Quorum Sensing und Komposttees

Quorum Sensing und Quorum Quenching sind ziemlich neue Konzepte der Mikrobiologie. Es geht im Wesentlichen darum,  dass man mit Hilfe chemischer Botenstoffe das Verhalten von Bakterien steuern kann. In der Landwirtschaft und im Gartenbau können damit kostengünstig sehr erstaunliche Effekte und Ertragssteigerungen erzielt werden.  Möglicherweise ist der Effekt des Quorum Sensing – und dessen Reduzierung durch Quorum Quenching – einer der naturwissenschaftliche Hintergründe für die Wirkung von  Komposttees und anderen, auf den ersten Blick eher esoterisch erscheinenden, biologischen und biodynamischen Präparate.

Was ist Quorum Sensing?

Erstmals auf den Begriff des Quorum Sensing aufmerksam geworden bin ich durch den Abschlussvortrag der Grasfed-Exchange 2016, von Dr. Allen Williams. Dr. Williams erwähnte in seinem Vortrag, dass neben einer adaptiven Beweidung mit hoher Tierdichte und langen Ruhezeiten, sowie der Beweidung ausgebreiteter Heuballen im  ersten Winter, auch “strategisches, bakterielles Quorum Sensing” eingesetzt worden sei.

In seiner Präsentation Grazing for Soil Health bei der 2. Southern Soil Health Conference von Green Cover Seeds, ab Position 36:10 erwähnt er Quorum Sensing kurz. In seiner Präsentation Economic Benefits of Livestock Integration into Croplands, am Folgetag, bei der selben Veranstaltung, geht Dr. Williams ab Position 51:45 näher auf das Thema  Quorum Sensing und Quorum Quenching ein.

Bemerkenswert ist zunächst, dass Williams grundsätzlich das Ziel hat, von außen zugeführte Mittel nur als Kickstarter zu verwenden und dann durch intelligentes Weidemanagement überflüssig zu machen. In diesem Sinne dienen Quorum Sensing oder Komposttees nicht als Dünger,  sondern eher wie eine bewusst herbeigeführte Infektion oder Impfung.

Williams sieht Quorum Sensing als eines der effizientesten Systeme, die die Natur entwickelt hat.

Ich übersetze hier den Text der Folie, die er bei Position 54:36 zeigt:

Quorum Sensing und Quorum Quenching
  • Quorum Sensing ist eine von Zelle zu Zelle erfolgende Kommunikation, die die  Bodenbakterien in die Lage versetzt,  die gemeinsame Kontrolle genetischer Funktionen zu ermöglichen, zwecks Anpassung an die Umwelt in der sie leben. Dies hilft dabei, nützliche Bodenbakterien wieder zu beleben.
  • Quorum Quenching ist eine Strategie, die Bakterien nutzen, um Signale von konkurrierenden Bakterien zu unterbrechen. Insbesondere um die Auswirkung krankmachender Bakterien zu reduzieren. Mutterboden versucht von Natur aus, im Gleichgewicht oder “gesund” zu sein. Quorum Sensing und Quorum Quenching kommen in der Realität gleichzeitig vor.
  • Parallelen werden in allen lebenden Systemen gefunden.
  • Konkurrierende und Kooperative Kommunikation kann zwischen Gruppen von Bakterien oder zwischen Bakterien und Wirtskörpern vorkommen.
  • Bakterien setzen im extrazellulären Medium verschiedene Typen von Molekülen frei, die man Induzierer nennt. Diese Moleküle sind die Mediatoren des Quorum Sensing.
  • Diese kommunizierenden Moleküle werden in die Zellen aufgenommen und aktivieren spezielle Gengruppen, wie zum Beispiel die für die Virulenz, die Tüchtigkeit,  den Ruhezustand  usw. zuständigen.

Dr. Williams kann als Berater per Quorum Sensing maßgeschneiderte Lösungen für seine Kunden zusammenstellen.

