneller als bisher wachsen.  )). Dies entspricht der Entdeckung eines weiteren Saudi Arabiens alle 3 bis 4 Jahre. In diesen Zusammenhang ist Fracking bestenfalls eine temporäre Notmaßnahme. Für die konventionelle Ölproduktion wird ein Rückgang von über 50% in den nächsten 20 Jahren vorausgesagt, während es unwahrscheinlich ist, dass fest gebundenes Öl [tight Oil] nicht mehr als 6% ersetzen wird.

Sobald der Förderrückgang beim konventionellen Öl die Produktionsrate des unkonventionellen Öls übersteigt, hat die globale Produktion zwangsläufig den Gipfelpunkt erreicht. Die Produktion von leicht zu gewinnendem [sweet = süßem oder köstlichem], leichtem Rohöl hat tatsächlich im Jahr 2005 ihren Höhepunkt erreicht, aber das wurde durch die Zunahme der unkonventionellen Ölproduktion maskiert, ebenso wie durch das Zusammentun von verschiedenen Arten von Materialien mit dem Öl und der gemeinsamen Bezeichnung als „Flüssigkeiten“ [Liquids]. (In letzter Zeit wird die Bezeichnung ‘Flüssigkeiten’ [‘Liquids’] oft zu ‘Öl’ aufgewertet, was etwas irreführend ist, da die Eigenschaften der anderen Flüssigkeiten sich ziemlich von denen des Erdöls unterscheiden.)

Fracking produziert hauptsächlich Schiefergas (eher als Öl), und beim Löwenanteil des Wachstums der globalen „Öl“-Produktion handelt es sich um natürliche Flüssiggase (NGL, in Teilen des Schiefergases]. Aber die grundsätzlichen Bestandteile von NGL [Natural Gas Liquids] sind Ethan und Propan, so dass es sich nicht einfach um einen Ersatz für Erdöl handelt.

 

Energie rein, Energie raus

Das Verhältnis von Energiegewinn zur für die Energiegewinnung aufgewendeten Energie (EROEI oder EROI = Energy Return On Energy Investmented) ist für alle unkonventionellen Arten der Ölproduktion schlechter als für konventionell produziertes Öl.

 Dies bedeutet, dass mehr Energie investiert werden muss, um das Produktionsniveau beizubehalten. Als grober Vergleich, konventionelles Erdöl hat einen EROEI im Bereich von 10–20:1, während fest gebundenes Öl auf 4-5:1 kommt. Öl das durch (Ultra-)Tiefwasserbohrungen gewonnen wird kommt auf 4-7:1, schweres Öl kommt auf 3-5:1, und Ölschiefer (Kerogen) liegt irgendwo bei 1,5-4:1. Teersande liegen bei 6:1, wenn sie im Tagebau gewonnen werden, aber der Wert fällt auf 3:1 wenn das Bitumen „aufgewertet“ wird, indem man es in einen „Öl“-Ersatz verwandelt.

So wie die konventionelle Ölproduktion gefallen ist, so ist auch der EROEI gefallen, weil wir es von immer feindlicheren Orten, und mit neuen Technologien gewinnen. Der Preis eines Barrels Öl hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht, aber die Produktionsmenge ist in etwa gleich geblieben. Wir sind vermutlich dicht an der Obergrenze der globalen Ölproduktion (( J Murray and D King, Nature, 2012, 481, 433 )), und die Aussichten, die Lücke mit alternativen Quellen zu füllen ist entmutigend.

Unterschiedliches Felsgestein

Obwohl Fracking ziemlich große Mengen Öl und Gas in den USA geliefert hat, gibt es keine Garantie, dass ein ähnlicher Erfolg anderswo, einschließlich dem Vereinigten Königreich, erzielt werden kann, teilweise weil die Geologie eine andere ist. Selbst in den USA sind es die guten Stellen (sweet spots) wo man gebohrt hat, und die Schieferformationen anderswo in Nordamerika sind voraussichtlich weniger produktiv (( Anmerkung des Übersetzers: Einem Artikel in der Los Angeles Times vom 20. Mai 2014 kann man entnehmen, dass die amerikanische Energieinformationsbehörde, EIA, die erschließbaren Reserven der Monterey Schieferformation in Kalifornien, von 13,7 Milliarden Barrel auf 600 Millionen Barrel, also um ca. 96%, reduziert hat.)) . Die Schätzung der Schiefergasreserven in Polen wurde von 187 Billionen Kubikfuß (tcf) auf bestenfalls 12-27 Billionen Kubikfuß  reduziert. Das sind kaum 14% der ursprünglichen Schätzung. Und das meiste der Produktion wird voraussichtlich nur Gas sein. Selbst wenn wir große Mengen Gas mit großzügigen Produktionsraten gewinnen können, ist die Umrüstung unseres Transportsystems auf Gas eine beträchtliche Aufgabe, insbesondere angesichts des Zeitrahmens, den der Rückgang der konventionellen Ölproduktion uns vorgibt. Und es gibt viele andere Anwendungen für Öl, als nur Treibstoff, für die ebenfalls Ersatz gefunden werden muss.

Erneuerbare Energien liefern keine vergleichbaren Ersatzstoffe für Erdöl und die flüssigen Treibstoffe, die aus ihm gewonnen werden, daher ist der potentielle Beitrag von Biokraftstoffen relativ klein. Die 34 Millionen Öl getriebenen Fahrzeuge des Vereinigten Königreiches durch elektrisch betriebene Versionen ersetzen zu können, ist eine unwahrscheinliche Annahme, angesichts der Grenzen der verfügbaren Zeit und der Grenzen der Rohstoffvorkommen wie etwa der seltenen Erden (( C J Rhodes, Science Progress,  2011, 94, 323 )). Öffentliche Verkehrsmittel sind die wahrscheinlichere Zukunft für elektrisch betriebenen Transport, als Personenkraftwagen. Das Ende des billigen, persönlichen Transports ist eine reale Möglichkeit und dürfte Veränderungen in unserem Verhalten bewirken, wie etwa den Aufbau von resilienten Gemeinden, die mehr des von ihnen Benötigten, wie Nahrungsmittel und Materialien, auf der lokalen Ebene produzieren.

Es gibt viele Ungewissheiten, aber es scheint klar, dass das Ende des Billigen Öls vorbei ist. Wir betreten eine neue und andere Phase des menschheitlichen Erfahrung.

Chris Rhodes ist ein unabhängiger Berater und hat seinen Sitz in Reading, UK. Er ist der Autor des Romans University shambles.

Unter dem Originalartikel finden sich auch viele interessante Kommentare.

Übersetzt von Christoph Becker, Kelberg den 31. August 2014




Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen

Die Überschrift des  Leitartikels auf Telepolis lautet heute, am 26.8.2014: Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen und der erste Satz lautet:  So unglaublich diese Überschrift auch klingen mag, sie ist doch wahr.

Der Origianlartikel mit dem Titel Why the Ukraine Crisis Is the West’s Fault -The Liberal Delusions That Provoked Putin steht hier.

Der Autor des Artikels auf Telepolis, Roman Bauzus, schreibt im vorletzten Absatz seines Artikels:

Nun, was lässt sich dazu noch sagen? Leser, die des Englischen mächtig sind, sollten den Bericht von John Maersheimer definitiv in Gänze durchlesen. Es lohnt sich! Welche Beweggründe dahinterstecken mögen, dass sich die aktuelle Ausgabe von Foreign Affairs des Council on Foreign Relations derart kritisch mit den geopolitischen Strategien Washingtons und des Westens auseinandersetzt, vermag ich nicht zu sagen.

Ich vermag es schon zu sagen. Ich habe mir nämlich das Original von Herrn John J. Mearsheimer angesehen und bin insbesondere im vorletzten Absatz fündig geworden.  Ich möchte hier diesen vorletzten Absatz übersetzen:

Weiter bei der derzeitigen Politik zu bleiben, würde ausserdem die Beziehungen des Westens mit Moskau im Bezug auf andere Angelegenheiten komplizieren. Die Vereinigten Staaten benötigen Russlands Hilfe für den Rückzug der amerikanischen Ausrüstung aus Afghanistan über russisches Territorium, um ein Nuklearabkommen mit Iran zu erreichen, und um die Situtation in Syrien zu stabilisieren. Faktisch hat Moskau Washington in all diesen drei Angelegenheiten in der Vergangenheit geholfen. Im Sommer 2013 war es Putin, der Obamas Kastanien aus dem Feuer holte, indem er ein Übereinkommen schmiedete, mit dem Syrien der Abgabe seiner chemischen Waffen zustimmte und damit den amerikanischen Militärschlag vermeiden half, mit dem Obama gedroht hatte. Die Vereinigten Staaten werden ausserdem eines Tages Russland benötigen, um ein aufstrebendes China einzudämmen. Die derzeitige amerikanische Politik läuft jedoch darauf hinaus, Moskau und China enger zusammenzubringen.

Dem ist nichts hinzuzufügen, ausser der besorgten Frage, wie es möglich ist, dass Regierungschefs und Aussenminister in den USA und Westeuropa soviel Weitblick und Umsicht offenbar nicht hatten und bis heute auch nicht haben.  Die bittere, offensichtliche  Antwort auf diese Frage ist, dass die westliche Demokratie zumindest in  den USA, in Deutschland, GB und Frankreich nicht mehr in der Lage ist, fähige, verantwortungsbewußte Menschen an die Staatsspitzen und in die Kabinette zu bringen, die der Komplexität dieser Welt gewachsen sind.  Die Konsequenz wird voraussichtlich, frei nach John Castis Theorie über komplexe Systeme ((siehe sein Buch Der plötzliche Kollaps von allem: Wie extreme Ereignisse unsere Zukunft zerstören können))  sein, dass  die Staaten zerfallen und damit die Komplexität reduziert wird.

