Fakten zu Methan und Rinderhaltung

Lesedauer 8 Minuten
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Anlass für diesen Artikel ist die Antwort des australischen Klimatologen und Mikrobiologen Walter Jehne auf die Zwischenfrage eines Zuhörers in dem für die Klimadiskussion auch sonst revolutionärem Vortrag The Soil Carbon Sponge, Climate Solutions and Healthy Water Cycles (dt.: Der Mutterboden-Kohlenstoffschwamm, Klimalösungen und gesunde  Wasserzyklen) vom 26. April 2018.

Inhaltsverzeichnis

Neutralisierung des Methans durch OH-Radikale

Ab Position 1:12:50 erklärt Walter Jehne zunächst, warum Wiederkäuer eine geniale Erfindung der Natur sind, die sich über 50 Millionen Jahren zusammen mit den Graslandschaften entwickelt haben, und die verhindern, dass diese zu Wüsten werden. Unterstellt wird dabei selbstverständlich, dass die Beweidung gut gemanagt wird. In der freien Natur haben früher im Rudel jagende Raubtiere für dieses Management gesorgt. Heute können und müssen das Menschen machen. Siehe dazu u.a. meine Artikel Ganzheitliches Weidemanagement und Abschlussvortrag der Grass Fedexchange 2016.

Bei Position 1:15:40 von Walter Jehnes Vortrag stellte ein Zuhörer die Frage, wie das denn mit dem Methan sei.

Die Antwort von Walter Jehne:

Aus [dank gut gemanagter Beweidung mit Rindern] gesunden Weiden steigt Wasserdampf auf.  Wenn Sonnenstrahlen auf Wasserdampf treffen, werden Wassermoleküle dissoziiert und es entstehen hochreaktive OH-Ionen bzw.  OH-Radikale (statt OH kann man auch Hydroxyl sagen) . Diese reagieren mit dem Methan. Über einige Zwischenschritte entsteht dann aus dem Methan Wasser und Kohlendioxid. Die Menge der über einer gesunden Weide entstehenden OH-Radikale sei 100 mal größer als das, was zur Neutralisierung der von den Rindern verursachten Methan-Emission erforderlich sei. Mit anderen Worten, bei einer dank gutem Weidemanagement gesunden Weide wird nicht nur das von den Rindern emittierte Methan neutralisiert, sondern es werden zusätzlich jede Menge überschüssige OH-Radikale produziert. Um zu verstehen, wozu das gut sein kann ist es nützlich, sich etwas mehr mit der Chemie der Troposphäre zu befassen.

Mehr zum Thema OH-Radikale und Methankreislauf

Bei der Recherche zum Thema OH-Radikale und Methan habe ich schließlich den Artikel Methan and Carbon Monoxide in the Troposphere  von Loïc Jounot gefunden.  Das mit den OH-Radikalen in den unteren Luftschichten und der Neutralisation des Methans wird dort wesentlich umfassender dargestellt. Was Walter Jehne diesbezüglich gesagt hat, ist zwar etwas einfach und verkürzt, aber grundsätzlich richtig. Wie der Artikel von Loïc Jounot  erklärt, ist es darüber hinaus sogar so, dass die OH-Radiale ganz generell als “Müllschlucker” oder “Aasgeier” der Atmosphäre funktionieren und eben nicht nur Methan, sondern auch andere giftige oder schädliche Stoffe wie z.B. Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff neutralisieren.  Da über dem aus einer gesunden Weide aufsteigendem Wasserdampf per Photodissoziation mehr als 100 mal so viele Hydroxylradikale entstehen, wie zur Neutralisation der von den Rindern verursachten Methanemissionen nötig sind,  entstehen also auch weitere Kapazitäten zur Reinigung der Luft von weiteren giftigen Gasen.

Gut gemanagte Rinderherden sind aber nur ein Werkzeug  von vielen. Die allgemeinere Feststellung ist, dass gesunde lokale Wasserkreisläufe und Vegetation generell dazu beitragen, dass in der Luft vorhandenes Methan und andere giftige Gase neutralisiert werden.