Ein Versuch auf 1000 ha Mais in Illinois

Bei 55:13 zeigt Williams Fotos, auf denen man Bodenproben mit vielen Regenwürmern und Wurmlöchern sieht. Die Fotos sind in einem Betrieb in Illinois aufgenommen, bei dem er auf den Maisfeldern Rinder, Zwischenfrüchte und Untersaaten (covercrops) und Quorum Sensing eingesetzt hat. Auf mehr als 1000 ha Mais konnte dort kein Gebiet gefunden werden, in dem es keine Regenwürmer und Wurmausscheidungen gab.

Von diesem Betrieb zeigt er an Position 56:45 folgende Daten:

  • 2014 Daten beim Start der Saison (vor Testbeginn)
  • pH-Wert des Bodens 6,5
  • Organische Masse 2,4 %
  • Kationenaustauschkapazität 10,3 %
  • Nährstoffgehalte des Bodens: P = 162 kg/ha, K = 282 kg/ha, Ca = 3662 kg/ha, Mg = 199 kg/ha
  • 2015 Daten (Ende der Saison, August)
  • pH-Wert des Bodens 7,3
  • Organische Masse 3,5 %
  • Kationenaustauschkapazität 15,8 %
  • Nährstoffgehalte des Bodens: P = 213 kg/ha, K = 636 kg/ha, Ca = 5992 kg/ha, Mg = 454 kg/ha

Die Messungen für die rechte Spalte wurden direkt nach der Ernte, im August 2015, durchgeführt. Im Testjahr wurde 55 % weniger Stickstoffdünger aufgebracht als in den Jahren davor. Obwohl kein Kalk aufgebracht wurde, war der Kalziumgehalt nun 2330 kg/ha höher und auch der pH-Wert war von 6,5 auf 7,3 gestiegen.  Auch die für Pflanzen verfügbaren Mengen an Phosphor, Kalium und Magnesium sind deutlich gestiegen.  Und das alles, obwohl die Messung direkt nach der Ernte erfolgte und obwohl 55 % weniger Stickstoffdünger als in den Vorjahren verwendet wurde. Dabei war der Ertrag an Mais dann auch noch um ca. 160 kg/ha höher. Nach der klassischen Vorstellung des Nährstoffkreislaufes und des Nutzens der Düngung mit Stickstoff, hätten alle Werte nach der Ernte geringer als bei Versuchsbeginn sein müssen.

Die Farm war offensichtlich die von Kevin Delap in Broughton, Illinois. Im Internet gibt es dazu auch den Artikel www.marketwired.com/press-release/despite-severe-drought-farmer-says-crop-produced-due-to-sumagrow-microbial-product-1695264.htm .  Demnach lief der Versuch sogar zur Zeit einer der schlimmsten Trockenperioden der letzten 50 Jahren, in der die Nachbarfarmen nur wenig oder nichts geerntet haben. Von Kevin Delap gibt es auf dem Youtube-Kanal der Firma SumaGrow einen 5-teiligen Vortrag: Auf Youtube mit “sumagrow delap” suchen.

Minnesota Kartoffelversuch
  • Westen von Minnesota
  • Kartoffeln vom Typ Russet
  • Durchschnittliche Produktion = 4035 – 4820 kg/ha
  • Durchschnittliche Produktionskosten = 6 bis 700 $ pro Zentner
  • Durchschnittliche Produktionskosten pro ha = $4084 – $4950
  • Aufgebrachte Menge Quorum Sensing: ca. 9,3 Liter/ha nach dem Hervortreten (wohl Sichtbarwerden der Pflanzen)

Es wurde konventionelle Düngung mit dem Einsatz von Quorum Sensing verglichen.

Ergebnisse des Minnesota Kartoffelversuchs
Boden Boden Boden Boden Planzen Kartoffeln
Messung Dichte Temperatur pH Feuchte Brix Brix
konvent. 8,81 23°C 6,70 46,25 5,63 4,69
Quorum Sensing 7,69 22,7°C 7,00 50,00 10,19 7,31

Der Brixwert ist ein mit einem Refraktometer gemessener Wert, der dem gesamten Nährstoffgehalt entspricht. Bei den mit dem Quorum Sensing Produkt behandelten Flächen wurden also bei den Pflanzen und bei den Kartoffeln wesentlich höhere Nährstoffgehalte gemessen.