Gute Artikel zum Thema Ukraine findet man insbesondere auch, wenn man auf  www.peakprosperity.com oder in David Sockman’s Contra Corner mit dem Begriff ‘ukrain’ sucht, wie die vorgenannten Links es bereits tun. Von dem, was ich bisher davon gelesen habe, waren insbesondere  Chris Martensons Artikel vom 4. Mai 2014 Warning: Ukraine Is At A Flashpoint – The stability between Russia & the West is failing [Warnung: Ukraine auf Zündtemperatur – Die Stabilität zwischen Russland und dem Westen versagt] und How This Situation Can Quickly Get Much Worse – We’re teetering on a very slippery slope towards war [Wie diese Situation sich schnell verschlimmern kann – Wir wanken auf einem verhängnissvollen Weg auf Richtung Krieg]  sehr informativ.  Im zweiten Teil geht Chris Martenson u.a. auch auf neue, sehr schnelle und extrem manövrierbare russische Cruisse Missiles ein, die amerikanische Flugzeugträgerverbände und damit die Seemacht, Weltmacht und Europäische Schutzmacht USA in einem richtigen Krieg entwerten könnten.

Andere Probleme sind, dass die USA und ihre Westlichen Partner mit ihrer Ukrainepolitik den Zerfall des Dollars und seines europäischen Anhängsels beschleunigen werden, weil sie Russland,  China und andere dazu bringen, nach Alternativen der Bezahlung bei internationalen Handelsgeschäften suchen lassen, die von westlichen Banken und Währungen unabhängig sind. Ausserdem sind die Sanktionen gegen Russland, insbesondere für Russland, aber auch für andere Länder wie China, ein Anreiz, die eigene Wirtschaft von Importen aus dem Westen unabhängiger zu machen.  Als Vertreter eines exportabhängigen Landes wie Deutschland, hätten Frau Merkel und ihr Wirtschaftsminister Gabriel die Sanktionen gegen Russland daher als “nicht hilfreich” ablehnen müssen.

Zur Möglichkeit, die unsinnige Tragödie in der östlichen Ukraine zu stoppen, die man täglich auf RussiaToday sehen kann, hat David Stockman in seinem Interview mit Chris Martenson am 3. August folgendes gesagt:

Der Punkt ist, dass der Bürgerkrieg heute enden könnte, wenn das Weiße Haus einfach der Regierung in Kiew sagen würde “Hört auf oder die Hilfe[der USA und Europas] hört auf”.

Das im Bürgerkrieg in der Ukraine vergossene Blut und das Elend dort haben damit letztlich neben den Amerikanern auch die EU-Kommission und die Regierungen der westeuropäischen Staaten, einschließlich unserer Bundesregierung und damit auch unserer Bundestages zu verantworten.  Und das gilt ganz besonders für jeden Toten und jeden Verletzten, den es heute und in Zukunft weiterhin dort gibt.

Kelberg, den 26. August 2014, zuletzt überarbeitet am 27. August 2014

Christoph Becker




Frackingfunde und mehr in Stockmans Kontraecke

Auf  David Stockmans Internetseite David Stockman’s Contra Corner lieferte der Suchbegriff “fracking” am 25.8.2014, 19:20 insgesamt 13 Treffer,  von deren Anfang ich hier einige ins Deutsche übersetzt habe:

1. Contra News and Views:

Die Fracking-Tretmühle: Eine andere Deformation des billigen Geldes

Die amerikanische Schieferöl- und Schiefergasindustrie ist wahrscheinlich viel weniger gesund  als viele Leute denken. Eine neue Analyse von Bloomberg-Nachrichten fand überraschend hohe Schuldenniveaus in der Schieferöl- und Schiefergasindustrie. Wobei Firmen damit enttäuschten, dass sie mehr und mehr Geld leihen als sie erwirtschaften …

2. Wolf Richter:

Die Gas-Fracking-Tretmühle: Kein Technikwunder  – Nur Wirtschaft, Dumm!

Diesen Winter, Polarstürme blasen über das Land und treffen den Preis für Erdgas und schicken ihn auf schwindeleregende Spitzen und Tiefen, verstärken die unerwarteten Preisänderungen und Peitschenschlaginduzierenden Wendungen, und einige Händler haben es richtig abgepasst und Geld damit gemacht. Jetzt, wo der Winter ausklingt, stehen wir in einer sehr besonderen Situation da.

Jahre der „Schiefergas-Revolution“ die in eine verrückte, überenthusiastische, durch nichts zu bremsende Landaneignung und zu einem Fracking-Boom führten, verwandelten sich in eine Überproduktion, die den Preis erschlagen hat, was zu nicht berichtetem industriellen Chaos führte, zu Milliarden Abscheibungen und zum Kollaps eines Geschäftsmodells, das in der Annahme bestand, proftitabel nach trocknem Erdgas bohren zu können. Aber nichts kann dauerhaft für weniger als die Produktionskosten verkauft werden.

3.  Stockman’ Best of the Week, Stockman’s Quick Takes:

Cheniere Energy: Paradebeispiel für die Schiefergas-Halluzination

Wie kann diese Verrücktheit passieren? Halluzination als Konsens. Analysten, MPublicity-Manger, Firmenerklärungen, freies Geld der amerikanischen Notenbank, und bereite Händler und Investoren – alle sind ein Teil des Ganzen.

4. Wolf Richter:

Zentralbank-Verzerrungen bei der Arbeit: Billige Kredite und das Fracking-Gelage

Der finanzielle Rummel um das Fracking, die grenzenlose, nahezu kostenlose Liquidität, die von der amerikanischen Notenbank seit 2008 bereitgestellt wird und Investoren die so verzweifelt auf Ertrag aus sind, dass sie bereit sind nahezu jedes Risiko einzugehen, um in ihrer vergeblichen Schlacht führend herauszukommen, haben Wall Street dazu gebracht, Schaum vor dem Mund zu haben … der unbegrenzte Geldstrom hat nach nach einem Platz gesucht zu dem er fließen kann, und er ging in eine wirtschaftliche Aktivität – Fracking – in die Geld wandert, um zu sterben. Was übrigbleibt sind Schulden, und Gas-Brunnen, die nie genug produzieren werden, um Schulden abzuzahlen, die eingegangen worden sind um sie zu bohren.

Wie ich auf David Stockman aufmerksam wurde

Auf David Stockman und seine Internetseite www.davidstockmanscontracorner.com bin ich durch das Inverview aufmerksam geworden, das er mit Chris Martenson am 3.8.2014 geführt hat und das unter dem Titel David Stockman: The Collapse of the American Imperium – A perfect storm of policy failures [David Stockman: Der Zusammenbruch der Amerikanischen Imperiums – Ein perfekter Sturm politischer Fehler] www.peakprosperity.com zu hören ist. Das Transkript des Interviews kann man dort ebenfalls  lesen bzw. herunterladen.

Dieses Interview ist sehr hörens- bzw.  lesenswert. Stockman und Martenson halten die Regierungen in den USA und in Westeuropa insbesondere auch im Bezug auf den Umgang mit Russland und dem Vorgehen in der Ukrainekrise für ziemlich kindisch, ignorant und inkompetent.

Stockman geht davon aus, dass der Zusammenbruch der USA in den nächsten Jahren, vielleicht im Wahljahr 2016, erfolgen wird.

Einige Fragen die sich mir dazu stellen:

Was passiert eigentlich mit dem Gold der Bundesbank, wenn die USA zusammenbrechen und anschließend vermutlich auseinanderbrechen? Was ist, wenn  am Ende Russland die einzige europäischstämmige, wirklich schlagkräftige Militär- und Atommacht ist, die uns in einem künftigen Krieg helfen und retten könnte, wenn die USA sich aus der Weltgeschichte verabschiedet haben?  Dann haben wir in Sachen Ukraine und Putinverunglimpflichung sehr kräftig in den einzigen Brunnen gespuckt, der uns dann voraussichlich noch zum Trinken bleibt.

Kelberg, den 25. August 2014

Christoph Becker




Die Grenzen und das Ende des Wachstums

Was ist aus den Grenzen des Wachstums geworden, die der Club of Rom mit Computersimulationen ermittelt und in seinem als Buch erschienen Bericht 1972 veröffentlicht hat?


Als ich Grenzen des Wachstums Ende der 70er Jahre, als Student der Schiffsbetriebstechnik, auf Empfehlung eines Dozenten für Digitale Simulationstechnik gelesen habe, waren diese Grenzen noch weit weg in der Zukunft, irgendwann in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.  Mein Professor für organische Chemie, im zahnmedizinischen Grundstudium an der Universität Antwerpen, Anfang der 80er Jahre, hatte dann zwar auch noch gemeint, dass Erdöl eigentlich viel zu schade sei, um es als Heizöl zu verbrennen, weil Erdöl ein  so wunderbar vielseitig für die Herstellung chemischer Produkte einsetzbarer Grundstoff ist, während die auf der Welt vorhandene Menge Erdöl aber begrenzt ist.


Aber dann haben selbst viele Grüne als Politiker dicke Autos gefahren und fast alle haben sich faktisch so verhalten, als wären die Rohstoffvorräte dieser Welt und die Umweltbelastbarkeit auf globalem Niveau so gut wie unbegrenzt. Wäre es anders, dann hätte man nie die Wirtschaft und damit den Verbrauch in anderen Ländern gefördert und man hätte auch nicht die EU erweitert.  Man hätte alles getan, um das Wirtschaftswachstum wo immer möglich so gering wie möglich zu halten. Aber, man hatte – und die meisten haben noch immer  – den naiven Glauben, dass zunächst fast unbegrenzt viele Rohstoffe vorhanden sind, und dass wenn irgendwann der eine oder andere Rohstoff knapp werden sollte, der Kapitalismus, die Wissenschaft und die Technik rechtzeitig neue Lösungen hervorbringen würden.

Die von der Mehrheit gewählten Politiker haben jedenfalls alles getan, um das Wirtschaftswachstum weltweit zu fördern und um damit den Verbrauch von Energie, Rohstoffen und Umwelt auf globalem Niveau hemmungslos steigen zu lassen. Die Weltbevölkerung stieg in den letzten 30 Jahren rasant wie nie zuvor und der Glaube, dass Technik und Wissenschaft schon immer wieder einen Weg und eine Lösung finden würden war allgemein verbreitet und schien zunächst vernünftig.

