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Die FAZ und Peak Oil

Lesedauer 5 Minuten
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Die Online-Ausgabe der FAZ vom 12.12.2014 hatte ganz oben den Artikel Energiepolitik – Das Öl geht nicht aus [2]von Rainer Herrmann.  Ich habe daraufhin bei www.peakoil.net [3]nachgesehen und dabei den im Folgenden von mir übersetzten Diskussionsbeitrag des schwedischen Phsysikprofessors Kjell Aleklett, vom 24.10.2014 gefunden.  Ajleklett ist Professor an der Universität Uppsala in Schweden. Er hat sich intensiv mit dem Thema Peak Oil und Ölvorkommen befasst. Er hat dazu das sehr lesenswerte, aber leider nur in Englisch verfügbare Buch Peeking at Peak Oil [4] geschrieben, ist Initiator der ASPO [3] (Association for the Study of Peak Oil&Gas = Gesellschaft zum Studium des Fördermaximums von Öl und Gas) und betreibt den Webblog Aleklett’s Engery Mix [5] .

Links auf das englischsprachig Original des im Folgenden übersetzten Blogbeitrags von Prof. Aleklett:

1.  https://aleklett.wordpress.com/2014/10/24/peak-oil-is-still-our-futures-reality/  [6]

2.  http://www.peakoil.net/peak-oil-is-still-our-future-s-reality [7]

Ab hier nun die Übersetzung:

Peak Oil ist noch immer die Realität unserer Zukunft

Veröffentlicht von Professor Kjell Aleklett am Freit., 2014-10-24 13:25. auf http://www.peakoil.net/peak-oil-is-still-our-future-s-reality

(Dies ist die finale Wiedergabe in der Diskussion über das Thema „Der fallende Ölpreis könnte der Vorbote einer künftigen Rezession sein.“)

In einer Antwort zu meinem vorherigen Beitrag, “Der fallende Ölpreis könnte der Vorbote einer künftige Rezession sein”, sagt Volkswirt Magnus Grill (am 19. Oktober auf Schwedisch), dass ich behaupte, “das Peak Oil nicht bedeutet, dass uns das Öl ausgeht, sondern dass vielmehr die Nachfrage nach Öl verschwinden wird. Daher sei Peak Oil nicht länger eine Frage aus Sicht der Produktion, sondern nun eher aus Sicht der Nachfrage. Das bedeutet, dass Aleklett sein früheres Denken völlig verändert hat.” Ich muss Magnus Grill enttäuschen. Peak Oil  ist noch immer auf die Produktion von Öl aus Ölfeldern bezogen.

Wenn wir Peak Oil diskutieren, tun wir das aufgrund der Tatsache, dass die Erdölgewinnung in einem Gebiet oder Gruppe von Gebieten ein Maximum erreicht und sich dann abnimmt. Es gibt mehrere Faktoren, die das Produktionsprofil bestimmen, wenn die Produktion innerhalb eines Gebietes beginnt, aber schließlich sind es geologische Parameter, die dafür entscheidend sind, wann Produktion fallen wird. Wir haben das in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten diskutiert.
Wenn wir die Erdölgewinnung im Gebiet der Nordsee untersuchen, sehen wir, dass  2001 ein Maximum von 6,3 Millionen Barrel pro Tag erreicht wurde. Seitdem hat sich der Ölpreis verfünffacht und das sollte, gemäß den Wirtschaftstheorien die Produktion stimuliert haben. Die Wirklichkeit ist, dass die  Produktion seitdem auf weniger als die Hälfte des 2001 erreichten Spitzenwertes gefallen ist. Die Realität ist, dass Gebietsverteilung, Strömungsgleichungen und andere natürliche Parameter die Produktion begrenzen. Peak Oil der Nordsee war 2001.

Magnus Grill zur Folge wird die nachlassende Nachfrage den Gipfelpunkt der Erdölgewinnung verursachen. Öl wird so teuer werden, dass weniger die Mittel haben werden, dafür zu zahlen. Die Dynamik, auf die sich Grill bezieht, ist einfach nur die andere Seite derselben Medaille. Die interessante Frage in dieser Situation ist, warum der Ölpreis [in den letzten Jahren] im Vergleich zu langfristigen früheren Trends so drastisch gestiegen ist, und wie der Preistrend in der Zukunft sein wird.  Natürlich ist der Ölpreis sehr wichtig für die Bestimmung der Produktion,  besonders für die Produktion der letzten Hälfte der globalen Ölreserven. In der Anfangszeit unserer Forschungen haben wir häufig die über Ölmenge diskutiert, deren Förderung  technisch möglich ist, ohne dass wir dabei über den Preis im Detail  diskutiert haben. In einer solchen Diskussion wird Peak Oil eine Frage der technisch maximal möglichen Produktion.
Wenn der Preis die Produktion derart beeinflusst, dass  die technisch insgesamt förderbare Ölmenge nicht ausgenutzt wird, bedeutet das, dass die mit Peak Oil im Sinne von Magnus Grill (d.h. die durch Nachfrage bestimmte) verbunden Ölmenge kleiner ist als die technisch förderbare Menge. In jüngerer Zeit haben wir unsere Modelle um wirtschaftliche Parameter erweitert. So sind wir sogar imstande  gewesen zu zeigen, wie die Betreiber die  Produktion in einem Gebiet beenden können, weil die Optimierung des wirtschaftlichen Wertes des verbleibenden Öls eines bestimmten Ölfelds dies erfordert. Wir sehen, dass der Ölpreis die Höhe der Gesamtproduktion beeinflusst, aber die Form des Produktionsprofils ist dieselbe, wie für Vorhersagen, die nur die technische Machbarkeit und nicht die Wirtschaftlichkeit betrachten. In allen Fällen verringert sich die Produktion, wenn ein erheblicher Anteil, mehr als Hälfte der gesamten, technisch erschließbaren Menge sich noch im Grund befindet.
Ein anderes Beispiel sind Kanadas Ölsande, die 2006 als der zukünftige Retter der Welt vom globalen Peak Oil angesehen wurden. 2007 haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem wir die Produktion aus den Ölsanden in so genannten “Crash Management Szenarien” studiert haben. Unsere Ergebnisse zeigten eine maximal technisch mögliche Produktionsrate von 5,5 Millionen Barrel pro Tag, ungefähr im Jahr 2035. Produktionsschätzungen, die reale Faktoren wie Kosten und Rentabilität berücksichtigen, ergeben gemäß IEA (Internationaler Energieagentur) viel niedrigere Prognosen

