Sind Fruchtfolgen notwendig?

Lesedauer 4 Minuten
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Wieder einmal eine Provokation von Dr. Elaine Ingham. In Lektion 8. der Life in the Soil Class erklärt sie, dass und warum  Fruchtfolgen, ebenso wie Pestizide und Fungizide, nicht nötig sind,  wenn die Mikrobiologie gut ist. 

Inhaltsverzeichnis

Warum Fruchtfolgen?

Neulich hat mir noch ein konventioneller Bauer erklärt, dass und warum Fruchtfolgen und sogar Brachzeiten wichtig und gut wären. Tatsächlich hatte ich so etwas auch einmal in der Schule in Geschichte gelernt. Stichwort Dreifelderwirtschaft (de.wikipedia.org/wiki/Dreifelderwirtschaft).

Bei einer Suche mit  “ökologischer landbau fruchtfolge” zeigte mir Google unter anderem die folgenden Fundstellen:

Warum Fruchtfolgen nicht nötig sind

Pflanzenkrankheiten

Gesunde Pflanzen sind vollständig, von den Wurzeln bis zur obersten Blattspitze mit einem Film aus für die Pflanze vorteilhaften Bakterien, Fungi, Protozoen und Nematoden bedeckt.  Die Pflanze versorgt diese insbesondere mit zuckerhaltigen Exsudaten. Diese Schicht aus Mikroorganismen verhindert, dass Krankheitserreger mit der Pflanzenoberfläche in Kontakt kommen, die die Exsudate nutzen und z.B. in die Pflanze eindringen können. Wenn sich diese Schicht aus für die Pflanzen vorteilhaften Mikroorganismen nicht oder nur unvollständig bilden kann, oder wenn der Bauer diese Schicht mit seinen teuren Spritzmitteln zur Freude der Agrarchemieproduzenten zerstört, DANN fällt sozusagen das Immunsystem der Pflanzen aus und man versucht dann, in der Praxis üblicherweise mit immer mehr und immer teureren Spritzmitteln oder/und mit Fruchtfolgen und Brachzeiten die Schädlinge und Krankheiten in den Griff zu bekommen.

Wenn die Pflanzen diese Schutzschicht haben, werden Pflanzenkrankheiten in der Regel ausreichend unterdrückt und kurz gehalten, so dass sie keinen nennenswerten Schaden verursachen können. Pflanzenkrankheiten fallen damit als Begründung für Fruchtfolgen und Brachzeiten weg.

Nährstoffe

Eine offenbar verbreitete Vorstellung ist, dass Pflanzen den Boden auslaugen bzw. ihm Nährstoffe entziehen und dass er sich immer wieder “erholen” müsse.

Zumindest dann, wenn das Bodenleben gesund und umfangreich ist, sind die Nährstoffe kein Problem. Um die Wurzeln herum befindet sich im Idealfall eine Schicht aus Bakterien und Fungi, die alle Nährstoffe, die sich auf dem Weg zur Pflanze befinden, fressen und NICHT freigeben. Das heißt, vor allem zum Stickstoff hat man das gut untersucht. Was die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt, könnte zart besaitete Veganer und Vegetarier beunruhigen:

Die Pflanzen füttern also mit ihren zuckerhaltigen Exsudaten Bakterien und Fungi. Diese nehmen aus der Umgebung an Stickstoff auf, was sie bekommen können und sie produzieren Enzyme, mit deren Hilfe sie ihnen und den Pflanzen fehlende Nährstoffe aus dem umgebenden Gestein, Sand usw. lösen. Das Entscheidende ist nun, dass die Bakterien und Fungi von kleinen Raubtieren, nämlich von Bakterien und Fungi fressenden Nematoden und Protozoen gefressen werden. Diese kleinen Raubtiere scheiden dann die in den Bakterien und Fungi vorhandenen Nährstoffe in einer für die Aufnahme durch die Pflanzen geeigneten Form aus. Wenn die Bauern und Gärtner das Bodenleben nicht durch Bodenbearbeitung, Chemikalien, Bodenverdichtung und zu große Mengen anorganischer Dünger zerstören, dann produziert dieses genug Nährstoffe für die Pflanzen.  Der Grenzwert für anorganische Salze (wie z.B. Mineraldünger), bis zu dem es keine Problem gibt, liegt bei ca. 110 kg / ha.

Bodenstruktur

Insbesondere durch die Fungi, aber auch durch Würmer und Arthopoden bekommt und erhält der Boden eine gute Bodenstruktur.

