- Freizahn - https://www.freizahn.de -

Die Düngeverordnung als Chance

Lesedauer 13 Minuten
image_print [1]

Hier möchte ich an zwei Beispielen zeigen, wie die neue Düngeverordnung in Deutschland dazu führen kann, dass die Menge und Qualität der Ernten und vor allem auch die Einkommen und das Ansehen  der Landwirte gesteigert werden können, während die Belastung der Umwelt durch die Landwirtschaft in einem von dem meisten heute nicht für möglich gehaltenen Ausmaß verringert werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Ein Milchviehbetrieb in Australien

Bei dem Betrieb handelt es sich um die ca. 120 ha große, ca. 300 bis 350 Milchkühe haltende Farm von Andrew und Linda Whiting in Simpson, im australischen Bundesstaat Victoria.

Das Beispiel kannte ich schon aus dem alten und auch aus der neuen, 2019 fertiggestellten Version der Onlinekurse der amerikanischen Mikrobiologin Elaine Ingham 1 [13]

In der neuen Kursversion ( www.soilfoodweb.com/foundation-courses-2/ [14] ), wird das Beispiel der Farm der Whitings in Kapitel 5, Lektion 25 des Grundkurses behandelt. Neben dem Beispiel des Michviehbetriebes wird dort übrigens auch ein mindestens so interessantes Beispiel eines sehr großen, Weintrauben anbauenden Betriebes in Australien besprochen, nach dessen Vorbild man meines Erachtens auch die Qualität und die Erträge  im deutschen Weinbau ganz erheblich steigern und zugleich die Umwelt- und Klimabelastung durch den Weinbau erheblich reduzieren könnte.  Hier möchte ich mich aber nur auf das Beispiel des Milchviehbetriebes beschränken:

Es handelt sich um die Farm von Linda und Andrew Whiting. Da die Kurse von Elaine Ingham – auch wenn sie ohne Zweifel ihren Preis  wert sind – ziemlich teuer sind und weil man um Lektion 25 überhaupt ansehen zu können erst alle vorherigen Lektionen mit Erfolg absolviert haben muss, habe ich im Internet auch nach weiteren Links zu dem Beispiel der Farm der Whitings gesucht, um den Lesern dieses Artikels die Möglichkeit zu geben, sich schneller und kostengünstiger zu informieren. Hier die Quellen die ich gefunden habe:

Die Daten der verschiedenen Quellen stimmen teilweise nicht genau überein. Die Tendenz ist aber bei allen Quellen gleich. Für die Relevanz des Beispiels für die sich durch die neue Düngeverordnung offenbar häufig in ihrer Existenz bedroht fühlenden Landwirte in Deutschland  sind die Unstimmigkeiten der jeweiligen Zahlen unerheblich. In den Zweifelsfällen verwende ich die für das Beispiel ungünstigeren Zahlen.

Ausgangslage bei Versuchsbeginn

Betriebsart und Größe: Milchviehbetrieb mit ca. 120 Hektar  und ca. 300 Kühen.  Eine Bewässerung der Nutzflächen, wie sie wegen der Trockenheit im Sommer eigentlich anfangs sinnvoll gewesen wäre,  wurde aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt.

Die Probleme der Farm waren:

Nach dem Vortrag von Dr. Elaine Ingham waren die wegen des Gülleproblems drohenden, sehr hohen Strafzahlungen der eigentliche Anlass für die Teilnahme am Versuch zur Güllekompostierung. In dem Prospekt, der eine Werbung für Kompostdüngung ist, ist es aber so dargestellt, als sei die Notwendigkeit der regelmäßigen, sehr teuren Neueinsaat der Grund gewesen, um von Kunstdünger auf Kompostdüngung umzustellen.  Entscheidend mit Blick auf die Situation in Deutschland sind hier aber die Resultate, die mit der Kompostierung der Gülle erzielt werden konnten.

Versuchsdurchführung

Der Versuch wurde von der etwas 170 km westlich von Melbourn in Australien angesiedelten Firma “Camperdown Compost Company – Biological Farming Products [19]” von  Tony Evans und Nick Routson durchgeführt. Die Firma hat damals offenbar eng mit der amerikanischen Mikrobiologin Dr. Elaine Ingham zusammengearbeitet.

Die Gülle,  wurde getrocknet und als der bei der Kompostierung benötigte, hochstickstoffhaltige Anteil verwendet. Die ebenfalls benötigten holzhaltigen und grünen Bestandteile wurden durch Holzschnitzel, Pappe und Altpapier bzw. durch Grüngut, und verdorbenes, altes Heu geliefert. Dazu ist zu erwähnen, dass die Farmer dort verpflichtet sind, die Straßen- und Wegränder zu mähen. Im Wesentlichen waren die für die Kompostierung benötigten Grundstoffe Abfallprodukte der Farm.