Die Ernte bei der konventionellen Düngung war 5314 kg/ha. Bei der mit dem Quorum Sensing Produkt behandelten  Fläche wurden 6277 kg/ha geerntet. Es wurde ein Mehrertrag von ca. $ 1708 pro ha erzielt. Die Mikrobielle Aktivität war bei der mit dem Quorum Sensing Produkt behandelten Fläche signifikant höher.

Missisippi Gewichtszunahmeversuch mit Weiderindern
  • Versuchsgruppen:
    • Kontrollgruppe: 60 Einheiten Stickstoff/acre
    • QS1: 50 % N-Dünger + 2,75 L/ha Quorum-Sensing
    • QS2: kein Dünger, nur Quorum Sensing
  • 1,2 bis 1,6 ha große Koppeln mit ca. 5 Tieren pro ha
  • Die Kälber wurden nach Zufallsprinzip ausgewählt und auf die Flächen verteilt
  • 75 Tage Weideversuch
  • Mehrjährige Warmsaisongräser

Einige Versuchergebnisse

Mississippi Weiderindergewichtszunahmeversuch
Versuchstyp Anz. Start [kg] Ende [kg] Zunahme kg / Tag Brix % Bodentemp °C
Kontrollgrp. 8 236 273 0,485 3,1 26,9
QS1 8 237 291 0,712 7,8 22,3
QS2 8 235 316 1,075 8,8 22,0

Vor dem Versuchsbeginn wurde ein Brixwert von 2,8 % gemessen.

Die Bodentemperaturen sind der Mittelwert über den Versuchszeitraum. Man beachte, dass die Veränderung bei QS1 und QS2 niedrigeren Bodentemperaturen. Die Ursache ist die dichtere Vegetation, die mehr Schatten spendet und die Feuchtigkeit besser hält.

Wie man sieht, war die Gewichtszunahme in der Gruppe QS1, mit der auf 50 % reduzierten Stickstoffdüngung, deutlich größer als in Kontrollgruppe. In der Gruppe QS2, in der vollständig auf den Stickstoffdünger verzichtet und nur das Quorum Sensing Produkt angwendet wurde, waren die Gewichtszunahme und der Brixwert am größten.

In Dollar gerechnet war der Ertrag in der Gruppe QS1 um 43 %  höher als in der Kontrollgruppe ($389 statt $272). In der Gruppe QS2 war der Ertrag in Dollar um 115 % höher als in der Kontrollgruppe ($587 statt $272).  Ein Grund für den höheren Gewinn waren wohl die vergleichsweise niedrigen Kosten für das Quorum Sensing Produkt und die durch dessen Verwendung möglichen Einsparungen an Stickstoffdünger.

Die Kosten für das maßgeschneiderte Quorum Sensing Produkt liegen laut Dr. Williams typisch bei 40 bis 50 US-Dollar/ha.  Bei Böden mit sehr geringem Anteilen an organischem Material können die Kosten bis 75 US-Dollar/ha betragen.

Bilder weiterer Versuche

Im Folgenden zwei Bilder aus der Präsentation Economic Benefits of Livestock Integration into Croplands, von Dr. Williams, die den Unterschied zwischen mit dem Quorum Sensing Produkt behandelten  Zwischensaaten und der jeweiligen, nicht behandelten Kontrollgruppe zeigen,

Quelle: Präsentation “Economic Benefits of Livestock Integration into Croplands” von Dr. Allen Williams, bei der 2. Southern Soil Health Conference der Firma Green Cover Crops, https://youtu.be/M19zkebz_Zk

Quelle: Präsentation “Economic Benefits of Livestock Integration into Croplands” von Dr. Allen Williams, bei der 2. Southern Soil Health Conference der Firma Green Cover Crops, https://youtu.be/M19zkebz_Zk 

Die Firma Sumagrow

Dr. Allen Williams hat in den oben erwähnten Präsentationen nicht erwähnt, von welcher Firma er diese Quorum Sensing Produkte bezieht. Mit etwas Suchen habe ich herausgefunden, dass es die Firma Sumagrow ist. Die Internetadresse der Firma ist www.sumagrow.com.

