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Energielage 2015/2016

Lesedauer 7 Minuten
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Welche Zusammensetzung hatte der Primärenergieverbrauch in Deutschland 2015? Wie entwickelt sich die Lage in Deutschland und wie in der amerikanischen Frackingindustrie?Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. [2] hatte am 21. Dezember 2015 eine Pressemeldung herausgegeben, die als pdf-Datei [3] verfügbar ist und in der die Zusammensetzung der Energiebilanz Deutschlands für 2015 auf Seite 4 auch graphisch dargestellt ist.

Demnach wurde im Jahr 2015 in Deutschland nur 12,6 % der verbrauchten Primärenergie durch erneuerbare Engergieträger gewonnen. Der Anteil fossiler Energieträger betrug:  79,4 % im Jahr 2015 gegenüber 79,5 % im Jahr 2014.  Der relative Anteil fossiler Brennstoffe am gesamten Primärenergieverbrauch Deutschlands ist also trotz der vielen neuen Windräder und Solarstromanlagen nur um 0,1 % zurückgegangen.

Auf Heise Online erschien am 7.1.2015 der Artikel Energiebilanz 2015: Höherer Energieverbrauch, größerer Ökostromanteil, Höchststand im Energieexport [4],  der Primärenergieverbrauch Deutschlands sei wegen kalter Tage am Anfang des Jahres und wegen der durch Einwanderung und Flüchtlingsaufnahme bedingten Bevölkerungszunahme insgesamt um 1,3 % gestiegen ist.

Hier eine Grafik als pdf-Datei, die den Energieverbrauch Deutschlands von 1990 bis 2015 [5] darstellt. Bei der Betrachtung der Grafik ist zu beachten, dass die Grafik in der Vertikalen nur einen kleinen Ausschnitt darstellt, so was dazu verführt die Entwicklung des Energieverbrauchs verzerrt wahr zu nehmen. Tatsächlich betrug die Veränderung vom ersten Wert im Jahr 1990 ( 14269 Peta Joule bis 2015 ( 13158 Peta Joule ) .  Der Wert von 2015 passt recht gut zum mittleren Kurvenverlauf.  Der Gesamtverbrauch ist demnach in den letzten 25 Jahren um knapp 7,8 Prozent gesunken (1990 = 100% ). Im Durchschnitt also um 7,8 / 25 = 0,31 Prozent pro Jahr.  Das der globale Peak (cheap) Oil [6] (Link auf Chris Martensons wirklich sehr guter Präsentation zu diesem Thema) etwa um das Jahr 2000 herum kommen wird, und das die Weltölvorräte und auch die globalen Vorräte an fossilen Energiequellen sehr begrenzt sind, sollte seit der Anhörung des Geologen M. King Hubbert vor einem Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses, im Jahre 1974, [7] eigentlich bekannt sein.

Importabhängigkeit

Seit Jahren bekannt ist auch das Export-Land-Model [8] des texanischen Geologen Jeffrey Brown [9] . Danach schrumpft die von einem ölexportierenden Land für den Import durch andere Länder zur Verfügung gestellte Ölmenge nicht nur entsprechend der von M. King Hubbert ermittelten Kurve, sondern zusätzlich durch den steigenden Eigenverbrauch des Förderlandes. Siehe z.B. den Artikel Saudi-Arabien: Vom Öl-Exporteuer zum Importeur bis 2030? [10]

Auf  peakprosperty.com ist ein Interview von Chris Martenson mit Jeffrey Brown ,  vom 13. September 2015, mit dem Titel  To Understand The Oil Story, You Need To Understand Exports – Peak Oil is very much alive [11]. (dt.: Um die Ölgeschichte zu verstehen muss man die Exporte verstehen – Peak Oil  ist noch sehr lebendig). Demnach würden die Atommächte China und Indien bei Fortschreibung der Wachstumsraten im Jahre 2032, also in nur 16 Jahren, das gesamte auf dem Weltmarkt erhältliche Öl für sich benötigen.

Auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. [2]  gibt auch eine Grafik: Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung 2014 [12] der man entnehmen kann, dass 70 % der in Deutschland verbrauchten Primärenergie importiert werden muss. Nach derselben Grafik hat Deutschland im Jahre 2014 seinen Mineralölbedarf zu 98% mit Importen gedeckt. Beim Erdgas betrug die Importquote 88 %.

Rettung durch eneuerbare Energien?

Der Anteil der eneuerbaren Energien betrug laut Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. [2]  12,6 % im Jahr 2015 und 11,5 % im Jahr 2014. Dabei handelt es sich aber nur um die den Anteil der insgesamt erzeugten Primärenergie. Ein Frage zu jeder Form der Primärenergie, die in diesem Bilanzen nicht berücksichtigt wird, ist wie viel Primärenergie welcher Art für die Verfügbarmachung der jeweiligen Primärenergieanteile  verbraucht wurde.  Ich habe z.B. in 2015 verschiedene Schwertransporte mit Bauteilen für Windkraftwerke gesehen. Diese wurden aber alle mit Dieselmotoren angetrieben und nicht mit Strom oder Wind.  Die Landwirte die in meiner Gegend aus Mais, Getreide und Grassilage Strom erzeugen bearbeiten ihre Felder alle mit Maschinen, die mit Diesel betrieben und mit Mineralöl geschmiert werden. Die Paketdienste die Ersatzteile bringen fahren alle diesel- oder benzingetriebene Lieferwagen. Der Stickstoffünger für die Felder wird in der Regel per Haber-Bosch-Verfahren [13] aus Erdgas hergestellt. Ein Strassenbauarbeiter erzählte mir neulich, dass er jetzt in einem deutschen Mittelgebirge viele Straßen für den Bau von Windkraftwerken baue. Diese Straßen würden nur für den Bau der Windkraftanlage gebaut. Danach würden sie wieder zurückgebaut, und wenn die Anlage später abgerissen wird wird man möglicherweise wieder neue Straßen bauen müssen. Das alles wird nicht mit Elektrofahrzeugen und Elektrogeräten gemacht, sondern mit dieselgetriebenen Fahrzeugen und Maschinen. Die angeblich erneuerbaren Energien benötigen jedenfalls einiges an fossilen Energieträgern um überhaupt entwickelt, produziert, aufgestellt, gewartet, betrieben und später entsorgt werden zu können.  Man kann mit den Eneuerbaren Energien lediglich den für die Stromversorgung sonst nötigen Verbrauch an fossilen Brennstoffen reduzieren und damit die Verfügbarkeit bezahlbarer fossiler Brennstoffe etwas verlängern, wobei die Statistiken über den Anteil der Eneuerbaren irreführend sind, weil sie den wegen der Nutzung der erneuerbaren Energien notwendigen, zusätzlichen Verbrauch an fossilen Energieträgern verschweigen.

Fraking als Rettung? Die aktuelle Entwiklung der amerikanischen Schieferölvorkommen

Hier zunächst eine sehr gute Erläuterung in Chris Martensons Crash Course Chapter 21: Shale Oil [14].

Auf das Post Carbon Institute hat auf seiner Webseite einige aktuelle Recherchen zum Thema Fracking in den Bakken und Eagle-Ford Ölfeldern:

Bakken Reality Check [15]

Das Bakken-Feld in Nord Dakota und Montana  ist das Paradebeispiel das uns in den letzten Jahren als Wunder der Frackingindustrie vorgehalten wurde. Zitat des ersten Satzes der Zusammenfassung aus dem Jahre 2015:

Die Produktion im Bakken-Feld geht zurück. Die Ursache ist das Sinken der Rate der Fertigstellung neuer Brunnen, auf ein Niveau, das nicht mehr ausreicht den statischen 40 prozentigen jährlichen Förderrückgang auszugleichen.  (Es müssten jährlich 1884 Brunnen neu hergestellt werden um eine Produktion von 1,2 Millionen Barrel pro Tag aufrecht zu erhalten.)