Der Anstieg der Ölpreise (mein Vater hat in den 60er Jahren für einen Liter Heizöl noch 10 Pfennig, also etwa 5 Cent bezahlt!), und der Unfall der Bohrinsel Deep Water Horizon haben mich dann aber doch nachdenklich gestimmt und nach weiteren Informationen suchen lassen. Wenn man schon auf hoher See, in 1500 m Wassertiefe über 5 km tiefe Löcher in den Meeresboden bohrt um eine Ölquelle zu erschließen, dann muss die Lage schon ziemlich beklemmend sein.  Wirklich erschreckend fand ich dann die Berechnungen des amerikanischen Geologen Jeffrey Brown, der sich mit den Veränderungen am Ölmarkt durch den zunehmendem Eigenverbrauch der Förderländer und durch die Zunahme des Verbrauchs von Ländern wie China und Indien befasst hat.  Mit dem Suchbegriff “jeffrey brown oil china” findet google unter anderem diesen Artikel hier. Demnach werden alleine die Atommächte China und Indien, wenn das Wachstum ihrer Ölimporte weiter wie in der Zeit von  2005 bis 2010 ansteigt, im Jahre 2030 alles auf dem Weltmarkt angebotene Erdöl für sich benötigen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Saudi Arabien, der derzeit weltgrößte Exporteur von Erdöl, im Jahr 2030 seine gesamte Ölförderung für den Eigenbedarf benötigen wird, wenn sein Eigenverbrauch weiter wie bisher ansteigt. Hier zugibt es auch einen deutschsprachigen Artikel. Das heißt, für Europa und auch für die USA bliebe nichts mehr übrig.  Medien und Politiker haben zwar vor in den letzten Jahren immer wieder enthusiastisch von neuen Ölquellen in den USA geschwärmt, die durch Fracking erschlossen werden und die die Welt verändern werden, aber in Wirklichkeit handelte es sich dabei offenbar eher um Werbung, mit der man naive Investoren anlocken und mit der man eine neue Finanzblase schaffen wollte. Die Firmen machen mit der Förderung von Öl und Gas per Fracking eher Verluste. Man hat zuerst natürlich die besten Stellen der Öl- und Gasfelder angebohrt und dann hat man die Qualität dieser besten Stellen auf die gesamten Felder hochgerechnet.  Tatsächlich sind die Vorkommen im Mittel aber wesentlich schlechter. Nicht beachtet hat man bei den enthusiastischen Berichten und Hochrechnungen auch, dass die per Fracking erschlossenen Quellen sich sehr schnell erschöpfen.  Außerdem sind die Umweltschäden und auch die Kosten für den Verschleiß der Infrastruktur (Straßen und Brücken) beim Fracking sehr hoch. Sehr gut zusammengefasst, recherchiert und mit Grafiken und Bildern untermalt ist das Kapitel 21, Shale Oil [dt.: Schieferöl], der neuen, 2014er Version des Crash Course [dt.: Schnellkurs] von Chris Martenson. Wer mit dem schnell gesprochenen Englisch von Max Keiser kein Problem hat, kann auch den Max Keiser-Report Nr. 642 vom 18.8.2014 ansehen, dessen erster Teil speziell dem Thema Fracking gewidmet ist.

Der Crash Course von Chris Martenson ist insgesamt eine sehr gute Einführung – oder wie der Name sagt, ein Schnellkurs – in die verschiedenen, leider zusammenwirkenden Probleme, die auch uns hier in Deutschland und Europa in den nächsten Jahren immer mehr zu schaffen machen werden. Die insgesamt 27 Teile der neuen, 2014er Version des Crash Course von Chris Martenson haben insgesamt eine Länge von 4 Stunden und 36 Minuten. Derzeit sind noch nicht alle Teile frei verfügbar. Es soll jede Woche ein weiterer Teil zum kostenlosen Ansehen freigeschaltet werden. Wer vorher schon alle Teile sehen/hören/lesen will, der muss sich kostenpflichtig anmelden. Das kostet für einen Monat 30 US-Dollar (Vorsicht, wenn man sich für einen Monat anmelden will sollte man die automatische Abo-Erneuerung abschalten).  Es gibt auch eine ältere Version des Crash Course, aus dem Jahre 2008,  die von einem deutsch–schweizer Team sehr gut deutsch synchronisiert wurde und die hier kostenlos angesehen werden kann. Die insgesamt 21 Teile dieser älteren Version haben eine Gesamtdauer von 3 Stunden und 23 Minuten.  Zu allen Interviews und auch zu allen Teilen des Crash Course auf der Webseite www.peakprosperity.com gibt es dort Transkripte, d.h. schriftliche Versionen.  Der Crash Course würde sich daher auch für den Schulunterricht anbieten. Es könnte außerdem nützlich sein, wenn man sich in Familien und  Gemeinden die eine oder andere Version des Crash Course gemeinsam ansieht und darüber spricht.





Ergänzend zu Chris Martensons Crash Course fand ich einige Bücher sehr nützlich und wertvoll. In deutscher Sprache vor allem Das Ende des Wachstums von Richard Heinberg. Heinberg handelt genauso wie Chris Martenson in seinem Crash Course ein ziemlich großes Spektrum an Themen ab. Speziell zum Thema Wasser ist das Buch Wenn die Flüsse versiegen von Fred Pearce empfehlenswert. Ich habe nur die preiswertere englische Originalversion gelesen und habe erst bei der Fertigstellung dieses Artikels gesehen, dass es eine deutsche Übersetzung gibt. Pearce zeigt Probleme rund um das Thema Wasser. Auch solche, mit denen man normalerweise nicht rechnet oder deren Ernst man nicht einschätzen konnte. Wer hätte z.B. gedacht, dass ein Wasserkraftwerk am Amazonas sieben mal soviel klimaschädliche Gase produziert wie ein mit Kohle oder Öl betriebenes Kraftwerk gleicher Leistung? Wer hätte gedacht, dass Staudämme in vielen Fällen durchaus nicht weniger sondern sogar mehr Überschwemmungen verursachen? Ein Augenöffner ist auch das Kapitel über die Wasserprobleme der Palästinenser. Das Kapitel über den Aralsee und seine Zuflüsse zeigt, wie technisch/staatliche Großprojekte ganz anders als geplant, zu einer fulminanten Katastrophe werden können. Das Buch zeigt dies und noch vieles mehr.  Wenn man das Kriegsrisiko und drohende Bevölkerungswanderungen einschätzen will, ist dieses Buch besonders wichtig. Als kurzer Einstieg in die Problematik der Wasserknappheit sind auch die  Folgenden Artikel interessant:

Interessant, aber leider nur in englischer Sprache erhältlich, fand ist ferner Full Planet, Empty Plates: The New Geopolitics of Food Scarcity [dt.: Voller Planet, leere Teller: Die neue Geopolitik des Nahrungsmangels] von Lester R. Brown.


Um die Brisanz zu erkennen ist es nützlich zusätzlch zu den Artikeln und Büchern über Wasser-, Rohstoff und drohenden Nahrungsmangel insbesondere auch Gunnar Heinsohns Buch Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen zu lesen. Die wichtigste These von diesem Buch ist, dass schnell wachsende Bevölkerungen, wie wir sie heute im Orient, in Pakistan und in Indien haben, ganz grundsätzlich für Sicherheitsprobleme sorgen, weil mehr Söhne nachwachsen als angemessene Plätze in der Gesellschaft von den Vätern freigemacht werden. Die überschüssigen Söhne sind dann in der Regel diejenigen die im Ausland und Kriegen ihr Glück suchen. Europas Aufstieg, die Eroberung der Welt durch die Europäer und die Besiedelung Amerikas, Australien und Neuseelands durch die Europäer war im wesentlichen auch eine Folge dieses von Heinsohn beschriebenen Phänomens. Heute haben die Europäer weniger Söhne als Väter Stellen räumen UND andere, nichteuropäische Völker haben ein noch größeres Bevölkerungswachstum als Europa früher, UND die Länder mit dem hohen Bevölkerungswachstum haben massive Wasser- und Umweltprobleme, so daß auf die Söhne dort faktisch sogar noch weniger gute Stellen warten als die Väter hatten. Manche dieser Länder sind zudem Atommächte.

James Howard Kunstler

Jeden Montagabend lese ich inzwischen Kunstlers Clusterfuck Nation – Blog[dt.: Internettagebuch über die Nation (USA), wo alles durch Inkompetenz und Kommunikationsmängel schief geht].

Kunstler hat zwei Sachbücher und drei Romane über das Ende des Ölzeitalters, das Erreichen der Grenzen des Wachstums und andere sich parallel dazu entwickelnden Katastrophen des 21. Jahrhunderts geschrieben. Die Sachbücher sind das 2006 erschienene und 2009 um ein Nachwort erweiterte The Long Emergency: Surviving the End of Oil, Climate Change, and Other Converging Catastrophes of the Twenty-First Century [Der Lange Notfall: Überleben des Ende des Öls, des Klimawandels und anderer sich aufeinander zu bewegender Katastrophen des 21. Jahrhunderts], und das 2012 erschieneneToo Much Magic: Wishful Thinking, Technology, and the Fate of the Nation [dt.: Zuviel Magie: Wunschdenken, Technology und das Schicksal der Nation].  Mit “Zuviel Magie” meint Kunstler den weit verbreiteten Glauben, dass Wissenschaft und Technologie für die Energieprobleme  rechtzeitig geeignete Lösungen finden werden.   Kunstler zeigt überzeugend, dass dieser Glaube nichts weiter als naives Wunschdenken ist. Natürlich wird das Leben weitergehen, wenn das Öl und andere Rohstoffe für uns nicht mehr bezahlbar sind, nur eben nicht so wie das die meisten heute denken und hoffen, sondern eher so wie es vor 150 bis 200 Jahren war. Insbesondere in  Too Much Magic geht Kunstler auch auf die zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen und die Entwicklung der Städte und Dörfer ein. Seine Vorhersage ist, dass die großen Städte drastisch schrumpfen werden.  Das Leben wird sich wieder mehr auf dem Land, in Dörfern und Kleinstädten abspielen. Die Masse der Bevölkerung wird wieder, wie in der meisten Zeit der Menschheitsgeschichte, mit der Nahrungsproduktion beschäftigt sein. Statt großer Landmaschinen werden neben Landarbeitern auch wieder viele Zugtiere eingesetzt werden.  Transport wird in Zukunft voraussichtlich, eben nicht mit Elektro- oder Wasserstoffautos, sondern eher wie wie vor 150 Jahren, wieder  mit Segelschiffen, Eisenbahnen und Pferdefuhrwerken erfolgen.