SumaGow ist offensichtlich eine mittelständische Firma in Hattiesburg, im US-Bundesstaat Mississippi. Auf der Internetseite scheint sich in den letzten Jahren nicht mehr sehr viel getan zu haben. Die Hauptaktivitäten waren wohl von etwa 2011 bis 2016.

Wenn man auf Youtube mit “Sumagrow” sucht, findet man einige Interviews und Vorträge. Teilweise auch mit Dr. Allen Williams.

Der Youtube-Kanal von SumaGrow ist: www.youtube.com/channel/UCLl1AC1ZmtlolXHpvVYyOvw

Besonders nachdenklich stimmend fand ich dort den 5-teiligen Vortrag von Louis Elwell, dem leitenden Manager von Sumagrow: How to Grow with Earthcare Sumagrow Sustainable Agriculture Problems and Solutions – Part 1Part 2 , Part 3 , Part 4 , Part 5. Als Manager von SumaGrow will Louis Elwell natürlich den Verkauf der Produkte fördern. Aber insgesamt ist seine Darstellung der Situation, Wirkung und absehbaren Katastrophe der konventionellen Landwirtschaft auch aus meiner Sicht zutreffend.

Was ist SumaGrow?

Ich übersetze hier etwas von den Internetpräsentationen der Firma

Aus der Info der Facebook-Seite der Firma ( www.facebook.com/pg/SumaGrowBSEI ):

SumaGrow ist eine Mischung aus sich ergänzenden, nützlichen Mikroorganismen und flüssigen Huminen. Es ist ein aktiver Bestandteil in verschiedenen Produkten für die Landwirtschaft.

Auf der Unterseite “Why SumaGrow?” der Webseite ( www.sumagrow.com ) steht:

SumaGrow®  ist eine Auszeichnungen gewinnende Kombination sorgfältig ausgewählter Mikroorganismen die nachgewiesener Maßen die Bildung von reichem, fruchtbaren Boden fördern und die mit den Pflanzen zusammenarbeiten und die diese dann wenn es nötig ist, mit den Nährstoffen versorgen, die die Pflanzen brauchen.

Auf der Unterseite “The Science” schreibt die Firma:

Die mikrobielle Mischung von SumaGrow®  ist in einem organischen Huminsäureträger gelöst.

weiter steht dort:

Die mikrobielle Rezeptur von SumaGrow®  stellt die Bodengesundheit und Fruchtbarkeit auf verschiedene Weisen wieder hier:

  1. Biologische Stickstofffixierung – 95-99 Prozent des Stickstoffes im Boden ist ein einer organischen Form vorhanden, die nicht so ohne weiteres für die Aufnahme durch die Pflanzen geeignet ist. SumaGrow® schließt im Boden gebundenen Stickstoff auf und wandelt Stickstoff aus der Luft um, so dass er von den Pflanzen verwendet werden kann.
  2. Lösung von Phosphor – SumaGrow® löst den gebundenen Phosphor und verwandelt ihn in eine von den Pflanzen nutzbare Form.
  3. Mobilisierung und Mineralisierung von verfügbaren Pflanzennährstoffen – Es ist reicht nicht aus, dass der Boden ein bestimmtes Element enthält. Was zählt ist dessen Verfügbarkeit für die Pflanzen. Die Mobilisierung und Mineralisierung von Pflanzennährstoffen, wie Phosphor, Magnesium und Kalzium in eine für die Aufnahme durch die Pflanzen geeignete Form ist eine vitale Aufgabe der Mikroorganismen und der Huminsäure, in den SumaGrow® enthaltenden Produkten.
  4. Saprophytische Kompetenz – Produkte die SumaGrow® enthalten haben eine hohe saprophytische Kompetenz. Diese hilft den Mikroben beim Wettbewerb mit Eingeborenen Mikroben und erlaubt ihnen ihre beabsichtigten, vorteilhaften Funktionen aus zu erfüllen.
  5. pH-Wert – SumaGrow® fördert unter extremen Umweltbedingungen das Erreichen eines optimalen pH-Wertes.

