Venezuela – Hunger und Not trotz weltgrößter Ölvorkommen

Venezuela ist seit 1960 Mitglied der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) , es hat nach eigenen Angaben, heute, also über 50 Jahre später, die weltgrößten Ölreserven, vor Saudi Arabien, Russland und den USA, und es ist trotzdem 2017/2018  zugleich ein Beispiel dafür, wie eine Gesellschaft scheitern und wirtschaftlich weitgehend kollabieren kann

Der Artikel Hyperinflation und Lebensmittelmangel: Venezuelas große Leere, von Klaus Ehringfeld auf Spiegel-Online am 14. Januar 2018 hat mich etwas recherchieren lassen. Der Artikel beginnt damit, dass eine Bäckerei wegen Plünderung geschlossen hat.

Hier zunächst einige Artikel, die ich mit einer google-Suche mit „Venezuela Ölreserven fand:

Mit der Suchwortkombination „Venezuela Kollaps“ fand ich unter anderem auch die folgenden Artikel

Ein besonders erwähnenswertes Fundstück ist der am 14.12.2017 auf der Internetseite Crashkurs.com erschienene Artikel  Oha! Bank of England warnt Regierung vor ähnlichem Kollaps wie in Venezuela. Großbritannien war und ist auch ein Ölförderland. Es war zudem das erste Industrieland der Welt. Grundlage von Großbritanniens  Aufstieg zum Industriestandort war die Kohle, von der es, genauso wie Deutschland noch immer sehr viel hat. Das Problem ist nur, dass die Förderung von Kohle und Öl auch Energie kostet und dass dieser Aufwand mit der Zeit immer größer wird.

Mit „Venezuela crude oil quality“ findet man verschiedene Artikel, die zeigen, dass die Qualität des von Venezuela gelieferten Öls ziemlich schlecht ist und sich in den letzten Jahren sehr verschlechtert hat.

Ein Artikel, der die Situation gut erklärt, ist  Venezuela’s Oil Reserves Are Probably Vastly Overstated von Robert Rapier vom 1. Juli 2016.

Dort wird insbesondere auch der oft für Verwirrung sorgende Unterschied zwischen Ölvorkommen (Ressources) und nachgewiesenen Ölreserven (proven reserves) erklärt.

Die Ölvorkommen sind das, was insgesamt vorhanden ist. Die nachgewiesenen Reserven sind die Teilmenge der Ölvorkommen, die mit den aktuellen technischen Möglichkeiten und bei den gegebenen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen (Umweltschutz!) bei den aktuellen Marktpreisen tatsächlich wirtschaftlich gefördert werden können.

Zur Verdeutlichung des Unterschiedes erwähnt Rapier das Gold in den Ozeanen. Das Goldvorkommen in den Ozeanen wird auf ca. 20 Millionen Tonnen geschätzt. Es  ist größer als alle Goldreserven der Welt zusammen genommen. Weil die Gewinnung von einer Unze Gold aus Meerwasser zehn oder sogar hundert mal soviel wie der aktuelle Marktpreis von einer Unze Gold kostet, ist die aktuelle, nachgewiesene Goldreserve der Ozeane genau null.

Venezuelas Ölreserven sind rasant gewachsen, als der Ölpreis stieg. Bei fallendem Ölpreis sind sie aber massiv gesunken, weil gerade die Förderung und Aufbereitung des venezolanischen Öls technisch sehr aufwendig und schwierig ist. Dazu kommt das politische und gesellschaftliche Umfeld, das ebenfalls einen Kostenfaktor der Ölförderung darstellt. Der gesellschaftlich-politische Kostenfaktor ist durch die sozialistischen Regierungen Venezuelas stark in die Höhe getrieben worden.

Eine Mischung aus schwierigen geologischen Verhältnissen, schlechter Ölqualität und aus politischen und gesellschaftlichen Faktoren hat in Venezuela dazu geführt, dass die Ölförderung  trotz riesiger Ölvorkommen gesunken ist und sich fast nicht mehr lohnt. Anderseits ist die Wirtschaft in Venezuela extrem vom Erdöl und den damit bisher bezahlten Importen abhängig.

Venezuela ist einerseits ein Sonderfall, aber zugleich ist es auch ein warnendes Beispiel für die Industriestaaten des Westens, die ebenfalls extrem vom Öl abhängen. Deutschland produziert zwar, z.B. sehr viele Nahrungsmittel selbst, aber es kann dies nur weil und solange es genug billiges Erdöl und Erdgas bekommt.  Der deutsche Sozialstaat mit seiner ganzen Komplexität und Attraktivität ist nur funktionsfähig, weil und solange es genug billiges Öl und Erdgas gibt. Selbst die Produktion „erneuerbarer“ Energien ist nur möglich, weil und solange es genug billiges Erdöl und Erdgas gibt.

Kelberg, den 20.1.2018

Christoph Becker