J.H. Kunstler hat auf Basis der Daten, Nachforschungen, Beobachtungen und Überlegungen, die er in seinen beiden Sachbüchern präsentiert die drei futuristischen Romane

  • A World Made by Hand [dt.: Eine mit der Hand gemachte Welt],

  • The Witch of Hebron [dt.: Die Hexe von Hebron] Das Hebron im Roman ist ein kleiner Ort am Hudson-Fluss und

  • A History of the Future [dt.: Eine Geschichte der Zukunft]




geschrieben, die „das Leben in der nahen Zukunft″, einige Jahre nach dem Zusammenbruch der USA schildern. Der neuste dieser Romane, A History of the Future, ist erst im August 2014 erschienen. In diesem kommt ein junger Mann nach 2 Jahren zurück in die Kleinstadt, die das Zentrum in allen drei Romanen ist. Weil es kein Fernsehen, keine Telefon, keine Funkverbindung und  keine Zeitungen mehr gab, wollte dieser junge Mann zusammen mit einem Altersgenossen erkunden, wie das Leben im Rest der USA sei und ob man dort vielleicht besser leben könne.  Er hat auf seiner Reise interessante Dinge gesehen und erfahren. Der Schiffsverkehr findet auf den großen Seen mit Segelschiffen und auf den Kanälen mit von Treidelpferden oder von Maultieren gezogenen Lastkähnen statt. Hauptverkehrsmittel sind Pferde.  Um Haaresbreite kann er mit einem tödlichen Pistolenschuß und brutaler Gewalt verhindern, dass er und sein Freund in Ketten gelegt und als Sklaven beschäftigt werden.  Dabei raubt er dem Haupttäter soviel Gold und Silber, dass sie sich nach der Flucht in einer Hafenstadt am Eriesee ein Segelboot kaufen können. Nach einiger Zeit geraten sie in einen Sturm, der Freund geht über Bord, das Boot kentert und die Hauptperson, er,  wird später von einem Segelschiff der US-Navy gerettet.  An Bord ist eine Diplomatin, die im Auftrag der Rest-USA mit Kanada verhandeln sollte.  Diese Diplomatin erzählt in groben Zügen, was in der Welt und in den USA passiert ist. Die USA sind in mehrere Teile zerfallen, die teilweise miteinander Krieg führen. Im Süden sind die Farbigen, in der Mitte ist ein faschistisches Reich entstanden, wo eine ex-Countrysängerin als weiblich-amerikanische Hitlerkopie regiert.  Im Osten und Norden gibt es noch ein Gebiet, das sich als Nachfolger der alten USA versteht.  In England soll es heftige Rassenunruhen gegeben haben.  Deutschland hätte sich mit Beschluß des Parlamentes geordnet ins Mittelalter zurückgezogen [has gone medival] . Russland hätte das auch getan, nur chaotischer.

Die Hauptperson erhält dann den Auftrag, die auf junge Männer stehende Diktatorin im faschistischen Teil der USA zu ermorden. Den Mord führt er dann auch aus. Er erlebt vorher aber noch einiges im Reich dieser modernen Faschisten.  Zum Beispiel finden dort noch, wenn auch nur in bescheidenem Maßstab, Autorennen statt und die Diktatorin wohnt in einem Palast mit Klimaanlage und elektronischen Geräten zum Musik abspielen, und sie hat eine Luxuslimosine zur Verfügung.  In der Hauptstadt hat man stunden weise sogar noch eine Straßenbeleuchtung. Möglich ist dieser Rest heutiger Moderne, weil man noch eine kleine Ölquelle hat, von der das Öl für die Hauptstadt mühsam mit Pferdewagen herangeschafft wird. Im wesentlich wird die Bevölkerung in dem faschistischen Teil der USA brutal ausgebeutet, um der Oberschicht noch ein wenig vom Glanz und Technikgenuß der untergegangenen US-amerikanischen Gesellschaft zu ermöglichen.

In dem schon in den ersten beiden Romanen beschriebenen kleinen Ort in der Nähe des Hudson-Flusses, im nördlichen Bundesstaat New York, sind die Menschen Landarbeiter auf den in der Nähe liegenden Farmen. Manche sind Handwerker, es gibt zudem einen Arzt und einen Zahnarzt, die Lösungen suchen müssen, weil es keinen Strom, keine industriell gefertigten Medikamente, kein Einwegmaterial und auch keinen Nachschub an Ausrüstung und Instrumenten mehr gibt. Es gibt ferner Händler, eine Gruppe Menschen verdient ihren Lebensunterhalt damit,  Müllhalden nach brauchbarem Gegenständen suchend umzugraben und leerstehenden Häuser auszuschlachten. Es gibt einen Prediger, der auch der einzige Polizist ist und es gibt eine Gruppe Zugereister  von einer christlichen Sekte, die vor Rassenunruhen im Süden geflüchtet ist.  In der Nähe der kleinen Stadt gibt es einen Großgrundbesitzer, dessen Arbeiterfamilien eher eine Rolle wie Leibeigene im Mittelalter spielen.  Morde, Raubüberfälle, Bandenkriminalität, ein Kinderhändler und Prostitution kommen in den Romanen auch vor.   Ein großer Teil der Bevölkerung ist durch eine Pandemie von der Art der spanischen Grippe und durch eine Reihe andere ansteckende Krankheiten gestorben.  Kunstler versucht, verschiedene soziologische und psychologische Aspekte einer solchen Schrumpfung und Desintegration der Gesellschaft darzustellen. Alleinerziehende Mütter gibt es z.B. nicht mehr. Als im ersten Roman der Mann einer jungen Mutter durch ein Verbrechen umkommt und dann auch noch ihr Haus abbrennt, wird sie kurzerhand Haushaltshilfe und Lebensgefährtin der Hauptperson des ersten Romans, – weil eine Frau in dieser neuen Zeit alleine nicht mehr überleben kann. Die “Hexe von Hebron” ist eine Ausnahme. Sie lebt alleine in einem einsamen Gehöft. Ihre Spezialität ist, Männern die gegen Geld und Tauschgüter in ihrem Haus schlafen erotische Phantasien zu verschaffen. Es gelingt ihr damit sogar dem Pastor des kleinen Ortes seine Potenz zurückzugeben und damit dessen Eheleben aufzufrischen. Aber es gibt dann auch die Szene wo ein Raubmörder versucht die “Hexe von Hebron” zu vergewaltigen, als der zufällig in der Nähe befindliche, entlaufene 12-jährige Sohn des Arztes dazukommt und den Verbrecher beherzt mit einem Messer tötet.  Der selbe Junge führt im selben Haus dann auch eine Blindarm-Operation durch. Natürlich mit primitiven Mitteln und erfolgreich mit glücklichem Ausgang der Geschichte. Die Romane berichten auch von vielen Fällen wo Menschen verzweifelt sind und mit der neuen Situation nicht zurecht kommen. Kunstler zeigt aber auch ein breites Spektrum von Menschen, die mit der neuen Situation gut zurecht kommen. Die Botschaft, dass ein Zusammenbruch unserer technischen Zivilisation keinesfalls ein Weltuntergang ist, sondern dass das Leben danach weitergeht. Die Werte der Menschen sind andere und vieles was heute selbstverständlich und normal ist, wäre dann nicht mehr normal und umgekehrt. Für manche wäre das Leben unerträglich, während andere sich mit der neuen Zeit und ihren Chancen gut arrangieren würden.

Kunstlers Romane zeigen im Wesentlichen die moderne, amerikanische Gesellschaft mehrere Jahre nach einem eher langsamen, sich über Tage, Wochen und Monate hinziehenden, allmählichen Zusammenbruch. One Second After und ähnliche Romane etwa über EMP-Ereignisse, zeigen dagegen die moderne Gesellschaft unmittelbar nach und in den Monaten nach einem extrem plötzlichen Zusammenbruch. Beide Szenarien sind denkbar, insbesondere in Europa sogar noch in Kombination mit einem Krieg, bei dem zum Beispiel die Truppen eines extremen islamistischen Gottesstaates Europa angreifen und die konventionellen Streitkräfte zusammenbrechen, während die USA als Verbündeter ausfallen und während in England und Frankreich Bürgerkriege toben. Hilfe von Aussen wären in keinem der Fälle mehr zu erwarten. Kunstlers Szenarium eines langsammen Zusammenbruchs ist bei alledem die harmloseste Variante. Aber selbst damit wären wir heute in Deutschland überfordert.

Seit ich vor 2 Jahren die beiden Romane gelesen habe, habe ich mich immer wieder gefragt, was man tun könnte, um die Folgen eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation möglichst erträglich und die Verluste und Schäden möglichst gering zu halten. Außerdem habe ich mich gefragt ob und wie man von diesen Bedrohungsszenarien vielleicht sogar profitieren kann.

Nichts tun und glauben, dass entweder nichts passiert oder dass der Staat und die Regierung schon rechtzeitig das Beste tun werden ist die bequemste, beliebteste aber meines Erachtens auch die dümmste und verantwortungsloseste Lösung. Leider hat Vorsorge in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland aber auch wenig Sinn wenn man sie nur als einzelner betreibt.  Im Ernstfall wird man dann voraussichtlich kurzerhand ermordet und ausgeraubt, oder/und der Staat konfisziert in seiner Not alles was man an Lebensmitteln und anderen Hilfsmitteln und Vorräten hat.  Was bleibt dann noch an Möglichkeiten?  Nichtstun, sich auf Selbstmord einstellen und das Leben genießen solange es noch genießbar ist, oder auswandern? Beides sind durchaus vernünftige Lösungen.