Das Absorbtionsspektrum von Methan und Wasser

Eine andere interessante Entdeckung bei meiner Recherche zum Thema Methan ist der Artikel Methane: The Irrelevant Greenhouse Gas. Wie dort gezeigt und erklärt wird, fallen die Absorbtionspitzen von Methan in die vom Wasser abgedeckten Bereiche:

Quelle: https://wattsupwiththat.com/2014/04/11/methane-the-irrelevant-greenhouse-gas/

Weil Wassermoleküle in der Atmosphäre sehr viel häufiger vorkommen als Methanmoleküle, wird die Strahlung mit der hier relevanten Wellenlänge in erster Linie Wassermoleküle und kaum Methanmoleküle treffen.

Methanotophische Bakterien

Wie schon ein meiner Übersetzung Eine klimafreundliche Rindfleischproduktion? von der australischen Bodenwissenschaftlerin Christine Jones erklärt, gibt es zudem im Boden methanotrophische Bakterien, die Methan als einzige Energiequelle nutzen und die damit ebenfalls Methan abbauen. Diese sind aber, wie Walter Jehne sich ausdrückt, nur das Sahnehäubchen auf dem dem Kuchen.

Historische Veränderungen des Methangehaltes

Wie Walter Jehne erklärt, lag der Methangehalt in der Atmosphäre in den letzten mehr als 10 Millionen Jahren bei ca. 700 ppm.  In dieser Zeit haben sich die Wiederkäuer auf der Erde massiv vermehrt. Man denke an die Bisonherden in Nordamerika und die großen Herden in Afrika. Trotzdem ist der Methangehalt in der Atmosphäre über diese lange Zeit ziemlich gleich geblieben. In jüngerer Zeit aber, sei der Methangehalt auf 1700 ppm gestiegen. Ursache dafür sei der wirtschaftliche Zusammenbruch der UdSSR unter Jelzin gewesen, der dazu geführt habe, dass die russischen Öl- und Gasförderanlagen 10 Jahre lang nicht gewartet worden seien.

Inzwischen sei der Methangehalt auf 2300 ppm gestiegen, was aber von Ort zu Ort unterschiedlich sei. Als Ursache nennt er, dass einige Nationen nun durch Fracking neue Quellen fossiler Energieträger erschließen, wodurch große Mengen Methan freigesetzt würden. Siehe dazu auch den Artikel Eingeständnis zwecks Image-Politur: Erdgas-Industrie gelobt Besserung von Christfried Lenz auf pv-Magazin vom 27. November 2018.

Zur Überprüfung der von Walter Jehne genannten Daten habe ich auf en.wikipedia.org/wiki/Atmospheric_methane nachgesehen und übernehme von dort die folgenden beiden Grafiken:

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Atmospheric_methane
Methankonzentration in der Luft in den letzten 800.000 Jahren
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Atmospheric_methane

Die Argumentation des Bauernverbandes

Schließlich habe ich wissen wollen, was der Bauernverband zum Thema Methan zu sagen hat. Gefunden habe ich die Seite www.bauernverband.de/faktencheck-methanemissionen .

Was soll man dazu sagen? Dieser Artikel hier könnte jedenfalls auch für Vertreter des Bauernverbandes interessant sein. Wenn die Kühe in Deutschland keine Klimakiller sein sollen, dann wird man, auch wenn das Methan kein Problem ist, notwendigerweise die Tierhaltung und das Weidemanagement optimieren müssen. Auf www.freizahn.de finden sich dazu inzwischen eine ganze Mengen Anregungen. Ich denke z.B. an

Meine obigen Artikel zielen nur ziemlich eng begrenzt auf praktische Aspekte. Um den größeren Rahmen in Sachen Klimaschutz zu verstehen und die Politik des Bauernverbandes besser zu optimieren, könnte es hilfreich sein, wenn man sich auch beim Bauernverband z.B. die folgenden Vorträge und Webinare ansehen würde:

Das Rain For Climate Webinar und das Buch von Kravčík et. al. erklärt letztlich auch, was sich warum in der deutschen Landwirtschaft ändern muss, und warum die deutsche Landwirtschaft am Klimawandel und auch an der Dürres des Sommers 2018, sehr wohl mit schuld ist. Zugleich eröffnen sich damit für die Landwirte und den Bauernverband aber auch phantastische Möglichkeiten um das Risiko und die Intensität von Dürren, Hitzewellen und anderen extremen Wetterlagen zur reduzieren und gleichzeitig die Betriebsergebnisse und auch das Image der Landwirtschaft zu verbessern.