Die Kompostfirma hat das kompostierbare Material in Reihen aufgeschichtet und dann bei Bedarf mit ihrem Kompostwender gewendet.

Aufgabe des Farmers war, die Temperaturen des Kompostes zu messen und die Kompostreihen je nach Wetter abzudecken, um ein Austrocknen oder eine zu hohe Feuchte zu verhindern.

Aufgabe des Farmers war auch die Verteilung des fertigen Kompostes auf den Nutzflächen. Dabei wurden ca. 3 Tonnen pro Hektar ausgebracht. Während das Ausbringen von Gülle heute sehr teure, sehr spezielle Güllefässer und dazu auch entsprechend schwere und teuere Traktoren erfordert, ist für das Ausbringen von Kompost ein ziemlich einfacher, relativ schwacher und preiswerter Traktor mit einem einfachen, klassischen Düngerstreuer völlig ausreichend.

Resultate

Schweine als Kompostwender?

Mit Blick auf die neue Düngeverordnung ist auch die extrem preiswerte, ressourcenschonende und Gestank vermeidende Offenstallhaltung und Kompostierung kombinierende Methode des amerikanischen Biobauern Joel Salatin interessant.

In Amerikas innovativster Ökobauer [26] hatte ich auf die Farm der Salatins hingewiesen und einige Zahlen dazu genannt. Von Joel Salatin habe ich mir vor ein paar Jahren den Kurs Salatinsemester [27] gekauft und ich habe mir damals alle DVDs davon angesehen.

Die Salatins bauen ihre Rinderställe aus billigen Rundhölzern. Es handelt sich um Tiefställe,  bei denen die Kompostierung von Dung und Urin zum größten Teil direkt im Stall abläuft, weil die Salatins neben einer geschickten Einstreumethode auch Schweine als Kompostwender einsetzen. Der in der Landwirtschaft oft übliche Gestank und die Freisetzung von Ammoniak wird dabei vermieden.  Einer von Joel Salatins Merksätzen ist, dass gute Landwirtschaft nicht stinkt. Damit der Stall nicht stinkt, müssen ausreichende Mengen holzhaltige Materialien (Holzschnitzel, Erdnussschalen usw.) eingestreut. Die Raufen für das Futter sind übrigens einfach höhenverstellbar.

Damit die Schweine nach der Stallsaison der Kühe, die Einstreu gut umwühlen, wird zusätzlich zur Einstreu auch Mais gestreut und damit in der Einstreu eingelagert.

Vielleicht könnte man das Verfahren der Salatins mit Blick auf eine energieärmere Zukunft so weiterentwickeln, dass man Schweine gezielt als Kompostwender einsetzen kann.

Eine bei der Jagd häufig zum Anlocken von Wildschweinen angewendete Methode ist z. B. dass man mit einer angespitzten Eisenstange Löcher in den Boden stanzt und dann Mais in diese Löcher füllt. Die Schweine wühlen dann den Boden auf. Anderseits erwähnt Elaine Ingham in ihren neuen Kursen eine Weiterentwicklung bei der Kompostierung: Man kann die Belüftung und Temperaturregelung des Kompostes fördern ,indem man Löcher in den Kompost stanzt. Der ganze Komplex wäre Stoff für ein sehr sinnvolles Forschungsprogramm.

Ein Trick bei diesem Verfahren von Joel Salatin ist, dass die Stallperiode bei den Salatins im Vergleich zum amerikanischen Durchschnitt nur relativ kurz ist, so dass der Mais nicht verdirbt und für die Schweine attraktiv bleibt. Wie man die Zeit der Stallhaltung verkürzen oder sogar auch vollständig vermeiden und damit sehr viel Geld, Arbeit, Stress und Energie sparen kann zeigt der Agrarwissenschaftler und Landwirt Jim Gerrish in seinem Buch Kick the Hay Habbit [28] und in verschiedenen Vorträgen. Zu Jim Gerrish habe ich gerade zufällig auch den folgenden Link gefunden, der zu einigen interessanten Artikeln von ihm führt:  onpasture.com/author/jim-gerrish/ [29]

In Deutschland bemüht sich offenbar der Scheuerhof bei Wittlich um die Umsetzung dieser Konzepte, wie ich deren Artikel und Video “Hohes Gras mitten Winter” ( www.permakultur-scheuerhof.de/hohes-gras-mitten-im-winter/ [30] ) entnehme. Auch da fragt man sich, warum die Universitäten und Landwirtschaftsschulen das nicht alles schon seit Jahrzehnten kennen, perfekt optimiert haben und den angehenden Landwirte zeigen – zumal eben diese Methoden auch der Schlüssel zu einem wirklich sinnvollen Umwelt und Klimaschutz sind.