Aber was mit denen die Kinder haben, die nicht auswandern können, und die ihr Leben im Ernstfall nicht einfach wegwerfen wollen und die trotzdem vernünftig handeln und den Kopf nicht einfach in den Sand stecken wollen? Für diese gilt Folgendes:

  • Man braucht zunächst Familienverbände, Dorfgemeinschaften, Nachbarschaften und auch Vereine und Gemeinden, die sich darin einig sind, dass unser Staat und die Infrastruktur zusammenbrechen könnten und das man zusammen etwas tun sollte und auch könnte. In Großstädten hat man im Ernstfall so gut wie keine Überlebenschancen, aber in Kleinstädten und Dörfern wird man oft gut überleben können, wenn…



  • Man müsste rechtzeitig anfangen eine robuste, lokale Lebensmittelversorgung aufzubauen. Diese sollte zumindest ausreichen, um im Ernstfall eine Hungersnot in der eigenen Gemeinde zu verhindern. Robust heißt, dass man auch ohne von der Industrie gelieferte Dinge wie Diesel, Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel, Ersatzteile und fremdes, nicht nachziehbares Saatgut auskommt. In weniger fruchtbaren Mittelgebirgslagen wie der Eifel wird das nur gelingen, wenn man rechtzeitig in systematische Bodenverbesserung und Gartenbau investiert, wie dies zum Beispiel in den Büchern Mini-Farming – Autark auf 1000 Quadratmetern von Brett L Markham und How to Grow More Vegetables(, and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops) Than You Ever Thought Possible on Less Land Than You can Imagine [dt.: Wie man mehr Gemüse, Früchte, Nüsse, Beeren, Körner und andere Feldfrüchte anbauen kann als Sie je gedacht haben, auf weniger Land als sie sich vorstellen können] von John Jeavons beschrieben wird. Die Geschichtsbücher der Eifel – und sicher auch die vieler anderer Gegenden – sind beunruhigend, weil sie zeigen, dass die klassische Landwirtschaft in diesen Gegenden selbst für viel kleinere Bevölkerungsdichten früher kaum bis oft nicht ausgereicht hat, um genügend Nahrungsmittel zu produzieren. Es könnte mit dem Wissen und den Informationsmöglichkeiten, die derzeit vorhanden sind bei rechtzeitigem Beginn aber gelingen, eine krisenfeste, lokale Nahrungsmittelproduktion aufzubauen.
  • Neben der Nahrungsmittelversorgung ist der Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, und gerade wenn man Gärten anlegt, auch eine bei langfristigem Stromausfall funktionierende Bewässerung wichtig.
  • Man sollte darüber nachdenken und nach Lösungen suchen, wie man genug Wohnraum ausreichend und ohne Raubbau an der Umwelt heizen kann, wenn Strom, Elektronik, Gasversorgung und Heizöllieferungen vollständig für lange Zeit oder für immer ausfallen.


  • Jede Vorsorge ist völlig sinnlos, wenn man im Ernstfall das Leben und die Vorräte nicht wirksam verteidigen kann. Raub, Raubmord und Bandenkriminalität werden in Krisensituationen sehr weit verbreitet sein. Man muss damit rechnen, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr funktioniert und dass Kriminelle auf verschiedenen Wegen gut mit illegalen Waffen versorgt werden. Dörfer und kleine Städte deren Bürger es nicht schaffen, wirksam und legal gemeinsam die Sicherheit zu gewährleisten, werden keine Überlebenschancen haben. Ideal wäre vor diesem Hintergrund, wenn wir in Deutschland eine Milizarmee ähnlich wie die Schweiz bekämen.  Am Besten würde man eine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und mindestens 60 einführen, wobei die älteren Berufstätigen jedes Jahr wenigstens einige Wochen zum Training einrücken müssten.  In einer Welt, die an die Grenzen des Wachstums stößt, wäre das zumindest für ein Land wie Deutschland die beste, demokratischste  Lösung.  Man wird das selbstverständlich nicht tun und man wird meinen Vorschlag voraussichtlich ziemlich verrückt finden – bis wieder einmal, wie schon 1529 und 1683,  die Truppen eines Kalifat vor Wien stehen und zum weiteren Vorstoß nach Deutschland antreten, oder bis eine Katastrophe unsere moderne Infrastruktur zerstört und das Land ins Chaos gestürzt hat.  Statt einer politisch nicht durchsetzbaren Maximallösung könnte man aber zumindest die bestehenden Gesetze und Möglichkeiten nutzen. Man könnte mehr Schützenvereine gründen. Man könnte mehr Schießstände mit 100, 200 und 300 m Bahnen bauen.  Bestehende Schützenvereine könnten soweit notwendig zu Dachverbänden wechseln die das Training und Wettkämpfe mit Waffen erlauben, mit denen im Ernstfall eine wirksame Verteidigung möglich ist.  Davon abgesehen ist Schießen auch eine sehr nützliche Form der Meditation und eine gute Übung, um den eigenen Realitätsbezug zu testen.  Beim Schießen und beim Programmieren von Computern kann der Mensch objektiv immer wieder Gefühl und Denken mit der Realität abgleichen.  Die Löcher sind tatsächlich ungefähr da in der Zielscheibe wo man sie haben wollte, oder sie sind nicht dort.  Eine derart gnadenlos objektive Rückmeldung über Unterschiede zwischen Wollen, Denken und tatsächlichen Können schadet nicht.  Anderseits kann in einer Krisensituation allein das Wissen um die Existenz eine Vielzahl guter Schützen Leben retten und Verbrechen von vorne herein verhindern.


  • Man denke zum Thema Sicherheit auch an den Fall des Norwegers Breivik. Der hat mit seiner Pistole und seinem halbautomatischen Gewehr in etwa 90 Minuten 68 Menschen getötet.  Man stelle sich vor, dass einige zigtausend IS-Kämpfer in Deutschland Wochen und  Monate lang, jeden Tag von morgens bis abends mit solchen Waffen wüten könnten.  Wenn man genug besonnene, gute Schützen hätte wäre der Spuk sehr schnell vorbei und es gäbe kaum Tote – sofern das Wissen um die viele guten Schützen in Deutschland nicht sowieso schon durch pure Abschreckung gewirkt hätte.  Wenn man wissen möchte was passieren kann, wenn man nicht die Möglichkeit hat dem Bösen mit Gewalt Einhalt sind die Bücher Die Lust am Bösen – Warum Gewalt nicht heilbar ist von Egon Sorg und  Zeit der Macheten – Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda von Jean Hatzfeld sehr zu empfehlen. Es gibt Situationen, in denen Waffen genauso wie das Werkzeug eine Chirurgen oder Zahnarztes sinnvoll und nötig sind, um schlimmeres zu verhindern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass solche Krisenszenarien noch ganz anderen Zwecken dienen können als auf den ersten Blick erkennbar ist. Wenn man lokal eine krisenfeste, das heißt auch ohne Industrieprodukte funktionierende Nahrungsmittelproduktion aufbaut, dann steigert das nicht nur die Überlebenschancen der betreffenden Gemeinen bei einer allgemeinen Hungersnot, sondern es kann auch die Qualität der Ernährung in mitten fetter Friedenszeiten verbessern, weil die Nahrungsmittel gesünder und frischer sein könnten.

Wenn die Menschen annehmen, das dass Aufrechterhalten der medizinischen Versorgung und die Versorgung industrielle hergestellten mit Medikamenten schlechter werden oder sogar für lange Zeit völlig ausfallen könnten, dann wäre das ein Anreiz gesundheitsbewusster zu leben. Es könnte ein Anreiz sein mehr Sport zu treiben, gesunder zu essen, abzunehmen und auch Zähne und Zahnersatz gut zu pflegen. Insgesamt könnte man damit die Lebensqualität steigern und die Kosten des Gesundheitswesens reduzieren.

Für ländliche Gegenden wie die Eifel könnte der demographische Trend umgekehrt werden. Es könnten wieder mehr Menschen von den Städten auf das Land ziehen. Das würde aber nur funktionieren, wenn/wo geeignete Maßnahmen von den Gemeinden und den ortsansässigen Vereinen getroffen würden. Damit das funktioniert schlage ich vor, dass man Vereine zur Verbesserung der Überlebenschancen in Katastrophenfällen e. V. gründet. Diese könnten zusammen mit schon vorhandenen Vereinen, wie etwa Schützenvereinen, Vereinen zur Pflege des Brauchtums und alter Handwerkskünste und Gartenbauvereinen zusammenarbeiten oder wenn diese Vereine fehlen, deren Funktion mit übernehmen. Ob das Wirtschaftswachstum von einer Sekunde auf die andere durch ein extremes Ereignis, extrem negativ wird, oder ob es über Tage, Wochen und Monate sinkt und die Importe und Stromversorgung langsam wie in Kunstlers Romanen zusammenbrechen, die Vorbereitung wäre ähnlich und solche Vereine könnten das Wissen, die Möglichkeiten und Initiativen zusammenbringen, um die Bevölkerung auf möglichst breiter Basis krisenfest zu machen und um die Überlebenschancen zu verbessern. Die Existenz und Arbeit solcher Vereine könnte in ländlichen Gegenden wie der Eifel auch in fetten Friedenszeiten die Dörfer wieder insbesondere auch für junge Familien attraktiver machen, sowie die Lebensqualität, die Gesundheit der Bevölkerung und die Infrastruktur verbessern. Man könnte von den Grenzen und dem Ende des Wachstums durchaus profitieren.

Kelberg, den 23. August 2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker




Sun Tzu, schwarze Schwäne und die Weltkriege

Sun Tzu ist ein mehr als 2200 Jahre alter chinesischer Klassiker der Kriegskunst, der uns auch heute immer noch viel zu sagen hat. Persönlich besitze ich seit meiner Studienzeit in Flandern die von Samuel B. Griffith, einem Sinologen, und Brigadegeneral a.D. der US-Maineinfantrie verfasste Übersetzung vom Chinesischen ins Englische.  Der britische Militärhistoriker B.H. Liddell Hart schreibt in seinem Vorwort zu Griffiths Übersetzung ((im Internet kursiert eine pdf-Datei mit Fotokopien der eigentlichen Übersetzung.  Diese enthält aber weder das Vorwort noch die umfassenden sonstigen Ausführungen über die historischen Hintergründe Sun Tuzs und seines Werkes. Griffith weißt in Fußnoten häufig auf verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten hin.  Die Anschaffung des Buches von Griffith ist daher in jedem Fall empfehlenswert, wenn man sich für Sun Tzu interessiert und über ausreichende Englischenkenntnisse verfügt. Ich habe das Werk von Griffith mit einer deutschen und zwei weiteren englischen  Ausgabe von Sun Tzu verglichen.  Das Werk von Samuel Griffith ist, soweit ich das beurteilen kann, aber noch immer die beste Version. Griffith war eben auch General eine Eliteeinheit und sein Buch über Sun Tzu, ist die überarbeitete Version seiner Doktorarbeit, mit der er nach dem Ende seiner militärischen Laufbahn den PhD an der Universität Oxford erworben hat.))