Was ich zum Faktencheck des Bauernverbandes noch anmerken möchte ist, dass  man Mist und Gülle nicht nur aus Gründen des Umwelt- und Wasserschutzes ganz sicher nicht einfach so auf die Felder und Wiesen aufbringen sollte, wie ich das auch 2018 immer noch gesehen (und gerochen) habe. Vielmehr kann und sollte man Mist und Gülle fachgerecht  aerob kompostieren. Einer der wesentlichen Vorteile davon wäre, dass der Stickstoff und die anderen Nährstoffe, vor allem in Bakterien und Pilzen gespeichert wird, die ihrerseits in Aggregaten gebunden sind, was Nährstoffverluste und Gewässerbelastungen verhindert. Die Nährstoffe lässt man dann von Protozoen und von Bakterien und Pilze fressenden Nematoden freisetzen. Ammoniakemissionen kann man per Kompostierung ebenfalls vermeiden.

Zum Schluss eine Anmerkung zu dem folgenden Argument des Bauernverbandes, das ich auf dessen Faktencheck-Methanemissionen-Seite:

Dennoch ist eine reine Grasfütterung keine Lösung, um die Treibhausgase der Rinderhaltung zu reduzieren: Dadurch sänke die Milchleistung einer Kuh. Um gleich viel Milch zu erzeugen, müssten Landwirte mehr melken und mit einer Vergrößerung des Milchviehbestandes würden mehr Treibhausgase ausgestoßen.

Diese Meinung des Bauernverbandes ist nicht haltbar, bzw. sie verrät lediglich einen beträchtlichen Informationsbedarf, insbesondere in den Bereichen Bodengesundheit, Bodenmikrobilologie und Weidemanagement. Man kann, wie die Ausführungen des amerikanischen Landwirtschaftsberaters, Agrarwissenschaftlers und Farmers Dr. Allen Williams zeigen, die Nährstoffgehalte und und die Vielfalt der Weiden sehr drastisch steigern und damit Leistungen erzielen, die mit denen von Kraftfutter verwendenden Betrieben locker vergleichbar sind.  Dabei sind dann aber die Kosten geringer und die Betriebsergebnisse besser als bei der Zufütterung von Kraftfutter. D.h., faktisch sind das Gras und die Kräuter einer gut gemanagten Weide mit hoher Pflanzenvielfalt und hohen Brix-Werten von der Natur mit Hilfe des Wissens und der Intelligenz des Landwirtes optimiertes Kraftfutter. Ich möchte dazu hier noch einmal auf meine Artikel Abschlussvortrag der Grassfed Exchange 2016 und auf die in Mögliche Erträge im Biolandbau erwähnte Korrelation von Brix-Werten und der Trophäenstärke von Weiswedelhirschen hinweisen. In seinem Vortrag zum Abschluss der Grassfed Exchange 2016 hat Dr. Allen Williams geschildert, wie er zusammen mit einem Kollegen den heruntergewirtschaften, ausgelaugten Boden einer 400 ha Farm mit minimalem Aufwand optimiert und dabei insbesondere auch den Brix-Wert ganz erheblich, von anfangs 2 % auf Durchschnittlich 15 bis 20 % gesteigert hat. Dabei gelang es, die Futterpflanzenvielfalt OHNE, dass man etwas gesät hätte, nur durch Aktivierung der latenten Samenbank des Bodens, von anfangs 3 – 4 auf erstaunliche 43 Arten zu steigern.  Ich denke dagegen verblasst jede Alpenmilchkuhwerbung. Auch mit noch so teuren Kraftfuttergaben wird man die mit einer solchen Nährstoffdichte und Nährstoffvielfalt mögliche Tiergesundheit und Tierleistung kaum erreichen können. Die Betriebsgewinne der Bauern kann man dabei ganz erheblich steigern. Ich verweise hier als kleines Beispiel auf das mit Bildern und Videosequenzen gemischte Interview mit der amerikanischen Mikrobiologin Dr. Elaine Ingham auf Vimeo.  Wir Frau Ingham anmerkt, hat die Beauftragung des Kompostierungsunternehmens die Bauern weniger gekostet als sie alleine schon an Tierarztkosten einsparen konnten:  From Bankrupt Dairy Farm to Profit: How Compost Saved a Dairy Farm 200K Per Year (dt.: Vom bankrotten Milchviehbetrieb zum Profit: Wie Kompost einem Milchviehbetrieb 200.000 [Dollar] pro Jahr gespart hat ). Man hat dort faktisch die Methan- und Ammoniakemissionen durch die Gülle und andere Umweltprobleme der Rinderhaltung massiv reduziert, die Betriebskosten reduziert und  die Betriebsergebnisse prächtig gesteigert.

