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Radioaktives für Gesundheit, Schönheit und Potenz

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Indem man auf Google mit “radioaktive Zahnpasta”, “radioaktive Zäpfchen”,  “radioaktive Kondome”, “radioaktive Schokolade”  oder  “röntgen Schuhgeschäft” sucht, findet man mit Blick auf den Fortschrittsglauben einige denkwürdige und zur Vorsicht mahnende Beispiele.

Unter anderem findet dann, dass eine Berliner Firma von 1940 bis 1945 tatsächlich mit Doramat, eine radioaktive  Zahnpasta angeboten und als besonders gut für Zähne und Zahnfleisch beworben hat:

Zitat (Quelle: http://www.mta-r.de/blog/doramad-zahncreme-fuer-strahlend-weisse-zaehne/ [2])

“Doramad” – die radioactive Zahncreme (ca. 1940-1945) Was heutzutage undenkbar ist und sehr naiv anmutet , gab es in den Jahren 1940 bis 1945 wirklich. Doramad – die Zahncreme, die 1940 in Deutschland auf den Markt kam, enthielt Thorium-X – eine Mischung aus Thorium und anderen radioaktiven Substanzen. Die damals neuartige Zahncreme  versprach “strahlend” weiße Zähne und Bakterienabtötung durch radioaktive Strahlung. Sie zählte damals als Meilenstein technischer Errungenschaften und wurde mit den Slogans: Biologisch wirksam  –  Reinigend  –  Keimtötend  –  Erfrischend – “Strahlend”  als „Wunderheilmittel“ angepriesen.

In den Werbebroschüren, die damals den Tageszeitungen beigelegt wurden hieß es unter anderem:  “Die unendlich kleinen Strahlenteilchen prallen auf das Zahnfleisch und massieren es.”  Ein Bestellschein für eine kostenlose Probe war beigelegt, damit sich auch ein jeder von den hervorragenden Eigenschaften des neuartigen Produktes selbst überzeugen könne.

Der Focus hatt dem

Es gab u.a. auch radioaktive Schokolade, radioaktiven Zwieback und radioaktive Zäpfchen:

In diese Kategorie des Fortschrittsglaubens gehört auch das Fluoroskop, das früher in Schuhgeschäften üblich war, und das vor dem Hintergrund der heutigen Röntgenverordnung ziemlich irre erscheint. Dazu ein Link auf einen Artikel vom 12. Januar 2017 auf  SHOEPASSION.com: Schön verstrahlt, aber passgenau – das Fluoroskop [3]. Zitat:

In der Zeit von 1920 bis 1960 kam kein gehobenes Schuhgeschäft ohne ein Fluoroskop aus, in Europa besser bekannt als „Pedoskop“. Mithilfe der Schuh-Röntgen-Apparate überprüften Verkäufer die Passgenauigkeit der Schuhe und erbrachten den bildlichen Beweis, wie der Fuß im Schuh saß. Vor allem Kinderfüße kamen in den zweifelhaften Röntgen-Genuss, um den Nachwuchs nicht etwa in zu enge Fußbekleidung zu zwängen.

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Findige PR-Experten inszenierten das Pedoskop sogar als Garant für die eigene Fußgesundheit – immerhin überführte der Schuhdurchleuchtungsapparat schlecht sitzendes Schuhwerk mit einem bildlichen Beweis. Obwohl Fachleuten zu dieser Zeit längst bekannt war, dass man für die Ermittlung der idealen Passform [4] keinen Röntgenapparat benötigte, sondern lediglich ein Längenmaß und die Einschätzung des Kunden, appellierten ausgeklügelte Werbemaßnahmen an die Angst der Kundschaft vor irreparablen Schäden der Füße. In Zeiten der Depression konzentrierte sich die Verkaufsstrategie dagegen mehr auf die finanziellen Vorteile. Gut sitzende Schuhe wurden nun als Langzeitinvestition vermarktet, die angeblich nur mithilfe der Röntgenapparate identifiziert werden konnten. So kam es, dass zwischen 1920 und 1930 rund 10.000 Fluoroskope in US-amerikanischen Schuhläden im Einsatz waren, für Deutschland sind indes keine genauen Zahlen bekannt.

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Erst als englische Studien 1949 den unwiderlegbaren Beweis erbrachten, dass die Fluoroskope genug radioaktive Strahlung erzeugten, um schwere Schädigungen und tödliche Krebserkrankungen auszulösen, erlosch nach und nach das grünlich-schimmernde Licht in den Schuhgeschäften. Während die USA bereits in den 50er Jahren die Pedoskope aus ihren Schuhgeschäften verbannten, trennten sich deutsche Schuhverkäufer erst Anfang der 70er Jahre von den gesundheitsschädigenden Fuß-Röntgenapparaten. Heute ist bekannt, dass die Strahlenbelastung durch ein Pedoskop rund das 20-fache einer modernen Thorax-Aufnahme betrug.

Was wird man in einigen Jahrzehnten von diesem und jenem halten, was man heute für besonders fortschrittlich und zeitgemäß hält???

Kelberg, den 15. März 2017
Christoph Becker

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