„Der Zivilisation könnte viel von dem Schaden, den sie in den Weltkriegen dieses [des 20.] Jahrhunderts erlitten hat, erspart geblieben sein, wenn Clausewitzs monumentaler Wälzer Vom Kriege, der das militärische Denken in Europa von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg geformt hat, mit der Kenntnis von Sun Tzus Darlegung der Kriegskunst gemischt und ausbalanziert worden wäre. …..  Die Klarheit von Sun Tzu’s Denken könnte die Unklarheit von Clausewitzs korrigiert haben…“

Hier die Ausführungen von Sun Tzu zur Vorbereitung und Aufstellung für einen Krieg:

Kapitel IV, Aufstellung ( hier auch Anordnung und Formation)

„Sun Tzu sagte:

  1. In uralten Zeiten haben die geschickten Krieger sich selbst unbesiegbar gemacht und den Moment der Verwundbarkeit des Feindes abgewartet.
  2. Unbesiegbarkeit hängt von einem selber ab; die Verwundbarkeit des Feindes von ihm.
  3. Daraus folgt, dass die im Kriege geschickten sich selbst unbesiegbar machen können, aber sie können den Feind nicht mit Sicherheit dazu bringen, verwundbar zu werden.
  4. Daher wird gesagt, dass man zwar wissen kann, wie man gewinnen kann, aber man kann es notwendigerweise nicht tun.
  5. Unbesiegbarkeit liegt in der Verteidigung; die Möglichkeit zu siegen im Angriff
  6. Man verteidigt sich, wenn die eigene Stärke unzureichend ist, man greift an, wenn die eigene Stärke üppig ist.
  7. Die Experten der Verteidigung verbergen sich selbst wie unter der 9-fachen Erde; die im Angriff geschickten greifen an wie von oberhalb des 9-fachen Himmels. So sind sie fähig sich selbst zu schützen und vollständige Siege zu erringen.
  8. Einen Sieg vorauszusehen, den ein einfacher Mann voraussehen kann, ist nicht der Gipfel der Kunst.
  9. In der Schlacht zu triumphieren und allgemein als „Experte“ gefeiert zu werden ist nicht der Gipfel der Kunst. Ein heruntergefallenes Blatt im Herbst aufzuheben erfordert keine große Kraft; zwischen Mond und Sonne unterscheiden zu können, ist kein Test der Sehschärfe; einen Donnerschlag zu hören ist kein Hinweis auf Feinhörigkeit.((Griffiths Anmerkung dazu: Eine Schlacht nach schweren Kämpfen zu gewinnen oder eine Schlacht durch Zufall zu gewinnen ist kein Hinweis auf gute Fähigkeiten ))
  10. In uralten Zeiten besiegten die geschickten Krieger einen Feind, der leicht zu besiegen war.
  11. Und daher bringen die Siege, die ein Meister des Krieges erringt, ihm weder einen guten Ruf der Weisheit noch Verdienste für Tapferkeit.
  12. Das ist so, weil er Siege ohne Verfehlung erringt. ‘Ohne Verfehlung’ bedeutet, dass was immer er tut, sichert seinen Sieg, er besiegt einen Feind der bereits geschlagen ist.
  13. Aus diesem Grund nimmt der geschicke Kommandeur Positionen ein, in denen er nicht besiegt werden kann und läßt keine Gelegenheit aus, seinen Gegner zu überwältigen.
  14. Daher erringt eine siegreiche Armee ihre Siege, bevor sie in die Schlacht zieht; eine zum Verlieren bestimmte Armee kämpt in der Hoffnung zu gewinnen.
  15. Die in der Kriegführung geschickten kultivieren das Tao und schützen die Gesetze und sind deshalb in der Lage siegreiche Politiken zu formulieren. (Dazu der Kommentator Tu Mu: Das Tao ist der Weg der Humanität und Gerechtigkeit; ‘Gesetze’ sind Regelwerke und Institutionen. Diejenigen, die sich im Kriege selbst übertreffen, kultivieren zuerst ihre Humanität und Gerechtigkeit und sie erhalten ihre Gesetze und Institutionen. Auf diese Weise machen sie ihre Regierungen unbesiegbar.)
  16. Nun sind die Elemente der Kriegskunst erstens das Messen des Raumes, zweitens Schätzung der Mengen, drittens Berechnungen, viertens Vergleich, und fünftens Siegeswahrscheinlichkeiten.
  17. Messungen des Raumes werden aus dem Gelände abgeleitet.
  18. Mengen folgen aus Messungen, Zahlen aus Mengen, Vergleiche aus Zahlen, und Siege aus Vergleichen.
  19. Daher ist eine siegreiche Armee wie ein Zentner, der gegen ein Getreidekorn gewogen wird.
  20. Es liegt an der Aufstellung (auch Anordnung und Formation), dass ein siegreicher General in der Lage ist, seine Leute so zum Kämpfen zu bringen, dass sie wie aufgestautes Wasser wirken welchem plötzlich freier Lauf gelassen wird und welches in einen bodenlosen Abgrund stürzt. (Dazu der Kommentator Chang Yü: Die Natur des Wassers ist die, dass es Höhen vermeidet und in das flache Land eilt. Wenn ein Damm gebrochen ist stürzt das Wasser mit unwiderstehlicher Gewalt herab. Die Form  einer Armee  ähnelt Wasser. Nutze die Unvorbereitetheit des Gegners; greife ihn dort an, wo er es nicht erwartet; vermeide seine Stärken und treffe seine Leere, und wie Wasser kann dir niemand Widersand leisten.

Was kann nun daraus für den 1. Weltkrieg lernen? Deutschland war, wie wir heute wissen, wirklich in einer sehr gefährlichen Lage.  Es hätte aber die Möglichkeit gegeben, in den Jahren vor 1914 die Entwicklung der Technik so zu nutzen, dass man 1914 auf eine Mobilmachung hätte verzichten können, selbst einen gleichzeitigen Angriff Russlands und Frankreichs hätte man zurückschlagen und auch eine Blockade der Handeslverbindungen aussitzen können:

Man hätte statt der teuren Großkampfschiffe, für die für einen sicheren Sieg gegen England ohnehin zu schwachen Marine die Marine hauptsächlich auf kleinere Torpedoboote, Minenleger und später  auch U-Boote beschränken sollen. England hätte sich dann nicht bedroht gefühlt.  Mit dem gesparten Geld hätte man  Maschinengewehre und leichte, schnellfeuernde Kanonen kaufen und in den Grenzregionen Bunker und Schützengräben vorbereiteten können.  Man hätte zudem darüber nachdenken sollen zumindest in einem Breiten Grenzstreifen den Soldaten nach dem Wehrdienst, ähnlich wie noch heute in der Schweiz, ihre Waffen mit nach Hause zu geben, so dass man im Ernstfall in den Grenzregionen in kürzester Zeit nach Bedarf hätte mobil machen können.  Ziel hätte jedenfalls sein müssen ein System zu entwickeln, das eine auf Angreifer abschreckende und bei einem tatsächlichen Angriff eine äusserst wirksame Verteidigung gewesen wäre. Das Wahnsinnige der deutschen Politik 1914 war jedenfalls angesichts des vermeindlich drohenden russischen und französischen Angriffs nur eine Möglichkeit zu sehen, nämlich angreifen zu müssen.

Um eine Handelsblockade aussitzen zu können, hätte Deutschland vor 1914 durch Zölle und Subventionen dafür sorgen können und müssen, dass in Deutschland auch bei einem Totalausfall des internationalen Handels genügend Nahrungsmittel produziert werden, um eine Hungersnot wie die im Winter 1917/18 zu verhindern.

Am zweiten Weltkrieg sind mit Blick auf Sun Tzu zunächst die deutschen Angriffe gegen Polen im Herbst 1939, im Mai 1940 gegen Frankreich, die Niederlande und Belgien und im Sommer 1941 gegen die UdSSR interessant. Vor allem Frankreich und Belgien hatten dabei  ihre Grenzen nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges optimal geschützt.  Die Deutschen haben aber jeweils durch geschickte Ausnutzung der neuen technischen Möglichkeiten und der geographischen Lagen “wie von über dem 9-fachen Himmel angegriffen”.  Die neuen belgischen Grenzbefestigungen wurden in kürzester Zeit überwunden und die französischen Befestigungen wurden durch die Wahl einer nicht für möglich gehaltenen Angriffsrichtung bei gleichzeitiger Vortäuschung eines ganz anderen Angriffs geschickt umgangen.



Die UdSSR Stalins war angesichts ihrer immensen zahlenmäßigen Überlegenheit naiv und arrogant.  Ausserdem war sie offenbar mit der Vorbereitung eines Angriffs auf Deutschland und Europa beschäftigt((siehe hierzu die Bücher: Stalins verhinderter Erstschlag – Hitler erstickt die Weltrevolution des ehemaligen sowjetischen Generalstabsoffiziers Viktor Suworow und Kampfplatz Deutschland: Stalins Kriegspläne gegen den Westen des polnischen Historikers Bogdal Musial)). Ein deutscher Angriff wurde jedenfalls von Stalin für so unmöglich gehalten, dass er es erst glauben konnte, als die Deutschen schon auf sowjetischen Gebiet waren und rasant vorstießen.  Alle großen  Angriffe der Deutschen im Osten und Westen waren bis 1941 Angriffe, die man so wie sie erfolgten für unmöglich oder extrem unwahrscheinlich gehalten hatte.  Man war nicht vorbereitet obwohl die Mittel und auch die Zeit für eine Vorbereitung gereicht hätten. Die sehr realen, das weitere Schicksals Europas prägenden militärischen Angriffe der Deutschen Wehrmacht waren daher schwarze Schwäne im Sinne von Nassim Nicholas Talebs Buch Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlichker Ereignisse. Das Gleiche gilt aber auch für den Brand Moskaus und den anschließenden Untergang von Napoleons Großer Armee, sowie für den Sieg der Germanen über die Römer bei der Schlacht im Teuteburger Wald. Immer wieder entschieden Schwarze Schwäne, also von den Besiegten vorher für unmöglich gehaltene Ereignisse über Sieg und Niederlage, und immer wieder wurden  Sun Tzu und Nassim Nicholas Taleb bestätigt.