Komposttees

Eine deutsche Quelle zum Thema Kompostee

Weil ich im Juni 2017 die Handreichung zum Vortrag von  Dr. Christine Jones beim 5. Bodenfruchtbarkeitssymposium ins Deutsche übersetzt hatte, hatte ich am Vorabend dieser Veranstaltung unter anderem Gelegenheit, mich etwas mit Frau Dr. Ingrid Hörner zu unterhalten bzw.  von ihr etwas zum Thema Komposttee zu zu hören. Frau Dr. Hörner ist, wie ich nun herausgefunden habe die Verfasserin von www.kompost-tee.de/wp-content/uploads/2013/06/Komposttee-Gärtner-6.pdf.  Es schien mir damals, als würde dieses Thema in der Regel nicht ernst genommen und mir war die Vorstellung, dass diese Komposttees wirklich wirken ebenfalls etwas suspekt.

Vor dem Hintergrund der oben zitierten Präsentationen von Dr. Allen Williams und der dadurch motivierten Beschäftigung mit dem Thema Quorum Sensing, sehe ich das nun anders.

Wenn man sich die Bilder im Abschnitt “eigene Erfahrungen” in der Komposttee-Anleitung von Frau Dr. Hörner ansieht und die Herstellungsweise des Komposttees bedenkt, dann drängt sich mir zumindest der Eindruck auf, dass diese Komposttees möglicherweise eine einfache Do-It-Yourself-Variante der von SumanGrow genutzten Effekte sind.

Die Tatsache, dass die Firma SumaGrow offenbar in der Lage ist, maßgeschneiderte, individuelle Produkte für das Quorum Sensing zu liefern, deutet darauf hin, dass man es hier,  mit einem ziemlich komplexen, gründliches Studium und viel Erfahrung erfordernden Gebiet zu tun hat und dass es nicht die eine beste Lösung gibt, sondern dass immer nur eine in dem betreffenden Fall nach Sichtung der Gegebenheiten und Abwägung aller Vor- und Nachteile beste Lösung gibt.

Vor diesem Hintergrund habe ich etwas mehr recherchiert und nach einer Möglichkeit gesucht, wie man professionell und wissenschaftlich gut fundiert für individuelle lokale Gegebenheiten optimale Entsprechungen zu den Produkten von SumaGrow finden und produzieren könnte.

Dr. Elaine Ingham – auf Youtube, Webseite und Kurse

Auf der schon länger nicht mehr bearbeiteten deutschen Webseite  www.kompost-tee.de habe ich in dem Artikel Kompost-Tee selber herstellen  einen Hinweis auf Elaine R. Ingham gefunden, die ein schon 2005 in der 5. Auflage erschienenes Komposttee-Brau-Manual veröffentlicht hat. D.h., voriges Jahr hatte mich schon einmal jemand auf Frau Ingham hingewiesen, aber mich hatte das noch nicht besonders interessiert.

Auf Youtube habe ich mir nun den Vortrag vollständig angesehen, den Frau Ingham am 25. Januar 2015 bei der Oxford Real Farming Conference gehalten hat. Dazu zunächst eine praktische Entdeckung: Es gibt auf Youtube zwei Versionen dieses Vortages, wobei die wesentlich bessere, überarbeitete, d.h., mit den Bildern versehene Version bisher eher selten aufgerufen wurde:

  1. The Roots of Your Profits – Dr Elaine Ingham, Soil Microbiologist, Founder of Soil Foodweb Inc,  Diese von Oxford Real Farming am 25.01.2015 hochgeladene Version ist OHNE die Dias und hatte am 8. Juni 2018 immerhin 93808 Aufrufe und 1103 Likes bei 16 Dislikes. Diese Version ist wegen der fehlenden Bilder NICHT empfehlenswert. Stattdessen sollte man sich die bisher weniger beachtete Version mit den Bildern ansehen:
  2. The Roots of your Profits – Dr Elaine Ingham. Diese von einem Bruno L. Soto am 28.06.2017 hochgeladene Version hatte am 8.6.2018 nur 1421 Aufrufe bei 25 Likes und 0 Dislikes. In dieser Version sind die Dias von Frau Ingham integriert und das dann auch noch in guter Qualität. Vernünftigerweise wird man sich also diese bisher offenbar wenig beachtete Version ansehen. Das Englisch von Frau Ingham ist sehr gut verständlich.

Die Webseiten von Dr. Elaine Ingham:

Im April 2018 hat sich Manfred Eidelloth die Mühe gemacht, einen Vortrag von Elaine Ingham ins Deutsche zu übersetzen:  www.regenerative-landwirtschaft.net/downloadseite/Elaine_Ingham-Einblick_ins_Bodenleben.pdf

Die Preise für die Onlinekurse fand ich zunächst ziemlich hoch.  Auf der Seite  environmentcelebration.com/education/classes-overview/ fand ich aber den Hinweis, dass bis Ende Juni 2018 ein Rabatt von 50 % gewährt wird. Daraufhin habe ich mir spontan für 2191 Euro das komplette,  normal 4988 Dollar kostende Kurspaket gekauft. (( Inzwischen habe ich auf selbstvers.org einen Forumsbeitrag zu Elaine Ingham vom 10. Juni 2017 gefunden, dem zur Folge die Kurse damals noch drastisch günstiger waren oder noch sind?  Man kann die Kurse dort bestellen und bekommt angeblich einen Downloadlink. Meines Erachtens ist das aber ein Betrugsversuch oder eine drastisch abgespeckte, illegale Version, die nur die mp3 und pdf-Dateien enthält, Die Videos der Orginalkurse auf environmentcelebration.com sind NICHT herunterladbar und dir Kurse bestehen bei weitem nicht nur aus einfachen Downloads.  )) Man muss den Kurs in maximal 364 Tagen vollständig durcharbeiten. Wenn man alle Prüfungen mit mindestens 90 % der Punktzahl besteht, dann kann man für weitere 2100 Dollar an einem weiteren Programm teilnehmen, mit dem man Certified Soil Life Consultant werden. Die Prüfungen müssen dabei alle beim ersten Versuch bestanden werden, d.h., es gibt keine Wiederholungsmöglichkeit. Dazu kommen normal noch die Kosten für Bücher und für mindestens ein Mikroskop. D.h., selber habe ein ziemlich hochwertiges und vielseitiges Mikroskop (Auf- und Durchlicht, Phasenkontrast, Dunkelfeld und polarisiertes Licht).

Rinderherden und strategisches Quorum Sensing

In seinem in Der Abschlussvortrag der Grasfed-Exchange 2016 zusammengefassten Vortrag erwähnt Dr. Allen Williams, dass abgesehen von “Ballenweiden” im ersten Winter (( Er lässt dazu schon im Sommer oder Herbst, wenn die Weiden noch gut befahrbar sind, schachbrettartig im Abstand von ca. 10 m Heuballen auf den Weiden liegen oder verteilen. Per einfachem Elektrozaun werden dann hohe Tierdichten ermöglicht. “Verlust” durch Trampeln, den die meisten als Gegenargument anführen, sieht er nicht, weil er das, was andere als Verlust ansehen, als wertvolles Futter für die Bodenorganismen betrachtet, die ihm helfen, den künftigen Ertrag der Weide zu steigern )) und adaptivem Beweiden mit hoher Tierdichte auch  “strategisches Quorum Sensing” eingesetzt worden sei. 