Kompost ist nicht gleich Kompost

Falls jemand z. B. wegen des oben geschilderten Beispiels von diesem australischen Milchviehbetrieb nun einfach so und gleich in größerem Stil seine Gülle verkompostieren und mit dem Kompost seine Wiesen und Felder düngen möchte, wird dies wahrscheinlich mit herben Enttäuschungen und Fehlschlägen enden, was der Sache schaden wird.

Bei der Vorbereitung des Versuchs mit dem Rasen und Garten des Hauses in Boston, den ich in In Dürreschäden sind vermeidbar [20] erwähnt habe, war die Beschaffung von geeignetem Kompost ein großes Problem, obwohl man wegen der kleinen Versuchsfläche nur eine geringe Menge benötigte.  Man hatte zunächst Kompostproben von über 100 kommunalen Abfallentsorgungsunternehmen  untersucht. Keine einzige dieser Proben entsprach den Mindestanforderungen. Erst bei einer weiteren Suche bei anderen Kompostherstellern in der weiteren Umgebung konnte man schließlich Kompost bekommen, der zwar auch nicht gut, aber doch wenigstens ausreichend war.

Die Firma Camperdown Compost, die den Versuch auf der Farm der Whitings durchgeführt hat, hatte schon vorher gelernt und trainiert, wie man mit den lokal bei den Farmern in der Umgebung vorhandenen Materialien wirklich guten, biologisch aktiven und an die Bedürfnisse angepassten Kompost machen kann.

Eine bemerkenswerte Entwicklung in Elaine Inghams Kursen ist, dass in den alten, etwa um 2012 erstellen Kursen allgemein von “Kompost” und “Kompost Tee” die Rede war. Inzwischen hat sie  den Begriff BioComplete™ als Markenzeichen registrieren lassen, was man mit “biologisch vollständig” übersetzen kann. Guter Kompost nun nicht mehr Kompost sondern , übersetzt, “biologisch vollständiger Zusatz” und Kompostee ist nun ein “biologisch vollständiges Inokkulum”.

Das Ziel der Kompostierung

Entsorgung von organischen Abfällen

Das übliche Ziel der Kompostierung ist die Beseitigung biologischer Abfälle bzw. die Reduzierung von deren Volumen mit Hilfe von Mikroorganismen.

Produktion maßgeschneiderter, lebendiger Dünger

Das Ziel der Kompostierung im Sinne von Dr. Elaine Inghams Firma und deren Fortbildungen ist dagegen die gezielte Vermehrung der für ein definiertes Ziel benötigten Mikroorganismen.

Ein noch wenig bekanntes Konzept dahinter ist, dass es eine Sukzessionsfolge der Pflanzen gibt, vom blanken Boden, über Unkräuter, Gemüse und Kräuter über verschieden Gräser, Sträucher, Büsche, Weinpflanzen bis hin zum alten, ausgewachsenen Wald. Zu mit einem Mikroskop quantitativ und qualitativ hinreichend genau feststellbare mikrobiologische Zusammensetzung  der zu den jeweiligen Pflanzen gehörenden Böden verändert sich nach einem klaren Muster.  Eine Folge ist z. B., dass Unkräuter in einem für Getreide, Kartoffeln oder auch Weidegras mikrobiologisch optimal eingestellten Boden zurückgedrängt werden und kein Problem mehr darstellen.

Die konventionelle Landwirtschaft, und in den meisten Fällen auch der sogenannte Ökolandbau, verhindert systematisch mit hohem Aufwand an Energie, Geld, Gülle, Mist und oft auch mit Giften, dass sich die für die vorgesehenen Nutzpflanze optimale mikrobiologische Zusammensetzung des Bodenlebens einstellt.

Durch eine entsprechende Analyse der zu verbessernden Böden und durch eine daran angepasste Kompostierung und Qualitätskontrolle kann man sehr schnell die mikrobiologischen Zusammensetzung des Bodenlebens für die jeweils vorgesehenen Nutzpflanzen optimieren. Das Ganze ist eine Mischung aus Wissenschaft, Handwerk und praktischer Kunst, die meines Wissens bisher kaum bekannt ist und die nirgendwo in Deutschland gelehrt wird, obwohl eine weite Verbreitung des entsprechenden Wissens und Könnens für den Klimaschutz und den Umweltschutz wirklich wichtig wäre.

Fazit mit Blick auf die neue Düngeverordnung

Die Proteste, Klagen und Demonstrationen der Bauern zur neuen Düngeverordnung sind eigentlich unbegründet. Das Problem der Bauern ist, dass es auch in der Landwirtschaft schwarze Schwäne gibt, von denen die meisten derzeit noch glauben, es gäbe sie nicht.

