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Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen?

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Auf der Internetseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.faz.net, wurde am 27.8.2014 der  Artikel Sinkende Ölnachfrage – Auf Nimmerwiedersehen, Ölkrisen [2] von Franz Nestler, veröffentlicht.  Da sich der Artikel auf eine Prognose der Internationalen Energieagentur  (IEA) stützt, hier zunächst das Bild einer Grafik aus dem Buch Peaking at Peak Oil, von Prof. Kjell Aleklett, die  die erstaunliche Entwicklung der von der Internationalen Energieagentur in den Jahren 2004 bis 2008 gemachten Ölpreisprognosen bis zum Jahr 2030 wiedergibt.

Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030 [3]
Ölpreisprognosen der Internationalen Energieargentur in den Jahren 2004 bis 2008, in einer Grafik, jeweils bis zum Jahr 2030

Nach der Voraussage der IEA  von vor nur 10 Jahren, hätten wir also jetzt einen Ölpreis von nur etwas über 20 Dollar und selbst in 15 Jahren wäre der Preis immer noch nur ein Drittel des tatsächlichen heutigen Preises. Wie die Wirklichkeit der Preise seit 2010 aussieht, steht im oben erwähnen Artikel von Franz Nestler auf www.faz.net:

Der Ölpreis pendelt seit etwa vier Jahren um die Marke von 110 Dollar

Eine Tabelle mit historischen Daten für die nominalen und auch für die aus US-amerikanischer Sicht inflationsbereinigten Ölpreise finden sich hier [4]. Auffällig ist zunächst, dass der nominale Ölpreis von 1948 bis 1952 mit nur $ 2,77 gleich blieb. 1973, also mehr als 20 Jahre später überstieg er dann erstmals die Marke von $ 3,60 .  1980 erreichte er mit $ 37,42 einen vorläufigen Gipfel. 1998 betrug der 11,81 $, was zugleich für die Amerikaner auch der niedrigste inflationsbereinigte Ölpreis seit 1946 war. Von da an stieg der Ölpreis. 2005 waren es nominal $ 50,04, 2011 waren es $ 87,04 $ und  2013 $ 91,17.    Von 1998 bis 2013, also in 15 Jahren, ist der Ölpreis nominal um das 7,65-fache, bzw. um 765 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt ist der Preis um das 5,35-fache, also um 535 Prozent gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist die frohe Botschaft in dem Artikel von Franz Nestler in auf www.faz.net eher Pfeifen im Wald. Wenn der Ölpreis binnen weniger Jahre um mehr als das Fünfache gestiegen ist, ohne dass die Produktion desshalb nennenswert gestiegen ist, dann befinden wir uns  seit einigen Jahren in einer Ölkrise und es ist kein Ende in Sicht. Das zeigt auch der Artikel Peak Oil ist kein Mythos [5], von Chris Rhodes. Die von mir angefertigte und auf freizahn.de veröffentlichte deutsche Übersetzung dieses Artikels ist Teil meiner Antwort auf Franz Nestlers Artikel auf www.faz.net

Dass die Nachfrage nach Erdölprodukten in vielen Ländern bei einer derartigen Preissteigerung zurückgegangen ist, war und ist zu erwarten. Ebenso war und ist zu erwarten, dass die Schulden von Staaten und Privathaushalten, die ihren alten Lebensstandart einigermaßen halten wollen, rasant zu nehmen wenn ein für den Lebensstandart so wesentliches Produkt wie Erdöl derart viel teurer wird.  Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in  Griechenland, Spanien,  Frankreich und Italien kann man vor diesem Hintergrund als Symptome der  Ölkrise sehen, in der wir seit einigen Jahren leben.  Selbst die Aufstände in Nordafrika und im Orient, die Spannungen im Südchinesischen Meer und der Ansturm der aus Afrika kommenden Flüchtlinge im Mittelmeer kann man indirekt zu einem großten Teil auf die extrem gestiegenen Ölpreise und die damit verusachte Energieknappung zurückführen.