Die Vorbereitung einer im Ernstfall wirklich wirksamen Verteidigung kann also misslingen, wenn man technische Entwicklungen und technische Möglichkeiten nicht berücksichtigt und wenn man sich auf scheinbar “unmögliche”  und “unwahrscheinliche” Angriffe, Kriege und Ereignisse nicht vorbereitet.  Denkbare Gefahren heute sind z.B.:

  • Die Kalifat-Bewegung der ISIS erfaßt Saudi Arabien und dann vielleicht die Türkei oder sogar Teile Frankreichs.  Der Fernsehsender Russia Today hat am 18. 8.2014 von einer Umfrage über die Unterstützung der extremen ISIS-Bewegung in Europa berichtet wonach 27% der Franzosen im Alter von 18-24 mit der ISIS sympathisieren. In Deutschland waren es 3% und in England immerhin noch 7%. Wenn nur Saudi Arabien von der ISIS-Bewegung erfaßt wird, würden die Ölspezialisten dort voraussichtlich fliehen und der Ölmarkt könnte zusammenbrechen.  Alleine das könnte uns in größte Schwierigkeiten bringen. Wenn die Türkei Teil des Kalifats der ISIS würde, wäre das derzeit wohl das Ende Europas.  Nicht auszudenken auch, wenn in Frankreich Teile der Streitkräfte oder sogar die Atomstreitkräfte von Sympathisanten der ISIS übernommen werden.
  • Der Zusammenbruch der USA.  Das ist ein sehr wahrscheinliches Szenarium.  Deutschland und Europa könnten sich damit ziemlich plötzlich ohne die militärische Schutzmacht USA sehen.
  • Eine Weltweite Pandemie wie die spanische Grippe. Egal ob sie auf natürlichem Wege entstanden ist oder ob sie aus einem Forschungslabor stammt.  Die Importe von Nahrungsmitten, Öl und Rohstoffen könnten als Folge davon ausfallen.
  • Sonnenstürme und EMP-Angriffe hatte ich schon hier und hier abgehandelt .


Haben wir aus der Geschichte gelernt? Sind wir für den 3. Weltkrieg und andere mögliche Katastrophen des 21. Jahrhunderts und die damit verbundenen schwarzen Schwäne im Sinne von Sun Tzu und Nassim Nicholas Taleb vorbereitet? Ich glaube wir sind überhaupt nicht vorbereitet. Ich glaube aber auch an den gesunden Menschenverstand und damit daran, dass wir etwas tun könnten, etwas tun sollten und dass wir damit sehr viel Elend verhindern und Schäden und Verluste mildern können.  Ich hoffe das meine Webseite www.freizahn.de in diesem Sinne zum Nachdenken anregt und auch zu vernüftigen Vorbereitungen im Sinne von Sun Tzu und Nassim Nichloas Taleb beiträgt.

Kelberg, den 22. August 2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker,

 




Reich der Illusionen

Der amerikanische Theologe, Journalist und Autor Chris Hedges hat unter anderem ein Buch mit dem Titel Empire of Illusion – The End of Literacy and the Triumph of Spectale geschrieben. Übersetzt  Großreich der Illusionen – Das Ende der Bildung und der Sieg des Schauspiels. Das Buch hat fünf Kapitel:

1. Die Illusion der Bildung.


Hier nimmt er die Welt der Reality TV-Shows, die TV-Serien und den hohen Prozentsatz der vollständigen und der funktionellen Analphabeten in Nordamerika aufs Korn. Gut 4 von 10 amerikanischen und kanadischen Bürgern sind offenbar nicht in der Lage, längere Texte zu lesen und zu verstehen. 8 von 10 Familien in den USA haben 2007 kein Buch gekauft. Show, Schein und Berühmtheit (…  Next Top Modell, Big Brother usw) sind Trumpf. Die Fähigkeit Wahrheit von Lüge zu unterscheiden und gefährliche Entwicklung und drohende Katastrophen zu erkennen, bleibt auf der Strecke.

2. Die Illusion der Liebe

Hier berichtet er aus der Pornoindustrie in Las Vegas und zeigt, wie kaputt die Pornodarsteller oft tatsächlich sind, und dass diese Pornos eben auch nur Illusionen sind. Bemerkenswert an dieser Reportage fand ich auch die indirekte Botschaft, dass die Nachfrage nach der Illusion von Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren massiv gestiegen zu sein scheint. Die offiziellen Trends und Bemühungen zur Gleichstellung der Frauen, zu Gendermainstreaming, Gleichstellungsbeauftragten, Frauenquoten usw. laufen also faktisch parallel mit einer steigenden Nachfrage nach immer krasseren Illusionen von Gewalt gegen Frauen. Die beunruhigende Frage, die ich mir dazu stelle ist, was wohl passieren wird, wenn die Staatsgewalt in den westlichen Industrieländern durch Kriege oder Katastrophen ausfällt. Der amerikanische Autor James Howard Kunstler mein, dass dann wohl eine Mengen sehr unschöne Dinge passieren werden. Chris Hedges beschließt das Kapitel wie folgt:

Sie [die Pornographie] ersetzt Empathie, Eros, und Mitgefühl mit der Illusion, dass wir Götter sind. Pornographie ist die glitzernde Fassade, wie die Kasinos und Urlaubsorte in Las Vegas, wie der Rest der Phantasie die Amerika ist, von einer Kultur, die vom Tod verführt ist.

3. Die Illusion der Weisheit

Hier geht es um die Universitäten. Man bedenke, dass Chris Hedges selber an der Harvard Universität einen Master in  Theologie erworben hat. Seine Ausführungen über modernen Atheismus und über den Sinn von Religion sind das Beste und Scharfsinnigste,  was ich bis heute von einem evangelischen Theologen vernommen habe. Doch hier nun Zitate aus seinem Kapitel über die Illusion der Weisheit:

Die Eliteuniversitäten verachten seriöse intellektuelle Untersuchungen, welche von ihrer Natur her misstrauisch gegenüber Autoritäten, leidenschaftlich unabhängig und oft umstürzlerisch sind. Sie organisieren das Studium, um sehr hoch spezialisierte Disziplinen, eng begrenzte Antworten und starre Strukturen die dazu entworfen sind solche Antworten zu geben.

Sinngemäß führt er aus, dass amerikanische Hochschulen faktisch nur noch Berufsschulen sind, deren Aufgabe darin besteht für die Industrie und Konzerne nützliche Fachidioten mit Scheuklappen und Tunnelblick zu produzieren.

Obama ist ein Produkt dieses elitären Systems. Genauso wie die Diplom geschmückten Mitglieder seines Kabinetts. Die kommen von Harvard, Yale, Wellesley und Princeton. ……. Unsere Machtelite hat einen blinden Glauben in ein zerfallendes politisches und finanzielles System, das sie genährt, bereichert und zur Macht gebracht hat. Aber diese Elite kann unsere Probleme nicht lösen. …… Der Elite, und denen die für sie arbeiten, hat niemand beigebracht die Annahmen ihres Zeitalters zu hinterfragen. Das sozial wichtige Wissen und die kulturellen Ideen die in der Geschichte, Literatur, Philosophie und Religion enthalten sind, und die in ihrem Kern umstürzlerisch und bedrohend für Autoritäten sind, wurden von der öffentlichen Diskussion verbannt.

Ironischerweise haben die Universitäten hunderttausende von Absolventen für Beschäftigungen ausgebildet, die es bald nicht mehr geben wird. Sie haben Leute ausgebildet, um ein System zu erhalten das nicht erhalten werden kann. Die Elite, genauso wie jene mit den schmalspurigem, speziellen Berufsbildungen, weiß nur wie man das Ungeheuer füttert bis es stirbt. Wenn es erst einmal tot ist, sind sie hilflos. Glaubt nicht, dass sie uns retten. Sie wissen  nicht wie. Sie wissen nicht einmal, wie man die Fragen stellen muss. Und wenn alles zusammenbricht, wenn unser verrottetes Finanzsystem mit seinen Billionen wertlosen Werten implodiert und unsere imperialen Kriege mit Demütigungen und Niederlagen enden, dann wird die Machtelite sich als genauso hilflos und von sich selbst getäuscht erweisen wie der Rest von uns.

4. Die Illusion des Glücks

Hier geht es um die positive Psychologie. Persönlich meine ich schon, dass man durchaus in fast jeder Situation ganz real und nüchtern betrachtet auch Positives und neue, interessante Möglichkeiten finden kann. Ob und wie gut das gelingt, wird aber von einer Reihe von Faktoren abhängen.

Was Chris Hedges an der positiven Psychologie kritisiert ist, dass sie offenbar oft wie eine Droge missbraucht wird, um den Blick auf die Realität zu vernebeln. Wer kritiklos und naiv nur positiv denkt und die Welt nur durch eine rosarote Brille sieht, der ist vielleicht für die Regierung, Unternehmen und Vorgesetzte pflegeleicht. Wenn positives Denken aber reale Tatsachen und Probleme ignoriert und positive Veränderungen verhindert, weil ja alles schon positiv ist oder sein sollte, dann hat man ein Problem.  Wenn die erfahrene Wirklichkeit so gar nicht zu dem positiv (vor)gedachten und übermittelten  Bild passt, kommt es zu Spannungen, Minderwertigkeitsgefühlen und Ängsten.

Hier das Zitat des letzten Abschnitts dieses Kapitels (S.: 138–139):

Die von den Vertretern der positiven Psychologie propagierte Ideologie hat eine dunkle, heimtückische Eigenschaft. Sie verurteilen jede soziale Kritik und Bilderstürmer, die Dissidenten und Individualisten, weil sie sich nicht unterwerfen und keine Erfüllung im kollektiven Muhen der Herde der großen Unternehmen finden. Sie ersticken Kreativität und moralische Selbständigkeit. Sie versuchen individuelle Menschen so zu formen und so anzupassen, dass sie Teil eines willfährigen Kollektivs werden. Die Hauptlehre dieser Bewegung, die die Ideologie des Staates der großen Firmen widerspiegelt, ist dass Erfüllung in der vollständigen und totalen sozialen Übereinstimmung zu finden ist, eine Übereinstimmung die alle totalitären und autoritären Strukturen denen, die sie dominieren aufzuzwingen versuchen. Ihre falschen Versprechen von Harmonie und Glück steigern nur interne Ängste und Gefühle der Unzulänglichkeit. Die drängenden Unterströmungen der Entfremdung und der ständige Druck falsche Begeisterung und falschen Elan zur Schau stellen zu müssen, zerstört reale Beziehungen. Die Einsamkeit eines Arbeitslebens, wo Selbstdarstellung wichtiger ist als Echtheit und wo man immer fröhlich, optimistisch und positiv sein muss, egal in welcher Stimmung oder Situation man sich befindet, ist verwirrend und belastend. Das schreckliche Gefühl, dass positiv sein in Wirklichkeit nicht funktioniert, wenn man seine Arbeit verliert, muss begraben und unterdrückt werden. Hier im Land der glücklichen Gedanken gibt es keine groben Ungerechtigkeiten, keinen Missbrauch von Autorität, keine in Frage zu stellenden wirtschaftlichen und politischen Systeme, und keinen Grund sich zu beschweren. Hier sind wir alle glücklich.