Eagle-Ford Reality Check [16]

Eagle-Ford ist das wichtigste Ölfeld in dem Öl durch Fracking gewonnen wird. Zitat aus der Zusammenfassung des Updates für 2015:

Die Produktion von Eagle-Ford geht zurück. Dies ist das Ergebnis des Sinkens der Rate der Fertigstellung neuer Brunnen auf ein Niveau, dass nicht mehr ausreicht den statische 25 prozentigen jährlichen Förderrückgang auszugleichen. (Es müssten  jährlich 2900 neue Brunnen fertiggestellt werden um die Produktionsrate von 1,6 Millionen Barrel pro Tag zu halten.) Die glorreichen Tage des Eagle-Ford-Feldes sind vorbei, im reifen Alter von 6 Jahren.

Insgesamt finde ich die oben erwähnten Daten zur deutschen Energieversorgung und zum deutschen Energieverbrauch, sowie zur globalen Gesamtlage  sehr beunruhigend, auch wenn der Ölpreis  momentan erstaunlich niedrig ist. Den meisten, unsere Bundeskanzlerin und die anderen Spitzenpolitiker inbegriffen, scheinen nicht einmal ansatzweise zu verstehen was da möglicherweise wie schnell auf uns zu kommt.  Wir bräuchten 25 oder mehr Jahre um uns darauf vorzubereiten, aber wir haben diese Zeit nicht mehr und wir tun im Grunde in wichtigen Punkten das Gegenteil von dem was wir vernünftiger Weise tun sollten.

Vielleicht sollte man vor diesem Hintergrund auch die Peak-Oil-Studie der Bundeswehr [17] und den ebenfalls auf deutsch verfügbaren Aufsatz Tipping-Point [18] (dt: Umkipp-Punkt), von David Korowicz noch einmal lesen. Vielleicht auch Not the Future We Ordered: Peak Oil, Psychology, and the Myth of Eternal Progress [19][dt.: Nicht die Zukunft die wir bestellt haben: Peak Oil, Psychologie und der Mythos des ewigen Fortschritts] von John M. Greer. Letzteres habe ich erstmals in der vergangenen Woche gelesen und lese es nun zum zweiten Mal, weil es mir gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der derzeitigen Lage und Entwicklung in Deutschland und Europa, aber auch für die Einschätzung der Einwicklung in den USA, extrem wichtig erscheint.  Greers Analyse ist vor dem Hintergrund der Realität bedrückend bis gespenstig. Dieses Buch von J.M. Greer verdient einen eigenen Artikel.

Zum Abschluss hier zwei Blogartikel zum Jahresanfang 2016:

Wenn kleine Kollapse gut sind – weil sie helfen große Kollapse zu vermeiden oder deren Wirkung abzuschwächen – , wie Dimitry Orlov aus nachvollziehbaren Gründen meint, dann begann das Jahr 2016 für Deutschland gut und es gibt durchaus Anlass zur Hoffnung.

Kelberg, den 9. Januar 2016, Christoph Becker

Nachträge

am 26.2.2016:

Ein sehr empfehlenswertes Buch zum Thema Energie in  deutscher Sprache ist  die  kostenlos herunterladbare Übersetzung von  Without the Hot Air [22],  von David JC MacKay: http://www.withouthotair.com/translations.html#german. [23]

am 13.1.2016:
Focus.de : Preiskrieg verschärft sichZehn Euro pro Barrel: Ölpreis steuert auf neues Rekord-Tief zu [24]: Zitat Focus: “Als sicher gilt: Öl wird auch langfristig nahezu auf Ramschniveau notieren. Schon jetzt kostet ein Liter Rohöl weniger als eine Flasche Mineralwasser”
Dass der Focus dies im Januar 2016 geschrieben hat sollte man sich merken.