Ich habe hier und überhaupt in verschiedenen Artikeln auf freizahn.de versucht, diese schwarzen Schwäne der Landwirtschaft zu zeigen und dabei zugleich auch zu zeigen wo weitere Informationen zu finden sind.

Meines Erachtens ist die neue Düngeverordung eine großartige Chance für die Bauern, um die von dem Geologieprofessor David Montgomery in seinem vor Landwirten gehaltenen Vortrag, auf Youtube verfügbaren Vortrag  Growing a Revolution: Bringing Our Soil Back to Life [31] beschriebenen vierte Revolution der Landwirtschaft in Angriff zu nehmen und das Leben wieder zurück in die Böden zu bringen. Das Geniale aus Sicht der Landwirte – sobald sie es sehen und verstehen – ist dabei, dass sie damit nicht nur die Vorgaben der Düngeverordnung ganz locker und kostengünstig erfüllen, sondern zugleich auch ihre Erträge steigern und die Betriebskosten erheblich senken können.

Zu den positiven Effekten der Düngeverordnung für die Bevölkerung würde dann auch eine Verbesserung der Gesundheit durch die Verbesserung der Qualität der Ernährung gehören (siehe dazu u.a. auch meine Artikel Nährstoffgehalt der Lebensmittel sinkt seit dem 2. Weltkrieg [32]Gesund abnehmen auch ohne Sport und Hunger [33] und Eine klimafreundliche Rindfleischproduktion [34] ). Auch würde die Düngeverordnung so in einem bisher nicht für möglich gehaltenem Ausmaß zur Verbesserung des Katastrophen- und Hochwasserschutzes beitragen ( siehe dazu u.a. Mal wieder Hochwasser [21]  und Gedanken zum Film Bauer unser [35] ). Nicht zuletzt kann die neue Düngeverordnung so zu einer sehr wirksamen  und kostengünstigen Maßnahme gegen die Klimaerwärmung und deren auch für die Landwirte teure Folgen werden (siehe dazu u.a. meine Artikel Klimaschutz durch Landwirtschaft [36], Die Angst vor dem Klimawandel sinnvoll nutzen [37] und Zum Thema CO2 und Klima [38]).

Ich hoffe gezeigt zu haben, wie man durch  Informationen und Wissen auch aus einer scheinbar aussichtslosen, verzweifelten Lage, wie z. B. der, in der sich viele Bauern durch die Düngeverordnung derzeit wähnen, herauskommen und dabei auch vorher nicht für möglich gehaltene Vorteile bewirken kann.

Kelberg, den 1. Februar 2020

Christoph Becker


  1. Zu diesen Kursen hatte ich bereits einiges geschrieben. Bei der Recherche für  und dem Schreiben von www.freizahn.de/2018/06/quorum-sensing-und-komposttees/ hatte ich ein Sonderangebot des Kurspaketes entdeckt, dass ich kurzentschlossen gekauft habe. Zu den Kursen habe ich dann noch www.freizahn.de/2018/06/erster-eindruck-von-elaine-inghams-kursen/ und www.freizahn.de/2018/08/weiterer-bericht-von-elaine-inghams-kursen/  geschrieben. Im November 2018 habe ich mich dann auch für das “Consultant Training Programm” ( https://www.soilfoodweb.com/training-program/ ) eingeschrieben.  Mein Enthusiasmus in dieser Richtung hat sich dann aber zunehmend gelegt. Die Landwirte müssen wohl erst wirtschaftlich wirklich weitgehend ruiniert werden, bevor sie für eine Umstellung auf gewinnbringendere, weniger umwelt- und klimaschädliche und auch für Qualität der Produkte bessere Methoden gewonnen werden können. Die neue Düngeverordung ist so gesehen ein guter Schritt in die richtige Richtung.     [39]

  2. Die Angaben sind hier unterschiedlich. Dr. Elaine Ingham spricht von 20.000 $ pro Jahr pro Weide. In dem Prospekt Compost for dairies
    – a case study from Whitings, Simpson, Vic,  steht dagegen, dass ursprünglich insgesamt 27.000 $ pro Jahr für die Neueinsaat von Weiden ausgegeben wurden, und dass diese Kosten im zweiten Jahr des Versuchs um 20.000 $, auf nur noch 7.000 $ reduziert werden konnten. Nach dem dritten Jahr konnte auf die Neueinsaat vollständig verzichtet werden. Zu bemerken ist dazu aber auch, dass im ersten Jahr (2010) zunächst nur ein Drittel der Fläche auf die Düngung mit Kompost umgestellt wurde.   [40]

[41]Share [42]