5. Die Illusion von Amerika

Hedges beginnt damit, dass die USA seiner Vorfahren und auch seiner Kindheit und Jugend zwar durchaus Mängel hatten, aber insgesamt doch gut und ehrwürdig waren. Die Demokratie, die Presse, die Wirtschaft und die Gesellschaft und Ihre Institutionen hätten im wesentlichen funktioniert. Er war dann zwanzig Jahre als Auslandskorrespondent vor allem in Kriegs- und Krisengebieten im Einsatz und kaum in den USA. Die heutigen USA, die er bei seiner Rückkehr vorgefunden habe, würden zwar immer noch dieselbe Sprache, die selben Symbole und die selben nationalen Mythen benutzen wie früher, aber das sei alles nur noch eine leere Hülle. Die alten USA seien weitgehend verschwunden und unkenntlich geworden. (Zitat S. 142-143):

Unsere Nation ist von Oligarchen gekapert, große Firmen und eine kleine, selbstsüchtige politische und wirtschaftliche Elite, eine kleine privilegierte Gruppe die regiert und oft aus finanziellem Interesse stiehlt. Diese Elite hat im Namen von Patriotismus und Demokratie, im Namen all der Werte die einmal Teil des amerikanischen Systems waren und die die protestantische Arbeitsethik begründete haben, systematisch unsere Produktionssektor zerstört, unsere Staatsfinanzen geplündert unser Demokratie korrumpiert und unser Finanzsystem zerstört. Während dieser Plünderung sind wir passiv geblieben, hypnotisiert von den verlockenden Schatten an der Wand, die uns versprachen, dass unsere Fahrkarten zu Erfolg, Wachstum und Glück gleich um die Ecke auf uns warteten.

Die Regierung, von jeder wirklichen Souveränität befreit, bietet wenig mehr als technische Expertise für Eliten und große Firmen, denen moralische Schranken und ein Konzept des Allgemeingutes fehlen. Amerika ist eine Fassade geworden. Es ist die größte Illusion in einer Kultur der Illusionen. Es repräsentiert eine Macht und eine demokratische Ethik, die es nicht besitzt. Es versucht unendliches Wachstum durch das Leihen von Billionen Dollar, die es niemals zurückzahlen kann zu generieren. ….. Wir fahren fort unseren Glauben in eine Phantomwirtschaft zu setzen, eine die durch Betrug und Lügen charakterisiert ist, die die reichsten 10 Prozent erhält. …. Wir versuchen vergeblich zu einer Blasenwirtschaft zurückzukehren, anstatt uns mit der harten Realität zu konfrontieren, die vor uns liegt. ….. Wir bleiben der Versuchung zu der Selbsttäuschung erlegen, dass wir immer noch alle reich werden können. …..

Weiter auf S. 143:

Kulturen, die nicht zwischen Illusion und Realität unterscheiden können, sterben. Die letzten Atemzüge aller sterbenden Reiche, von den Azteken zu den alten Römern, zum französischen Königreich und dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich, hatten gemeinsam, dass der Bezug der Eliten zur Realität verloren war. Die Eliten waren von absurden Phantasien der Allmacht und Macht geblendet die ihre Zivilisationen untergehen ließ. ……

In keiner Periode der amerikanischen Geschichte war unsere Demokratie so in Gefahr und Totalitarismus so wahrscheinlich wie heute. Unsere Art zu Leben ist vorbei. Unsere verschwenderischer Konsum ist zu Ende. Das ist die trostlose Zukunft. Das ist Realität. …..

Wie werden wir mit unserem Abstieg umgehen?

Aktuell versuchen sich die Amerikaner mit der auch in deutschen Medien teilweise enthusiastisch gefeierten Schieferöl- und Fracking- Geschichte neuen Mut zu machen. Nüchterne Analysen wie sie z.B. in Kapitel 21, Shale Oil, der neusten Version von Chris Martensons Crash Course gut und übersichtlich dargestellt werden, zeigen aber, dass auch der angebliche neue, durch Fracking und Schieferöl ermöglichte Ölboom eher eine Illusion ist. Diese Meinung vertreten  auch Max Keiser und die in der Sendung  von seiner Kollegin Stacey Herbert zitierten Quellen im Keiser-Report Nr. 642 vom 18. August 2014. Danach ist die Schieferöl- und Schiefergaseuphorie in den USA nur eine weitere Finanzblase, die ähnlich wie die 2008 in den USA geplatzte Hypothekenblase bersten wird.  Der amerikanische Autor und Blogger James Howard Kunstler schrieb zum Schluß seines Blogbeitrags vom 11.08.2014 sogar:

Die Schieferölgeschichte ist falsch. Nach meiner Berechnung hat unsere … Wirtschaft  noch ein Jahr, bevor die Öffentlichkeit auf breiter Basis begreift, in welchen Schwierigkeiten wir stecken. Das Erstaunliche ist, dass die Öffenlichkeit das noch vor ihrer politischen Führung begreifen könnte. Diese Dynamik führt direkt zum zumindest in den letzten 150 Jahren Undenkbaren, dem Auseinanderbrechen der Vereinigten Staaten.


Doch nun weiter auf S. 190 in dem Buch von Chris Hedges:

Je schlimmer die Realität wird, desto weniger möchte eine bedrängte Bevölkerung von ihr hören und je mehr lenkt sie sich mit erbärmlichen Pseudo-Ereignissen des Unglücks von Berühmtheiten, Klatsch und belanglosem Zeug ab. Diese sind die verdorbenen Orgien einer sterbenden Zivilisation. Die verhängnisvollste kulturelle Trennung liegt zwischen denen, die fabrizierten Illusionen nachjagen und denen, die fähig sind die Illusionen anzustechen und mit der Realität zu konfrontieren. Mehr als die Trennung der Rassen, Klassen, oder Geschlechter, mehr als ländlich oder städtisch, mehr als roter oder blauer Staat [rot und blau sind Farben der beiden großen Parteien in den USA], hat sich unsere Kultur in radikal unterschiedliche, unüberbrückbare, gegensätzliche Einheiten gemeißelt, die nicht länger die selbe Sprache sprechen und die nicht mehr kommunizieren können. Dies ist die Grenze zwischen einer gebildeten, an den Rand gedrängten Minderheit und jenen, die von einer ungebildeten Massenkultur vereinnahmt werden.

Die Massenkultur ist eine Peter-Pan Kultur. Sie erzählt uns, dass unser Leben harmonisch und vollständig sein wird, wenn wir unsere Augen schließen, wenn wir uns vorstellen, was wir wünschen, wenn wir an uns selbst glauben, wenn wir Gott erzählen das wir an Wunder glauben, wenn wir unsere inneren Stärken anzapfen, wenn wir verinnerlichen, das wir wirklich außergewöhnlich sind, wenn wir uns auf Glücklichsein konzentrieren. Dieser kulturelle Rückzug in Illusionen, ob er nun von positiven Psychologen verbreitet wird, von Hollywood oder christlichen Priestern, ist eine Form des magischen Denkens. Dieser Rückzug in Illusionen macht aus wertlosen Hypotheken und Schulden Reichtum. Er macht aus der Zerstörung unserer Produktionsbasis eine Gelegenheit zum Wachstum. Er macht aus Entfremdung und Angst eine fröhliche Übereinstimmung. Er macht aus einer Nation die illegale Kriege führt und Strafkolonien in Übersee unterhält, wo offen Folterpraktiken angewendet werden, die größte Demokratie der Welt.

Die Welt, die uns erwartet wird schmerzhaft und schwierig sein. Wir werden zurück zur Realität gezerrt werden, zu dem Verständnis, dass wir die Realität nicht nach unseren Wünschen formen können, oder wir werden in Despotie abgleiten. Wir werden lernen unsere Lebensstile radikal anzupassen, so dass sie mit den schrumpfenden Mitteln, Umweltschäden und einer schrumpfenden Wirtschaft ebenso wie mit unserem Abstieg als Militärmacht fertig werden, oder wir werden uns an unsere Illusionen klammernd sterben. Dies sind die harten Wahlmöglichkeiten die vor uns liegen.

Vieles was Chris Hedges aus seiner Sicht als Amerikaner über die amerikanische Gesellschaft schreibt, trifft auch auf Deutschland und Europa zu. Manche seiner Beobachtungen erinnern zudem an Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus. Manches erinnert an den Film Der Untergang in dem die Hitlers letzte Tage geschildert werden.

Aus deutscher und europäischer Sicht kommt aber noch hinzu, dass mit dem Niedergang der USA  unsere militärische Schutzmacht ausfallen wird und das unsere geopolitische Lage eine andere ist. Dass Chris Hedges in seinem Buch die USA mit dem morschen österreichisch-ungarischen Kaiserreich vor dem 1. Weltkrieg vergleicht, das 1914 Deutschlands wichtigster Verbündeter war und dessen Instabilität und Illusionen wesentliche Ursache für den 1. Weltkrieg mit allen Folgen die er für Deutschland hatte, war, sollte uns in Deutschland besonders nachdenklich stimmen. Unser wichtigster Verbündeter ist heute jedenfalls wieder ein morsches, in Illusionen schwelgendes Großreich. Aber auch das deutsche Kaiserreich hat damals eine Menge Illusionen gepflegt und sich mehr der Realität verweigert als gut war. Sind wir heute besser? Wenn nicht, könnten wir vielleicht besser, realistischer und damit überlebensfähiger werden?

Kelberg, den 19.8.2014, zuletzt überarbeitet am 24.8.2014

Christoph Becker