Als wir den Ausdruck „Peak Oil“ im Jahre 2001 ins Leben gerufen haben, war es in erster Linie die herkömmliche Erdölgewinnung, die betrachtet wurde. Veröffentlichte Artikel  haben behauptet, dass dieser Aspekt der Erdölgewinnung seinen Gipfel in der Zeit zwischen 2004 bis 2010 erreichen würde. Die Internationale Energieagentur (IEA) gibt nun an, dass der Gipfel der herkömmlichen Erdölgewinnung 2008 erreicht wurde, und seitdem sehen wir einen Rückgang der herkömmlichen Erdölgewinnung. In einem wissenschaftlichen Artikel im Jahr 2009 haben wir gezeigt, dass der Prozentsatz des Produktionsrückgangs von Öl aus herkömmlichen Ölfeldern bezogen auf ein spezifisches Jahr 6 % pro Jahr beträgt. Im November im letzten Jahres hat die IEA bestätigt, dass dies die tatsächliche Rückgangsrate ist.
Wenn die Financial Times diskutiert, dass wir “Peak Oil Nachfrage” erreichen werden, dann haben sie in Wirklichkeit zugegeben, dass sie nicht glauben, dass das technisch machbare Produktionsmaximum, „Peak Oil“,  erreicht wird, weil dies einen zu hohen Ölpreis erfordern würde. Der Rückgang der  herkömmlichen Erdölgewinnung, den wir jetzt erleben, wird momentan kompensiert durch die Schieferöl-Produktion in den USA. Das bedeutet, dass die derzeitige Gesamtproduktion für einige Jahre aufrecht erhalten werden kann. Alle  neuen Grenzproduktion sind sehr preisempfindlich. Daher können wir in der Zukunft keine großen Mengen billigen Öls erwarten.
Vor zehn Jahren, als wir intensive Forschungen für die künftige Ölproduktion begannen, hat die IEA gedacht, dass fortwährendes globales Wachstum (Nachfrage) ein Produktionsniveau von 123 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 2030 erfordern würde. Heute sieht die Realität vollständig anders aus. Warum kritisieren die Wirtschaftswissenschaftler und andere nicht die IEA , weil sie sich derart geirrt hat?
KJELL ALEKLETTT
(Diskussion auf Aleklett’s Engery Mix [8])

Fazit

Ja, die FAZ hat schon recht, das Öl geht nicht aus. Es wird nur für immer mehr Menschen und Länder unbezahlbar, und deshalb wird am Ende Peak Oil sogar sehr viel schneller erreicht als die technisch förderbare, tatsächlich in der Erde vorhandenen Ölmengen vermuten lassen.

Zum Thema “Die Technik und Wissenschaft werden uns schon retten” verweise ich auf meine Blogbeiträge:
Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen [9]und Kollaps komplexer Gesellschaften – Interview mit Prof. Dr. Joseph Tainter [10]

Der Artikel “Diminishing returns?: U.S. Science Productivity Continues to Drop [11]” (deutsch: Sinkende Gewinne?: Die Produktivität der US-amerikanischen Forschung fällt weiter)  in der Zeitschrift Scientific American, vom 6.12.2010, bestätigt diese.

Das Problem mit der Technik und der Wissenschaft ist,  dass auch der technische und wissenschaftliche Fortschritt immer kostspieliger und energieintensiver wird, und damit auch so etwas wie ein Fördermaximum kennt. Dazu kommen außerdem noch die gesellschaftlichen Handicaps, von denen ich einige in meinem Beitrag  über Frauenquoten [12] und in meiner Übersetzung von Karen Straughans “Femokalypse [13] aufgezeigt habe. Momentan lese ich das Buch Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen [14] von Prof. Dr.  Manfred Spitzer, dass den Glauben an die Fähigkeiten unserer Gesellschaft, den technischen und wissenschaftlichen und auch unseren Lebensstandard aufrecht zu erhalten mit weiteren großen Fragezeichen versieht. Ich habe Prof. Spitzer erstmals bei einem Festvortrag meiner Landeszahnärztkammer erlebt. Einen Satz, den ich von diesem Vortrag besonders gut gemerkt habe war: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einigen Jahren die T-Shirts für die Chinesen nähen” (weil wir technisch-wissenschaftlich nicht mehr mithalten können).

Kelberg, den 12.12.2014

Christoph Becker

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