Tonböden und das Calcium/Magnesium-Verhältnis

Eine gewisse Ausnahme sind schwere Tonböden (Heavy Clay), bei denen das Verhältnis von Calcium und Magnesium je nach Boden bei 5 bis 7 zu 1 liegen muss, damit der Aufbau einer guten Bodenstruktur möglich ist. In diesem Bereich flockt der Tonboden aus und wird damit für Bakterien und Fungi besiedelbar. Wenn zu wenig Calcium vorhanden ist, sind die Tonpartikel dicht gepackt und es ist keine Platz für Bakterien, Fungi und Luft.

Wer nun schwere Tonböden hat und gleich Calcium kaufen und streuen möchte, sollte sich erst das folgende Experiment von Dr.  Elaine Ingham ansehen:

Quelle: Dr. Elaine Ingham, Life in the Soil Class ( https://environmentcelebration.com/education/life-in-the-soil-class/ ) Lektion 7

In den Zylindern war ein steriles Sand-Lehmgemisch. Die kleinen weißen Rechtecke oben auf den Zylinder stellen Tütchen mit je 300 mg Calcium dar (Austerschalenmehl).  Darüber wurde eine bei allen 4 Zylindern gleich große Menge Wasser gegossen und es wurde gemessen, wie viel Calcium in dem unten aus den Zylindern herauskommenden Wasser enthalten war.

Die Ergebnisse:

  1. Nur steriles Sand-Lehmgemisch: Es wurde kein Calcium zurück gehalten. 100 % werden bei sterilem Boden weggeschwemmt.
  2. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit 5 % zuvor in einem Autoklaven sterilisierter, organischer Masse vermischt. 98 % des Calciums wurde weggeschwemmt.
  3. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit Bakterien infiziert, und diese wurden im Boden gut vermehrt. Nun wurden “nur” noch 95 % des Calciums weggeschwemmt.
  4. Das sterile Sand-Lehmgemisch wurde mit Fungi infiziert und diese wurden gut vermehrt. Nun wurde die gesamte Calcium-Menge im Boden zurück behalten.

Was lernen wir daraus?

Es ist ziemlich sinnlos, Calcium zur Verbesserung schwerer Tonböden auszubringen, wenn man keine oder zu wenige Fungi im Boden hat. Der kluge Gärtner oder Bauer sieht und zählt also erst einmal mit einem Mikroskop nach, was in seinem Boden so alles lebt, oder er beauftragt jemanden, der das für ihn tut. Dann wird er die Population der Fungi gezielt vermehren. Dazu braucht man entsprechenden Kompost oder Komposttee,  aber eben nicht irgend einen, sondern einen, der genug Fungi hat – was wieder mit einem Mikroskop zu kontrollieren und nachzuweisen ist. Damit die Fungi sich ordentlich vermehren, müssen sie natürlich auch das richtige Futter vorfinden und gut behandelt werden. Wenn die Ansiedlung einer genügend großen Menge Fungi gelingt, reicht das vielleicht schon, denn die Bakterien und Fungi lösen eben auch Calcium aus den mineralischen Bestandteilen des Bodens. Wenn dieses Calcium nun nicht mehr weggeschwemmt wird, weil man nun genug Fungi im Boden hat, dann wird der schwere Tonboden auch schön ausflocken, ohne dass man Calcium kauft und streut.

Wer bei schweren Tonböden  Fungizide einsetzt, hat keine Chance, weil dann selbst das, was an Calcium im Boden ist, ausgewaschen wird.

Kelberg, den 6. Juli 2018

Christoph Becker

 

 

 

 

 

 

 

 

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NoSecret
NoSecret
21. Juli 2018 17:17

Das ist keine Frage, eine einseitige Pflanzenpopulation erzeugt eine einseitige Mikroorganismenpopulation was wiederum die spezialisierten pathogenen Mikroorganismen verstärkt – weil sie keine nennenswerten Feinde haben (gilt auch für Tiere).
Die Dreifelderwirtschaft habe ich noch als Volksschüler auf der altdeutschen Volkschule gelernt – wo man noch Löcher in den unbefestigten asphalt- und betonfreien Schulhof graben konnte um mit Murmeln zu spielen.

Die Frage ist, ist auch die Brache notwendig? Ja! Auch auf der Volksschule gelernt.
Die Brache läßt z.B. Wildpflanzen wachsen, die neue Mikroorganismenpopulationen in den Boden bringen und den ursprünglichen HARMONISCHEN AUSGLEICH innerhalb der Mikroorganismen (*) – und Pflanzenarten wiederherstellt.