Die US-amerikanischen Ölproduktionsmengen

Franz Nestler schreibt in seinem Artikel auf www.faz.net über den dank Fracking erfolgten Anstieg der Ölproduktion in den USA.  Laut Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) sollten die USA nächstes Jahr sogar 9,28 Millionen Barrel je Tag fördern. Zur  Verlässlichkeit der Prognosen dieser Argentur siehe die Grafik oben. Aber wie waren die Produktiondaten in den USA in der Vergangenheit? Eine sehr umfassende Tabelle mit den Produktionsdaten von 1860 bis heute findet sich hier [6], auf der Internetseite der EIA (Energy Information Agency). Die Tabelle kann von jährlicher auf monatliche Ansicht umgeschaltet werden.  Über den Zahlen mit den jährlichen Produktionsmengen findet sich ein graphische Darstellung der Produktionsmengen.  Aus der Tabelle ist kann man entnehmen:

Die größte durschnittliche Fördermenge der USA wurde im November 1970 mit 10044  Barrel/Tag errzielt.  Die in dem FAZ-Artikel genannten, aktuellen 8,5 Millionen Barrel/Tag sind also noch immer mehr als 15% weniger. Und selbst die notorisch zu optimistischen Schätzungen der IEA gehen diesem FAZ-Artikel zur folge von nur 9,28 Millionen Barrel/Tag im Jahr 2015 aus. Das wäre noch immer weniger als die USA schon vor 45 Jahren produziert haben. Dazu kommt noch, das bei der Ermittlung der gesamten Produktionsmengen anders als 1970, heute Gase, Materialien und Flüssigkeiten als Erdöl ausgewiesen werden, die man nicht wirklich als Erdöl bezeichnen kann. Ausserdem ist wegen des stark gestiegenen, für die Öl- und Gasförderung selbst nötigen Energiebedarfs der tatsächlich anderweitig nutzbare Teil der Ölförderung geringer als früher. Zu diesen letzten beiden Aspekten siehe den Artikel Peak Oil ist kein Mythos [5], von Chris Rhodes.

Der wesentliche Unterschiede zu damals sind ferner, dass die Ölbohrungen bzw. Ölquellen heute:

Unklar ist die Größe des gesamten “ökolischen Rucksacks” der neuen, unkonventionellen Formen der Gas- und Ölförderung.  Mit ökologischem Rucksack ist der gesame Umwelt und Rescourcenverbrauch etwa im Sinne des Buches “Grüne Lügen” von Friedrich Schmidt-Bleek gemeint.

Systembedingte Tücken des Ölgeschäfts

Eine systembedingte Tücke des Ölgeschäfts ist, dass die Ölfirmen zunächst nicht sicher wissen, wo eine Bohrung Erfolg hat (es gäbe keine Fehlbohrungen, wenn sie es wüßten). Wenn eine Bohrung Erfolg hat und Öl- und/oder Gas gefördert werden kann, weiß man zunächst nicht, wie lange wieviel gefördert werden kann und wie sich der Öl- oder Gaspreis während der Nutzungsdauer einer Quelle verändert. Erst wenn die Quelle völlig erschöpft ist kann man sicher feststellen wie groß der Gewinn oder Verlust war. Man muß dazu nämlich die Summe der gesamten durch die Öl-/Gasquelle ermöglichten Einnahmen berechnen und davon die gesamten durch die Ölquelle verursachten Kosten abziehen, um den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln.  Das heißt die Firmen können zunächst nur schätzen was sie verdienen werden, und sie können sich dabei irren.

Es kann ausserdem sein, wie zeitweise in den USA bei der Gasförderung durch Fracking, dass in einer allgemeinen Euphorie sehr schnell sehr viele Bohrungen durchgeführt werden. Dadurch kann es am Markt zu Überangeboten von Gas- oder Öl kommen. Weil die Firmen ihre Bohrungen mit Krediten finanziert haben und diese  zurückzahlen und dazu auch Zinsen zahlen müssen, müssen sie das geförderte Öl/Gas auch verkaufen, selbst wenn dies mit Verlust geschieht,  um überhaupt Geld in die Kasse zu bekommen. Wenn nun zuviel gebohrt wurde, kann das Angebot zu groß werden und die Preise können sogar unter die Herstellungskosten fallen.  Die Folge ist, dass Firmen pleite gehen und dass von den Banken vergebebene Kredite oder Einlagen von Investoren abgeschrieben werden müssen.  Insgesamt geben die mit dem Fracking beschäftigten Firmen wesentlich mehr Geld aus als sie einnehmen.  Es gibt dazu mehrere Artikel, wie z.B. Where Money Goes to Die: How Fracking Blows Up Balance Sheets of Oil and Gas Companies [7] von Wolf Richter und einen Report der EIA [8].  Es kann sein, dass die Firmen momentan einfach nur viel investieren um immer mehr Bohrungen durchzuführen. Es kann aber auch sein – wie viele vermuten – dass das Fracking sich bei den derzeitigen Öl- und Gaspreisen nicht rentiert und dass sich gerade eine neue Kreditblase und Investionsblase bildet, deren Platzen wieder viel Kapital vernichtet.