Andere Effekte

Wenn man versteht, dass Rinderhaltung bei adaptivem und zugleich intensivem Weidemanagement eben keine Gefahr für das Klima, sondern im Gegenteil ein unverzichtbarer Baustein einer Strategie zur Verminderung extremer Wetterereignisse und Klimaerwärmung ist, dann kann hilft das auch bei der Lösung anderer Probleme:

  • Verbesserung der Trinkwasserversorgung und des Gewässerschutzes sowie des Umweltschutzes. Siehe hierzu insbesondere auch die Auflistung überraschender Vorteile von intelligentem Weidemanagement auf der Seite www.pastureproject.org: Surprising Benefits of Livestock Rotation für Landwirte, Gesellschaft und Umwelt.
  • Politische Entspannung und Befriedung im Nahen Osten, in Afrika, Teilen Europas und in Asien.

Kelberg, den 27. August 2018

Christoph Becker

Nachträge

Prof. Dr. Peer Ederer – Milch und Klima

20.2.2020: Einen sehr interessanten, kurzen Film zum Thema und dazu auch jede Menge Erklärungen und Links von Prof. Dr. Peer Ederer findet man auch der Webseite www.milchundklima.de.

Studie zu prähistorischen Methanfreisetzungen

22.2.2020: rt.com veröffentlichte am 21.2.2020 den Artikel Doomsday prophecies of ancient methane being released as temperatures rise are WRONG, say scientists. Man hat demnach Eisbohrkerne für die Zeit vor 15.000 bis 8.000 Jahren analysiert, in der es zu einer schnelle Klimaerwärmung und damit sehr wahrscheinlich auch zur Freisetzung sehr großer Mengen Methan, etwa beim Auftauen von Sümpfen und auch durch die Auflösung weiter südlich gelegener Methanhydratvorkommen in den Ozeanen gekommen sein dürfte. Das Erstaunliche ist, dass sich die Methankonzentration in der Luft damals kaum verändert hat. Daraus kann abgeleitet werden, dass verschiedene natürliche Prozesse das freigesetzte Methan bereits unter Wasser, im Boden und in Bodennähe neutralisiert oder in CO2 umgewandelt haben.

Dazu ist zu bedenken, dass Methan eine Energiequelle ist, wenn man den Sauerstoff zur Verfügung hat, der für eine Umwandlung des Methans in in das weniger Energie enthaltende CO2 zur Verfügung hat.

Der Anstieg des den Treibhauseffekt der Atmosphäre vergrößernden Methankonzentration in der Luft geht daher wohl fast ausschließlich auf menschliche Aktivitäten und dabei insbesondere die Produktion und Verwendung von Erdgas und NICHT auf die Haltung von Wiederkäuern zurück.

Das passt zu den von Prof. Ederer in dem im Nachtrag vom 20.2.2020 verlinkten Film. Die dort gezeigten Satellitenaufnahmen zeigen global sehr unterschiedlichen Methankonzentrationen. Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist demnach in den Gebieten in denen besonders viele Rinder auf der Weide gehalten werden eher niedrig.

 

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