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Wenn man Rinder mit hoher Tierdichte, womit ca. 10 bis 80 kg Lebendgewicht pro qm Weidefläche gemeint ist, auf einer Weide hat, dann wird viel zertrampelt. Die von dem hohen Bodendruck der Tiere nieder getretenen getretenen Pflanzen werden zu Futter und Schattenspendern für Mikroorganismen und Kleintiere. John Jeavons erwähnt in seinem Buch How to Grow More Vegetables  (and Fruits, Nuts, Berries, Grains, and Other Crops) Than You Ever Thought Possible on Less Land with Less Water Than You Can Imagine und in seinem Kurs, dass man ca. 70 % der gesamten Photosyntheseleistung zur Produktion von Kompostpflanzen bzw. zur Herstellung von Kompost verwenden sollte. Das verbessert den Boden. Gute Ernten nährstoffreicher Nahrungsmittel sollte man eher als Nebenwirkung und nicht als das Hauptziel sehen. Eine kurze Beweidung mit hoher Tierdichte und anschließende, lange Ruhezeiten sorgt faktisch dafür, dass man faktisch einen großen Teil der Pflanzen lokal kompostiert. Der Dung und der Urin der Tiere dient zusätzlich als Dünger und Futter für Bakterien. Im Dung sind auch Bakterien enthalten.

Mikroorganismen, Komposttee, oder was auch immer  auf Weidefläche verteilt wird, wird teilweise auch in den Boden gedrückt teilweise auch  von den Tieren verteilt. Die Tiere versorgen dabei durch das Zertrampeln und Düngen dafür, dass die Mikroorganismen, wo immer sie sind, Nahrung, Schatten und einen engen Kontakt zum Boden bekommen. Der Schatten ermöglicht auch niedrigere Bodentemperaturen, was im Sommer dem Bodenleben zu gute kommt. Die Bodendeckung bremst zudem Regentropfen und verhindert Erosionsschäden.

Verkrustete Bodenoberflächen werden durch den hohen Bodendruck der Tiere aufgebrochen. Organisches Material und Mikroorganismen werden dabei in den Boden gedrückt.

Man kann sich vorstellen, dass man vor diesem Hintergrund nicht die gesamte Fläche gleichmäßig besprühen muss, sondern sich darauf beschränken kann Komposttees oder auch Produkte wie die von SumaGrow, stategisch gezielt an bestimmten Stellen auszubringen. Die intensive Beweidungsform sorgt für die Verteilung, Verpflegung und Vermehrung der Mikroorganismen und eben auch für die Verteilung von Botenstoffen.

Strategisch kann hier aber auch bedeuten, dass man gezielt das Bodenleben analysiert und auf den dabei gewonnenen Informationen aufbauend das SumaGrow oder den Komposttee zusammenstellt.

Fazit

Rückblickend war dieser Artikel am Ende eher eine intellektuelle Wanderung und Entdeckungstour, bei der ich am Ende das komplette Kurspaket auf environmentcelebration.com  für die Hälfte des normalen Preises gekauft habe – was zu weiteren Entdeckungen und Einsichten zu führen verspricht.

Was ich über die Wirkungen und Möglichkeiten der Mikrobiologie in der Landwirtschaft und im Gartenbau bei den Recherchen für diesen Artikel gefunden und gelernt habe, hat mich sehr erstaunt.

Wirklich moderne Landwirtschaft kann offenbar weitgehend ohne die bei der Herstellung sehr viel fossile Energieträger kostenden, die  Umwelt und das Grundwasser belastenden Stickstoffdünger betrieben werden. Sie kann dabei mehr leisten und vor allem auch höhere Gewinne erwirtschaften als die konventionelle, auf Stickstoffdünger, Pestizide und Insektizide angewiesene, umweltschädliche und teilweise unerträgliche Bodenerosionen und Hochwasser verursachende konventionelle Landwirtschaft.

Wirklich moderne Landwirtschaft kann offenbar mit Hilfe solider Kenntnisse und intelligenter Nutzung der Mikrobiologie die Nahrungsmittelsicherheit, die Nahrungsmittelqualität und auch die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Landwirte sehr verbessern. Sie kann außerdem das Konfliktpotential und die Gefahr von humanitären und militärischen Katastrophen in vielen Ländern und Regionen reduzieren.

Kelberg, den 9. Juni 2018

Christoph Becker