Man kann ausserdem systembedingt von aktuellen Steigerungen der Fördermengen nicht auf die Größe der Vorräte schließen.  Man stelle sich dazu ein Fass voll Wasser vor, in dass man unten Löcher bohrt. Man kann die Ausfließende Wassermenge steigern indem man immer mehr Löcher in das Fass bohrt. Die maximal aus dem Fass entnehmbare Menge wird damit aber nicht größer.  Wohl aber wird das Ende der Wasserentnahme um so schneller erreicht, um so mehr Löcher man bohrt.

Bei Öl und Gas kommt noch hinzu, dass die geologischen Zusammenhänge etwas kompolizierter sind als viele glauben wollen.  Siehe auch dazu den Artikel  Peak Oil ist kein Mythos [5], von Chris Rhodes.

Fracking, Preise und Ukrainekrise

Die neuen, unkonventionellen Ölquellen in den USA sind gerade für Europa durchaus auch ein Problem, weil die amerikanischen Firmen in ihrer Europhorie und dank der günstigen Zinsen soviele Bohrungen durchgeführt haben, dass die am Markt erzielbaren Preise für Gas und Öl angesichts der hohen Kosten zu niedrig sind.  DAS könnte die eigentliche Ursache der Ukrainekrise und des amerikanischen Drängens nach Sanktionen gegen Russland sein: Wenn Russland im Gegenzug seine Öl- und Gasexporte drosselt oder wenn die Europäer sich sogar gezwungen sehen sollten statt billigem Russischen Gas teures amerikansiches Flüssiggas zu kaufen, dann würde die Nachfrage in den USA wieder steigen und damit könnte das Fracking in den USA wirtschaftlicher werden.

Das könnte aber auch zu kurz gedacht sein, weil Sanktionen und Handelskrieg letztlich Wirtschaftsaktivitäten insgesamt reduzieren und damit die Nachfrage und die Preise für Öl- und Gas drücken können. Für das was die Europäer nicht mehr für Russland produzieren und liefern können, brauchen sie auch keine Energie.  Dank der Sanktionen nicht nach Russland lieferbare Waren drängen teilweise auf andere Weltmärkte, wo sie die Preis senken und auch amerikanischen Anbietern zu schaffen machen, können – allerdings eher solchen, die nicht im Gas- und Ölgeschäft tätig sind.

Eine Preisexplosion am Ölmarkt düfte angesichts der vielen Krisen der Welt nicht etwa, wie in dem Artikel auf www.faz.net vermutet, durch das Fracking in den USA, oder durch erneuerbare Energien  ausgeblieben sein, sondern eher dadurch, dass der Ölpreis schon jetzt so hoch ist, dass eine weitere Steigerung sich so auf die Nachfrage auswirken würde, dass selbst in Deutschland und anderen Ländern, die sich die hohen Ölpreise derzeit noch leisten können, die Wirtschaft das Schicksal derjenigen Griechenlands und Spaniens ereilen würde.

Fazit

Der Rückgang der konventionellen Ölförderung in den letzten Jahren hat die Ölpreise längst in Höhen getrieben, die zu Unruhen, Schuldenkrisen und zu einem Versagen der zinspolitischen Werkzeuge der Notenbanken geführt haben.  Und doch sind die Ölpreise für die Erschließung und Nutzung der neuen unkonventionellen Ölquellen offensichtlich eher zu niedrig. Gleichzeitig steigt der Energieverbrauch für die Erschließung und Nutzung der neuen, unkonventionellen Ölquellen.

Von “Niewiedersehen, Ölkrisen” kann keine Rede sein. Die Eurokrise, Flüchtlingsströme und Unruhen in unserer Zeit sind auch Symptome zu hoher Ölpreise, bzw. einer zu teuren Ölförderung – die wiederum Folgen der sehr realen Grenzen und der zunehmenden Erschöpfung der klassischen “süßen” Ölquellen sind, denen wir das weltweite Bevölkerungswachstum, das Wirtschaftswachstum der letzten 150 Jahre,  und den einzigartigen Wohlstand der Westlichen Welt in aller erster Linie verdanken. Die Unkonventionellen, neuen Ölquellen und auch die erneuerbaren Energien sind ein kleiner Aufschub, und eine kleine Erleichterung, aber  nicht die Erlösung und Rettung als die sie euphorisch gefeiert werden.

Kelberg, den 31. August 2014

Christoph Becker

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