Fragt Quantic: Time Is The Enemy https://www.youtube.com/watch?v=nvUeo5sagkA

NoSecret

(*) wer sucht der findet

3Westbach51
3Westbach51
21. Juli 2018 20:41
Reply to  NoSecret

Ausgangsbedingung ist, dass die Mikrobiologie gut ist, was man z.B. mit Komposttees erreichen kann.
Pathogene Mikroorganismen können dann nichts bewirken, weil sie gar nicht erst zur Oberfläche der Pflanze durchdringen können. Ein gutes Beispiel, das mir hierzu einfällt, ist das mit der Weihnachtsbaumplantage in Lektion 5 des Kompostteekurses. Solche Weihnachtsbaumplantagen bestehen aus offensichtlichen Gründen über viele Jahre. Die Bäume mit der dank des Einsatzes von Komposttees gesunden Mikrobiologie, konnten nach 4 – 5 Jahren geerntet werden. Die mit der konventionellen Chemie behandelten brauchten die üblichen 8 Jahre. Im Vergleich zu einem Getreidefeld hat man hier also schon das Problem, dass man mindestens über 4 bis 8 Jahre die selbe “Fucht” anbaut, und diese nach der Ernte mangels Alternativen gerne wieder anbauen möchte. Das Problem der betroffenen Firma wahr hier dann ja auch eine Pflanzenkrankheit die den gesamten Bestand zu vernichten drohte.
Ein anderes Beispiel sind Weinberge. Weinberge sind per Definition Monokulturen, bei denen eine Brache und Fruchtwechsel nicht möglich sind. Tatsächlich wird ja z.B. an der Mosel auch heftig Chemie eingesetzt. In Lektion 6 der Kompostteeklasse wird ein Experiment mit einem Weinberg gezeigt. Der Winzer hatte durch einen Frost die ganze Ernte verloren, und konnte zu einem Experiment überredet werden, bei dem der Weinberg mutwillig mit Botrytis cinerea (Grau Schimmel) infiziert wurde. Dann wurde ein Komposttee in verschiedenen Mengen appliziert, so dass 100 %, 70 %, 50 % und 10 % der Blattoberfläche mit den Mikroben des Komposttees bedeckt waren. Die Blätter wurden dazu per Fluoreszenzmikroskope kontrolliert. Die Pflanzen mit 70% und mehr Bedeckung blieben völlig gesund. Bei den anderen sahen die Blätter ziemlich übel aus.
Ein anderes Beispiel, das in Lektion 15 des Life in the Soil – Grundkurse erwähnt wird, ist eine Tomatenfarm in Südafrika, die auf 5000 ha Tomaten anbaute. Das Problem dieser Farm war, dass sie nach ein bis zwei Jahren Probleme mit Pflanzenkrankheiten und Schädlingen bekamen, die eine Brachzeit von 10 bis 14 Jahren erforderte. Der Betrieb kaufte dann immer neue Farmen auf um weiter pro Jahr seine 5000 ha Tomaten anbauen zu können. Schließlich hatte man 300.000 ha.
Die Firma hat dann Frau Dr. Ingham gefragt, ob sie vielleicht eine bessere Problemlösung vorschlagen könne. Das hat sie getan und der Betrieb wurde umgestellt. Hier einige Zahlen:

  • Auf den schlechtesten Flächen konnte die Brachzeit auf 3 Jahre gesenkt werden, nach denen wieder 1 Jahr lang Tomaten angebaut werden konnten. Auf den besten Flächen konnte nun kontinuierlich, OHNE Brache Tomaten angebaut werden
  • Vor der Umstellung waren 18 % der Tomaten erste Wahl und der Ertrag lag bei 80 Tonnen/ha. Nach der Umstellung waren 50 % der Ernte erste Wahl und der Ertrag lag bei 100 bis 110 Tonnen/ha, mit steigender Tendenz, so dass man davon ausging 120 Tonnen/ha erreichen zu können.
  • Bei alledem sollte man aber auch den Ansatz von Gabe Brown nicht vergessen, der, wenn ich mich recht erinnere, 80 verschiedene Pflanzen als Untersaaten und Zwischenfrüchte einsetzt.
    Wenn man als Landwirt aber, weil der Markt es wie bei dieser Südafrikanischen Tomatenfarm fordert, oder weil die Art der Hauptfrucht es im Weinbau und bei Weihnachtbaumplantagen fordert, jedes Jahr auf der gleichen Fläche das gleiche anbauen möchte, dann ist das mit diesem biologischen Ansatz offensichtlich in vielen Fällen sehr wohl, sehr erfolgreich und ohne Chemie möglich – auch wenn die Volksschullehrer früher und viele Landwirte und Biobauern auch heute noch glauben, dass es nicht möglich sei. Selbstverständlich ist die Voraussetzung dann aber, dass man genug von Mikrobiologie, Kompostierungsverfahren und der Herstellung und Anwendung von Komposttees versteht. Ohne systematische mikroskopische Kontrollen der Böden, der Kompostierung und der Komposttees wird es ebenfalls wohl kaum funktionieren.