Der peakprospertiy-Podcast vom 10.Januar 2016, ist ein Interview von Chris Martenson mit dem Ölspezialisten Arthur Berman [25]. Das Interview hat den Titel: Arthur Berman: Why The Price Of Oil Must Rise – Why a supply shock is inevitable [26] (dt. Arthur Berman: Warum der Ölpreis steigen muss – Warum ein Versorgungsschock unvermeidlich ist).
Wir werden sehen wer recht behält. Das deutsche “Qualitätsmedium” Focus oder der in Finanz- und Energiefragen sehr kompetente Chris Martenson und Arthur Berman, der sich mit den wirtschaftlichen, technologischen und geologischen Details des Ölgeschäfts offenbar sehr gut auskennt. Einige Details aus dem Interview: Bei dem derzeitigen Überangebot auf dem Weltmarkt handelt sich sich lediglich um 1 bis 1,5 Millionen Fass pro Tag, bei einem Tagesgesamtverbrauch von ca. 90 Millionen Fass. Die Überschussmenge ist also erstaunlich gering. Anderseits wurden viele Investitionen in neue Bohrlöcher und auch in die Suche nach neuen Ölfeldern gestrichen. Es muss aber ständig nach neuen Ölvorkommen gesucht und in neue Bohrlöcher investiert werden um die aktuelle Fördermenge zu halten. Wenn die Ölpreise wieder steigen vergeht einige Zeit, bis neue Investitionen in die Suche und Erschließung neuer Ölvorkommen tatsächlich zu einer Steigerung der Fördermenge führen.
Arthur Berman weißt, ebenso wie Jeffry Brown in seinem Interview mit Chris Martenson [11], darauf hin, dass man bei Statistiken und Diskussionen zum Thema Öl heute genauer hinsehen und unterscheiden muss was die Zahlen meinen. Es werden nämlich z.B. klassisches Rohöl und sogenannte Kondensate seit einiger Zeit zusammengezählt, obwohl diese nicht gleichwertig sind. Wie Jeffrey Brown in seinem Interview mit Chris Martenson im September 2015 sagte, gibt es z.B. in den USA einen Überschuß an leichten Kondensaten, die die Raffinerien dort zum Teil nicht gebrauchen können. Das ist auch der Hintergrund dafür, dass die US-Ölindustrie auf eine Aufhebung des Exportverbotes gedrungen hat, obwohl die USA weiterhin große Mengen Rohöl importieren müssen.

Eine (für mich neue) Webseite zum Thema Peak Oil, die ich durch den Potcast gerade gefunden habe ist: www.peakoilbarrel.com [27]. Es handelt sich dabei offenbar um den Nachfolger der seit Oktober 2013 keine neuen Artikel mehr publizierenden Webseite www.theoildrum.com [28] zu handeln.

Das Thema Peak Oil [29] (hier mit dem deutschsprachigen Kapitel über Peak Oil aus Chris Martensons alten Crash Cours verlinkt ) ist jedenfalls auf keinen Fall tot, wie der Focus und andere deutsche “Qualitätsmedien” gerade auch in letzter Zeit immer wieder suggerieren.

Neue Artikel auf Aleklett’s Energy Mix [30]

Prof. Kjell Aleklett hat auf seinem Webblog einige neue Artikel.

Am 14. Dez. 2015 Ein Kommentar zum Weltklimagipfel: COP21 – Jubilation in Paris but the numbers they presented did not correspond with reality [31]

und zwei Kommentare zum World Energy Outlook 2015 der IEA, vom 13 bzw. vom 14. November 2015:

Prof. Aleklett wird demnächst ein neues Buch mit dem Titel “A World addicted to oil” veröffentlichen. Bisher hatte er

 

 

 

 

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