Einige historische Parteiverbote

Lesedauer 2 Minuten
image_print

Wenn man die Geschichte der Parteien Hitlers und Erdogans betrachtet, kann man die NPD und ihre Funktionäre wegen der am 17.1.2017 vom Verfassungsgericht ausgesprochenen Ablehnung des von vielen geforderten Parteiverbotes durchaus bedauern. Hitlers NSDAP wurde immerhin am 23.11.1923 reichsweit verboten. Weniger als zehn Jahre später, am 30.1.1933 wurde der Vorsitzende der neu gegründeten NSDAP deutscher Kanzler.

Noch krasser ist die Geschichte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der war zunächst Mitglied und auch Vorstandsmitglied der 1998 von türkischen Verfassungsgericht verbotenen Wohlfahrtspartei. Dann wurde er Mitglied der dann 2001 ebenfalls vom Verfassunggericht verbotenen Tugendpartei. Nach deren Verbot hat er dann mit anderen Mitgliedern dieser nun auch verbotenen Partei die heutige AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) gegründet. Erdogan war 1998 auch zu lebenslangem Politikverbot verurteilt worden.

Die Wahlergebnisse der AKP, also faktisch der Nachfolgepartei einer verbotenen Partei, die die Nachfolgepartei einer verbotenen Partei war:

Jahr Prozent der Stimmen für die AKP
2002 34,3
2007 46,58
2011 49,8
Juni 2015 40,9
November 2015 49,5

Erdogans Auffassung von Demokratie:

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“[10]

Damit Herr Erdogan trotz des gegen ihn verhängten Politikverbotes Ministerpräsident werden konnte musste die Verfassung geändert werden – und sie wurde auch geändert.

Das alles hat aber die EU und mit ihr die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht davon abgehalten mit Herrn Erdogan zu verhandeln und ihn als wichtigen Partner der EU und der BRD zu sehen. Auch durfte Herr Erdogan in Deutschland Reden halten, ohne dass es dagegen ernsthafte Proteste von deutscher Seite gegeben hat.

Andere Parteiverbote.

Der Wikipediaeintrag zum Stichwort Parteiverbot bringt weitere letztlich erfolglose Beispiele. So wurde die sozialdemokratischen und sozialistischen Organisationen im Kaiserreich zeitweise verboten. Bei der Reichstagswahl 1912, der letzten vor dem 1. Weltkrieg, wurde die SPD mit 34,8 % die mit Abstand stärkste Partei.

Die KPD wurde in der Weimarer Republik zeitweise verboten und sie wurde von der Regierung Hitler verboten. Trotzdem regierte die Nachfolgepartei der KPD, nämlich die SED, in einem Teil Deutschlands dann von der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis zum Zusammenbruch der DDR im Jahr 1989.

In der BRD wurde die KPD 1956 verboten.  Aber hat es genützt? Oliver Janichs  Kulturmarxismus: Die Zersetzung der Gesellschaft durch die Frankfurter Schule vom 23. Oktober 2016 und die darin verlinkten Dokus zeigen, dass der Marxismus faktisch kulturell den Westen besiegt hat. Siehe dazu auch das Interview des Schweden Henrik Pamgren mit dem Australischen Politologen Frank Salter, das ich vor einiger Zeit übersetzt habe: Krieg gegen die menschliche Natur.

Letztlich sind Parteiverbote hilflose, in der Regel zum Scheitern verursachte Versuche des Establishments den Strom der Zeit aufzuhalten. Die Sitten und Gebräuche, und damit auch die Werte, die Gesetze und auch die Zusammensetzung der Regierungen folgen den sich ändernden Umweltbedingungen. Der Soziologe William Graham Sumner hat das z.B. in seinen Essays

ganz gut erläutert.

Der Soziologe William Catton hat es, auf  in seinem Buch Overshoot: The Ecological Basis of Revolutionary Change, vor dem Hintergrund der zunehmenden ökologischen Zwänge unserer Zeit erklärt.

Kelberg, den 17. Januar 2017

Christoph Becker

Share
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments